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Kultur und Wissen
Das Buch über die Kirmes in der Kölner Südstadt 1961
Spaß an dr Freud´
Von Georg Giesing
Der Kölner Fotograf Erik Schwarz (1936-1999) hat ein wertvolles Dokument vergangenen Glücks hinterlassen: Bilder der Kirmes in der Zuggasse im Jahre 1961. Eins der großen, vergangenen, plebejischen Straßenfeste in der Kölner Südstadt. Spaß an dr Freud´ ist angesagt. Vital und ausgelassen, schlicht und anarchisch, verhalten sich die Menschen auf den Fotos. Sie feiern das Leben, selbstorganisiert, authentisch, kräftig und deftig.
Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Fotografen Schwarz sind von enormer atmosphärischer Dichte. Die Augenreise führt den Betrachter Bild auf Bild in die Kölner Vergangenheit der 1950ger und 1960ger Jahre. Die Menschen werden in das Zentrum der Betrachter gerückt.
Da stehen die Stühle vor der Türe. Die Fenster sind geöffnet. Staunende Gesichter. Kreuz und quer flattern die Fähnchengirlanden über dem Zugweg. Der Nubbel hängt schräg auf einem Stuhl an einer Mauerwand. Es wird getanzt, Bauch an Bauch, gebützt, gesungen, die Wurst geschnappt, geschwätzt. Nachbarschaft pur. Geblümte Kittelkleider, Strickjacken, Haarnetze und Dauerwellen liegen bei den Damen im Trend. Die Herren tragen weiße Hemden mit offenen Kragen. Hosenträger und Stoffhosen sind angesagt. Jeans nirgendwo in Sicht.
Das Wirtschaftswunder hängt den meisten Menschen schon in vollen Pfunden auf den Rippen. Bäuche wölben sich, die Oberarme sind prall. Dä Butz wäd eng. Die Damen waren vorher noch beim Frisör. Getrunken wird direkt aus der Flasche. Neujeerige Pänz üvverall un mittenmang dabei. Die Mädchen stolz in weißem Tüll mit Kränzchen im Haar, parat gemacht für die Fronleichnamprozession. Die Jungen in knappen, schwarzen Lederhosen. Bei den älteren Jugendlichen deuten sich Schmalzlocken an. Die Oma verbirgt ihr stattliches Hörgerät nicht. Und die Krankenkassengestelle der Brillen machen deutlich: Hier tanzt das einfache Volk!
Kirmes
Foto: Erik Schwarz
Die frühen 1960ger Jahre zeigen, 16 Jahre nach Kriegsende und der Zerstörung der Stadt: Das Leben macht wieder Spaß. Mindestens für zwei, drei Tage. Die Gesichter der Menschen sind besonders ausdrucksstark. Die Freude am Augenblick ist überall. Gelebt wird jetzt und heute. Übermut, Ausgelassenheit und Lust sind dominant. Ein Spielmannszug kommt. Querflöten und Trommeln. Zur Feier des Tages gönnt Mann sich eine Ludwig-Ehrhard-Zigarre. Ein handgeschriebenes Pappschild postuliert die Stimmung treffend:
Drei Dag dun meer doheim nit koche,
Et Bett weed och nit vill vermeß,
Un selvs de Meet weed angebroche,
Wenn en der Zogaß Kirmes es.
Der 127 Seiten umfassende Band "Kirmes Südstadt 1961" ist ein Foto-Bilder-Buch. Gute Bilder brauchen gute Bücher. Dieses Buch wird in seiner Ausstattung den atmosphärischen Fotos in hohem Maße gerecht. Es ist solide, kompakt und liebevoll gemacht.
Herausgegeben und durch einen historischen Text unterstützt wird dieser urbane Bilderschatz von Thomas Plum, dem Schwiegersohn des Fotografen und Bildjournalisten Erik Schwarz. Schwarz besuchte 1951 die Kölner Werkschule und arbeitete später für verschiedene Zeitungen und Illustrierte, bevor er als freier Fotograf in der Werbe- und Modefotografie tätig war. 1977 gab Schwarz die Fotografie auf und wurde Heilpraktiker. Überdies enthält das Buch noch eine stimmungsvolle Einleitung des Kölner Autors Peter Meisenberg. Es bleibt die Frage offen, gibt es von Erik Schwarz noch mehr zu sehen?
"Kirmes Südstadt 1961", Fotografien von Erik Schwarz, Hrsg, Thomas Plum, Emons Verlag, Köln, 2005, Preis: 16,80 Euro.
Online-Flyer Nr. 26 vom 11.01.2006
Das Buch über die Kirmes in der Kölner Südstadt 1961
Spaß an dr Freud´
Von Georg Giesing
Der Kölner Fotograf Erik Schwarz (1936-1999) hat ein wertvolles Dokument vergangenen Glücks hinterlassen: Bilder der Kirmes in der Zuggasse im Jahre 1961. Eins der großen, vergangenen, plebejischen Straßenfeste in der Kölner Südstadt. Spaß an dr Freud´ ist angesagt. Vital und ausgelassen, schlicht und anarchisch, verhalten sich die Menschen auf den Fotos. Sie feiern das Leben, selbstorganisiert, authentisch, kräftig und deftig.
Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Fotografen Schwarz sind von enormer atmosphärischer Dichte. Die Augenreise führt den Betrachter Bild auf Bild in die Kölner Vergangenheit der 1950ger und 1960ger Jahre. Die Menschen werden in das Zentrum der Betrachter gerückt.
Da stehen die Stühle vor der Türe. Die Fenster sind geöffnet. Staunende Gesichter. Kreuz und quer flattern die Fähnchengirlanden über dem Zugweg. Der Nubbel hängt schräg auf einem Stuhl an einer Mauerwand. Es wird getanzt, Bauch an Bauch, gebützt, gesungen, die Wurst geschnappt, geschwätzt. Nachbarschaft pur. Geblümte Kittelkleider, Strickjacken, Haarnetze und Dauerwellen liegen bei den Damen im Trend. Die Herren tragen weiße Hemden mit offenen Kragen. Hosenträger und Stoffhosen sind angesagt. Jeans nirgendwo in Sicht.
Das Wirtschaftswunder hängt den meisten Menschen schon in vollen Pfunden auf den Rippen. Bäuche wölben sich, die Oberarme sind prall. Dä Butz wäd eng. Die Damen waren vorher noch beim Frisör. Getrunken wird direkt aus der Flasche. Neujeerige Pänz üvverall un mittenmang dabei. Die Mädchen stolz in weißem Tüll mit Kränzchen im Haar, parat gemacht für die Fronleichnamprozession. Die Jungen in knappen, schwarzen Lederhosen. Bei den älteren Jugendlichen deuten sich Schmalzlocken an. Die Oma verbirgt ihr stattliches Hörgerät nicht. Und die Krankenkassengestelle der Brillen machen deutlich: Hier tanzt das einfache Volk!
Kirmes
Foto: Erik Schwarz
Die frühen 1960ger Jahre zeigen, 16 Jahre nach Kriegsende und der Zerstörung der Stadt: Das Leben macht wieder Spaß. Mindestens für zwei, drei Tage. Die Gesichter der Menschen sind besonders ausdrucksstark. Die Freude am Augenblick ist überall. Gelebt wird jetzt und heute. Übermut, Ausgelassenheit und Lust sind dominant. Ein Spielmannszug kommt. Querflöten und Trommeln. Zur Feier des Tages gönnt Mann sich eine Ludwig-Ehrhard-Zigarre. Ein handgeschriebenes Pappschild postuliert die Stimmung treffend:
Drei Dag dun meer doheim nit koche,
Et Bett weed och nit vill vermeß,
Un selvs de Meet weed angebroche,
Wenn en der Zogaß Kirmes es.
Der 127 Seiten umfassende Band "Kirmes Südstadt 1961" ist ein Foto-Bilder-Buch. Gute Bilder brauchen gute Bücher. Dieses Buch wird in seiner Ausstattung den atmosphärischen Fotos in hohem Maße gerecht. Es ist solide, kompakt und liebevoll gemacht.
Herausgegeben und durch einen historischen Text unterstützt wird dieser urbane Bilderschatz von Thomas Plum, dem Schwiegersohn des Fotografen und Bildjournalisten Erik Schwarz. Schwarz besuchte 1951 die Kölner Werkschule und arbeitete später für verschiedene Zeitungen und Illustrierte, bevor er als freier Fotograf in der Werbe- und Modefotografie tätig war. 1977 gab Schwarz die Fotografie auf und wurde Heilpraktiker. Überdies enthält das Buch noch eine stimmungsvolle Einleitung des Kölner Autors Peter Meisenberg. Es bleibt die Frage offen, gibt es von Erik Schwarz noch mehr zu sehen?
"Kirmes Südstadt 1961", Fotografien von Erik Schwarz, Hrsg, Thomas Plum, Emons Verlag, Köln, 2005, Preis: 16,80 Euro.
Online-Flyer Nr. 26 vom 11.01.2006