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Aktueller Online-Flyer vom 27. Dezember 2024  

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Sport
Ein Marathon gegen sexualisierte Gewalt im Sport oder
„Ohne Moos keine Präventionsarbeit“
Von Anna Basse

Bald zehn Jahre ganz dicke Bretter bohren und dann auch noch die Finanzierung eines umfassenden Präventionskonzeptes auf die Beine stellen. Im diesem Ausdauersport sind die Frauen (und seit kurzem auch wieder ein Mann) des Arbeitskreises „Wir zeigen die Rote Karte gegen sexualisierte Gewalt im Sport“ echt Spitze!
Seit 1998 ist der Arbeitskreis aktiv, um das Thema im Sport anzusprechen, zu sensibilisieren und die Voraussetzung für Strukturen und Regeln zu schaffen, die Mädchen und Jungen vor sexualisierten Übergriffen und Gewalt schützen.
 
Gemeinsam mit dem federführenden Stadtsportbund Köln engagieren sich aktuell die Gleichstellungsstelle der Stadt Köln, das Kriminalkommissariat Vorbeugung der Polizei Köln, die Abteilung Geschlechterforschung des Institutes für Sportsoziologie der Sporthochschule Köln, die Vereine LOBBY FÜR MÄDCHEN und LOOKS, sowie der 1. Schwimm-Verein Köln, der Mülheimer Turnverein MTV und die Telekom-Post-Sportgemeinschaft für den Respekt vor Grenzen.


Mitglieder des Arbeitskreises unten (v.l.): F. Mahr, Lobby für Mädchen; J. Gentsch, LOOKS e.V.; K. Barion (oben) D. Ziege, StadtSportBund Köln; K. Peter, Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern; S. Petermeier, Kommissariat Vorbeugung der Polizei Köln. | Foto: AK

Prävention per Faltblatt, Plakataktion, Zertifikat

 
Der AK hat zuerst ein Faltblatt zum Thema aufgelegt, in dem Mädchen, Jungen, Mütter und Väter und die Mitglieder des Sportvereins jeweils speziell angesprochen werden. Dann folgte eine Plakataktion mit überregional bekannten Persönlichkeiten wie Axel Hecker (Paralympicsieger), Rainer Schmidt (Paralympicsieger), Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth, den Fußballerinnen des FFC Brauweiler Pulheim 2000 e.V., den Basketballern von RheinEnergie Cologne und der Moderatorin und Freizeitsportlerin Bettina Böttinger. Die Plakate wurden in Kölner Bädern und Sportanlagen ausgehängt und fanden viel Beachtung.
 
Nach dieser Kampagne folgte der nächste Schritt zum Schutz von Mädchen und Jungen vor sexualisierter Gewalt im Sport. Unter dem Motto „Respekt vor Grenzen – mehr Spaß im Sport“ wurde ein Zertifikat für die Umsetzung im Sportverein entwickelt.
 
Sexuelle Gewalt im Sport ein Problem?
 

Quelle: www.pixelio.de
Foto: Pixsplash
Manche meinen, dieser ganze Aufwand sei nicht nötig, weil es das Problem überhaupt nicht gebe. „Entweder man macht alleine Sport, dann kann nichts passieren, oder man macht Sport in der Gruppe und dann kann auch nichts passieren“, so ein Besucher einer Sportveranstaltung im Sommer, als er den Informationsstand zum Thema „Sexualisierte Gewalt im Sport“ sah. So schlicht sind die Argumente in der Regel nicht, aber dass einem/einer persönlich kein Fall von Übergriffen oder Missbrauch bekannt sei, genügt häufig erst einmal als Beleg für die „Sauberkeit“ des Sportes.

 
Der Arbeitskreis zur Sicherheit vor Übergriffen und Gewalt im Vereinssport und Untersuchungen zum Thema sehen das anders. „Sport ist im Verein am schönsten“ – getreu diesem Motto verbringen in Deutschland Millionen von Kindern und Jugendlichen Teile ihrer Freizeit in Sportvereinen. Als zentraler Ort der außerschulischen Freizeitgestaltung tragen Sportvereine große pädagogische Verantwortung. Im Sportverein erleben Mädchen und Jungen die positiven Effekte von Bewegung, Training und Wettstreit, hier erfahren sie, dass Bewegung und Leistung sich lohnen und dass es gut tut, etwas gemeinsam mit anderen zu unternehmen. Die Sportvereine sind mit ihrer Arbeit für die Entwicklung der meisten Kinder und Jugendlichen, aber auch für Erwachsene, zweifelsfrei äußerst förderlich. - Das stellen die Mitglieder des Arbeitskreises in ihrem Zertifizierungskonzept fest, doch sie fahren fort:
 
Vereine müssen auch Schattenseiten sehen können
 
„Überall dort, wo Mädchen, Jungen, Frauen und Männer miteinander agieren, wo sie Verantwortung füreinander übernehmen und Abhängigkeitsverhältnisse eingehen, besteht jedoch ebenso die Gefahr der Grenzüberschreitung und des Missbrauchs von Machtverhältnissen. Dazu gehören auch Formen sexualisierter Gewalt, die wie in jedem anderen gesellschaftlichen Bereich auch im Sport vorkommen. Die Erscheinungsformen, Situationen und Konstellationen sind sehr unterschiedlich. Das Spektrum reicht von Blicken und Worten über ungewollte Berührungen und körperliche Gewalthandlungen bis hin zur sexuellen Nötigung. Der Sport scheint allerdings aufgrund seiner prägenden Charakteristika das Entstehen von Gewalthandlungen zu begünstigen. Die Körperzentrierung des Sports, das Leistungsprinzip, aber auch die traditionell gefestigte Männerdominanz sowie die Abhängigkeits-verhältnisse zwischen AthletInnen und TrainerInnen können im Sport das Auftreten von sexualisierter Gewalt begünstigen, sofern sich die Vereine nicht entschieden mit klaren Grundsätzen eines gewaltfreien Klimas und respektvollen Miteinanders dagegen behaupten (vgl. BMFSFJ 2005; Brackenridge 2001; Palzkill & Klein 1998).“
 
Auch der Sportverein ist kein gewaltfreier Raum
 
Natürlich sind weder der Vereinssport noch der Leistungssport gewaltfreie Räume. Aber das wollen viele Vereine nicht wahrhaben. Sie fürchten unter Generalverdacht gestellt zu werden, wenn sie sich überhaupt mit dem Thema befassen und setzen vielfach eine „Generalabwehr“ dagegen. Sie erschrecken vor der Aufforderung, sich kritisch mit den eigenen Strukturen und dem Miteinander zu befassen und die Vereinsarbeit auf ihre Qualität bezüglich der Sicherheit von Mädchen und Jungen vor Übergriffen zu hinterfragen. Sie sehen das ehrenamtliche Engagement vieler Vereins-mitglieder und scheuen vor Fragen und Forderungen an diese zurück. 
 
Wo fangen Grenzüberschreitungen an? Muss der Übungsleiter wirklich mit den Mädchen oder Jungen in die Dusche? Sind Berührungen wirklich zufällig? Muss bei der Hilfestellung an Brust, Po oder zwischen die Beine gefasst werden? Was sollen Bemerkungen zur Entwicklung der Brust oder der Größe des Penis? Nur selten werden Missbrauchsfälle so publik wie der des Trainers Karel Fajfr im Hochleistungssport, der eine von ihm trainierte Siebzehnjährige misshandelte und missbrauchte.
 
Doch die Mitglieder des AK „Wir zeigen die Rote Karte“ haben in den vergangenen Jahren intensiv den Kontakt zu Kölner Sportvereinen gesucht und weiterführende Gespräche mit Vorständen geführt. Ergebnis: Pädokriminelle suchen gezielt Organisationen, die präventiven Strukturen keinen besonderen Wert beimessen. Statistisch wird der Sportverein als möglicher Tatort zwar nicht gesondert erfasst, sondern er fällt unter die Kategorie soziales Umfeld. Doch bei Informationsständen berichten immer wieder Passantinnen, dass sie vor allem in jüngeren Jahren wegen Übergriffen Sportvereine verlassen haben und dass sie keine Chance gesehen hätten, sich anders zu schützen und die Übergriffe anzusprechen.



Zertifikat „Respekt vor Grenzen – mehr Spaß im Sport“
 
Vereine, die sich mit dem Thema Sexualisierte Gewalt auseinandersetzen, das Problem erkennen und ernst nehmen und sich dafür einsetzen, ihre MitarbeiterInnen und Mitglieder für das Thema zu sensibilisieren, haben zukünftig die Chance, das Zertifikat des Arbeitskreises „Wir zeigen die Rote Karte“ zu erwerben. Mit Hilfe des Zertifikats können die Vereine signalisieren, dass sie sexualisierte Gewalt in keiner Form dulden und sich für den Schutz von Mädchen und Jungen engagieren. Das Zertifikat beinhaltet ein mehrteiliges Konzept der Aufklärung und der Installation hilfreicher Strukturen und verfolgt das Ziel, ein Klima für Veränderung zu schaffen und einen verantwortungsbewussten Umgang mit sexualisierter Gewalt im Sport zu ermöglichen.


Broschüre zum Projekt Wir
zeigen die Rote Karte
Der Arbeitskreis bietet den Vereinen, die das Zertifikat erwerben wollen,

- Informationsmaterial
- Informationsveranstaltungen
- Fortbildungen
- Krisenmanagement
- einen rechtlichen Rahmen im Umgang mit Verdachtsmomenten
- themenbezogene Öffentlichkeitsarbeit.
Bei allen Veranstaltungen sind der Umgang mit Verdachtsmomenten, die konkrete Mitteilung oder die vermutete TäterInnenschaft zentraler Bestandteil der Veranstaltung.
Ausführende sind die Fachkräfte des Arbeitskreises.
 
Erster Gesprächspartner des Arbeitskreises ist der Vorstand. Er muss hinter der Zertifizierung des Vereins stehen. Die erfolgreiche Auseinandersetzung mit dem Thema setzt eine strukturelle Umgangsweise „Von oben nach unten“ voraus. Bei der Einführung des Zertifikats wird der Verein vom AK „Wir zeigen die Rote Karte“ begleitet, indem die Fachkräfte des AK dem Verein mit Rat und Tat zur Seite stehen.
 
Die Vereine müssen folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Diskussion und Beschluss auf der Jahreshauptversammlung
- Ergänzung der Satzung
- Einführung des polizeilichen Führungszeugnisses
- Ehrenkodex
- Fortbildung
- Information der Mitglieder
- Einführung eines Beschwerdemanagements
- Nachhaltigkeit des Zertifikats
 
Hilfe und Qualitätsnachweis für den Sportverein
 
Mit dem Erwerb des Zertifikats zeigt der Verein, dass er mit seinen Mitgliedern verantwortungsvoll umgeht. Dies ist insbesondere für Eltern, deren Kinder im Verein aktiv sind oder werden wollen, ein positives Signal. Konkret sind mit dem Zertifikat folgende Leistungen des AK „Wir zeigen die Rote Karte“ im Sinne der Maßnahme zur Prävention von sexualisierter Gewalt verbunden:
- Angebote zur Information über sexualisierte Gewalt im Sport
- Fortbildung der MitarbeiterInnen
- Geschlechterspezifische Angebote für Kinder und Jugendliche
- Beratung und Krisenmanagement
- Zertifikat als Urkunde und Werbematerial
 
Perspektive des Zertifikats
 
Die Einführung und Etablierung des Zertifikats soll durch ein fünfjähriges Modellprojekt erfolgen, das sich in eine zweijährige Pilotphase (begrenzt auf den Kölner Raum) und eine dreijährige NRW-weite Implementierungsphase gliedert. Die Zertifizierung der Vereine wird wissenschaftlich durch die Deutsche Sporthochschule Köln (Institut für Sportsoziologie, Abt. Geschlechterforschung) begleitet. Die Durchführung aller beschriebenen Veranstaltungen und die wissenschaftliche Begleitung erfordern einen hohen Arbeitseinsatz vor allem der am Projekt beteiligten Beratungsstellen der LOBBY FÜR MÄDCHEN und von LOOKS und der Sporthochschule. 2008 soll der erste Zertifizierungsprozess beginnen. Mehr als zwei Zertifizierungen sind für den Arbeitskreis zeitgleich nicht zu leisten.
 
Spendenverdoppelungsaktion für Kölner Medien uninteressant
 
Mit einer auf drei Monate befristeten Spendenverdoppelungsaktion durch die Bethe-Stiftung, die Projekte und Vereine unterstützt, die sich gegen sexualisierte Gewalt engagieren, ist der erste Zertifizierungsprozess in greifbare Nähe gerückt – vorausgesetzt die Aktion wird ein Erfolg.


Mitarbeiterinnen der Lobby für Mädchen bei der Arbeit
Quelle: Lobby für Mädchen

 
Am 4. September stellte der AK die Spendenverdoppelungsaktion und das Zertifikat auf einer Pressekonferenz ausführlich vor. Dabei betonten die Arbeitskreismitglieder die Bedeutung der Aktion für die ersten Umsetzungen des Konzeptes mit Kölner Sportvereinen. Zu wissen, dass jede Einzelspende bis 2.000 Euro verdoppelt wird, würde doch wirklich ein guter Anreiz sein zu spenden: Frau Müller spendet 15 Euro, die Bethe-Stiftung legt 15 Euro drauf, und der AK Rote Karte freut sich über 30 Euro!
 
So war es gedacht, aber dann müssen die LeserInnen erst einmal wissen, dass ihre Spende verdoppelt wird. Dazu schrieben aber weder der Kölner Stadt-Anzeiger noch die Kölnische Rundschau mehr als den kurzen Hinweis, dass das Zertifikat über Spenden finanziert werden solle. Die Lokalzeit Köln des WDR Fernsehen berichtete zwar über das „Projekt Rote Karte“, brachte aber auch nicht den kleinsten Hinweis auf die Spendenverdoppelungsaktion. Diese vereinte vornehme Zurückhaltung der auflagen- bzw. zuschauerstarken Kölner Medien ist natürlich ein „Hindernis für den Erfolg der Aktion“, so die Mitglieder des AK. (PK)

 
Aus 10 mach 20, aus 50 mach 100, machen Sie mit!
Bis zum 04.12. verdoppelt die Bethe-Stiftung noch jede Einzelspende, die unter dem Stichwort „Rote Karte“ auf dem Konto des StadtSportBundes Köln bei der
Sparkasse KölnBonn eingeht!
Kto.Nr.: 4 19 29 51
BLZ 370 501 98

 

Online-Flyer Nr. 116  vom 10.10.2007



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