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Lokales
Warum BürgerInnen in Wuppertal die Polizei beobachten…
…und was ihr OB davon hält
Von Judith Welkmann und Peter Kleinert

Am 9. Juni 2007 kam es zu einer Randale in der Wuppertal-Elberfelder Innenstadt: Unmittelbar nach ihrer Rückkehr vom G8-Gipfel in Heiligendamm löste die Wuppertaler Polizeihundertschaft ein Punkertreffen auf – nach über- einstimmenden Aussagen von Augenzeugen und Betroffenen ohne ersicht- lichen Grund und äußerst brutal. Darauf gründeten einige WuppertalerInnen das Netzwerk „BürgerInnen beobachten die Polizei“. Nun bekamen sie von ihrem OB die Quittung für ihr Engagement – wegen einer Ausstellung und Veranstaltungen zu Polizeigewalt.
Der Angriff auf die Punker im Sommer war nicht der erste Übergriff von Polizisten im bergischen Städtedreieck. Vor allem von jungen Migranten gab es immer wieder Berichte über schikanöse Kontrollen und rassistische und homophobe Beleidigungen durch Beamte; manche berichteten von Prügeln und Erniedrigungen auf der Polizeiwache. Auch gegen die autonome 1. Mai-Demonstration wird hier seit 2006 mit „harter Hand“ vorgegangen, und selbst harmlose Straßenpartys wurden mit Schlagstöcken und Ingewahrsamnahmen beendet (mehr dazu im „Dossier“ unter www.gegenpolizeigewalt.blogsport.de).


Ausstellungseröffnung im Haus der Jugend Barmen

Verbote des „Sonnenkönigs“
 
Das Netzwerk setzte sich deshalb zum Ziel, Betroffene zusammenzubringen, zu unterstützen und zu informieren, Übergriffe zu dokumentieren und – last but not least – das Problem Polizei in Wuppertal öffentlich zu machen.
Das aber war aufgrund des überwiegenden Desinteresses der Medien im bergischen Land nicht ganz einfach. Niemand hatte allerdings mit dem Aus- maß der Tabuisierung gerechnet, über die die NRhZ inzwischen schon in drei Meldungen berichtete: Die vom Netzwerk organisierte und am 8. Januar im städtischen Haus der Jugend eröffnete Ausstellung „Vom Polizeigriff zum Übergriff“ des Antidiskriminierungsbüros Berlin wurde bereits einen Tag danach wieder geschlossen. Auf Anweisung von Oberbürgermeister Peter Jung – mit der Begründung, die Ausstellung würde „die Arbeit und das Ansehen von Polizeibeamten verunglimpfen und diffamieren“.



Mit dem gleichen Argument verbot Jung, der wegen seines Auftretens gele- gentlich als „Sonnenkönig“ betitelt wird, eine Woche später der Wuppertaler Ratsfraktion DIE LINKE, eine erweiterte Fraktionssitzung zum Thema Aus- stellungszensur im städtischen Sitzungsraum 260 durchzuführen. Dr. Wolfgang Fenner von der LINKS-Fraktion: „Diese Diskussionsrunde wäre um so wichtiger gewesen, als wir in Ausübung unseres kommunalpolitischen Mandats nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, Entscheid- ungen des Oberbürgermeisters zu hinterfragen. Wir sehen in diesem Verbot abermals eine unzulässige Behinderung in der Wahrnehmung unserer politischen Aufgabe als Ratsfraktion.“



Klare Opferperspektive

Jung aber bleibt dabei: Jede Diskussion über das Thema Polizeigewalt in städtischen Räumen ist verboten. Und gegenüber Medien wie Ausstellungs- organisatorInnen bleibt er jede weitere Stellungnahme schuldig, warum eine Ausstellung, die einzelne Übergriffe sehr genau dokumentiert und heraus- zufinden versucht, welche Strukturen und Hintergründe zu diesen Übergriffen führen, diskriminierend sein soll. Natürlich nimmt die Ausstellung eine klare Opferperspektive ein, die in den Medien in der Regel wenig Raum bekommt. Sie behauptet aber an keiner Stelle, Polizeibeamte seien – etwa, weil sie PolizistInnen sind – Brutalos, RassistInnen oder Schläger. Das Netzwerks will damit Opfern von Polizeiübergriffen helfen, dass ihnen überhaupt geglaubt wird. Und dass mehr Leute sehr genau hinschauen, wenn andere Menschen von der Polizei kontrolliert oder verhaftet werden, und nicht einfach davon ausgehen, dass die Polizei in allen Fällen „schon zu Recht das tut, was sie tut“. Wenn nach dem Motto, dass nicht sein kann was nicht sein darf, das Problem einfach ausgeblendet würde, blieben die Opfer ohne Rückhalt.



Vor allem aus diesen Gründen empfindet das Netzwerk Jungs Verbote und die Verweigerung einer Auseinandersetzung darüber als ein ernstes Signal. Nicht nur hinsichtlich des Demokratieverständnisses der Stadtspitze. Es werde dadurch auch deutlich, wie tabuisiert das Thema „Polizeiübergriffe“ ist. Wer die Institution Polizei kritisiert, begeht offenbar bereits einen Angriff auf „Sicherheit und Ordnung“ und befindet sich damit bereits am Rande der Verfassungsfeindlichkeit.
 
Inzwischen Wanderausstellung
 
Inzwischen erhalten die Initiatoren von vielen Seiten Solidarität und Unterstützung. Die Ausstellung wurde zur Wanderausstellung und fand Asyl im Café der Sozialberatungsstelle Tacheles e.V. Die erste der aus städtischen Räumen verbannten Veranstaltungen konnte im AStA der Uni Wuppertal stattfinden. Für die zweite, die sich konkret mit den Übergriffen im Bergischen Land befassen soll, wurden bei Redaktionsschluss dieser NRhZ-Ausgabe noch Räumlichkeiten gesucht. Fakt ist: Ausstellung und Veranstaltungen werden nun auch viele Menschen erreichen, die ohne den von OB Jung entfachten Medienwirbel vielleicht nicht hingegangen wären.



Wer das Netzwerk unterstützen will, kann sich an bbdp@so36.net wenden.
Lesen Sie hierzu auch die Glosse „Ein NRW–OB als Koch

Fotos: Anonymus

Online-Flyer Nr. 130  vom 23.01.2008



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