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Globales
Kanzlerin Merkel zur Idee der europäischen Einigung:
„Eine Frage von Krieg und Frieden“
Von Hans Georg
Diese Festlegung rief in mehreren europäischen Hauptstädten schweren Unmut hervor. Wie die Bertelsmann-Stiftung, der einflussreichste deutsche Thinktank, erklärt, muss die "europäische Einigung" weiter vorangetrieben werden; die heftig umstrittene EU-Verfassung solle "lediglich der Ausgangspunkt" sein. In einem ersten Schritt sollten alle nationalen Streitkräfte zu einer einheitlichen europäischen Armee zu verschmolzen werden. Die deutsche Kanzlerin hat diesen Vorschlag übernommen.
aus dem EU-blog der Bertelsmann-Stiftung
Foto: www.bertelsmann-stiftung.de
„Zu unserem Glück vereint“
Anlass für die scharfe Kritik an der am Sonntag verkündeten "Berliner Erklärung" war das eigenmächtige Vorgehen der Bundesregierung. Die Erklärung basiert auf einem Entwurf des Berliner Kanzleramts, der in Geheimverhandlungen mit Delegierten der EU-Mitgliedstaaten ("focal points") besprochen wurde.[1] Wie der Gesandte der Tschechischen Republik mitgeteilt hat, wurden die als "focal points" bezeichneten Verhandlungspartner nach einem einzigen bilateralen Gespräch nur noch per E-Mail informiert.[2] Die Endfassung erstellte die deutsche Kanzlerin eigenmächtig. Weder die nationalen Parlamente noch das Europaparlament hatten Einblick in den konspirativ behandelten Wortlaut, die Bevölkerung wurde in keinem einzigen Mitgliedstaat befragt. In der Erklärung, die die Exekutive im Alleingang ohne jegliche demokratische Rückkopplung verordnete, heißt es jetzt: "Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sind zu unserem Glück vereint."[3]
Wie die Bundesregierung mitteilen ließ, will sie ihr ungewöhnliches Vorgehen auch in Zukunft fortsetzen und auf diese Weise die Ratifizierung einer leicht modifizierten EU-Verfassung erzwingen. Die Methode bei der Erstellung der "Berliner Erklärung" sei "an sich ein Wert, weil wir dieses Verfahren für den zweiten Teil der Präsidentschaft fortsetzen wollen, also für den Fahrplan der Verfassung", lassen Regierungskreise streuen. Man habe herausfinden wollen: "Können die Mitgliedstaaten damit leben (...) und kommt dabei etwas Vernünftiges heraus?" Nachdem es in der vergangenen Woche gelungen ist, den tschechischen Widerstand zum Schweigen zu bringen, hofft Berlin seinen Positionen mit den jetzt erprobten Verfahrenstricks auch im Streit um die EU-Verfassung zum Durchbruch zu verhelfen.
"Bertels Frau – oder wer zieht hier die Fäden?"
Collage: Carl H. Ewald
Neuorientierung durch Bertelsmann
Weitergehende Schritte fordert die Stiftung des deutschen Medienkonzerns Bertelsmann. Sie hat Ende Februar 45 hochrangige Teilnehmer aus 21 Staaten zu einer "Strategiegruppe" zusammengerufen, darunter den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, den ehemaligen polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski, den stellvertretenden tschechischen Ministerpräsidenten Alexandr Vondra, den ehemaligen deutschen Außenminister Josef Fischer und mehrere EU-Kommissare. Der "handverlesene Teilnehmerkreis (...) deckte alle geographischen Räume der heutigen Europäischen Union ab, die EU-Beitrittstaaten und die USA", rühmt die Stiftung ihre germanozentrische Sammlungsarbeit - zwecks "strategische(r) Neuorientierung" der EU.[4]
Demnach ist die Fortentwicklung der EU "nur mit einer veränderten vertraglichen Grundlage möglich".[5] Die am Sonntag in Berlin projektierte EU-Verfassung sei "lediglich der Ausgangspunkt, um überhaupt neue Ziele angehen zu können". "Europa will als Stimme des Westens neben den Vereinigten Staaten von Amerika anerkannt sein", heißt es in einem "Memorandum", das der Debatte zugrunde lag. "Dafür sind erhebliche Anstrengungen auf globaler Bühne nötig, vom Welthandel über globale Umweltpolitik bis zum zivilen und militärischen Krisenmanagement."[6] Als nächsten Schritt zogen die Mitglieder der "Strategiegruppe" die Verschmelzung der nationalen europäischen Streitkräfte zu einer einheitlichen EU-Armee in Betracht.
„Gemeinsame europäische Armee“
Diesen Vorschlag hat sich die Bundeskanzlerin zu eigen gemacht. "In der EU selbst müssen wir einer gemeinsamen europäischen Armee näher kommen", verlangte Angela Merkel in der vergangenen Woche in der Berliner Boulevardpresse.[7] Die Forderung treibt die Debatte weit über die EU-Verfassung hinaus und schränkt den Spielraum der bisherigen Verfassungsgegner erneut ein. Dasselbe gilt auch für einen anderen Vorschlag der Bertelsmann-Stiftung, der ebenfalls der "Strategiegruppe" vorlag. Demnach soll die innere Hierarchisierung der EU noch stärker formalisiert werden, als es der Verfassungsentwurf vorsieht. Neue politische Entscheidungsbefugnis muss demnach denjenigen Staaten zuteil werden, die sich der EU-Währung angeschlossen haben: "Der Euro-Gruppe kommt eine besondere politische Gestaltungsrolle in der Europäischen Union zu."[8]
Um den Druck auf die kleineren EU-Mitglieder weiter zu erhöhen, ergeht sich die deutsche Regierung in bellizistischen Andeutungen und lässt die deutschen Europa-Pläne den Abgrund einer neuen Katastrophe überbrücken - Krieg. "Wir sollten Frieden und Demokratie nie als etwas Selbstverständliches abhaken", verkündet die Bundeskanzlerin unheilsschwanger: "Die Idee der europäischen Einigung ist auch heute noch eine Frage von Krieg und Frieden."[9] Mit ähnlichen Drohungen ist es der Bundesregierung bereits Mitte der 1990er Jahre gelungen, die Osterweiterung der EU gegen massive Widerstände durchzusetzen.
Damals hatte der heutige deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble in einem Strategiepapier erklärt, Deutschland könne "aufgefordert werden oder aus eigenen Sicherheitszwängen versucht sein, die Stabilisierung des östlichen Europa alleine und in der traditionellen Weise zu bewerkstelligen". Das Papier wurde am 1. September 1994 veröffentlicht - dem 55. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen.[10] Die Warnung der Bundeskanzlerin spinnt die damaligen Kriegsdrohungen in kaum verhüllter Form weiter und verdeutlicht die radikale Entschlossenheit der deutschen Außenpolitik, eine europäische Gesamtrationalisierung unter Berliner Ägide mit sämtlichen Mitteln zu erzwingen - offenbar auch mit militärischen.
[1] s. dazu Finales Europa
[2] s. dazu Nicht hinnehmbar
[3] "Berliner Erklärung" zum EU-Jubliäum im Wortlaut; www.tagesschau.de
[4], [5] Strategiegruppe Europa über die Zukunft der Europäischen Integration; Pressemitteilung der Bertelsmann-Stiftung 28.02.2007
[6] Memorandum zur Zukunft der Europäischen Union; Gütersloh 21.02.2007. german-foreign-policy.com dokumentiert Auszüge
[7] "Die europäische Einigung ist auch heute noch eine Frage von Krieg und Frieden"; Bild 23.03.2007
[8] Memorandum zur Zukunft der Europäischen Union; Gütersloh 21.02.2007. german-foreign-policy.com dokumentiert Auszüge.
[9] "Die europäische Einigung ist auch heute noch eine Frage von Krieg und Frieden"; Bild 23.03.2007
[10] CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages: Überlegungen zur europäischen Politik, 01.09.1994
Online-Flyer Nr. 88 vom 28.03.2007
Kanzlerin Merkel zur Idee der europäischen Einigung:
„Eine Frage von Krieg und Frieden“
Von Hans Georg
Diese Festlegung rief in mehreren europäischen Hauptstädten schweren Unmut hervor. Wie die Bertelsmann-Stiftung, der einflussreichste deutsche Thinktank, erklärt, muss die "europäische Einigung" weiter vorangetrieben werden; die heftig umstrittene EU-Verfassung solle "lediglich der Ausgangspunkt" sein. In einem ersten Schritt sollten alle nationalen Streitkräfte zu einer einheitlichen europäischen Armee zu verschmolzen werden. Die deutsche Kanzlerin hat diesen Vorschlag übernommen.
aus dem EU-blog der Bertelsmann-Stiftung
Foto: www.bertelsmann-stiftung.de
„Zu unserem Glück vereint“
Anlass für die scharfe Kritik an der am Sonntag verkündeten "Berliner Erklärung" war das eigenmächtige Vorgehen der Bundesregierung. Die Erklärung basiert auf einem Entwurf des Berliner Kanzleramts, der in Geheimverhandlungen mit Delegierten der EU-Mitgliedstaaten ("focal points") besprochen wurde.[1] Wie der Gesandte der Tschechischen Republik mitgeteilt hat, wurden die als "focal points" bezeichneten Verhandlungspartner nach einem einzigen bilateralen Gespräch nur noch per E-Mail informiert.[2] Die Endfassung erstellte die deutsche Kanzlerin eigenmächtig. Weder die nationalen Parlamente noch das Europaparlament hatten Einblick in den konspirativ behandelten Wortlaut, die Bevölkerung wurde in keinem einzigen Mitgliedstaat befragt. In der Erklärung, die die Exekutive im Alleingang ohne jegliche demokratische Rückkopplung verordnete, heißt es jetzt: "Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sind zu unserem Glück vereint."[3]
Wie die Bundesregierung mitteilen ließ, will sie ihr ungewöhnliches Vorgehen auch in Zukunft fortsetzen und auf diese Weise die Ratifizierung einer leicht modifizierten EU-Verfassung erzwingen. Die Methode bei der Erstellung der "Berliner Erklärung" sei "an sich ein Wert, weil wir dieses Verfahren für den zweiten Teil der Präsidentschaft fortsetzen wollen, also für den Fahrplan der Verfassung", lassen Regierungskreise streuen. Man habe herausfinden wollen: "Können die Mitgliedstaaten damit leben (...) und kommt dabei etwas Vernünftiges heraus?" Nachdem es in der vergangenen Woche gelungen ist, den tschechischen Widerstand zum Schweigen zu bringen, hofft Berlin seinen Positionen mit den jetzt erprobten Verfahrenstricks auch im Streit um die EU-Verfassung zum Durchbruch zu verhelfen.
"Bertels Frau – oder wer zieht hier die Fäden?"
Collage: Carl H. Ewald
Neuorientierung durch Bertelsmann
Weitergehende Schritte fordert die Stiftung des deutschen Medienkonzerns Bertelsmann. Sie hat Ende Februar 45 hochrangige Teilnehmer aus 21 Staaten zu einer "Strategiegruppe" zusammengerufen, darunter den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, den ehemaligen polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski, den stellvertretenden tschechischen Ministerpräsidenten Alexandr Vondra, den ehemaligen deutschen Außenminister Josef Fischer und mehrere EU-Kommissare. Der "handverlesene Teilnehmerkreis (...) deckte alle geographischen Räume der heutigen Europäischen Union ab, die EU-Beitrittstaaten und die USA", rühmt die Stiftung ihre germanozentrische Sammlungsarbeit - zwecks "strategische(r) Neuorientierung" der EU.[4]
Demnach ist die Fortentwicklung der EU "nur mit einer veränderten vertraglichen Grundlage möglich".[5] Die am Sonntag in Berlin projektierte EU-Verfassung sei "lediglich der Ausgangspunkt, um überhaupt neue Ziele angehen zu können". "Europa will als Stimme des Westens neben den Vereinigten Staaten von Amerika anerkannt sein", heißt es in einem "Memorandum", das der Debatte zugrunde lag. "Dafür sind erhebliche Anstrengungen auf globaler Bühne nötig, vom Welthandel über globale Umweltpolitik bis zum zivilen und militärischen Krisenmanagement."[6] Als nächsten Schritt zogen die Mitglieder der "Strategiegruppe" die Verschmelzung der nationalen europäischen Streitkräfte zu einer einheitlichen EU-Armee in Betracht.
„Gemeinsame europäische Armee“
Diesen Vorschlag hat sich die Bundeskanzlerin zu eigen gemacht. "In der EU selbst müssen wir einer gemeinsamen europäischen Armee näher kommen", verlangte Angela Merkel in der vergangenen Woche in der Berliner Boulevardpresse.[7] Die Forderung treibt die Debatte weit über die EU-Verfassung hinaus und schränkt den Spielraum der bisherigen Verfassungsgegner erneut ein. Dasselbe gilt auch für einen anderen Vorschlag der Bertelsmann-Stiftung, der ebenfalls der "Strategiegruppe" vorlag. Demnach soll die innere Hierarchisierung der EU noch stärker formalisiert werden, als es der Verfassungsentwurf vorsieht. Neue politische Entscheidungsbefugnis muss demnach denjenigen Staaten zuteil werden, die sich der EU-Währung angeschlossen haben: "Der Euro-Gruppe kommt eine besondere politische Gestaltungsrolle in der Europäischen Union zu."[8]
Um den Druck auf die kleineren EU-Mitglieder weiter zu erhöhen, ergeht sich die deutsche Regierung in bellizistischen Andeutungen und lässt die deutschen Europa-Pläne den Abgrund einer neuen Katastrophe überbrücken - Krieg. "Wir sollten Frieden und Demokratie nie als etwas Selbstverständliches abhaken", verkündet die Bundeskanzlerin unheilsschwanger: "Die Idee der europäischen Einigung ist auch heute noch eine Frage von Krieg und Frieden."[9] Mit ähnlichen Drohungen ist es der Bundesregierung bereits Mitte der 1990er Jahre gelungen, die Osterweiterung der EU gegen massive Widerstände durchzusetzen.
Damals hatte der heutige deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble in einem Strategiepapier erklärt, Deutschland könne "aufgefordert werden oder aus eigenen Sicherheitszwängen versucht sein, die Stabilisierung des östlichen Europa alleine und in der traditionellen Weise zu bewerkstelligen". Das Papier wurde am 1. September 1994 veröffentlicht - dem 55. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen.[10] Die Warnung der Bundeskanzlerin spinnt die damaligen Kriegsdrohungen in kaum verhüllter Form weiter und verdeutlicht die radikale Entschlossenheit der deutschen Außenpolitik, eine europäische Gesamtrationalisierung unter Berliner Ägide mit sämtlichen Mitteln zu erzwingen - offenbar auch mit militärischen.
[1] s. dazu Finales Europa
[2] s. dazu Nicht hinnehmbar
[3] "Berliner Erklärung" zum EU-Jubliäum im Wortlaut; www.tagesschau.de
[4], [5] Strategiegruppe Europa über die Zukunft der Europäischen Integration; Pressemitteilung der Bertelsmann-Stiftung 28.02.2007
[6] Memorandum zur Zukunft der Europäischen Union; Gütersloh 21.02.2007. german-foreign-policy.com dokumentiert Auszüge
[7] "Die europäische Einigung ist auch heute noch eine Frage von Krieg und Frieden"; Bild 23.03.2007
[8] Memorandum zur Zukunft der Europäischen Union; Gütersloh 21.02.2007. german-foreign-policy.com dokumentiert Auszüge.
[9] "Die europäische Einigung ist auch heute noch eine Frage von Krieg und Frieden"; Bild 23.03.2007
[10] CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages: Überlegungen zur europäischen Politik, 01.09.1994
Online-Flyer Nr. 88 vom 28.03.2007