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Inland
Wie kommt das Militär in die deutsche Gesellschaft?
Unerkannte Mittler
Von Hille Krüger
Netzwerker
(c) JaQue BuBu, pixelio
Diese sind für den Umbau der Streitkräfte zur weltweit operierenden Interventionsarmee („Armee im Einsatz") notwendig; sie sollen den Interessen privater Militärzulieferer nicht widersprechen.
Ein weiteres „Netzwerk"-Ziel ist die organisierte Einflussnahme auf meinungsbildende Medien. So arbeitet ein vormaliger Ausbilder an der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr als Redakteur des „Heute Journal" (ZDF). Neben Bundeswehr- Hochschülern betätigen sich vor allem Reservisten als „Netzwerker" – und sorgen so für die Verankerung militärischer Strukturen in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Persönliche Beziehungen
Der Mitte September auf dem Campus der Bundeswehr-Universität in München abgehaltene Kongress ehemaliger Absolventen der Hochschule stand im Zeichen der Bildung von „Netzwerken" zwischen Militär und Wirtschaft. An dem zweitägigen Treffen nahmen fast vierhundert sogenannte Alumni (lateinisch: „Schüler") teil. Neben Professoren der Bundeswehr-Hochschulen aus München und Hamburg referierten der
Beckstein: Ohne Kontakte geht's nicht
Foto: Christian Horvat | wikipedia
T bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU), der Vorstands- vorsitzende des Rüstungsunternehmens Eurocopter, Dr. Lutz Bertling, und der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Vizeadmiral Wolfram Kühn. Als Schirmherr der Veranstaltung fungierte Dr. Thomas Enders, Vorstandsvorsitzender des deutsch- französischen Rüstungskonzerns EADS. „Ohne Kontakte und persönliche Beziehungen", erklärte Innenminister Beckstein in seiner Ansprache, „könnten Wirtschaft und Politik nicht funktionieren".[1]
Einsatz-Unterstützung
Die Anforderungen der Streitkräfte an deutsche Unternehmen formulierte Vizeadmiral Kühn. „Die intensive Zusammenarbeit" mit der Wirtschaft ist demnach „inhärenter Bestandteil des Transformationsprozesses der Bundeswehr" von „einer Armee im Kalten Krieg hin zu einer Armee im Einsatz". Insbesondere die Kooperation bei der Beschaffung von Waffensystemen, Bekleidung und Fahrzeugen oder die „Unterstützung von Einsätzen" durch die Industrie hätten dafür gesorgt, dass „die Verbindungen zwischen Wirtschaft und Bundeswehr spürbar enger geworden" seien, sagte der Stellvertreter des Generalinspekteurs. In den Bereichen Logistik und Nachrichtenwesen („Führungsunterstützung") kündigte er an, „die schon gewachsene Zusammenarbeit mit der Wirtschaft noch deutlich (zu) intensivieren". Gerade für Tätigkeiten an diesen „Nahtstellen ziviler und militärischer Expertise" ist demnach ein „Netzwerk" von Absolventen der Bundeswehr-Universitäten eine „gute Grundlage".[2]
Führungskräfte
Wie der Vorstandsvorsitzende von EADS, Thomas Enders, in einem schriftlichen Grußwort mitteilte, handele es sich bei den Bundeswehr-Hochschulen um „prestigeträchtige Ausbildungsstätten", deren Absolventen über ein konkurrenzloses „Alleinstellungsmerkmal" verfügten: Die Verbindung von militärischer und universitärer Ausbildung prädestiniere diese zur „Übernahme von Führungsaufgaben" sowohl in den Streitkräften als auch in der „freien Wirtschaft". „Die militärische Ausbildung versetzt Sie vor allem in die Lage, auch in Unsicherheit und unter physischem und psychischem Stress die richtigen Entscheidungen zu treffen", urteilte Enders: „Das Studium vermittelt Ihnen das notwendige intellektuelle und fachliche Rüstzeug." Diese „Kombination von Fähigkeiten" sei für Unternehmen „von großem Nutzen", denn „Entschlussfreudigkeit und Durchsetzungsfähigkeit auf der Basis fundierter Sachkenntnis" bildeten „wichtige Erfolgsfaktoren auf den weltweiten Märkten". Im Namen von EADS erklärte der Rüstungsmanager, „Führungskräfte" mit militärischem Hintergrund „immer wieder" einstellen zu wollen, weil diese den Konzern „stärk(t)en".[3]
Führungskräfte mit militärischem Hintergrund helfen dem Geschäft
Foto: Tatcher | Quelle: wikipedia
Operative Information
Die Kongressteilnehmer konnten in München nicht nur Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern der Rüstungs- und Automobilindustrie knüpfen (neben EADS und Eurocopter waren MTU, MAN und Audi vertreten), sondern auch etwas über die Praxis des „Netzwerkens" erfahren. Im Rahmen der Vorstellung seines Buches „Kabul, ich komme wieder" sprach der Reserveoffizier und Redakteur des ZDF-Nachrichtenmagazins "Heute Journal", Boris Barschow, über seine Tätigkeit für die deutschen Besatzungstruppen in Afghanistan.
Anfang 2007 fungierte Barschow als Chefredakteur der Zeitung „Sada-e-Azadi" ("Stimme der Freiheit"), die alle zwei Wochen in einer Auflage von 390.000 Exemplaren in Kabul erscheint und von der für psychologische Kriegführung zuständigen Bundeswehr-„Truppe für Operative Information" (OpInfoTr) herausgegeben wird.[4]
Verpflichtet
Wie Barschows Buchverlag [5] mitteilt, sieht sich der ZDF-Redakteur „verpflichtet", die „übliche Berichterstattung der Medien" über Afghanistan zu „hinterfragen" und darauf hinzuweisen, dass „deutsche Interessen am Hindukusch gewahrt werden".
Seine Doppelrolle als vermeintlich staatsferner Reporter und militärischer Teilhaber des Besatzungsregimes hat Barschow von Grund auf gelernt: Vor seiner Tätigkeit beim ZDF arbeitete er unter anderem für die Süddeutsche Zeitung und den Bayerischen Rundfunk; parallel dazu fungierte er als „Medientrainer" an der NATO-Schule in Oberammergau (Bayern) und als Ausbilder an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.[6]
Kameradschaften
Das „Netzwerk" der Absolventen der Bundeswehr-Hochschulen, dem Barschow seine Expertise zur Verfügung stellt, zählt nach Angaben der Veranstalter des Münchner „Alumni-Kongresses" mittlerweile mehr als 4.000 Mitglieder. Sie seien „in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft vertreten" und bekleideten dort „zumeist verantwortungsvolle Fach- und Führungspositionen", rühmt die Bundeswehr ihre Ausdehnung in zivile Bereiche.[7] Hinzu kommen weitere „Netzwerke", meist in Form so genannter Freundeskreise einzelner Truppenteile von Heer, Luftwaffe und Marine. Ehemalige Offiziere und Unteroffiziere sind in „Kameradschaften" organisiert, etwa in der „Reserveoffizierkameradschaft Ziviler Führungskräfte" (ZiFkra) oder in der „Unteroffizier-Kameradschaft im Bundesministerium der Verteidigung".
Reserveoffizierkameradschaft Ziviler Führungskräfte
Foto: (c) pgm | pixelio
Informelle Strukturen
Ebenso wie die „Verbindungskommandos", die Anfang dieses Jahres vom Berliner Verteidigungsministerium auf der Ebene der Bundesländer, Regierungsbezirke und Landkreise installiert wurden, setzen sich auch die genannten „Netzwerke" vornehmlich aus Reservisten zusammen. Während erstere die direkte Verknüpfung von Polizei und Katastrophenschutzbehörden mit dem Militär gewährleisten sollen, wirken letztere als informelle Strukturen, die als unerkannte Mittler der bewaffneten Repressionskräfte im Innern zur Verfügung stehen. (YH)
Online-Flyer Nr. 115 vom 03.10.2007
Wie kommt das Militär in die deutsche Gesellschaft?
Unerkannte Mittler
Von Hille Krüger
Netzwerker
(c) JaQue BuBu, pixelio
Ein weiteres „Netzwerk"-Ziel ist die organisierte Einflussnahme auf meinungsbildende Medien. So arbeitet ein vormaliger Ausbilder an der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr als Redakteur des „Heute Journal" (ZDF). Neben Bundeswehr- Hochschülern betätigen sich vor allem Reservisten als „Netzwerker" – und sorgen so für die Verankerung militärischer Strukturen in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Persönliche Beziehungen
Der Mitte September auf dem Campus der Bundeswehr-Universität in München abgehaltene Kongress ehemaliger Absolventen der Hochschule stand im Zeichen der Bildung von „Netzwerken" zwischen Militär und Wirtschaft. An dem zweitägigen Treffen nahmen fast vierhundert sogenannte Alumni (lateinisch: „Schüler") teil. Neben Professoren der Bundeswehr-Hochschulen aus München und Hamburg referierten der
Beckstein: Ohne Kontakte geht's nicht
Foto: Christian Horvat | wikipedia
Einsatz-Unterstützung
Die Anforderungen der Streitkräfte an deutsche Unternehmen formulierte Vizeadmiral Kühn. „Die intensive Zusammenarbeit" mit der Wirtschaft ist demnach „inhärenter Bestandteil des Transformationsprozesses der Bundeswehr" von „einer Armee im Kalten Krieg hin zu einer Armee im Einsatz". Insbesondere die Kooperation bei der Beschaffung von Waffensystemen, Bekleidung und Fahrzeugen oder die „Unterstützung von Einsätzen" durch die Industrie hätten dafür gesorgt, dass „die Verbindungen zwischen Wirtschaft und Bundeswehr spürbar enger geworden" seien, sagte der Stellvertreter des Generalinspekteurs. In den Bereichen Logistik und Nachrichtenwesen („Führungsunterstützung") kündigte er an, „die schon gewachsene Zusammenarbeit mit der Wirtschaft noch deutlich (zu) intensivieren". Gerade für Tätigkeiten an diesen „Nahtstellen ziviler und militärischer Expertise" ist demnach ein „Netzwerk" von Absolventen der Bundeswehr-Universitäten eine „gute Grundlage".[2]
Führungskräfte
Wie der Vorstandsvorsitzende von EADS, Thomas Enders, in einem schriftlichen Grußwort mitteilte, handele es sich bei den Bundeswehr-Hochschulen um „prestigeträchtige Ausbildungsstätten", deren Absolventen über ein konkurrenzloses „Alleinstellungsmerkmal" verfügten: Die Verbindung von militärischer und universitärer Ausbildung prädestiniere diese zur „Übernahme von Führungsaufgaben" sowohl in den Streitkräften als auch in der „freien Wirtschaft". „Die militärische Ausbildung versetzt Sie vor allem in die Lage, auch in Unsicherheit und unter physischem und psychischem Stress die richtigen Entscheidungen zu treffen", urteilte Enders: „Das Studium vermittelt Ihnen das notwendige intellektuelle und fachliche Rüstzeug." Diese „Kombination von Fähigkeiten" sei für Unternehmen „von großem Nutzen", denn „Entschlussfreudigkeit und Durchsetzungsfähigkeit auf der Basis fundierter Sachkenntnis" bildeten „wichtige Erfolgsfaktoren auf den weltweiten Märkten". Im Namen von EADS erklärte der Rüstungsmanager, „Führungskräfte" mit militärischem Hintergrund „immer wieder" einstellen zu wollen, weil diese den Konzern „stärk(t)en".[3]
Führungskräfte mit militärischem Hintergrund helfen dem Geschäft
Foto: Tatcher | Quelle: wikipedia
Operative Information
Die Kongressteilnehmer konnten in München nicht nur Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern der Rüstungs- und Automobilindustrie knüpfen (neben EADS und Eurocopter waren MTU, MAN und Audi vertreten), sondern auch etwas über die Praxis des „Netzwerkens" erfahren. Im Rahmen der Vorstellung seines Buches „Kabul, ich komme wieder" sprach der Reserveoffizier und Redakteur des ZDF-Nachrichtenmagazins "Heute Journal", Boris Barschow, über seine Tätigkeit für die deutschen Besatzungstruppen in Afghanistan.
Anfang 2007 fungierte Barschow als Chefredakteur der Zeitung „Sada-e-Azadi" ("Stimme der Freiheit"), die alle zwei Wochen in einer Auflage von 390.000 Exemplaren in Kabul erscheint und von der für psychologische Kriegführung zuständigen Bundeswehr-„Truppe für Operative Information" (OpInfoTr) herausgegeben wird.[4]
Verpflichtet
Wie Barschows Buchverlag [5] mitteilt, sieht sich der ZDF-Redakteur „verpflichtet", die „übliche Berichterstattung der Medien" über Afghanistan zu „hinterfragen" und darauf hinzuweisen, dass „deutsche Interessen am Hindukusch gewahrt werden".
Seine Doppelrolle als vermeintlich staatsferner Reporter und militärischer Teilhaber des Besatzungsregimes hat Barschow von Grund auf gelernt: Vor seiner Tätigkeit beim ZDF arbeitete er unter anderem für die Süddeutsche Zeitung und den Bayerischen Rundfunk; parallel dazu fungierte er als „Medientrainer" an der NATO-Schule in Oberammergau (Bayern) und als Ausbilder an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.[6]
Kameradschaften
Das „Netzwerk" der Absolventen der Bundeswehr-Hochschulen, dem Barschow seine Expertise zur Verfügung stellt, zählt nach Angaben der Veranstalter des Münchner „Alumni-Kongresses" mittlerweile mehr als 4.000 Mitglieder. Sie seien „in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft vertreten" und bekleideten dort „zumeist verantwortungsvolle Fach- und Führungspositionen", rühmt die Bundeswehr ihre Ausdehnung in zivile Bereiche.[7] Hinzu kommen weitere „Netzwerke", meist in Form so genannter Freundeskreise einzelner Truppenteile von Heer, Luftwaffe und Marine. Ehemalige Offiziere und Unteroffiziere sind in „Kameradschaften" organisiert, etwa in der „Reserveoffizierkameradschaft Ziviler Führungskräfte" (ZiFkra) oder in der „Unteroffizier-Kameradschaft im Bundesministerium der Verteidigung".
Reserveoffizierkameradschaft Ziviler Führungskräfte
Foto: (c) pgm | pixelio
Informelle Strukturen
Ebenso wie die „Verbindungskommandos", die Anfang dieses Jahres vom Berliner Verteidigungsministerium auf der Ebene der Bundesländer, Regierungsbezirke und Landkreise installiert wurden, setzen sich auch die genannten „Netzwerke" vornehmlich aus Reservisten zusammen. Während erstere die direkte Verknüpfung von Polizei und Katastrophenschutzbehörden mit dem Militär gewährleisten sollen, wirken letztere als informelle Strukturen, die als unerkannte Mittler der bewaffneten Repressionskräfte im Innern zur Verfügung stehen. (YH)
[1] Die Netzwerker
[2] Grußwort von Vizeadmiral Wolfram Kühn
[3] Grußwort von Dr. Thomas Enders
[4] Vom Journalisten zum Soldaten - Ein Journalist zwischen Pflicht und Verantwortung
[5] vive!verlag
Online-Flyer Nr. 115 vom 03.10.2007