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Arbeit und Soziales
„Ich weiß gar nicht, wie Frauen das aushalten"
Frauen verdienen mehr...!
Von Hans-Dieter Hey

Warum Frauen im Vergleich zu Männern unterschiedliche Vergütungen und Arbeitsbedingungen haben, war Inhalt einer Veranstaltung „Moneten, Macht und Mindestlohn" des DGB-Regionsfrauenausschusses Köln am 17. Oktober. Dabei wurden interessante Details zutage befördert. Beispielsweise die: Frauen leisten zwar weltweit 65 Prozent der gesamten Arbeit, erhalten aber nur 10 Prozent des Einkommens. Doch wie ist das in Deutschland?
Dr. Barbara Stiegler kennt sich in diesen Fragen aus. Sie ist Referentin der Friedrich-Ebert-Stiftung und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz und mit dem Gender Mainstreaming. Sie forscht auf nationaler und internationaler Ebene auf diesen Gebieten für verschiedene Organisationen. "Ich weiß gar nicht, wie Frauen das aushalten" beginnt sie ihren Vortrag, der inhaltlich leicht gekürzt wiedergegeben wird.


Dr. Barbara Stiegler, Friedrich-Ebert-Stiftung
Foto: H.-D. Hey, arbeiterfotografie


Die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen ist seit vielen Jahren ein großes Problem. Es ist natürlich nicht nur ein deutsches Phänomen, sondern international, weil die patriarchalen Verhältnisse eben auch international sind. Weltweit machen Frauen 50 Prozent der Weltbevölkerung aus, leisten 65 Prozent der Arbeit und erhalten aber nur 10 Prozent des Einkommens. Am weltweiten Eigentum besitzen Frauen sogar nur ein Prozent Anteil.

Ungleichheit vor allem in der Privatwirtschaft

Auch in der Bundesrepublik ist diese Lohnungleichheit in allen Bereichen gleich hoch. Im privaten Beschäftigungssektor herrscht eine viel größere Ungleichheit als im öffentlichen Sektor. Das liegt daran, dass im öffentlichen Bereich länger Gender-Bestrebungen existieren, und daran, dass die Niedriglöhne im privaten Sektor noch viel niedriger sind als im öffentlichen Dienst.


Interessant ist dabei, dass, je höher die Positionen von Männern und Frauen sind, auch die Ungleichheit größer wird. Es gibt inzwischen neuere Statistiken, die nachweisen, dass die Lohnungleichheit umso größer wird, je besser die Ausbildung ist und je qualifizierter Beschäftigte sind. Im Schnitt beträgt die Lohndiskriminierung im Vergleich zu Männern ungefähr 24 Prozent. In aktuellen Statistiken gibt es bei gleicher Betriebszugehörigkeit von drei Jahren im gleichen Betrieb, bei gleicher Ausbildung und Tätigkeit schon einen Unterschied von 12 Prozent im Lohn. Es liegt also nicht daran, in welcher Branche Frauen arbeiten. 


Männerberuf 1931: Was hat sich...
Quelle: arbeiterfotografie


Große Ungleichheit existiert auch am Ende eines Arbeitslebens, d.h. wie viel Geld Frauen und Männer bis zum Ende ihres Arbeitslebens ansammeln konnten. Bekannt ist, dass Frauen und Männer geschlechtsvariabel versteuert werden, und das hat Folgen. Im Westen Deutschlands erreichen Frauen in ihrem Berufsleben gerade mal 42 Prozent des kumuliertem Erwerbseinkommens, im Osten immerhin 70 Prozent, Männer dagegen 100 Prozent. Dabei ist von Bedeutung, dass sich in diesen niedrigen Prozentzahlen ein Großteil unbezahlter Arbeit – z.B. in der Familie – widerspiegelt und natürlich die in der Regel viel niedrigen Frauenlöhne. Die Zahlen machen deutlich, vor welchem finanziellen Problem Frauen stehen.

Frauen arbeiten 96 Millionen Stunden jährlich umsonst

Die Gründe dieser unterschiedlichen Behandlung sind natürlich nicht biologisch bedingt, sie haben auch nichts mit der Qualifikation zu tun. Es ist inzwischen im Gegenteil so, dass Frauen die Männer in der Qualifikation überholt haben. Doch das spiegelt sich nicht in den Einkommen wider. Lediglich bei jüngeren Menschen ist die Lohndifferenz nicht mehr ganz so groß.


Woran liegt es also dann? Es liegt vor allem an der vielen unbezahlten Arbeit, die Frauen leisten. Für das Jahr 2001 wurde festgestellt, dass Frauen von der Gesamtarbeitsleistung 56 Mio. Stunden bezahlt bekommen, 10 Mio. Stunden Wegezeit haben, aber 96 Mio. Stunden unbezahlte Arbeit leisten. Die Verteilung der unbezahlten Arbeit zwischen den Geschlechtern verhält sich bei Männern genau umgekehrt. Sie arbeiten zu 42 Prozent unbezahlt, Frauen aber 86 Prozent. Und hier liegt der Grund, warum es den Frauen am Ende an Geld fehlt

Das macht sich vor allem bemerkbar, wenn Familien auseinander gehen. Der Unterhalt ist dann so gestaltet, dass er für Frauen nicht mehr existenzsichernd ist. Besonders in diesem Fall sind die Verhältnisse in Deutschland überdurchschnittlich schlecht.

Die unbezahlte Arbeit für die Familie, bei der Erziehung der Kinder, der Pflege von Angehörigen haben ihr Pendant auch in den Frauenberufen. Trotz eines hohen Maßes an Professionalisierung werden Frauen sehr viel schlechter bezahlt. Dass früher „Frauenarbeiten“ oft umsonst gemacht wurden, hängt gerade solchen Berufen immer noch an. Das Reparieren einer Waschmaschine hat in der Gesellschaft einen höheren Wert als die Pflege eines Angehörigen.


Frauenberuf 1939: ...bis heute geändert?
Quelle: arbeiterfotografie


Diese Ungerechtigkeiten finden sich also vor allem auch in den Lohntarifen wieder. Frauen werden schlechter bezahlt, weil es so im Tarif steht. Deshalb ist es für Frauen auch schwer, gleiche Rechte einzuklagen. Es existieren sogar Rechtsgutachten zur Ungleichbehandlung von Frauen im damaligen Bundesangestellten-Tarif, und diese Gutachten sind bis heute nicht widerlegt worden. Dabei handelt es sich um Diskriminierungen, die völlig gegen die europäischen Regelungen sind.

Otto Schily (SPD) und die Gleichberechtigung

Bei der Einführung des neuen Tarifs im öffentlichen Dienst (TVöD) hatten die Frauen einige Hoffnung, dass dort auch ihre Forderungen einfließen würden. Doch diese Hoffnungen zerschlugen sich, die Ungleichbehandlung der Frauen ist sogar größer geworden. Das Innenministerium, damals unter der Leitung von Otto Schily (SPD), hat zwar während der Tarifverhandlungen mit einem Gender-Mainstreaming-Projekt geprotzt, doch die Ergebnisse bezüglich der Gleichbehandlung sind noch schlechter geworden. Leider haben auch die Gewerkschaften dagegen nichts erreicht. Angesichts dieser neuen Ungerechtigkeiten wäre es Frauen ohne weiteres möglich, erfolgreich vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen. 


In den neuen Tarifvertrag sollte eigentlich auch eine analytische statt der summarischen Arbeitsbewertung Eingang finden, weil so eine gerechtere Lohnfindung möglich geworden wäre. Beispielsweise hätte die soziale Kompetenz im Beruf bewertet werden können - dort sind Frauen nachweislich besser. Doch dazu konnte man sich nicht durchringen, und deshalb wird soziale Kompetenz im öffentlichen Dienst eben nicht bezahlt. 

Dass mehr Gerechtigkeit nicht durchgesetzt werden konnte, lag vor allem an den streikfähigen Gruppen, die von den Forderungen der Frauen nach Gleichberechtigung nicht überzeugt werden konnten. Die Müllwerker hatten beispielsweise Sorge, dass Frauen im Reinigungsbereich mehr verdienen könnten, und das mochten sie sich einfach nicht vorstellen.

Männern ist es in Tarifvereinbarungen auch immer wieder gelungen, bestimmte Arbeiten als belastend zu verkaufen. Das hatte zur Folge, dass Männer regelmäßig mehr Zulagen bekommen als Frauen. Eine Frau erhält beispielsweise nur eine Stundenzulage, solange sie am Spülbecken steht, während ein Müllwerker für seine Arbeit eine Pauschale erhält.

Große Unterschiede, die teilweise das Vierfache ausmachen, gibt es auch zwischen den untersten und obersten Lohngruppen. Im neuen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes mussten Frauen sogar noch eine Absenkung der untersten Lohngruppe hinnehmen, und zwar so stark, dass ihre Löhne dort nicht mehr existenzsichernd sind.

Auch Unterschiede der Zuwächse in den einzelnen Lohngruppen sind enorm. So sind in den obersten Lohngruppen die Zuwächse höher, als das, was in den untersten Lohngruppen überhaupt verdient wird. Sie sind nach dem Motto gestaltet: Wer was hat, bekommt noch was drauf, wer wenig hat, bekommt kaum etwas. Im neuen Tarifvertrag TVöD hat sich die Ungleichheit also noch mal drastisch verschärft. (HDH)
 
Was ist Gender Mainstreaming?
www.fes.de

Fragen zur Arbeitsbewertung:
www.innovations-report.de



Online-Flyer Nr. 118  vom 24.10.2007



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