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Arbeit und Soziales
Wie die Bundesarbeitsagentur gegen Bürgerinnen und Bürger handelt
Laborversuche (Teil 2)
Von Prof. Dr. Helga Spindler
2) Hauptsache Leiharbeit
Schon im Jahr 2000 wies eine Broschüre der Bertelsmann Stiftung zum Netzwerk Initiative für Beschäftigung“ Herrn Rainer Bomba als Mitglied des Landesarbeitsamtes Hessen und Ansprechpartner für das Projekt „Beschäftigungsmotor Zeitarbeit“ aus.
In diesem Projekt in Kooperation mit den Firmen Manpower, Randstad, Dekra Arbeit und dem Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft sollten mit öffentlicher Förderung 500 Langzeitarbeitslose in Unternehmen vermittelt werden, wobei man nichts darüber erfährt, zu welchen Bedingungen das erfolgen sollte. Wohl aber über die weiteren Ziele des Projekts: für die Zeitarbeitsfirmen sollten nicht nur geschäftliche Vorteile, sondern auch gesellschaftliches Engagement und „legitimer Imagegewinn“ herausspringen.
Bomba gehörte zu den (ganz wenigen, handverlesenen) Funktionären der Bundesanstalt, die 2002 Zuarbeiten für die Hartz-Kommission liefern durften. Der Arbeitszusammenhang spricht dafür, dass diese Zuarbeit darin bestand, bei der Konzeption der Personal-Service Agenturen (PSA) mitzuarbeiten, die als staatlich geförderte Leiharbeitsfirmen zu einem Kernbereich der Hartz-Vorschläge zählten. Durchgesetzt in der Kommission hatte sich der hessische Landesarbeitsamtsleiter Wilhelm Schickler, der parallel zur Kommissionsarbeit eine weitere Arbeitsgruppe betrieben hat.
Hartz IV bedeutet: Lohnkürzung ...
Weil es für die PSA noch an detaillierten konkreten Konzepten fehlte, „haben sich die Bertelsmann Stiftung, die Bundesanstalt für Arbeit und McKinsey & Company entschlossen, ihr know-how zu bündeln und parallel zur Arbeit der Kommission mit vereinten Kräften einen Beitrag zu leisten. >Gemeinsam sind wir stark< war hier das Motto [...]. Das Ergebnis dieser ebenso intensiven wie fruchtbaren Zusammenarbeit von hochrangigen Experten der beteiligten Institutionen“ war die Broschüre »Die Personal-Service- Agentur (PSA)«, die bereits Anfang Herbst 2002 vorlag und schon in den Kommissionsbericht eingespeist wurde. Zu Löhnen in Höhe des Arbeitslosengeldes II oder ein wenig darüber, sollten mehrere hunderttausend Arbeitslose in diesen Agenturen arbeiten. Im Vorwort zeichnete Heinrich Alt für die Bundesanstalt, und einer dieser „hochrangigen Experten“ scheint Rainer Bomba gewesen zu sein.
Diese Mühe war, wie wir inzwischen wissen, zunächst vergebens. Die niederländische Firma Maatwerk hatte über 200 Aufträge für PSAen durch ein besonders günstiges Angebot an sich gezogen und hatte sich diesem Geschäft nicht gewachsen gezeigt. Unseriöse Abrechnung von Zuschüssen und schlechte Behandlung von Arbeitslosen ließ man ihr noch durchgehen, aber den Konkurs im Februar 2004 konnte man dann doch nicht abwenden (»Pleite nach Maß«, Spiegel 9/2004: 99). Sie war aber nicht ganz vergebens, denn die reguläre Leiharbeit in Deutschland hat nebenbei ihren Imagegewinn
bekommen, wurde von arbeitsrechtlichen Beschränkungen befreit und sogar von den Gewerkschaften mit einem Tarifabschluss honoriert, der noch unter den Mindestarbeitsbedingungen in einigen Nachbarländern liegt. Damit
hatte die gescheiterte PSA vermutlich ihren eigentlichen Hauptzweck erfüllt, denn die Deutschen sollten bezüglich ihrer Skepsis gegenüber der Leiharbeit umerzogen werden.
Und unbeeindruckt von allen Fehlentwicklungen erschien noch im Dezember 2004 in der Unternehmerpostille ZOOM in NRW (S. 10,11) ein Interview mit dem inzwischen zum Geschäftsführer der Regionaldirektion NRW aufgestiegenen Rainer Bomba, in dem er ohne Unterlass die “Qualität“, die „Qualität bei der Auswahl“ und das „laufende Qualitätsmanagement“ bei der Durchführung der PSA in den höchsten Tönen lobt, und die hervorragende Möglichkeit anpreist, „ohne Personalverantwortung“ vor allem im Helferbereich Arbeitnehmer ausprobieren zu können. Nach dem Scheitern der PSA scheint sich der ursprüngliche Plan, direkt mit den Leiharbeitsfirmen zu kooperieren,
wieder durchgesetzt zu haben. Im April 2007 hat die Bundesagentur mit 15 Leiharbeitsfirmen einen Kooperationsvertrag abgeschlossen, der diesen Firmen direkt bei den Arbeitsagenturen Büroräume und bevorzugten Zugriff auf die Arbeitslosen sichern soll und auch gegenseitige Hospitationen vorsieht. Auch jetzt ist ein Hauptziel, Vorurteile gegen die Branche abzubauen und die „Bedürfnisse der Zeitarbeitunternehmen so weit wie möglich zu berücksichtigen“. Eine Berücksichtigung der Bedürfnisse der Arbeitslosen ist wieder einmal nicht vereinbart. Doch Rainer Bomba hat sich inzwischen anderen Projekten zugewandt.
... bei immer weniger Vollzeitstellen (hier: ARGE Köln)
Fotos: H.-D. Hey, gesichter zei(ch/g)en
3) Barrieren im Kundenstrom
Bevor ihn der Weg als „Geschäftsführer operativ“ nach NRW führte, hat er noch das Konzept für die Hauptstadtvertretung der Bundesagentur (BA) in Berlin entworfen, zu deren Leiter Wilhelm Schickler aus Hessen aufstieg, und für deren Neugründung trotz aller Sparnotwendigkeiten noch genügend Geld übrig gewesen sein muss. Und er vertrat als Projektleiter auch in den Medien ein zentrales Reformprojekt im Rahmen von Hartz III, nämlich den Aufbau der neuen „Kundenzentren“ der BA.
Seit Ende 2003 soll es Pilgergruppen in die schöne neue Modellwelt des Kundenzentrums Heilbronn gegeben haben (K. O. Sattler in: Das Parlament 9/2004 vom 23.2.2004), für das Rainer Bomba verantwortlich zeichnete, bzw. das er nach der Meldung der Berliner Morgenpost vom 20.2.2004 erfunden haben soll. Er begleitete auch Kanzler Gerhard Schröder im Februar 2004 bei einem Pressetermin und erklärte ihm seine Vorstellung: dunkle Flure, düstere Pförtnerboxen als abschreckende Barrieren, lange Warteschlangen, wenig Zeit für Vermittlung und Beratungsgespräche, das alles sollte der Vergangenheit angehören. Die Arbeitslosen sollten „Kunden“ werden, er wolle “den Druck aus den Fluren rausnehmen“ und von ihm soll gar der Satz stammen: „Bei uns sollen sich Kunden fühlen wie Privatpatienten“. („Das Parlament“ a.a.O.)
Das hörte sich gut an, aber schon die ersten Journalisten kamen ins Grübeln, als sie erfuhren, wie er dieses Ziel erreichen wollte. Nämlich durch ein konsequentes „Kundenstrommanagement“, das er als begeisterter Anhänger von McKinsey (Süddeutsche Zeitung 14.11.2003) den alten Arbeitsämtern verordnete. Symbolisch dafür stand im Eingangsbereich des neuen Amtes ein weißer Tresen, an dem sehr freundliche, aber des weiteren Verwaltungsverfahrens offensichtlich unkundige Damen die Arbeitslosen begrüßen, Schriftstücke annehmen und ansonsten an diverse Terminals oder Telefone verweisen sollten. Unsichtbare Hauptaufgabe dieses „Kundenportals“ sind aber nach dem Willen seines Erfinders, die „Segmentierung der Kundenströme“, das „ Wegfiltern“ von etwa 70% der sog. Kleinanliegen, eine Hürde zu bilden, die verhindert, dass der Arbeitslose ohne einen Termin eigenmächtig “in die Tiefen des Amtes vordringen“ kann, etwas, was nach der ursprünglichen Planung von Herrn Bomba überhaupt nur noch schwierigen Kunden vorbehalten sein sollte.
Termine im Amt sind erst mit zeitlichem Abstand zu bekommen und nachdem man sich durch ein Labyrinth von Callcentern telephoniert hat. Nach seiner Planung sollten dafür 2.500 Mitarbeiter der BA in abgelegenen Callcentern unerreichbar verschwinden. Auch der Papierberg von Anträgen und Arbeitspakete mit intimen Fragestellungen zur eigenen Persönlichkeitsstruktur sollten eigenständig bewältigt werden. Nur wer nach einem jedenfalls für die Kunden undurchsichtigen System als dringlich eingestuft wurde, sollte noch zu einem mit einigen leibhaftigen Mitarbeitern besetzten, hellen Großraumbüro der von ihm so bezeichneten „Eingangszone“ vorgelassen werden, das aber nichts mit individueller Sachbearbeitung zu tun hat und mit einer geschützten Gesprächsatmosphäre schon gar nichts.
Zur Leistungssachbearbeitung sollte gar überhaupt kein Durchkommen möglich sein. Nach einer Vorselektion sollte den Arbeitsvermittlern laut Plan im dann vereinbarten Termin für die leicht gängigen Marktkunden 30 Minuten, für die schwierigeren Beratungskunden 45 Minuten „als garantiertes Zeitbudget zu Verfügung“ stehen. 30 Sekunden waren für das Gespräch am Tresen eingeplant; umfassendere soziale Beratung oder Berufsberatung, Krisenintervention in besonders akuten Problemlagen oder vielleicht ein Folgetermin nirgendwo.
Durch ein Versehen wurde einem Reporter dann doch bekannt, dass der weiße Tresen in Heilbronn so neu nicht war. “Früher war das Stück eine ausrangierte Theke, die im Keller des alten Arbeitsamtes vor sich hin verstaubt war“ - und jetzt einfach rasch weiß gestrichen worden war. Das ist auch ein Symbol für die Konzepte von Rainer Bomba und Mc Kinsey: die alten Warteschlangen werden zu modernen, virtuellen Warteschlangen, der dunkle Pförtnerkasten wird nur hell getüncht. Während aber früher
noch jeder mit seinem Anliegen zu Fachkräften bei Sozial- und Arbeitsämtern vordringen konnte, wird er jetzt einer rigiden Selektion unterworfen. Der persönliche Behördenkontakt in einer häufig komplexen krisenhaften Lebenslage wird nur rationiert und in keiner Weise inhaltlich verbessert und durch zusätzliche Fachkräfte ergänzt, zumal die vor ihren Kunden abgeschirmten Arbeitsvermittler auch noch intern scharfen Erfolgskontrollen unterliegen, den „Kundenstamm“ mit welchen Mitteln auch immer zu reduzieren.
Lesen Sie in NRhZ 111 „Wunder gibt es immer wieder – die Bürgerarbeit“ und in NRhZ 112 „Quo vadis Bundesagentur?“ und „Ausblick: Glückliche Arbeitslose in Bayern?“ (HDH)Der Artikel erschien ebenfalls auf der Website der Arbeitnehmerkammer Bremen.
Online-Flyer Nr. 110 vom 29.08.2007
Wie die Bundesarbeitsagentur gegen Bürgerinnen und Bürger handelt
Laborversuche (Teil 2)
Von Prof. Dr. Helga Spindler
2) Hauptsache Leiharbeit
Schon im Jahr 2000 wies eine Broschüre der Bertelsmann Stiftung zum Netzwerk Initiative für Beschäftigung“ Herrn Rainer Bomba als Mitglied des Landesarbeitsamtes Hessen und Ansprechpartner für das Projekt „Beschäftigungsmotor Zeitarbeit“ aus.
In diesem Projekt in Kooperation mit den Firmen Manpower, Randstad, Dekra Arbeit und dem Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft sollten mit öffentlicher Förderung 500 Langzeitarbeitslose in Unternehmen vermittelt werden, wobei man nichts darüber erfährt, zu welchen Bedingungen das erfolgen sollte. Wohl aber über die weiteren Ziele des Projekts: für die Zeitarbeitsfirmen sollten nicht nur geschäftliche Vorteile, sondern auch gesellschaftliches Engagement und „legitimer Imagegewinn“ herausspringen.
Bomba gehörte zu den (ganz wenigen, handverlesenen) Funktionären der Bundesanstalt, die 2002 Zuarbeiten für die Hartz-Kommission liefern durften. Der Arbeitszusammenhang spricht dafür, dass diese Zuarbeit darin bestand, bei der Konzeption der Personal-Service Agenturen (PSA) mitzuarbeiten, die als staatlich geförderte Leiharbeitsfirmen zu einem Kernbereich der Hartz-Vorschläge zählten. Durchgesetzt in der Kommission hatte sich der hessische Landesarbeitsamtsleiter Wilhelm Schickler, der parallel zur Kommissionsarbeit eine weitere Arbeitsgruppe betrieben hat.
Hartz IV bedeutet: Lohnkürzung ...
Weil es für die PSA noch an detaillierten konkreten Konzepten fehlte, „haben sich die Bertelsmann Stiftung, die Bundesanstalt für Arbeit und McKinsey & Company entschlossen, ihr know-how zu bündeln und parallel zur Arbeit der Kommission mit vereinten Kräften einen Beitrag zu leisten. >Gemeinsam sind wir stark< war hier das Motto [...]. Das Ergebnis dieser ebenso intensiven wie fruchtbaren Zusammenarbeit von hochrangigen Experten der beteiligten Institutionen“ war die Broschüre »Die Personal-Service- Agentur (PSA)«, die bereits Anfang Herbst 2002 vorlag und schon in den Kommissionsbericht eingespeist wurde. Zu Löhnen in Höhe des Arbeitslosengeldes II oder ein wenig darüber, sollten mehrere hunderttausend Arbeitslose in diesen Agenturen arbeiten. Im Vorwort zeichnete Heinrich Alt für die Bundesanstalt, und einer dieser „hochrangigen Experten“ scheint Rainer Bomba gewesen zu sein.
Diese Mühe war, wie wir inzwischen wissen, zunächst vergebens. Die niederländische Firma Maatwerk hatte über 200 Aufträge für PSAen durch ein besonders günstiges Angebot an sich gezogen und hatte sich diesem Geschäft nicht gewachsen gezeigt. Unseriöse Abrechnung von Zuschüssen und schlechte Behandlung von Arbeitslosen ließ man ihr noch durchgehen, aber den Konkurs im Februar 2004 konnte man dann doch nicht abwenden (»Pleite nach Maß«, Spiegel 9/2004: 99). Sie war aber nicht ganz vergebens, denn die reguläre Leiharbeit in Deutschland hat nebenbei ihren Imagegewinn
bekommen, wurde von arbeitsrechtlichen Beschränkungen befreit und sogar von den Gewerkschaften mit einem Tarifabschluss honoriert, der noch unter den Mindestarbeitsbedingungen in einigen Nachbarländern liegt. Damit
hatte die gescheiterte PSA vermutlich ihren eigentlichen Hauptzweck erfüllt, denn die Deutschen sollten bezüglich ihrer Skepsis gegenüber der Leiharbeit umerzogen werden.
Und unbeeindruckt von allen Fehlentwicklungen erschien noch im Dezember 2004 in der Unternehmerpostille ZOOM in NRW (S. 10,11) ein Interview mit dem inzwischen zum Geschäftsführer der Regionaldirektion NRW aufgestiegenen Rainer Bomba, in dem er ohne Unterlass die “Qualität“, die „Qualität bei der Auswahl“ und das „laufende Qualitätsmanagement“ bei der Durchführung der PSA in den höchsten Tönen lobt, und die hervorragende Möglichkeit anpreist, „ohne Personalverantwortung“ vor allem im Helferbereich Arbeitnehmer ausprobieren zu können. Nach dem Scheitern der PSA scheint sich der ursprüngliche Plan, direkt mit den Leiharbeitsfirmen zu kooperieren,
wieder durchgesetzt zu haben. Im April 2007 hat die Bundesagentur mit 15 Leiharbeitsfirmen einen Kooperationsvertrag abgeschlossen, der diesen Firmen direkt bei den Arbeitsagenturen Büroräume und bevorzugten Zugriff auf die Arbeitslosen sichern soll und auch gegenseitige Hospitationen vorsieht. Auch jetzt ist ein Hauptziel, Vorurteile gegen die Branche abzubauen und die „Bedürfnisse der Zeitarbeitunternehmen so weit wie möglich zu berücksichtigen“. Eine Berücksichtigung der Bedürfnisse der Arbeitslosen ist wieder einmal nicht vereinbart. Doch Rainer Bomba hat sich inzwischen anderen Projekten zugewandt.
... bei immer weniger Vollzeitstellen (hier: ARGE Köln)
Fotos: H.-D. Hey, gesichter zei(ch/g)en
3) Barrieren im Kundenstrom
Bevor ihn der Weg als „Geschäftsführer operativ“ nach NRW führte, hat er noch das Konzept für die Hauptstadtvertretung der Bundesagentur (BA) in Berlin entworfen, zu deren Leiter Wilhelm Schickler aus Hessen aufstieg, und für deren Neugründung trotz aller Sparnotwendigkeiten noch genügend Geld übrig gewesen sein muss. Und er vertrat als Projektleiter auch in den Medien ein zentrales Reformprojekt im Rahmen von Hartz III, nämlich den Aufbau der neuen „Kundenzentren“ der BA.
Seit Ende 2003 soll es Pilgergruppen in die schöne neue Modellwelt des Kundenzentrums Heilbronn gegeben haben (K. O. Sattler in: Das Parlament 9/2004 vom 23.2.2004), für das Rainer Bomba verantwortlich zeichnete, bzw. das er nach der Meldung der Berliner Morgenpost vom 20.2.2004 erfunden haben soll. Er begleitete auch Kanzler Gerhard Schröder im Februar 2004 bei einem Pressetermin und erklärte ihm seine Vorstellung: dunkle Flure, düstere Pförtnerboxen als abschreckende Barrieren, lange Warteschlangen, wenig Zeit für Vermittlung und Beratungsgespräche, das alles sollte der Vergangenheit angehören. Die Arbeitslosen sollten „Kunden“ werden, er wolle “den Druck aus den Fluren rausnehmen“ und von ihm soll gar der Satz stammen: „Bei uns sollen sich Kunden fühlen wie Privatpatienten“. („Das Parlament“ a.a.O.)
Das hörte sich gut an, aber schon die ersten Journalisten kamen ins Grübeln, als sie erfuhren, wie er dieses Ziel erreichen wollte. Nämlich durch ein konsequentes „Kundenstrommanagement“, das er als begeisterter Anhänger von McKinsey (Süddeutsche Zeitung 14.11.2003) den alten Arbeitsämtern verordnete. Symbolisch dafür stand im Eingangsbereich des neuen Amtes ein weißer Tresen, an dem sehr freundliche, aber des weiteren Verwaltungsverfahrens offensichtlich unkundige Damen die Arbeitslosen begrüßen, Schriftstücke annehmen und ansonsten an diverse Terminals oder Telefone verweisen sollten. Unsichtbare Hauptaufgabe dieses „Kundenportals“ sind aber nach dem Willen seines Erfinders, die „Segmentierung der Kundenströme“, das „ Wegfiltern“ von etwa 70% der sog. Kleinanliegen, eine Hürde zu bilden, die verhindert, dass der Arbeitslose ohne einen Termin eigenmächtig “in die Tiefen des Amtes vordringen“ kann, etwas, was nach der ursprünglichen Planung von Herrn Bomba überhaupt nur noch schwierigen Kunden vorbehalten sein sollte.
Termine im Amt sind erst mit zeitlichem Abstand zu bekommen und nachdem man sich durch ein Labyrinth von Callcentern telephoniert hat. Nach seiner Planung sollten dafür 2.500 Mitarbeiter der BA in abgelegenen Callcentern unerreichbar verschwinden. Auch der Papierberg von Anträgen und Arbeitspakete mit intimen Fragestellungen zur eigenen Persönlichkeitsstruktur sollten eigenständig bewältigt werden. Nur wer nach einem jedenfalls für die Kunden undurchsichtigen System als dringlich eingestuft wurde, sollte noch zu einem mit einigen leibhaftigen Mitarbeitern besetzten, hellen Großraumbüro der von ihm so bezeichneten „Eingangszone“ vorgelassen werden, das aber nichts mit individueller Sachbearbeitung zu tun hat und mit einer geschützten Gesprächsatmosphäre schon gar nichts.
Zur Leistungssachbearbeitung sollte gar überhaupt kein Durchkommen möglich sein. Nach einer Vorselektion sollte den Arbeitsvermittlern laut Plan im dann vereinbarten Termin für die leicht gängigen Marktkunden 30 Minuten, für die schwierigeren Beratungskunden 45 Minuten „als garantiertes Zeitbudget zu Verfügung“ stehen. 30 Sekunden waren für das Gespräch am Tresen eingeplant; umfassendere soziale Beratung oder Berufsberatung, Krisenintervention in besonders akuten Problemlagen oder vielleicht ein Folgetermin nirgendwo.
Durch ein Versehen wurde einem Reporter dann doch bekannt, dass der weiße Tresen in Heilbronn so neu nicht war. “Früher war das Stück eine ausrangierte Theke, die im Keller des alten Arbeitsamtes vor sich hin verstaubt war“ - und jetzt einfach rasch weiß gestrichen worden war. Das ist auch ein Symbol für die Konzepte von Rainer Bomba und Mc Kinsey: die alten Warteschlangen werden zu modernen, virtuellen Warteschlangen, der dunkle Pförtnerkasten wird nur hell getüncht. Während aber früher
noch jeder mit seinem Anliegen zu Fachkräften bei Sozial- und Arbeitsämtern vordringen konnte, wird er jetzt einer rigiden Selektion unterworfen. Der persönliche Behördenkontakt in einer häufig komplexen krisenhaften Lebenslage wird nur rationiert und in keiner Weise inhaltlich verbessert und durch zusätzliche Fachkräfte ergänzt, zumal die vor ihren Kunden abgeschirmten Arbeitsvermittler auch noch intern scharfen Erfolgskontrollen unterliegen, den „Kundenstamm“ mit welchen Mitteln auch immer zu reduzieren.
Lesen Sie in NRhZ 111 „Wunder gibt es immer wieder – die Bürgerarbeit“ und in NRhZ 112 „Quo vadis Bundesagentur?“ und „Ausblick: Glückliche Arbeitslose in Bayern?“ (HDH)Der Artikel erschien ebenfalls auf der Website der Arbeitnehmerkammer Bremen.
Online-Flyer Nr. 110 vom 29.08.2007