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GEHEIM - Das Kölner Magazin gegen die Geheimdienste
20 Jahre und kein bisschen heiser...
Von Michael Opperskalski
20 Jahre ist es her, als im Frühsommer 1985 die 0-Nummer das Magazins GEHEIM das Licht der Welt erblickte. Die Idee für ein geheimdienstkritisches Magazin in der BRD wurde allerdings schon Anfang der 80er Jahre im sandinistischen Nicaragua geboren. Hintergrund waren Entwicklungen in den USA, aber auch revolutionäre Herausforderungen in Iran, Afghanistan, Nicaragua, El Salvador oder Grenada, die das Imperium mit massivsten Destabilisierungen bis hin zum Aufbau von Contra-Armeen beantwortete. GEHEIM-Gründer Michael Opperskalski fuhr auf Einladung der sandinistischen Befreiungsfront nach Managua. Im Gepäck: geheime CIA-Dokumente, die revolutionäre Studenten zuvor bei der Besetzung der US-Botschaft in Teheran erbeutet hatten. Das Ziel: diese Dokumente wie auch die Erfahrungen umfangreicher CIA-Operationen im Iran der FSLN in Nicaragua zur Verfügung zu stellen.
Michael Opperskalski war einer der ersten gewesen, der im Iran Zugriff auf ungezählte, geheimste CIA-Papiere bekam und zugleich Augenzeuge der US-Destabilisierungen wurde, deren Zentrum Operationen der CIA waren. 1982 veröffentliche er daher - gemeinsam mit Günter Neuberger, der später Co-Gründer von GEHEIM werden sollte - im Lamuv-Verlag das Buch "CIA im Iran", in dem sich viele dieser CIA-Papiere wieder finden. Vor diesem Hintergrund stieß Michael Opperskalski in Nicaragua auf nordamerikanische Kollegen, die in den 70er Jahren eine publizistische "Anti-CIA-Bewegung" auf die Beine gestellt hatten.
Zu dieser Bewegung gehörten auch ehemalige CIA-Agenten wie Philip Agee und John Stockwell, die mit der Agency gebrochen hatten, die ihnen während ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen schmutzigen Tricks enthüllten und ihre Erfahrungen Opfern von Destabilisierungen zur Verfügung stellten. Im Zentrum dieser Aktivitäten standen zwei Magazine: "Covert Action Information Bulletin (später und heute noch: Covert Action Quarterly)" und "The National Reporter". Beide Magazine hatten sich - ganz konsequent - im Rahmen ihrer Enthüllungsarbeit auch auf die Enttarnung von CIA-Agenten spezialisiert, die unter diplomatischer (oder anderer) Maske weltweit aktiv sind. Bekannt wurde dieser publizistische Aspekt der "Anti-CIA-Arbeit" als "Naming Names", das Enttarnen von Agenten durch Namensnennung.
Auszeichnung für die Unterstützung des sandinistischen Nicaragua
Foto: Geheim
Reagans Schlag gegen die Pressefreiheit
Kaum war Ronald Reagan zum US-Präsidenten gekürt worden, verschärfte die neue Administration ihre weltweite Offensive gegen alle gesellschaftlichen Prozesse, die ihren Hegemonialinteressen im Wege standen. Moskau wurde zum "Reich des Bösen", in Afghanistan liefen milliardenschwere CIA-Operationen an, um "die Sowjetunion am Hindukush ausbluten" zu lassen, gegen das sandinistische Nicaragua wurde eine Contra-Armee mit allen Mitteln aufgebaut, die kleine Karibik-Insel Grenada militärisch überfallen - das Imperium schlug zurück. Im Schlepptau dieser Offensive verstärkte die CIA seine Aggressionen.
Diese weiter abzusichern, diente die Verabschiedung des so genannten "Identities Protection Act" 1980, der jeden US-Bürger mit horrenden Strafen bedroht, der Namen aktiver CIA-Agenten veröffentlicht oder in irgendeiner Form zu deren Veröffentlichungen beiträgt. Das bedeutete in Konsequenz, dass die Zeitschriften der "Anti-CIA-Bewegung" in den USA nicht nur ihr "Naming Names" einstellen mussten, sondern auch bei jeder publizistischen Enthüllung der immer aggressiver werdenden "dirty tricks" der CIA einen juristischen Seiltanz begannen. Nur logisch, dass sich die US-amerikanischen Kollegen fragten: "Wie weiter?" In dieser Situation und vor diesem Hintergrund entwickelten sich in Nicaragua die Diskussionen um die Möglichkeiten, in anderen Ländern, möglichst in Europa, das fortzusetzen, was in den USA verboten worden war. Zunächst in Form von Büchern: "CIA in Westeuropa" und "CIA in Mittelamerika" (beide im Lamuv-Verlag).
GEHEIM erblickt das Licht der Welt
1985 war es schließlich soweit: Aus einer Idee, geboren und gewälzt in vielen Diskussionen, wurde Realität. Die 0-Nummer von GEHEIM wurde veröffentlicht mit dem Ziel, zu "testen", ob diese Art des Enthüllungsjournalismus auf Interesse stoßen würde. Es tat - gefördert sicherlich auch durch die prompte Reaktion der damaligen Bundesregierung, die in Person des CSU-Innenstaatssekretärs Spranger mit dem Verbot der Zeitschrift drohte. Das brachte Publizität, schuf Interesse, ließ auch Solidarität sich entwickeln. "Der Spiegel" berichtete und charakterisierte GEHEIM als "das Fachblatt aus Köln". Seither zieht sich eine "rote Linie" durch alle Veröffentlichungen von GEHEIM, die am besten, wenn auch verkürzt als "Partei ergreifender Enthüllungsjournalismus" umschrieben werden kann.
Thematisch ist das journalistische Feld von GEHEIM seit der 0-Nummer sehr breit gefächert: es reicht über die Berichterstattung, aber auch die Analyse des Abbaus demokratischer Rechte und des damit einhergehenden Ausbaus des Repressionsinstrumentariums in der BRD, bis hin zu den Enthüllungen der "schmutzigen Tricks" der CIA und mit ihr verbündeter Geheimdienste (z.B. Israels MOSSAD oder Großbritanniens MI6). Dazu gehören selbstverständlich auch das in den USA verbotene "Naming Names" oder die Entlarvung geheimer strategischer Konzeptionen.
Parteiisch war und ist GEHEIM von Beginn an. Nicht nur, weil sich Redakteure und Autoren sehr bewusst als Teil einer demokratischen und progressiven "Gegenöffentlichkeit" begreifen, sondern vor allem auch, weil die Veröffentlichungen von GEHEIM Partei ergreifen für die Opfer - seien es Berufsverbotsopfer in der Bundesrepublik oder von CIA-Destabilisierungen bedrohte gesellschaftliche Entwicklungen, seien es diversen Repressionsmaßnahmen Ausgesetzte oder Befreiungsbewegungen (Stichworte: die namibianische SWAPO oder der südafrikanische ANC). Damit wird verständlich, dass GEHEIM zum Beispiel auch von Beginn an den revolutionären Prozess auf Cuba publizistisch unterstützte und inzwischen über ungezählte nordamerikanische - aber auch europäische - Verschwörungen gegen die rote Insel in der Karibik berichtete.
Dank für engagierte Solidarität: SWAPO-Mitgliedsausweis
Foto: Geheim
Einige wenige konkrete Beispiele
1986: GEHEIM berichtet über einen CIA-Mordversuch gegen den sandinistischen Außenminister Nicaraguas, und Manfred Bissinger beleuchtet die Gründe, warum so viele bundesdeutsche Journalisten für Geheimdienste arbeiten
1987: GEHEIM enthüllt wesentliche Teile und Strukturen des CIA-Geheimdienstnetzes in der Bundesrepublik, die Bespitzelung der "Grün-Alternativen Liste" in Berlin, BND-Strategien in Afghanistan sowie CIA-Putsch- und Mordpläne gegen Libyen, deren Fäden bis in die Bundesrepublik reichen
1988: erneut beleuchtet GEHEIM BND-Aktivitäten in Afghanistan, aber auch das, was im Zuge der "Iran-Gate-Veröffentlichungen" nicht an die Öffentlichkeit kommen sollte, sowie die Drogengeschäfte der CIA
1989: GEHEIM macht Schlagzeilen: Wir veröffentlichen aus den Panzerschränken des so genannten Verfassungs"schutzes" "Verkartungspläne", die Aufschluss über die Strukturen der Bespitzelungen durch den bundesdeutschen Inlandsgeheimdienstes geben. Auf den Philippinen berichten fast alle Tageszeitungen über GEHEIM-Enthüllungen über getarnt arbeitende CIA-Agenten, die tief verstrickt sind in die Aufstandsbekämpfung des reaktionären Regimes in Manila. Auch der Artikel "Gestärkte Achse Washington-Pretoria"(Nr. 2-3/1989) macht Furore als Beispiel für das aktive Engagement des Magazins an der Seite der Befreiungsbewegungen des südlichen Afrikas, ANC und SWAPO. GEHEIM zerrt nicht nur Einzelheiten des schmutzigen Krieges der Apartheid-Geheimdienste an die Öffentlichkeit, sondern auch deren strategische Allianz mit der CIA
1991: GEHEIM enttarnt eine Außenstation des BND in Hamburg
1992: ",Mountaineer´ antwortet nicht mehr" lautet der Titel eines GEHEIM-Artikels, der von der Hauptstadt Ghanas, Accra, bis hin nach Johannesburg und Washington für Schlagzeilen sorgt. Der Artikel beschreibt nicht nur bis in alle Einzelheiten einen CIA-Putschversuch in dem westafrikanischen Staat, sondern auch eine gelungene Operation des südafrikanischen
(Apartheid-)Militärgeheimdienstes DMI zur Unterwanderung des ANC
1993: GEHEIM veröffentlicht Verfassungs"schutz"-Aktionen gegen den GEHEIM-Autor Thilo Weichert und behält seine prominente Rolle in Südafrika durch weitere Enthüllungen
1995: Einzelheiten des BND-Plutoniumschmuggelskandals finden sich in GEHEIM wieder
1996: GEHEIM berichtet über "verdachtlose Telefonüberwachung durch den BND" sowie über einen gescheiterten Putschversuch der CIA gegen Saddam Hussein
2000: Eine GEHEIM-Serie über "geheime Aktionen gegen die DDR" sorgt für Diskussionen
2001: GEHEIM greift in die Debatte über die Vergangenheit des Bundesaußenministers Joseph Fischer ein. Bohrende Fragen zu möglichen Geheimdienstverstrickungen Fischers (CIA?) werden gestellt, Indizien zusammengetragen, Konsequenzen aufgezeigt. GEHEIM gehört zu den Ersten, die Zweifel an der/den offiziellen Version/en der Hintergründe der Terroranschläge vom 11. September äußern und auch nachweisen
2002: "Osama bin Laden, der Mann mit den vielen Gesichtern", lautet eine Coverstory von GEHEIM, die die CIA-Hintergründe des angeblichen Al-Qaida-Chefs aufzeigt. Gleichzeitig entlarvt GEHEIM die US-Kriegsvorbereitungen gegen den Irak und die diese absichernden, geheimdienstlich gesteuerten Desinformationskampagnen
2003: GEHEIM berichtet detailliert über die Maßnahmen der USA unter dem Deckmäntelchen der Demokratie gegen Venezuela
2004: GEHEIM veröffentlicht unbekannte Dokumente des irakischen Widerstandes, aber zugleich auch Einzelheiten der US-Destabilisierungspläne gegen Venezuela und Cuba ("High Noon in der Karibik" heißt das GEHEIM-Dossier)
2005: GEHEIM beschreibt en Detail die Kriegspläne der USA gegen Iran
Von Anfang an im Visier der Dienste
Mit dem Erscheinen der Nullnummer von GEHEIM 1985 entstand auch das gespannte Verhältnis zwischen den Machern der Zeitschrift und dem bundesdeutschen Inlandsgeheimdienst namens "Bundesamt für Verfassungsschutz" (BfV) und seinen politischen Agentenführern. Kurz nach dem Bekanntwerden der Existenz von GEHEIM drohte der christdemokratische Staatssekretär im Bundesinnenministerium Spranger mit dem Verbot der Zeitschrift. Das führte zu einer ersten Anfrage der Fraktion "Die GRÜNEN" im Bundestag. 1989 beantwortete die schwarzgelbe Regierung per Drucksache 11/4294 eine Anfrage der GRÜNEN-Politikerin Schilling: "... sind die verantwortlichen Redakteure des Magazins `GEHEIM´ in der Vergangenheit als Mitarbeiter kommunistisch orientierter Publikationen bekannt geworden. Für die Beobachtung entsprechender linksextremistischer Bestrebungen ist das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig... Soweit Fragen darauf zielen, ob und ggf. welche operative Maßnahmen des Verfassungsschutzes durchgeführt worden sind, muss eine Beantwortung aus Geheimhaltungsgründen unterbleiben."
Hinter diesen vorgeblichen Gründen der Geheimhaltung verstecken sich seitdem das BfV und die entsprechenden Landesämter, wenn es ihnen darum geht, ihre "operativen Maßnahmen", also die Bespitzelung der Redakteure und ihres Umfeldes durch menschliche Quellen und technische Mittel, geheim zu halten. Der Auslandsgeheimdienst BND (Bundesnachrichtendienst) darf an dieser Stelle auch genannt werden. Wegen der internationalen Kontakte des GEHEIM-Gründers Michael Opperskalski und des englischsprachigen Schwestermagazins "Top Secret" überwachten auch die Pullacher Schlapphüte die Aktivitäten des Kölner Journalisten und seiner Kollegen. Weil die Archive der Dienste verschlossen bleiben, muss die folgende Aufzählung lediglich einen groben Rahmen abstecken.
Damit die Hamburger wissen, wo die verdeckte BND-Station ist
Foto: Geheim
Eine nicht ganz vollständige Aufzählung
1988, 1990 und 1991 entging Michael Opperskalski nur knapp Anschlägen, die mit der CIA kooperierende Dienste und Gruppen auf den Philippinnen, in Namibia und Zimbabwe gegen ihn verübt beziehungsweise geplant hatten. 1992 beschäftigte sich die United States Information Agency (USIA) sehr intensiv mit dem Journalisten. Im Juni 1992 verfasste diese US-Regierungsbehörde einen Bericht für das Repräsentantenhaus, der sich mit den "Soviet Active Measures in the `Post-Cold-War-Era´ 1988-1991" befasste. Namentlich aufgeführt und mit einem eigenen Kapitel versehen (!) sind GEHEIM, "Top Secret" und ihr Gründer Opperskalski. Angaben über weitere Redaktionsmitglieder und Autoren fehlen. Ein weiterer Punkt, der die US-Amerikaner besonders schmerzte, waren die Veröffentlichungen in "Top Secret" über die Experimente mit dem AIDS-Virus in US-Militärlabors.
Besondere Beachtung schenkten die US-Autoren dem publizistischen Widerhall, den "Top Secret"-Artikel 1991 in Namibia gefunden hatten. Damals gelang es Opperskalski, zu zeigen, wie US-amerikanische und südafrikanische Apartheid-Dienste versuchten, die ersten freien Wahlen im ehemaligen "Deutsch-Süd-West" zu beeinflussen.
Auch im Fadenkreuz bundesdeutscher Dienste
Zeitlich parallel zu diesen und weiteren Publikationen in den USA gingen in Deutschland diverse Aktivitäten gegen GEHEIM-Autoren über der Bühne. Im Oktober 1991 hatte der BfV-Präsident Eckart Werthebach im Zuge einer operativen Maßnahme behauptet, in der Zeitschrift würden "zahlreiche `Linksextremisten´" mitarbeiten. Die Maßnahme richtete sich damals gegen Dr. Thilo Weichert. Der Jurist kandidierte für das Amt des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Brandenburg. Später stellte ein Gericht fest, dass das BfV rechtswidrig ein Dossier über Weichert weitergegeben hatte.
1993 starben unter zweifelhaften Umständen der RAF-Aktivist Wolfgang Grams und der GSG9- Beamte Newrzella bei einer BKA-Operation in Bad Kleinen. Ende 1993 reagierte GEHEIM mit einer Sonderausgabe auf die Ereignisse. Zu den Autoren zählte auch der Polizist und grüne Bundestagsabgeordnete Manfred Such. Die Retourkutsche kam im nächsten Jahr. Am Dienstag, den 8. November 1994, um 07:00 Uhr, drang ein BKA-Kommando in Michael Opperskalskis Wohnung und Büroräume ein. Der Grund für die Untersuchung lautete: "Stasi-Verdacht". Während die Durchsuchung andauerte, brachten BKA-Beamte den GEHEIM-Redakteur in die Außenstelle nach Meckenheim.
Opperskalski berichtete am 23. November 1994 im Interview mit der belgischen Wochenzeitung "Solidaire" von dem Verhör: "...Mir wurden auch keinerlei Dokumente oder andere `Beweise´ für die aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen vorgelegt, die einzig und allein auf den denunziatorischen und konstruierten Aussagen eines angeblich existierenden ehemaligen Offiziers des MfS basieren...Die haben ziemlich viel Material mitgenommen, bezeichnenderweise kaum Material, das man inBeziehung zum Tatvorwurf bringen könnte, hauptsächlich jedoch Material, das mit meiner journalistischen und politischen Arbeit in Verbindung steht: Adressenkarteien, Kopien von auf meinem Computer abgespeicherten Dateien, Notizzettel, Photographien von internationalen Konferenzen, Computerdisketten, Zeitungsartikel und Flugblätter, Informationen über Korea, Südafrika, Cuba, Angola..."
Das englischsprachige Schwestermagazin von GEHEIM, "Top Secret"
Foto: Geheim
Ein Verdacht liegt auf der Hand
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Verhaftung fanden weltweit Protestaktionen vor deutschen Vertretungen statt. Zahlreiche Solidaritätserklärungen gingen bei Opperskalski ein. Wochen später erhielt er die beschlagnahmten Unterlagen zurück. Die Bundesanwaltschaft konnte ihren "Verdacht" nicht erhärten. Bleibt also die Frage, ob die CIA ihre bundesdeutschen "Partnerdienste" bei den Aktionen gegen Opperskalski "anleitete".
Im Spätsommer 1994 inszenierte der BND in Kooperation mit dem bayerischen LKA und spanischen Helfern den Münchner "Plutoniumschmuggel". Aus den Widersprüchen um diesen Schlag gegen die "Atommafia" - der rechtzeitig vor der Bundestagwahl erfolgt war - entsprang der Bundestagsuntersuchungsausschuss "Plutonium". Die Bundestagsgruppe der PDS engagierte den damaligen GEHEIM-Redakteur Hans-Peter Bordien als Berater. 1995 stufte der Sicherheitsbeauftragte des Bundestages ihn nach erfolgter "Sicherheitsüberprüfung" als "Sicherheitsrisiko" ein. Der Grund: Seine Tätigkeit in GEHEIM. 1995 erfolgte die Nennung der Zeitschrift im "Verfassungsschutzbericht 1994". Sie sei "linksextremistisch", heißt es dort.
1996 geriet der GEHEIM-Redakteur Rolf Gössner in die Schlagzeilen. Der Rechtsanwalt und Berater der GRÜNEN im niedersächsischen Landtag hatte beim BfV um Auskunft über seine Akte nachgefragt. Aus der Antwort ergab sich, dass der Geheimdienst Gössner seit einem Vierteljahrhundert beobachtete. Die Spione lasteten ihm an, dass Artikel von ihm in "linksextremistischen" oder "linksextremistisch beeinflussten" Zeitschriften erschienen seien. GEHEIM stand dort neben den "Blättern für deutsche und internationale Politik" und "Demokratie und Recht". Gegen Gössners Bespitzelung protestierten unter anderem zahlreiche Schriftsteller, von Carl Amery über Lew Kopelew und Erasmus Schöfer bis hin zu Gerhard Zwerenz.
Über operative Maßnahmen können die GEHEIM-Redakteure nur Spekulationen anstellen. Hier und da tauchen technische Probleme bei der Kommunikation per Post, Handy und Telefon auf, die vermuten lassen, dass "jemand" die Bedienungsanleitung seines IMSI-Catchers noch nicht richtig verstanden haben könnte. Erhärtet werden solche Spekulationen jedoch durch eine nachgewiesene Abhöraktion im unmittelbaren Umfeld der GEHEIM-Redakteure.
Gespenster sieht die Redaktion trotzdem nicht und bereitet in aller Ruhe und mit nötiger Umsicht die nächsten Ausgaben vor - in der Gewissheit, dass eines Tages auch die Archive von BND, BfV und MAD in Camp Nikolaus, der Merianstraße 100 und dem Heeresamt in Köln für interessierte Bürgerinnen und Bürger offen stehen werden.
Ausschnitte aus einem Artikel in GEHEIM 4/05. Den vollständigen Artikel und weitere Texte finden Sie unter: www.geheim-magazin.de
Online-Flyer Nr. 25 vom 04.01.2006
GEHEIM - Das Kölner Magazin gegen die Geheimdienste
20 Jahre und kein bisschen heiser...
Von Michael Opperskalski
20 Jahre ist es her, als im Frühsommer 1985 die 0-Nummer das Magazins GEHEIM das Licht der Welt erblickte. Die Idee für ein geheimdienstkritisches Magazin in der BRD wurde allerdings schon Anfang der 80er Jahre im sandinistischen Nicaragua geboren. Hintergrund waren Entwicklungen in den USA, aber auch revolutionäre Herausforderungen in Iran, Afghanistan, Nicaragua, El Salvador oder Grenada, die das Imperium mit massivsten Destabilisierungen bis hin zum Aufbau von Contra-Armeen beantwortete. GEHEIM-Gründer Michael Opperskalski fuhr auf Einladung der sandinistischen Befreiungsfront nach Managua. Im Gepäck: geheime CIA-Dokumente, die revolutionäre Studenten zuvor bei der Besetzung der US-Botschaft in Teheran erbeutet hatten. Das Ziel: diese Dokumente wie auch die Erfahrungen umfangreicher CIA-Operationen im Iran der FSLN in Nicaragua zur Verfügung zu stellen.
Michael Opperskalski war einer der ersten gewesen, der im Iran Zugriff auf ungezählte, geheimste CIA-Papiere bekam und zugleich Augenzeuge der US-Destabilisierungen wurde, deren Zentrum Operationen der CIA waren. 1982 veröffentliche er daher - gemeinsam mit Günter Neuberger, der später Co-Gründer von GEHEIM werden sollte - im Lamuv-Verlag das Buch "CIA im Iran", in dem sich viele dieser CIA-Papiere wieder finden. Vor diesem Hintergrund stieß Michael Opperskalski in Nicaragua auf nordamerikanische Kollegen, die in den 70er Jahren eine publizistische "Anti-CIA-Bewegung" auf die Beine gestellt hatten.
Zu dieser Bewegung gehörten auch ehemalige CIA-Agenten wie Philip Agee und John Stockwell, die mit der Agency gebrochen hatten, die ihnen während ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen schmutzigen Tricks enthüllten und ihre Erfahrungen Opfern von Destabilisierungen zur Verfügung stellten. Im Zentrum dieser Aktivitäten standen zwei Magazine: "Covert Action Information Bulletin (später und heute noch: Covert Action Quarterly)" und "The National Reporter". Beide Magazine hatten sich - ganz konsequent - im Rahmen ihrer Enthüllungsarbeit auch auf die Enttarnung von CIA-Agenten spezialisiert, die unter diplomatischer (oder anderer) Maske weltweit aktiv sind. Bekannt wurde dieser publizistische Aspekt der "Anti-CIA-Arbeit" als "Naming Names", das Enttarnen von Agenten durch Namensnennung.
Auszeichnung für die Unterstützung des sandinistischen Nicaragua
Foto: Geheim
Reagans Schlag gegen die Pressefreiheit
Kaum war Ronald Reagan zum US-Präsidenten gekürt worden, verschärfte die neue Administration ihre weltweite Offensive gegen alle gesellschaftlichen Prozesse, die ihren Hegemonialinteressen im Wege standen. Moskau wurde zum "Reich des Bösen", in Afghanistan liefen milliardenschwere CIA-Operationen an, um "die Sowjetunion am Hindukush ausbluten" zu lassen, gegen das sandinistische Nicaragua wurde eine Contra-Armee mit allen Mitteln aufgebaut, die kleine Karibik-Insel Grenada militärisch überfallen - das Imperium schlug zurück. Im Schlepptau dieser Offensive verstärkte die CIA seine Aggressionen.
Diese weiter abzusichern, diente die Verabschiedung des so genannten "Identities Protection Act" 1980, der jeden US-Bürger mit horrenden Strafen bedroht, der Namen aktiver CIA-Agenten veröffentlicht oder in irgendeiner Form zu deren Veröffentlichungen beiträgt. Das bedeutete in Konsequenz, dass die Zeitschriften der "Anti-CIA-Bewegung" in den USA nicht nur ihr "Naming Names" einstellen mussten, sondern auch bei jeder publizistischen Enthüllung der immer aggressiver werdenden "dirty tricks" der CIA einen juristischen Seiltanz begannen. Nur logisch, dass sich die US-amerikanischen Kollegen fragten: "Wie weiter?" In dieser Situation und vor diesem Hintergrund entwickelten sich in Nicaragua die Diskussionen um die Möglichkeiten, in anderen Ländern, möglichst in Europa, das fortzusetzen, was in den USA verboten worden war. Zunächst in Form von Büchern: "CIA in Westeuropa" und "CIA in Mittelamerika" (beide im Lamuv-Verlag).
GEHEIM erblickt das Licht der Welt
1985 war es schließlich soweit: Aus einer Idee, geboren und gewälzt in vielen Diskussionen, wurde Realität. Die 0-Nummer von GEHEIM wurde veröffentlicht mit dem Ziel, zu "testen", ob diese Art des Enthüllungsjournalismus auf Interesse stoßen würde. Es tat - gefördert sicherlich auch durch die prompte Reaktion der damaligen Bundesregierung, die in Person des CSU-Innenstaatssekretärs Spranger mit dem Verbot der Zeitschrift drohte. Das brachte Publizität, schuf Interesse, ließ auch Solidarität sich entwickeln. "Der Spiegel" berichtete und charakterisierte GEHEIM als "das Fachblatt aus Köln". Seither zieht sich eine "rote Linie" durch alle Veröffentlichungen von GEHEIM, die am besten, wenn auch verkürzt als "Partei ergreifender Enthüllungsjournalismus" umschrieben werden kann.
Thematisch ist das journalistische Feld von GEHEIM seit der 0-Nummer sehr breit gefächert: es reicht über die Berichterstattung, aber auch die Analyse des Abbaus demokratischer Rechte und des damit einhergehenden Ausbaus des Repressionsinstrumentariums in der BRD, bis hin zu den Enthüllungen der "schmutzigen Tricks" der CIA und mit ihr verbündeter Geheimdienste (z.B. Israels MOSSAD oder Großbritanniens MI6). Dazu gehören selbstverständlich auch das in den USA verbotene "Naming Names" oder die Entlarvung geheimer strategischer Konzeptionen.
Parteiisch war und ist GEHEIM von Beginn an. Nicht nur, weil sich Redakteure und Autoren sehr bewusst als Teil einer demokratischen und progressiven "Gegenöffentlichkeit" begreifen, sondern vor allem auch, weil die Veröffentlichungen von GEHEIM Partei ergreifen für die Opfer - seien es Berufsverbotsopfer in der Bundesrepublik oder von CIA-Destabilisierungen bedrohte gesellschaftliche Entwicklungen, seien es diversen Repressionsmaßnahmen Ausgesetzte oder Befreiungsbewegungen (Stichworte: die namibianische SWAPO oder der südafrikanische ANC). Damit wird verständlich, dass GEHEIM zum Beispiel auch von Beginn an den revolutionären Prozess auf Cuba publizistisch unterstützte und inzwischen über ungezählte nordamerikanische - aber auch europäische - Verschwörungen gegen die rote Insel in der Karibik berichtete.
Dank für engagierte Solidarität: SWAPO-Mitgliedsausweis
Foto: Geheim
Einige wenige konkrete Beispiele
1986: GEHEIM berichtet über einen CIA-Mordversuch gegen den sandinistischen Außenminister Nicaraguas, und Manfred Bissinger beleuchtet die Gründe, warum so viele bundesdeutsche Journalisten für Geheimdienste arbeiten
1987: GEHEIM enthüllt wesentliche Teile und Strukturen des CIA-Geheimdienstnetzes in der Bundesrepublik, die Bespitzelung der "Grün-Alternativen Liste" in Berlin, BND-Strategien in Afghanistan sowie CIA-Putsch- und Mordpläne gegen Libyen, deren Fäden bis in die Bundesrepublik reichen
1988: erneut beleuchtet GEHEIM BND-Aktivitäten in Afghanistan, aber auch das, was im Zuge der "Iran-Gate-Veröffentlichungen" nicht an die Öffentlichkeit kommen sollte, sowie die Drogengeschäfte der CIA
1989: GEHEIM macht Schlagzeilen: Wir veröffentlichen aus den Panzerschränken des so genannten Verfassungs"schutzes" "Verkartungspläne", die Aufschluss über die Strukturen der Bespitzelungen durch den bundesdeutschen Inlandsgeheimdienstes geben. Auf den Philippinen berichten fast alle Tageszeitungen über GEHEIM-Enthüllungen über getarnt arbeitende CIA-Agenten, die tief verstrickt sind in die Aufstandsbekämpfung des reaktionären Regimes in Manila. Auch der Artikel "Gestärkte Achse Washington-Pretoria"(Nr. 2-3/1989) macht Furore als Beispiel für das aktive Engagement des Magazins an der Seite der Befreiungsbewegungen des südlichen Afrikas, ANC und SWAPO. GEHEIM zerrt nicht nur Einzelheiten des schmutzigen Krieges der Apartheid-Geheimdienste an die Öffentlichkeit, sondern auch deren strategische Allianz mit der CIA
1991: GEHEIM enttarnt eine Außenstation des BND in Hamburg
1992: ",Mountaineer´ antwortet nicht mehr" lautet der Titel eines GEHEIM-Artikels, der von der Hauptstadt Ghanas, Accra, bis hin nach Johannesburg und Washington für Schlagzeilen sorgt. Der Artikel beschreibt nicht nur bis in alle Einzelheiten einen CIA-Putschversuch in dem westafrikanischen Staat, sondern auch eine gelungene Operation des südafrikanischen
(Apartheid-)Militärgeheimdienstes DMI zur Unterwanderung des ANC
1993: GEHEIM veröffentlicht Verfassungs"schutz"-Aktionen gegen den GEHEIM-Autor Thilo Weichert und behält seine prominente Rolle in Südafrika durch weitere Enthüllungen
1995: Einzelheiten des BND-Plutoniumschmuggelskandals finden sich in GEHEIM wieder
1996: GEHEIM berichtet über "verdachtlose Telefonüberwachung durch den BND" sowie über einen gescheiterten Putschversuch der CIA gegen Saddam Hussein
2000: Eine GEHEIM-Serie über "geheime Aktionen gegen die DDR" sorgt für Diskussionen
2001: GEHEIM greift in die Debatte über die Vergangenheit des Bundesaußenministers Joseph Fischer ein. Bohrende Fragen zu möglichen Geheimdienstverstrickungen Fischers (CIA?) werden gestellt, Indizien zusammengetragen, Konsequenzen aufgezeigt. GEHEIM gehört zu den Ersten, die Zweifel an der/den offiziellen Version/en der Hintergründe der Terroranschläge vom 11. September äußern und auch nachweisen
2002: "Osama bin Laden, der Mann mit den vielen Gesichtern", lautet eine Coverstory von GEHEIM, die die CIA-Hintergründe des angeblichen Al-Qaida-Chefs aufzeigt. Gleichzeitig entlarvt GEHEIM die US-Kriegsvorbereitungen gegen den Irak und die diese absichernden, geheimdienstlich gesteuerten Desinformationskampagnen
2003: GEHEIM berichtet detailliert über die Maßnahmen der USA unter dem Deckmäntelchen der Demokratie gegen Venezuela
2004: GEHEIM veröffentlicht unbekannte Dokumente des irakischen Widerstandes, aber zugleich auch Einzelheiten der US-Destabilisierungspläne gegen Venezuela und Cuba ("High Noon in der Karibik" heißt das GEHEIM-Dossier)
2005: GEHEIM beschreibt en Detail die Kriegspläne der USA gegen Iran
Von Anfang an im Visier der Dienste
Mit dem Erscheinen der Nullnummer von GEHEIM 1985 entstand auch das gespannte Verhältnis zwischen den Machern der Zeitschrift und dem bundesdeutschen Inlandsgeheimdienst namens "Bundesamt für Verfassungsschutz" (BfV) und seinen politischen Agentenführern. Kurz nach dem Bekanntwerden der Existenz von GEHEIM drohte der christdemokratische Staatssekretär im Bundesinnenministerium Spranger mit dem Verbot der Zeitschrift. Das führte zu einer ersten Anfrage der Fraktion "Die GRÜNEN" im Bundestag. 1989 beantwortete die schwarzgelbe Regierung per Drucksache 11/4294 eine Anfrage der GRÜNEN-Politikerin Schilling: "... sind die verantwortlichen Redakteure des Magazins `GEHEIM´ in der Vergangenheit als Mitarbeiter kommunistisch orientierter Publikationen bekannt geworden. Für die Beobachtung entsprechender linksextremistischer Bestrebungen ist das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig... Soweit Fragen darauf zielen, ob und ggf. welche operative Maßnahmen des Verfassungsschutzes durchgeführt worden sind, muss eine Beantwortung aus Geheimhaltungsgründen unterbleiben."
Hinter diesen vorgeblichen Gründen der Geheimhaltung verstecken sich seitdem das BfV und die entsprechenden Landesämter, wenn es ihnen darum geht, ihre "operativen Maßnahmen", also die Bespitzelung der Redakteure und ihres Umfeldes durch menschliche Quellen und technische Mittel, geheim zu halten. Der Auslandsgeheimdienst BND (Bundesnachrichtendienst) darf an dieser Stelle auch genannt werden. Wegen der internationalen Kontakte des GEHEIM-Gründers Michael Opperskalski und des englischsprachigen Schwestermagazins "Top Secret" überwachten auch die Pullacher Schlapphüte die Aktivitäten des Kölner Journalisten und seiner Kollegen. Weil die Archive der Dienste verschlossen bleiben, muss die folgende Aufzählung lediglich einen groben Rahmen abstecken.
Damit die Hamburger wissen, wo die verdeckte BND-Station ist
Foto: Geheim
Eine nicht ganz vollständige Aufzählung
1988, 1990 und 1991 entging Michael Opperskalski nur knapp Anschlägen, die mit der CIA kooperierende Dienste und Gruppen auf den Philippinnen, in Namibia und Zimbabwe gegen ihn verübt beziehungsweise geplant hatten. 1992 beschäftigte sich die United States Information Agency (USIA) sehr intensiv mit dem Journalisten. Im Juni 1992 verfasste diese US-Regierungsbehörde einen Bericht für das Repräsentantenhaus, der sich mit den "Soviet Active Measures in the `Post-Cold-War-Era´ 1988-1991" befasste. Namentlich aufgeführt und mit einem eigenen Kapitel versehen (!) sind GEHEIM, "Top Secret" und ihr Gründer Opperskalski. Angaben über weitere Redaktionsmitglieder und Autoren fehlen. Ein weiterer Punkt, der die US-Amerikaner besonders schmerzte, waren die Veröffentlichungen in "Top Secret" über die Experimente mit dem AIDS-Virus in US-Militärlabors.
Besondere Beachtung schenkten die US-Autoren dem publizistischen Widerhall, den "Top Secret"-Artikel 1991 in Namibia gefunden hatten. Damals gelang es Opperskalski, zu zeigen, wie US-amerikanische und südafrikanische Apartheid-Dienste versuchten, die ersten freien Wahlen im ehemaligen "Deutsch-Süd-West" zu beeinflussen.
Auch im Fadenkreuz bundesdeutscher Dienste
Zeitlich parallel zu diesen und weiteren Publikationen in den USA gingen in Deutschland diverse Aktivitäten gegen GEHEIM-Autoren über der Bühne. Im Oktober 1991 hatte der BfV-Präsident Eckart Werthebach im Zuge einer operativen Maßnahme behauptet, in der Zeitschrift würden "zahlreiche `Linksextremisten´" mitarbeiten. Die Maßnahme richtete sich damals gegen Dr. Thilo Weichert. Der Jurist kandidierte für das Amt des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Brandenburg. Später stellte ein Gericht fest, dass das BfV rechtswidrig ein Dossier über Weichert weitergegeben hatte.
1993 starben unter zweifelhaften Umständen der RAF-Aktivist Wolfgang Grams und der GSG9- Beamte Newrzella bei einer BKA-Operation in Bad Kleinen. Ende 1993 reagierte GEHEIM mit einer Sonderausgabe auf die Ereignisse. Zu den Autoren zählte auch der Polizist und grüne Bundestagsabgeordnete Manfred Such. Die Retourkutsche kam im nächsten Jahr. Am Dienstag, den 8. November 1994, um 07:00 Uhr, drang ein BKA-Kommando in Michael Opperskalskis Wohnung und Büroräume ein. Der Grund für die Untersuchung lautete: "Stasi-Verdacht". Während die Durchsuchung andauerte, brachten BKA-Beamte den GEHEIM-Redakteur in die Außenstelle nach Meckenheim.
Opperskalski berichtete am 23. November 1994 im Interview mit der belgischen Wochenzeitung "Solidaire" von dem Verhör: "...Mir wurden auch keinerlei Dokumente oder andere `Beweise´ für die aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen vorgelegt, die einzig und allein auf den denunziatorischen und konstruierten Aussagen eines angeblich existierenden ehemaligen Offiziers des MfS basieren...Die haben ziemlich viel Material mitgenommen, bezeichnenderweise kaum Material, das man inBeziehung zum Tatvorwurf bringen könnte, hauptsächlich jedoch Material, das mit meiner journalistischen und politischen Arbeit in Verbindung steht: Adressenkarteien, Kopien von auf meinem Computer abgespeicherten Dateien, Notizzettel, Photographien von internationalen Konferenzen, Computerdisketten, Zeitungsartikel und Flugblätter, Informationen über Korea, Südafrika, Cuba, Angola..."
Das englischsprachige Schwestermagazin von GEHEIM, "Top Secret"
Foto: Geheim
Ein Verdacht liegt auf der Hand
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Verhaftung fanden weltweit Protestaktionen vor deutschen Vertretungen statt. Zahlreiche Solidaritätserklärungen gingen bei Opperskalski ein. Wochen später erhielt er die beschlagnahmten Unterlagen zurück. Die Bundesanwaltschaft konnte ihren "Verdacht" nicht erhärten. Bleibt also die Frage, ob die CIA ihre bundesdeutschen "Partnerdienste" bei den Aktionen gegen Opperskalski "anleitete".
Im Spätsommer 1994 inszenierte der BND in Kooperation mit dem bayerischen LKA und spanischen Helfern den Münchner "Plutoniumschmuggel". Aus den Widersprüchen um diesen Schlag gegen die "Atommafia" - der rechtzeitig vor der Bundestagwahl erfolgt war - entsprang der Bundestagsuntersuchungsausschuss "Plutonium". Die Bundestagsgruppe der PDS engagierte den damaligen GEHEIM-Redakteur Hans-Peter Bordien als Berater. 1995 stufte der Sicherheitsbeauftragte des Bundestages ihn nach erfolgter "Sicherheitsüberprüfung" als "Sicherheitsrisiko" ein. Der Grund: Seine Tätigkeit in GEHEIM. 1995 erfolgte die Nennung der Zeitschrift im "Verfassungsschutzbericht 1994". Sie sei "linksextremistisch", heißt es dort.
1996 geriet der GEHEIM-Redakteur Rolf Gössner in die Schlagzeilen. Der Rechtsanwalt und Berater der GRÜNEN im niedersächsischen Landtag hatte beim BfV um Auskunft über seine Akte nachgefragt. Aus der Antwort ergab sich, dass der Geheimdienst Gössner seit einem Vierteljahrhundert beobachtete. Die Spione lasteten ihm an, dass Artikel von ihm in "linksextremistischen" oder "linksextremistisch beeinflussten" Zeitschriften erschienen seien. GEHEIM stand dort neben den "Blättern für deutsche und internationale Politik" und "Demokratie und Recht". Gegen Gössners Bespitzelung protestierten unter anderem zahlreiche Schriftsteller, von Carl Amery über Lew Kopelew und Erasmus Schöfer bis hin zu Gerhard Zwerenz.
Über operative Maßnahmen können die GEHEIM-Redakteure nur Spekulationen anstellen. Hier und da tauchen technische Probleme bei der Kommunikation per Post, Handy und Telefon auf, die vermuten lassen, dass "jemand" die Bedienungsanleitung seines IMSI-Catchers noch nicht richtig verstanden haben könnte. Erhärtet werden solche Spekulationen jedoch durch eine nachgewiesene Abhöraktion im unmittelbaren Umfeld der GEHEIM-Redakteure.
Gespenster sieht die Redaktion trotzdem nicht und bereitet in aller Ruhe und mit nötiger Umsicht die nächsten Ausgaben vor - in der Gewissheit, dass eines Tages auch die Archive von BND, BfV und MAD in Camp Nikolaus, der Merianstraße 100 und dem Heeresamt in Köln für interessierte Bürgerinnen und Bürger offen stehen werden.
Ausschnitte aus einem Artikel in GEHEIM 4/05. Den vollständigen Artikel und weitere Texte finden Sie unter: www.geheim-magazin.de
Online-Flyer Nr. 25 vom 04.01.2006