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Globales
Angela Merkels Griff nach Afrika
Ordnungsmächte
Von Hille Krüger
Gegen die Armee des Landes werden aufgrund ihrer Kriegsführung in Somalia, wo sie Ende 2006 einmarschierte, schwere Vorwürfe erhoben. Demnach beschießen die äthiopischen Truppen nicht nur Krankenhäuser und richten Zivilisten hin, sondern nutzen die Besetzung des Nachbarstaats auch, um Jagd auf geflohene äthiopische Oppositionelle zu machen. Mit ihrer Afrikareise hat Angela Merkel den deutschen Anspruch auf militärische Kontrolle des Kontinents und auf privilegierte Teilhabe an seinen Ressourcen bekräftigt.
Deutsche Interessen
Die viertägige Reise war in umfangreiche Afrika-Aktivitäten Berlins eingebettet, die sich vor allem gegen den wachsenden Einfluss Beijings richten. Die Bundesregierung hatte die Afrika-Politik auf die Tagesordnung des G8-Gipfels in Heiligendamm gesetzt und bereitet mit der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft den nächsten EU-Afrika-Gipfel vor. Dieser soll Anfang Dezember seit Jahren erstmals wieder stattfinden.
Angela Merkels Griff nach Afrika
Foto: Sarah J.
Im Mai konferierte die Kanzlerin ausführlich mit an Afrika-Geschäften interessierten Unternehmern, zum Jahresende hält der Bundeswirtschaftsminister eine G8-Investorenkonferenz ab, die sich ebenfalls mit dem afrikanischen Kontinent befassen wird. Die „deutschen Interessen in Afrika" war auch ausdrücklich Gegenstand einer Tagung, die der Außenwirtschaftsverband Afrika-Verein gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) und dem Auslandsrundfunk (Deutsche Welle) in Berlin durchgeführt hat. Bundespräsident Köhler, als ehemaliger geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit Afrika gut vertraut, hat den Kontinent zu einem Schwerpunkt seiner Amtszeit erklärt und ihn bereits mehrfach bereist.
Rohstoffe und Militär
Wie Bundeskanzlerin Merkel in Addis Abeba ankündigte, wird die deutsche Afrika-Politik demnächst durch eine EU-Afrika-Strategie Unterstützung bekommen. Das Papier soll auf dem EU-Gipfel im Dezember verabschiedet werden. Es wurde unter deutscher Ratspräsidentschaft entworfen und umfasst neben entwicklungspolitischen Bekenntnissen insbesondere den Kampf um Ressourcen („Energiepolitik") sowie militärische Projekte („Terrorismusbekämpfung"). „Wir haben heute die Chance, die Kooperation zwischen der EU und Afrika neu zu gestalten" – „weit über die klassische Entwicklungshilfe hinaus", erklärte die Kanzlerin.[1]
Wie sie hervorhob, stammt über die Hälfte der sogenannten Entwicklungsgelder Afrikas aus europäischen Staatshaushalten: ein deutlicher Hinweis auf bestehende finanzielle Abhängigkeiten von Europa, die Verpflichtungen schaffen, auch wenn mehrere afrikanische Regierungen in jüngster Zeit Milliardenkredite von Beijing erhalten haben.
Kriege
Gegen die Volksrepublik China richtet sich vermutlich auch die enge Kooperation Berlins und Brüssels mit der Afrikanischen Union (AU). Wie aus Regierungskreisen verlautet, soll die Zusammenarbeit mit dem Staatenbündnis ausgebaut werden; Ziel ist es, afrikanische Kriege mit Hilfe einheimischer Soldaten kontrollieren zu können. Als Modellfälle gelten derzeit Darfur und Somalia.
In Darfur sind bereits jetzt afrikanische Truppen stationiert. Ihre Präsenz schränkt den Spielraum der enge Wirtschaftsbeziehungen mit Beijing unterhaltenden Regierung in Khartum ein.
Zu Gesprächen über die künftige Militärpolitik hatte Kanzlerin Merkel den gegenwärtigen AU-Vorsitzenden, Ghanas Präsident John Kufuor, nach Addis Abeba, dem offiziellen Sitz der AU zitiert. Kufuor bemüht sich derzeit um Truppen für den Darfur-Einsatz. Äthiopien hat jetzt 5.000 Mann für die Darfur-Einheiten zugesagt.
Ghanaischer Präsident John Kufuor
Foto: Agencia Brasil
Gelyncht
Damit stärkt Äthiopien seine ohnehin bedeutende militärische Stellung in den Kampfgebieten Ostafrikas. Das Land, das bis vor wenigen Jahren einen Grenzkrieg mit Eritrea geführt und noch immer ein gespanntes Verhältnis zu dem Land hat, wird in Berliner Regierungskreisen als „regionale Ordnungsmacht" betrachtet. Tatsächlich sucht die äthiopische Regierung gegenwärtig ihre herausgehobene Position auszubauen und hat zu diesem Zweck Ende 2006 Truppen nach Somalia entsandt. Mit dem Einmarsch sollte eine im Exil gebildete und von Äthiopien abhängige Übergangsregierung in dem Land installiert werden. Die US-Armee unterstützte das Vorhaben militärisch, auch Berlin erkannte die „Übergangsregierung" an. Experten gehen inzwischen allerdings von deren Scheitern aus.[2]
Pakistanische UN-Truppen in Mogadishu/Somalia
Foto: CT Snow
Die äthiopischen Truppen allerdings sind bereits seit Jahresbeginn schweren Vorwürfen ausgesetzt. Sie sollen unter anderem „durch massiven und willkürlichen Beschuss stark besiedelter Stadtgebiete Mogadischus mit Raketen, Mörsern und Artillerie" gegen internationales Recht verstoßen und „absichtlich Zivilisten erschossen" haben.[3] Zudem sollen sie die Invasion zur Jagd auf im somalischen Exil lebende äthiopische Oppositionelle genutzt haben. Berichten zufolge wurden zahlreiche Flüchtlinge in Somalia von äthiopischen Invasionstruppen interniert und gelyncht.[4]
Schlüsselpositionen
Gegen die äthiopischen Sicherheitsbehörden sind bereits seit einigen Jahren schwere Vorwürfe laut geworden. So wurden vor zwei Jahren bei Protesten gegen offenkundig gefälschte Wahlergebnisse in Addis Abeba mehrere Hundert Menschen getötet; Oppositionelle sind seitdem massiver Repression ausgesetzt.
Dennoch führt die Bundesregierung ihre 2005 begonnene Einflussoffensive in Äthiopien ohne Einschränkung fort. Deutsche Entwicklungsagenturen entsenden seit zwei Jahren deutsches Personal in „Schlüsselpositionen in Industrie und Verwaltung" des Landes und Ministerpräsident Meles Zenawi gehört zum Stammpersonal deutscher Regierungstreffen, die sich mit Afrika befassen. Zuletzt hat Zenawi, der wegen der Ermordung von Oppositionellen und den äthiopischen Kriegsverbrechen in Somalia scharf kritisiert wird, den G8-Gipfel in Heiligendamm besucht. Angela Merkel kam auf ihrer Reise erneut mit ihm zusammen.
„Sehr, sehr gut"
Äthiopischer Präsident Meles Zenawi
Die Beziehungen zwischen Deutschland und Äthiopien (...) sind sehr, sehr gut", urteilte die Kanzlerin nach ihren Gesprächen mit Zenawi, „und unser Besuch soll dazu beitragen, dass sie noch intensiver werden."[5] Im nächsten Schritt will Berlin die derzeit noch relativ unbedeutenden deutsch-äthiopischen Wirtschaftsbeziehungen stärken. Im Beisein von Angela Merkel eröffnete die Commerzbank am 4. Oktober 2007 eine Repräsentanz in Addis Abeba. Zwar ist der dortige Finanzmarkt ausländischen Banken noch nicht zugänglich, Regierungskreise halten es jedoch für wichtig, in dem ostafrikanischen Land einen Fuß in der Tür zu haben.
Zudem soll die Commerzbank Äthiopien-Geschäfte deutscher Unternehmen stützen. Das Kreditinstitut habe „bei der Finanzierung des Mittelstandes (...) eine sehr große Erfahrung", so die Kanzlerin [6]; sie stellte darüber hinaus staatliche Exportgarantien für Ausfuhren in das Krieg führende Äthiopien in Aussicht. Als Gegenleistung verlangte sie „Offenheit" unter anderem bei Infrastrukturprojekten. Die Berlinwasser International, deren Vorstandsvorsitzender Dieter Ernst in Äthiopien dabei war, erzielt bereits in einer ganzen Reihe von Staaten weltweit Gewinne – noch nicht jedoch in Äthiopien. (YH)
[1] Merkel vor der Afrikanischen Union: „Afrika ist in Bewegung"; Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 04.10.2007
[2] Somalia's President Yusuf Loses His Grip on Power; Power and Interest News Report 03.10.2007
[3] Somalia: Kriegsverbrechen in Mogadischu; Human Rights Watch 13.08.2007
[4] Oromo refugees in Somalia made an impassioned plea for help; American Chronicle 17.01.2007
[5] Pressekonferenz Bundeskanzlerin Merkel und Premierminister Zenawi, Addis Abeba, 4. Oktober 2007
[6] Rede von Bundeskanzlerin Merkel bei einer Wirtschaftskonferenz in Addis Abeba, 4. Oktober 2007
Online-Flyer Nr. 116 vom 10.10.2007
Angela Merkels Griff nach Afrika
Ordnungsmächte
Von Hille Krüger
Gegen die Armee des Landes werden aufgrund ihrer Kriegsführung in Somalia, wo sie Ende 2006 einmarschierte, schwere Vorwürfe erhoben. Demnach beschießen die äthiopischen Truppen nicht nur Krankenhäuser und richten Zivilisten hin, sondern nutzen die Besetzung des Nachbarstaats auch, um Jagd auf geflohene äthiopische Oppositionelle zu machen. Mit ihrer Afrikareise hat Angela Merkel den deutschen Anspruch auf militärische Kontrolle des Kontinents und auf privilegierte Teilhabe an seinen Ressourcen bekräftigt.
Deutsche Interessen
Die viertägige Reise war in umfangreiche Afrika-Aktivitäten Berlins eingebettet, die sich vor allem gegen den wachsenden Einfluss Beijings richten. Die Bundesregierung hatte die Afrika-Politik auf die Tagesordnung des G8-Gipfels in Heiligendamm gesetzt und bereitet mit der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft den nächsten EU-Afrika-Gipfel vor. Dieser soll Anfang Dezember seit Jahren erstmals wieder stattfinden.
Angela Merkels Griff nach Afrika
Foto: Sarah J.
Im Mai konferierte die Kanzlerin ausführlich mit an Afrika-Geschäften interessierten Unternehmern, zum Jahresende hält der Bundeswirtschaftsminister eine G8-Investorenkonferenz ab, die sich ebenfalls mit dem afrikanischen Kontinent befassen wird. Die „deutschen Interessen in Afrika" war auch ausdrücklich Gegenstand einer Tagung, die der Außenwirtschaftsverband Afrika-Verein gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) und dem Auslandsrundfunk (Deutsche Welle) in Berlin durchgeführt hat. Bundespräsident Köhler, als ehemaliger geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit Afrika gut vertraut, hat den Kontinent zu einem Schwerpunkt seiner Amtszeit erklärt und ihn bereits mehrfach bereist.
Rohstoffe und Militär
Wie Bundeskanzlerin Merkel in Addis Abeba ankündigte, wird die deutsche Afrika-Politik demnächst durch eine EU-Afrika-Strategie Unterstützung bekommen. Das Papier soll auf dem EU-Gipfel im Dezember verabschiedet werden. Es wurde unter deutscher Ratspräsidentschaft entworfen und umfasst neben entwicklungspolitischen Bekenntnissen insbesondere den Kampf um Ressourcen („Energiepolitik") sowie militärische Projekte („Terrorismusbekämpfung"). „Wir haben heute die Chance, die Kooperation zwischen der EU und Afrika neu zu gestalten" – „weit über die klassische Entwicklungshilfe hinaus", erklärte die Kanzlerin.[1]
Wie sie hervorhob, stammt über die Hälfte der sogenannten Entwicklungsgelder Afrikas aus europäischen Staatshaushalten: ein deutlicher Hinweis auf bestehende finanzielle Abhängigkeiten von Europa, die Verpflichtungen schaffen, auch wenn mehrere afrikanische Regierungen in jüngster Zeit Milliardenkredite von Beijing erhalten haben.
Kriege
Gegen die Volksrepublik China richtet sich vermutlich auch die enge Kooperation Berlins und Brüssels mit der Afrikanischen Union (AU). Wie aus Regierungskreisen verlautet, soll die Zusammenarbeit mit dem Staatenbündnis ausgebaut werden; Ziel ist es, afrikanische Kriege mit Hilfe einheimischer Soldaten kontrollieren zu können. Als Modellfälle gelten derzeit Darfur und Somalia.
In Darfur sind bereits jetzt afrikanische Truppen stationiert. Ihre Präsenz schränkt den Spielraum der enge Wirtschaftsbeziehungen mit Beijing unterhaltenden Regierung in Khartum ein.
Zu Gesprächen über die künftige Militärpolitik hatte Kanzlerin Merkel den gegenwärtigen AU-Vorsitzenden, Ghanas Präsident John Kufuor, nach Addis Abeba, dem offiziellen Sitz der AU zitiert. Kufuor bemüht sich derzeit um Truppen für den Darfur-Einsatz. Äthiopien hat jetzt 5.000 Mann für die Darfur-Einheiten zugesagt.
Ghanaischer Präsident John Kufuor
Foto: Agencia Brasil
Gelyncht
Damit stärkt Äthiopien seine ohnehin bedeutende militärische Stellung in den Kampfgebieten Ostafrikas. Das Land, das bis vor wenigen Jahren einen Grenzkrieg mit Eritrea geführt und noch immer ein gespanntes Verhältnis zu dem Land hat, wird in Berliner Regierungskreisen als „regionale Ordnungsmacht" betrachtet. Tatsächlich sucht die äthiopische Regierung gegenwärtig ihre herausgehobene Position auszubauen und hat zu diesem Zweck Ende 2006 Truppen nach Somalia entsandt. Mit dem Einmarsch sollte eine im Exil gebildete und von Äthiopien abhängige Übergangsregierung in dem Land installiert werden. Die US-Armee unterstützte das Vorhaben militärisch, auch Berlin erkannte die „Übergangsregierung" an. Experten gehen inzwischen allerdings von deren Scheitern aus.[2]
Pakistanische UN-Truppen in Mogadishu/Somalia
Foto: CT Snow
Die äthiopischen Truppen allerdings sind bereits seit Jahresbeginn schweren Vorwürfen ausgesetzt. Sie sollen unter anderem „durch massiven und willkürlichen Beschuss stark besiedelter Stadtgebiete Mogadischus mit Raketen, Mörsern und Artillerie" gegen internationales Recht verstoßen und „absichtlich Zivilisten erschossen" haben.[3] Zudem sollen sie die Invasion zur Jagd auf im somalischen Exil lebende äthiopische Oppositionelle genutzt haben. Berichten zufolge wurden zahlreiche Flüchtlinge in Somalia von äthiopischen Invasionstruppen interniert und gelyncht.[4]
Schlüsselpositionen
Gegen die äthiopischen Sicherheitsbehörden sind bereits seit einigen Jahren schwere Vorwürfe laut geworden. So wurden vor zwei Jahren bei Protesten gegen offenkundig gefälschte Wahlergebnisse in Addis Abeba mehrere Hundert Menschen getötet; Oppositionelle sind seitdem massiver Repression ausgesetzt.
Dennoch führt die Bundesregierung ihre 2005 begonnene Einflussoffensive in Äthiopien ohne Einschränkung fort. Deutsche Entwicklungsagenturen entsenden seit zwei Jahren deutsches Personal in „Schlüsselpositionen in Industrie und Verwaltung" des Landes und Ministerpräsident Meles Zenawi gehört zum Stammpersonal deutscher Regierungstreffen, die sich mit Afrika befassen. Zuletzt hat Zenawi, der wegen der Ermordung von Oppositionellen und den äthiopischen Kriegsverbrechen in Somalia scharf kritisiert wird, den G8-Gipfel in Heiligendamm besucht. Angela Merkel kam auf ihrer Reise erneut mit ihm zusammen.
„Sehr, sehr gut"
Äthiopischer Präsident Meles Zenawi
Zudem soll die Commerzbank Äthiopien-Geschäfte deutscher Unternehmen stützen. Das Kreditinstitut habe „bei der Finanzierung des Mittelstandes (...) eine sehr große Erfahrung", so die Kanzlerin [6]; sie stellte darüber hinaus staatliche Exportgarantien für Ausfuhren in das Krieg führende Äthiopien in Aussicht. Als Gegenleistung verlangte sie „Offenheit" unter anderem bei Infrastrukturprojekten. Die Berlinwasser International, deren Vorstandsvorsitzender Dieter Ernst in Äthiopien dabei war, erzielt bereits in einer ganzen Reihe von Staaten weltweit Gewinne – noch nicht jedoch in Äthiopien. (YH)
[1] Merkel vor der Afrikanischen Union: „Afrika ist in Bewegung"; Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 04.10.2007
[2] Somalia's President Yusuf Loses His Grip on Power; Power and Interest News Report 03.10.2007
[3] Somalia: Kriegsverbrechen in Mogadischu; Human Rights Watch 13.08.2007
[4] Oromo refugees in Somalia made an impassioned plea for help; American Chronicle 17.01.2007
[5] Pressekonferenz Bundeskanzlerin Merkel und Premierminister Zenawi, Addis Abeba, 4. Oktober 2007
[6] Rede von Bundeskanzlerin Merkel bei einer Wirtschaftskonferenz in Addis Abeba, 4. Oktober 2007
Online-Flyer Nr. 116 vom 10.10.2007