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Anhörung im Landtag zur Novelle des Landesmediengesetzes
Ohrfeigen für die Regierungskoalition
Von Rainer Stach
Anhörung: Lokalfunkchefredakteur Andreas Heine (rechts) freut sich
Foto: Rainer Stach
Als Franco Clemens als Vertreter des IGR-NRW e.V. auf diese seltsame und auch Internet-öffentliche Verquickung zu sprechen kam, hatte Thorsten Schick den Saal zwischenzeitlich verlassen. Auf der Zuschauertribüne wurden seine klaren Worte mit Beifall bedacht, wenn auch der Vorsitzende vorher schon mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass Beifalls- bzw. Missfallenskundgebungen im Landtag nicht gestattet seien. Auch hier gilt, was die Regierungskoalition mit der Novelle für den Bürgerfunk umsetzen will: Des Bürgers Stimme soll nicht mehr gehört werden.
Wie zu erwarten, waren die Rollen bei der Anhörung klar verteilt. Es gab die so genannten „Lauen“, sprich Vertreter der Wissenschaft sowie der Landesanstalt für Medien, die sich inhaltlich mit dem Gesetz auseinandersetzten und auf handwerklich schlecht gemachte Passagen, weil so nicht umsetzbar, hinwiesen. Es gab die „Claqueure“ aus den Reihen des Lokalfunks, radio nrw und der Zeitungsverleger, die alles nur gutheißen konnten, weil es ihren Interessen entspricht. Wenn auch schon etliche Studien ergeben haben, dass der Radiohörer sich abends ab 18 Uhr zunehmend anderen Freizeitbeschäftigungen zuwendet, so glauben sie immer noch, dass die stetige Wiederholung des Gegenteils (Der Bürgerfunk ist Abschaltfaktor) ihren Unwahrheiten Wahrheitscharakter verleiht. Auf der Seite des Bürgerfunks gab es die „Betroffenen“: „Dann schließen wir eben unsere Radiowerkstätten.“ Und es gab die „Kämpferischen“, die sich nicht einfach die Existenzgrundlage für den letzten Bereich, in dem noch Meinungsfreiheit für den Bürger besteht, entziehen lassen wollen.
Franco Clemens – gehört zu den Kämpferischen
Foto: Rainer Stach
Kritik an verdächtiger Eile mit dem Gesetzentwurf
Eine grundlegende Kritik von ehemaligen Mitgliedern des Medienrats bezog sich auf die verdächtige Eile, mit dem Gesetzentwurf jetzt etwas regeln zu wollen, wo doch der gesamte Bereich aufgrund von Europabestimmungen und der Digitalisierung in einigen Jahren eh ganz neu geordnet werden muss.
Bemerkenswert ist, dass nun auch die Front der Lokalradios zu bröckeln beginnt. Hörte man vorher nur hinter vorgehaltener Hand, dass einige Lokalfunksender mit dem Gesetzentwurf alles andere als zufrieden sind, so urteilte diesmal öffentlich Eckhard Löser, Vorsitzender der Veranstaltergemeinschaft Lokalfunk Essen e. V., zur angestrebten Qualitätsverbesserung der Bürgerfunkbeiträge: „Diesem Anspruch wird der Gesetzentwurf nach meiner Auffassung im Wesentlichen nicht gerecht. Weder dient er einer besseren Beteiligung der Bürger am Lokalfunk, noch verbessert er deren Chancen zum Erwerb von Medienkompetenz.“ Er erklärte auch, dass in Essen seit jeher von Montag bis Freitag in der Prime-Time von 9 bis 10 Uhr Bürgerfunk gesendet wird, ohne dass dadurch Reichweitenverluste zu verzeichnen wären. Das widersprach eklatant der gerade vorher von dem schon oben erwähnten Andreas Heine aufgestellten Behauptung, er kenne keinen Chefredakteur, der nicht Probleme mit dem Bürgerfunk hätte. Aber er kennt wahrscheinlich nur seine Chefredakteure aus dem Verein der Chefredakteure. Und nicht alle Chefredakteure legen Wert darauf, in diesem Verein zu sein.
Professor Volpers wehrt sich gegen Fehlinterpretationen
Über vier Stunden hörten sich die zwischenzeitlich maximal sieben Abgeordneten von der Regierungskoalition insgesamt 26 Stellungnahmen an. Auch bei harten Ohrfeigen verzogen sie – wie man es von Vollblutpolitikern ja gewohnt ist – keine Miene. Zum Beispiel Prof. Dr. Helmut Volpers, der Autor der vielzitierten Studie zum Bürgerfunk in NRW, warf ihnen „Fehl- und Überinterpretationen“ seiner Studie vor und entzog ihnen damit endgültig die Basis für ihre Gesetzesbegründung.
Im letzten Jahr hatte die CDU schon einmal eine Anhörung zu dem Thema durchgeführt, wo die gleichen Argumente vorgetragen wurden. Aber wie die chinesischen Affen (Nichts hören – nichts sehen – nichts sagen) haben die Politiker anscheinend nichts gehört und gesehen und ihre Argumente bleiben nichtssagend. Es ist deshalb zu erwarten, dass das Gesetz nur geringfügig verändert in die zweite Lesung gehen wird und dann in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht weiter verhandelt wird.
Abgeordente an Verpflichtung erinnern
Für die im Bürgerfunk Aktiven wird es jetzt darum gehen, all den Abgeordneten, die nicht an der Anhörung teilgenommen haben, die wahre Stoßrichtung der Novelle zu verdeutlichen und sie ebenfalls eindeutig daran zu erinnern, dass sie bei Eintritt in den Landtag eine Verpflichtungserklärung abgegeben haben. Deren Text lautet: „Die Mitglieder des Landtags von Nordrhein-Westfalen bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegenüber jedem Menschen dem Frieden dienen werden.“
Denn die Konsequenz wird sein, dass Abgeordnete, die glauben, die Politik sei ein Selbstbedienungsladen für wirtschaftliche Interessen, nicht mehr wählbar sind. Ebensowenig wie ihre Helfershelfer. Und dies im ganzen Land auf allen Kanälen kundzutun, werden die Bürgerfunker nicht müde werden.
Rainer Stach
Foto: Raphael Mader
Rainer Stach ist stellv. Vorsitzender des Interessenvereins gemeinnütziger Rundfunk in NRW e.V. und Vorsitzender des Freien Lokalrundfunks Köln e.V.
Die oben erwähnte Rede von Don Franco können Sie in dieser Ausgabe im Wortlaut lesen.
Online-Flyer Nr. 89 vom 04.04.2007
Anhörung im Landtag zur Novelle des Landesmediengesetzes
Ohrfeigen für die Regierungskoalition
Von Rainer Stach
Anhörung: Lokalfunkchefredakteur Andreas Heine (rechts) freut sich
Foto: Rainer Stach
Als Franco Clemens als Vertreter des IGR-NRW e.V. auf diese seltsame und auch Internet-öffentliche Verquickung zu sprechen kam, hatte Thorsten Schick den Saal zwischenzeitlich verlassen. Auf der Zuschauertribüne wurden seine klaren Worte mit Beifall bedacht, wenn auch der Vorsitzende vorher schon mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass Beifalls- bzw. Missfallenskundgebungen im Landtag nicht gestattet seien. Auch hier gilt, was die Regierungskoalition mit der Novelle für den Bürgerfunk umsetzen will: Des Bürgers Stimme soll nicht mehr gehört werden.
Wie zu erwarten, waren die Rollen bei der Anhörung klar verteilt. Es gab die so genannten „Lauen“, sprich Vertreter der Wissenschaft sowie der Landesanstalt für Medien, die sich inhaltlich mit dem Gesetz auseinandersetzten und auf handwerklich schlecht gemachte Passagen, weil so nicht umsetzbar, hinwiesen. Es gab die „Claqueure“ aus den Reihen des Lokalfunks, radio nrw und der Zeitungsverleger, die alles nur gutheißen konnten, weil es ihren Interessen entspricht. Wenn auch schon etliche Studien ergeben haben, dass der Radiohörer sich abends ab 18 Uhr zunehmend anderen Freizeitbeschäftigungen zuwendet, so glauben sie immer noch, dass die stetige Wiederholung des Gegenteils (Der Bürgerfunk ist Abschaltfaktor) ihren Unwahrheiten Wahrheitscharakter verleiht. Auf der Seite des Bürgerfunks gab es die „Betroffenen“: „Dann schließen wir eben unsere Radiowerkstätten.“ Und es gab die „Kämpferischen“, die sich nicht einfach die Existenzgrundlage für den letzten Bereich, in dem noch Meinungsfreiheit für den Bürger besteht, entziehen lassen wollen.
Franco Clemens – gehört zu den Kämpferischen
Foto: Rainer Stach
Kritik an verdächtiger Eile mit dem Gesetzentwurf
Eine grundlegende Kritik von ehemaligen Mitgliedern des Medienrats bezog sich auf die verdächtige Eile, mit dem Gesetzentwurf jetzt etwas regeln zu wollen, wo doch der gesamte Bereich aufgrund von Europabestimmungen und der Digitalisierung in einigen Jahren eh ganz neu geordnet werden muss.
Bemerkenswert ist, dass nun auch die Front der Lokalradios zu bröckeln beginnt. Hörte man vorher nur hinter vorgehaltener Hand, dass einige Lokalfunksender mit dem Gesetzentwurf alles andere als zufrieden sind, so urteilte diesmal öffentlich Eckhard Löser, Vorsitzender der Veranstaltergemeinschaft Lokalfunk Essen e. V., zur angestrebten Qualitätsverbesserung der Bürgerfunkbeiträge: „Diesem Anspruch wird der Gesetzentwurf nach meiner Auffassung im Wesentlichen nicht gerecht. Weder dient er einer besseren Beteiligung der Bürger am Lokalfunk, noch verbessert er deren Chancen zum Erwerb von Medienkompetenz.“ Er erklärte auch, dass in Essen seit jeher von Montag bis Freitag in der Prime-Time von 9 bis 10 Uhr Bürgerfunk gesendet wird, ohne dass dadurch Reichweitenverluste zu verzeichnen wären. Das widersprach eklatant der gerade vorher von dem schon oben erwähnten Andreas Heine aufgestellten Behauptung, er kenne keinen Chefredakteur, der nicht Probleme mit dem Bürgerfunk hätte. Aber er kennt wahrscheinlich nur seine Chefredakteure aus dem Verein der Chefredakteure. Und nicht alle Chefredakteure legen Wert darauf, in diesem Verein zu sein.
Professor Volpers wehrt sich gegen Fehlinterpretationen
Über vier Stunden hörten sich die zwischenzeitlich maximal sieben Abgeordneten von der Regierungskoalition insgesamt 26 Stellungnahmen an. Auch bei harten Ohrfeigen verzogen sie – wie man es von Vollblutpolitikern ja gewohnt ist – keine Miene. Zum Beispiel Prof. Dr. Helmut Volpers, der Autor der vielzitierten Studie zum Bürgerfunk in NRW, warf ihnen „Fehl- und Überinterpretationen“ seiner Studie vor und entzog ihnen damit endgültig die Basis für ihre Gesetzesbegründung.
Im letzten Jahr hatte die CDU schon einmal eine Anhörung zu dem Thema durchgeführt, wo die gleichen Argumente vorgetragen wurden. Aber wie die chinesischen Affen (Nichts hören – nichts sehen – nichts sagen) haben die Politiker anscheinend nichts gehört und gesehen und ihre Argumente bleiben nichtssagend. Es ist deshalb zu erwarten, dass das Gesetz nur geringfügig verändert in die zweite Lesung gehen wird und dann in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht weiter verhandelt wird.
Abgeordente an Verpflichtung erinnern
Für die im Bürgerfunk Aktiven wird es jetzt darum gehen, all den Abgeordneten, die nicht an der Anhörung teilgenommen haben, die wahre Stoßrichtung der Novelle zu verdeutlichen und sie ebenfalls eindeutig daran zu erinnern, dass sie bei Eintritt in den Landtag eine Verpflichtungserklärung abgegeben haben. Deren Text lautet: „Die Mitglieder des Landtags von Nordrhein-Westfalen bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegenüber jedem Menschen dem Frieden dienen werden.“
Denn die Konsequenz wird sein, dass Abgeordnete, die glauben, die Politik sei ein Selbstbedienungsladen für wirtschaftliche Interessen, nicht mehr wählbar sind. Ebensowenig wie ihre Helfershelfer. Und dies im ganzen Land auf allen Kanälen kundzutun, werden die Bürgerfunker nicht müde werden.
Rainer Stach
Foto: Raphael Mader
Rainer Stach ist stellv. Vorsitzender des Interessenvereins gemeinnütziger Rundfunk in NRW e.V. und Vorsitzender des Freien Lokalrundfunks Köln e.V.
Die oben erwähnte Rede von Don Franco können Sie in dieser Ausgabe im Wortlaut lesen.
Online-Flyer Nr. 89 vom 04.04.2007