Grundrechte-Report 2007 ist erschienen
Missachtung höchstrichterlicher Urteile
Von Christel Mertens
„Insgesamt beunruhigend“
Doch gebe es, so der ehemalige Richter weiter, auch gute Nachrichten. Kühling verwies auf positive Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die einem nachlässigen Umgang der Behörden und Gerichte mit den Grundrechten in zahlreichen Entscheidungen entgegengetreten seien.
Jürgen Kühling – Bundesverfassungsrichter a.D.
Foto: NRhZ-Archiv
„Online-Durchsuchungen“
Die neun herausgebenden Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen zeigen sich insbesondere besorgt über zunehmende Missachtung höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die gesetzgebende und vollziehende Gewalt – in diesem Jahr ein Schwerpunktthema des Reports. So zeigt eine Analyse der novellierten Polizeigesetze der Länder, dass diese insbesondere den zum Schutz der Menschenwürde formulierten, strengen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Telekommunikationsüberwachung nicht gerecht werden. Eine Entwicklung, die sich auch in der aktuellen Diskussion um „Online-Durchsuchungen“ spiegelt. Weitere Beispiele bilden Fälle aus dem Strafvollzug, in denen Gefangenen gerichtlich zugesprochene Hafterleichterungen durch die jeweilige Anstaltsleitung verweigert wurden.
Geschürte Sicherheitshysterie
Daneben thematisiert der diesjährige Report erneut die im Namen des so genannten „Krieges gegen den Terror“ geschürte Sicherheitshysterie, in deren Sog mittlerweile auch friedliche Globalisierungskritiker geraten. Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Peter Grottian schilderte anläßlich der Präsentation als persönlich Betroffener, wie ihn der Verfassungsschutz wegen seines Engagements im Berliner Sozialforum ausspähte.
Dabei wies er auf die Parallelen zum jüngst erfolgten polizeilichen Großeinsatz gegen Gegner des G8-Gipfels hin. „Hier wird aufgrund fadenscheiniger Vermutungen eine Kontaktschuld konstruiert, die dann zur Basis unverhältnismäßiger staatlicher Überwachung herangezogen wird“, kritisierte Grottian.
Der Grundrechte-Report 2007 greift daneben auch Einzelfälle schwerwiegender Grundrechtsverletzungen auf, etwa den des Heidelberger Lehrers Michael Csaszkóczy auf, über den wegen seines antifaschistischen Engagements ein zunächst gerichtlich bestätigtes Berufsverbot (mittlerweile aufgehoben) verhängt wurde, sowie die jahrelange Ausspähung eines Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst.
Auch positive Beispiele
Doch die Autorinnen und Autoren des Grundrechte-Reports legen nicht nur den Finger in die Wunden grundrechtsgefährdender Irrwege, sie zeigen auch positive Beispiele der Verteidigung bürgerlicher Freiheiten auf. So fasst etwa Bundestagsvizepräsident a. D. Burkhard Hirsch in einem ausführlichen Beitrag die Diskussion um das Luftsicherheitsgesetz und das richtungweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu zusammen.
Burkhard Hirsch – Bundestagsvizepräsident a.D.
Foto: NRhZ-Archiv
Der Grundrechte-Report erscheint seit 1997 jährlich zum Tag des Grundgesetzes (23. Mai) und kritisiert Beeinträchtigungen von Grund- und Menschenrechten durch staatliche Gewalt. Herausgebende Organisationen sind die Humanistische Union, die Gustav Heinemann-Initiative, das Komitee für Grundrechte und Demokratie, der Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen, die Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälte-Verein, die Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen, die Neue RichterInnenvereinigung und die Internationale Liga für Menschenrechte.
Online-Flyer Nr. 97 vom 30.05.2007