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Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Krieg und Frieden
Von Adenauers „Politik der Stärke“ bis zu Merkels Tornados
Ostermarsch – notwendiger denn je
Von Elvira Högemann
Vorbild waren die britischen Atomwaffengegner, die im Protest gegen die Atompolitik ihrer Regierung von London zum atomaren Standort Aldermaston demonstrierten. Vieles wurde von den englischen Freunden übernommen: das Datum der Aktion, das Zeichen der Todesrune, das man auch als die Buchstaben „ND“ (für nuclear disarmament - atomare Abrüstung) aus dem internationalen Flaggenalphabet lesen kann, und der Langstreckenehrgeiz der Demonstrationsroute. Meine Ostermärsche der 60er Jahre führten durch regentriefendes Bergisches Land (von Köln nach Düsseldorf), durch die Steinschluchten mehrerer Ruhrgebietsstädte (von Duisburg nach Dortmund), durch karge Vorfrühlingslandschaften, mal freundlich besonnt, mal mit Schnee und Regensturm durchmischt, vom bayrischen Oberland nach München.
„Dr. Elvira Högemann…“
Foto: arbeiterfotografie.com
Die Moral dieser Langzeitübungen war immer gut: die Lieder, sämtlich neu, Hillbilly-Musik mit meist frechen Texten, improvisierte Losungen und das gute Gefühl, nicht mehr allein in der Schulklasse, im Seminar den Schnabel aufzutun (wenn schon mal über Politik geredet wurde), Meinungen nicht nur zu äußern, sondern zusammen mit anderen öffentlich zu machen, eben: zu demonstrieren. Das war, am Ende der Adenauerzeit, neu.
Irgendwann haben wir bemerkt, dass die Öffentlichkeit in den Wanderungen durch Berg und Tal nicht so recht erreicht wurde - also Konzentration auf das Gebiet der großen Städte. Die Pionierzeit wird dennoch von den VeteranInnen immer noch mit einer gewissen Rührung erinnert.
Wir merkten auch, dass man nicht von Jahr zu Jahr mit den gleichen Losungen, den gleichen Transparenten auftreten konnte. Man musste den aktuellen Stand der Rüstungs- und Konfrontationspolitik bewerten, genau kritisieren, die eignen Forderungen an der Wirklichkeit schärfen. So entwickelte sich der Ostermarsch zu dem, was er heute noch ist: Gesamtbewertung der offiziellen Politik hinsichtlich ihrer Leistungen und Versäumnisse, zu einer Welt mit gesichertem Frieden beizutragen - nach Lage der Dinge: vor allem der Versäumnisse und gegenteiligen Entscheidungen -, Darstellung der eigenen Alternativen und aktuellen Forderungen, wie eine friedlichere Welt erreicht werden und was man hier und jetzt dazu tun kann.
Der Wind der Veränderung war ab Mitte der 60er Jahre spürbar: die Demonstranten wurden zahlreicher, die Forderungen mit der Vorlage der Notstandsgesetze - die konkret den Kriegsfall ins Auge fassten - entschiedener, das Bündnis der Ostermarschierer größer. Engagierte Studenten, Intellektuelle und Künstler kamen hinzu, mutige Sozialdemokraten und Gewerkschafter machten auf den Kundgebungen ihre Ablehnung der damaligen großen Koalition deutlich.
Einen Ostermarsch wie 1968 hat es weder vorher noch nachher wieder gegeben. Am Gründonnerstag war auf den Hauptsprecher der Studentenbewegung Rudi Dutschke geschossen worden, es war nicht klar, ob er das Attentat überleben würde. Die Kundgebungen und Demos konnten (und wollten) sich nicht freimachen von dem so hervorgerufenen Schrecken, der Erbitterung und dem Zorn, jeden Abend der folgenden Tage wurde in München die Auslieferung der Bildzeitung belagert (analog in anderen Städten, und unter großen Tumulten in Westberlin); die Polizei griff hart durch, unter dem Druck der Konfrontation begann an der Basis eine ziemlich irre Diskussion über legitime oder nichtlegitime Anwendung von Gewalt… Erste Trennlinien wurden sichtbar. Im nächsten Jahr aber flog uns der ganze Ostermarsch um die Ohren - nachdem im August die Staaten des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei einmarschiert waren, konnte sich das Bündnis aus Studenten und Gewerkschaftern, Sozialdemokraten, Kommunisten, linken Liberalen und kritischen Protestanten nicht mehr auf eine gemeinsame Plattform einigen.
Ostermarsch im Jahre 2003
Foto: arbeiterfotografie.com
Erst Mitte der 70er Jahre fanden sich Menschen neu zusammen, die die Tradition der Ostermärsche wieder aufnahmen. Die Kampagne für Demokratie und Abrüstung griff die Ernüchterung über die begrenzte Veränderungskraft der sozialliberalen Regierung auf: der Reformimpuls von „Mehr Demokratie wagen“ tendierte gegen Null, die Vertragseuphorie von 1972 war verflogen, neue Rüstungsrunden drohten die Entspannungspolitik zu blockieren. So wurde der Ostermarsch in vielen Städten wieder belebt, und mit dem Nachrüstungsbeschluss Ende der 70er Jahre gewannen die Demos an Kraft.
Als die Friedensbewegung mit dem Krefelder Appell zu einer großen Bewegung anwuchs, war in den 80ern für einige Jahre der Ostermarsch eine Demo zwischen vielen anderen großen Friedensmanifestationen. Damals haben viele, habe ich geglaubt, man stünde kurz davor, die Welt wirklich sicherer zu machen, atomwaffenfrei mindestens bis zum Jahr 2000, die Aufrüstung des Weltraums zu verhindern, und sukzessive auch die „klassischen“ Waffen zu verschrotten - und das Geld für zivile Projekte, für die Dritte Welt, für menschenfreundliche soziale Umgestaltungen zu verwenden.
Vorbei. Mit den Kriegen der 90er Jahre und des beginnenden 21.Jahrhunderts ist die Welt in mehr Kriege und bedrohliche Konflikte verstrickt als in den Jahrzehnten davor, und die Bundesrepublik ist seit 1999 vornean dabei, wenn Angriffskriege geführt werden. Ein Ende dieser Politik ist nicht in Sicht, im Gegenteil: die Bundeswehr wird zügig zu einer Interventionsarmee umgerüstet, ihre Einsatzorte liegen „in aller Welt“, die Kampftruppen der EU befinden sich im Aufbau, die NATO ist ein Angriffsinstrument der gesammelten Militärmacht der westlichen Industrieländer.
Ostermarsch im Jahre 2003
Foto: arbeiterfotografie.com
Kein Zweifel, Friedensaktionen, damit auch der jährliche Ostermarsch, sind notwendiger denn je. Obwohl wir wissen, dass die Mehrheit der Bevölkerung den Kriegskurs ablehnt - beim jüngsten Beschluss des Bundestags, Tornados nach Afghanistan zu schicken, waren 77 % definitiv dagegen - setzt sich das (noch) nicht in lauten Protest um. Auch deswegen muss die Friedensbewegung sich zeigen, öffentliche Aktionsangebote machen, lokal - aber auch überregional, als eine Kraft, die im ganzen Land vorhanden ist, und der man sich anschließen kann.
Unter der Hauptlosung „Kriege beenden, Völkerrecht durchsetzen - spart endlich an der Rüstung!“ findet der diesjährige Ostermarsch Rheinland am Samstag, den 7.April in Düsseldorf statt. Beginn 14 Uhr vor dem DBG-Haus in der Friedrich-Ebertstr, Demo durch die Innenstadt zum Gustaf-Gründgens-Platz (Achtung: veränderter Ort!), dort ab 15 Uhr Abschlusskundgebung.
Redebeiträge von:
Claudia Haydt, Religionswissenschaftlerin und Soziologin, Beirätin der Informationsstelle Militarisierung (IMI), Tübingen, im Vorstand der Zeitschrift „Wissenschaft und Frieden“, viele wichtige Publikationen mit Schwerpunkt Israel-Palästina, Militarisierung der EU, Islam, Friedens- und Konfliktforschung
Helmuth Prieß, Oberstleutnant a.D., 32 Jahre Berufssoldat, als Atomwaffengegner strafversetzt, wegen des Ausspruchs „alle Soldaten sind potentielle Mörder“ degradiert; seine Klage dagegen in letzter Instanz erfolgreich (1993), Mitbegründer des Arbeitskreises Darmstädter Signal (gebildet aus Bundeswehrangehörigen, 1983), langjähriger und auch heutiger Sprecher des AK.
Dazu Musik von:
Magic Street Voices. Die Kölner Band feierte in vergangenen Jahr ihr 10jähriges Bestehen, sie ist in dieser Zeit so etwas wie die „Hausband der Friedensbewegung“ geworden, hat bei großen und kleinen Aktionen die verbalen Botschaften mit eigener Musik und musikalischen Klassikern unterstützt.
Planet Moon. Die Band um den Kölner Singer-Songwriter Ralf Hahn bennnet ihre Musik am liebsten „ACOUSTIC GROOVE STORIES“; sie ist den Teilnehmern der Demos 2003 gegen den Irakkrieg noch in bester Erinnerung.
Online-Flyer Nr. 89 vom 04.04.2007
Von Adenauers „Politik der Stärke“ bis zu Merkels Tornados
Ostermarsch – notwendiger denn je
Von Elvira Högemann
Vorbild waren die britischen Atomwaffengegner, die im Protest gegen die Atompolitik ihrer Regierung von London zum atomaren Standort Aldermaston demonstrierten. Vieles wurde von den englischen Freunden übernommen: das Datum der Aktion, das Zeichen der Todesrune, das man auch als die Buchstaben „ND“ (für nuclear disarmament - atomare Abrüstung) aus dem internationalen Flaggenalphabet lesen kann, und der Langstreckenehrgeiz der Demonstrationsroute. Meine Ostermärsche der 60er Jahre führten durch regentriefendes Bergisches Land (von Köln nach Düsseldorf), durch die Steinschluchten mehrerer Ruhrgebietsstädte (von Duisburg nach Dortmund), durch karge Vorfrühlingslandschaften, mal freundlich besonnt, mal mit Schnee und Regensturm durchmischt, vom bayrischen Oberland nach München.
„Dr. Elvira Högemann…“
Foto: arbeiterfotografie.com
Die Moral dieser Langzeitübungen war immer gut: die Lieder, sämtlich neu, Hillbilly-Musik mit meist frechen Texten, improvisierte Losungen und das gute Gefühl, nicht mehr allein in der Schulklasse, im Seminar den Schnabel aufzutun (wenn schon mal über Politik geredet wurde), Meinungen nicht nur zu äußern, sondern zusammen mit anderen öffentlich zu machen, eben: zu demonstrieren. Das war, am Ende der Adenauerzeit, neu.
Irgendwann haben wir bemerkt, dass die Öffentlichkeit in den Wanderungen durch Berg und Tal nicht so recht erreicht wurde - also Konzentration auf das Gebiet der großen Städte. Die Pionierzeit wird dennoch von den VeteranInnen immer noch mit einer gewissen Rührung erinnert.
Wir merkten auch, dass man nicht von Jahr zu Jahr mit den gleichen Losungen, den gleichen Transparenten auftreten konnte. Man musste den aktuellen Stand der Rüstungs- und Konfrontationspolitik bewerten, genau kritisieren, die eignen Forderungen an der Wirklichkeit schärfen. So entwickelte sich der Ostermarsch zu dem, was er heute noch ist: Gesamtbewertung der offiziellen Politik hinsichtlich ihrer Leistungen und Versäumnisse, zu einer Welt mit gesichertem Frieden beizutragen - nach Lage der Dinge: vor allem der Versäumnisse und gegenteiligen Entscheidungen -, Darstellung der eigenen Alternativen und aktuellen Forderungen, wie eine friedlichere Welt erreicht werden und was man hier und jetzt dazu tun kann.
Der Wind der Veränderung war ab Mitte der 60er Jahre spürbar: die Demonstranten wurden zahlreicher, die Forderungen mit der Vorlage der Notstandsgesetze - die konkret den Kriegsfall ins Auge fassten - entschiedener, das Bündnis der Ostermarschierer größer. Engagierte Studenten, Intellektuelle und Künstler kamen hinzu, mutige Sozialdemokraten und Gewerkschafter machten auf den Kundgebungen ihre Ablehnung der damaligen großen Koalition deutlich.
Einen Ostermarsch wie 1968 hat es weder vorher noch nachher wieder gegeben. Am Gründonnerstag war auf den Hauptsprecher der Studentenbewegung Rudi Dutschke geschossen worden, es war nicht klar, ob er das Attentat überleben würde. Die Kundgebungen und Demos konnten (und wollten) sich nicht freimachen von dem so hervorgerufenen Schrecken, der Erbitterung und dem Zorn, jeden Abend der folgenden Tage wurde in München die Auslieferung der Bildzeitung belagert (analog in anderen Städten, und unter großen Tumulten in Westberlin); die Polizei griff hart durch, unter dem Druck der Konfrontation begann an der Basis eine ziemlich irre Diskussion über legitime oder nichtlegitime Anwendung von Gewalt… Erste Trennlinien wurden sichtbar. Im nächsten Jahr aber flog uns der ganze Ostermarsch um die Ohren - nachdem im August die Staaten des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei einmarschiert waren, konnte sich das Bündnis aus Studenten und Gewerkschaftern, Sozialdemokraten, Kommunisten, linken Liberalen und kritischen Protestanten nicht mehr auf eine gemeinsame Plattform einigen.
Ostermarsch im Jahre 2003
Foto: arbeiterfotografie.com
Erst Mitte der 70er Jahre fanden sich Menschen neu zusammen, die die Tradition der Ostermärsche wieder aufnahmen. Die Kampagne für Demokratie und Abrüstung griff die Ernüchterung über die begrenzte Veränderungskraft der sozialliberalen Regierung auf: der Reformimpuls von „Mehr Demokratie wagen“ tendierte gegen Null, die Vertragseuphorie von 1972 war verflogen, neue Rüstungsrunden drohten die Entspannungspolitik zu blockieren. So wurde der Ostermarsch in vielen Städten wieder belebt, und mit dem Nachrüstungsbeschluss Ende der 70er Jahre gewannen die Demos an Kraft.
Als die Friedensbewegung mit dem Krefelder Appell zu einer großen Bewegung anwuchs, war in den 80ern für einige Jahre der Ostermarsch eine Demo zwischen vielen anderen großen Friedensmanifestationen. Damals haben viele, habe ich geglaubt, man stünde kurz davor, die Welt wirklich sicherer zu machen, atomwaffenfrei mindestens bis zum Jahr 2000, die Aufrüstung des Weltraums zu verhindern, und sukzessive auch die „klassischen“ Waffen zu verschrotten - und das Geld für zivile Projekte, für die Dritte Welt, für menschenfreundliche soziale Umgestaltungen zu verwenden.
Vorbei. Mit den Kriegen der 90er Jahre und des beginnenden 21.Jahrhunderts ist die Welt in mehr Kriege und bedrohliche Konflikte verstrickt als in den Jahrzehnten davor, und die Bundesrepublik ist seit 1999 vornean dabei, wenn Angriffskriege geführt werden. Ein Ende dieser Politik ist nicht in Sicht, im Gegenteil: die Bundeswehr wird zügig zu einer Interventionsarmee umgerüstet, ihre Einsatzorte liegen „in aller Welt“, die Kampftruppen der EU befinden sich im Aufbau, die NATO ist ein Angriffsinstrument der gesammelten Militärmacht der westlichen Industrieländer.
Ostermarsch im Jahre 2003
Foto: arbeiterfotografie.com
Kein Zweifel, Friedensaktionen, damit auch der jährliche Ostermarsch, sind notwendiger denn je. Obwohl wir wissen, dass die Mehrheit der Bevölkerung den Kriegskurs ablehnt - beim jüngsten Beschluss des Bundestags, Tornados nach Afghanistan zu schicken, waren 77 % definitiv dagegen - setzt sich das (noch) nicht in lauten Protest um. Auch deswegen muss die Friedensbewegung sich zeigen, öffentliche Aktionsangebote machen, lokal - aber auch überregional, als eine Kraft, die im ganzen Land vorhanden ist, und der man sich anschließen kann.
Unter der Hauptlosung „Kriege beenden, Völkerrecht durchsetzen - spart endlich an der Rüstung!“ findet der diesjährige Ostermarsch Rheinland am Samstag, den 7.April in Düsseldorf statt. Beginn 14 Uhr vor dem DBG-Haus in der Friedrich-Ebertstr, Demo durch die Innenstadt zum Gustaf-Gründgens-Platz (Achtung: veränderter Ort!), dort ab 15 Uhr Abschlusskundgebung.
Redebeiträge von:
Claudia Haydt, Religionswissenschaftlerin und Soziologin, Beirätin der Informationsstelle Militarisierung (IMI), Tübingen, im Vorstand der Zeitschrift „Wissenschaft und Frieden“, viele wichtige Publikationen mit Schwerpunkt Israel-Palästina, Militarisierung der EU, Islam, Friedens- und Konfliktforschung
Helmuth Prieß, Oberstleutnant a.D., 32 Jahre Berufssoldat, als Atomwaffengegner strafversetzt, wegen des Ausspruchs „alle Soldaten sind potentielle Mörder“ degradiert; seine Klage dagegen in letzter Instanz erfolgreich (1993), Mitbegründer des Arbeitskreises Darmstädter Signal (gebildet aus Bundeswehrangehörigen, 1983), langjähriger und auch heutiger Sprecher des AK.
Dazu Musik von:
Magic Street Voices. Die Kölner Band feierte in vergangenen Jahr ihr 10jähriges Bestehen, sie ist in dieser Zeit so etwas wie die „Hausband der Friedensbewegung“ geworden, hat bei großen und kleinen Aktionen die verbalen Botschaften mit eigener Musik und musikalischen Klassikern unterstützt.
Planet Moon. Die Band um den Kölner Singer-Songwriter Ralf Hahn bennnet ihre Musik am liebsten „ACOUSTIC GROOVE STORIES“; sie ist den Teilnehmern der Demos 2003 gegen den Irakkrieg noch in bester Erinnerung.
Online-Flyer Nr. 89 vom 04.04.2007