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Arbeit und Soziales
Der DGB braucht eine umfassende Organisationsreform
Die Einheit neu denken
Von Franz Kersjes
Gewerkschaftsorganisationen sind Mittel zum Zweck. Sie müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass abhängig Beschäftigte, Arbeitslose und freiberuflich Tätige eine durchsetzungsfähige Interessenvertretung und die bestmögliche Unterstützung im Kampf um Sicherung und Ausbau ihrer Rechte erfahren. Dazu gehören gewerkschaftliche Strukturen, die gemeinsame Ziele und optimale Beteiligung der Mitglieder ermöglichen. „Gemeinsam sind wir stark!“, heißt die Losung.
Eine aufgezwungene Organisationsstruktur
Umstritten waren Aufbau und Struktur der deutschen Gewerkschaften schon bei ihrer Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Frage nach einem effektiven, gerechten und durchsetzbaren allgemeinen Strukturmodell gewerkschaftlicher Organisation, also die Schaffung eines optimalen Organisationsprinzips, wurde damals von den Besatzungsmächten bestimmt. Für die Gründung eines DGB als Mitgliedergewerkschaft – ähnlich wie in Österreich und vielen anderen Ländern – gab es keine Chance. Die Alliierten wünschten für Deutschland keine zentralen Gewalten. Viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter waren dagegen der Auffassung, dass alle gewerkschaftlichen Kräfte in einer gemeinsamen Organisation zusammengefasst werden müssten, um die Durchsetzungsfähigkeit ihrer politischen, ökonomischen und sozialen Forderungen zu erhöhen. Der Alliierte Kontrollrat für Deutschland erließ jedoch bereits am 3. Juni 1946 die Anweisung Nr. 31 über „Die Entwicklung von Gewerkschaftsverbänden“. Damit wurde den Gewerkschaften zwar der Weg zu größeren Zusammenschlüssen freigegeben, gleichzeitig jedoch die Auflage zur Bildung von Industriegewerkschaften gemacht.
Konferenz Gewerkschaftsbund Süd-Württemberg und Hohenzollern 1949 in Ravensburg | Quelle: www.fes.de
Der offiziellen Geschichtsschreibung des DGB zufolge wurden die modernen deutschen Einheitsgewerkschaften auf dem DGB-Gründungskongress 1949 in München konstituiert. Tatsächlich erhielt der DGB als Dachorganisation aber die Verfassung eines eher lockeren Bundes von autonomen 16 Industrie- und Berufsgewerkschaften. Das Resultat, die Schwächung der Gewerkschaften, war gewollt: Ein geschlossener gewerkschaftlicher Widerstand bei der Wiederherstellung kapitalistischer Verhältnisse sollte verhindert werden.
Gleichwertigkeit von Arbeit und Kapital
Nachdem der Anti-Hitler-Koalition der Kalte Krieg gefolgt war, sollten vor allem die westdeutschen Gewerkschaften in ein Bündnis mit Staat und Kapital integriert werden. Arbeit und Kapital galten nun als gleichwertig. In Betrieb und Gesellschaft sollten ihre Vertreter gleichberechtigt agieren können. Der Staat verpflichtete sich zu einer Politik des Interessenausgleichs. Dazu gehörten: die Tarifautonomie, das Konzept der betrieblichen Mitbestimmung sowie die paritätische Finanzierung und Selbstverwaltung der Sozialversicherungen. Bis zur Wirtschaftskrise in den Jahren 1974/75 wurde der Sozialstaat als historische Errungenschaft betrachtet. Deutschland galt als Musterland des Wohlfahrtsstaates. Die so genannte Soziale Marktwirtschaft wurde als Kompromiß zwischen Arbeit und Kapital angesehen.
Hans Böckler - 1949 in München zum Vorsitzenden des DGB gewählt
Quelle: DGB-Archiv
Die angeblichen Volksparteien haben sich inzwischen konzeptionell und praktisch vom Prinzip der Gleichwertigkeit von Arbeit und Kapital verabschiedet, ebenso vom damit verbundenen Gesellschaftsentwurf. Das Prinzip der solidarischen Finanzierung des Sozialstaats soll durch die abhängig Beschäftigten und ihre Unterordnung unter die allgemeinen Wettbewerbszwänge ersetzt werden. Der Staat zieht sich aus der Verantwortung zurück. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen das gewünschte Maß an Sozialstaatlichkeit selbst finanzieren. Hauptziel dieser neuen ‚Sozialpolitik’ ist die Entlastung der Wirtschaft. Die Formel lautet nun: Kapital geht vor Arbeit – und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit vor sozialer Sicherheit.
Beschäftigte tragen das Risiko
Mit einem Politikmodell der Sozialpakte wurde in den vergangenen drei Jahrzehnten die Gleichberechtigung der Interessen von Arbeit und Kapital ersetzt durch die unmittelbare Einbeziehung der abhängig Beschäftigten in die Risiken durch die Weltmarktkonkurrenz. Wenn im internationalen Wettbewerb die Erfolge der Unternehmen und Konzerne ausbleiben, sollen die abhängig Beschäftigten mit Lohnverzicht und Entlassungen dafür bezahlen. Und wenn die Renditen wieder steigen, werden von den Belegschaften erneut Verzichte verlangt, um den Aufschwung nicht zu gefährden. Kostenentlastungen und Deregulierungen verschärfen die Konkurrenzsituation unter den Arbeitnehmern. Mit der dramatisch abnehmenden Tarifbindung sollen die Gewerkschaften empfindsam geschwächt werden.
Die Herren des Kapitals und ihre Interessenvertreter haben sich von der Kooperation mit den Gewerkschaften verabschiedet. Die Arbeitnehmerorganisationen werden nach ihrer Überzeugung nicht mehr gebraucht! Diese Tatsache wird vor allem von vielen hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionären ignoriert. Sie sperren sich der Erkenntnis, dass sich die Gewerkschaften als starke, selbstbewusste und von Parteiinteressen unabhängige Organisationen im Interesse der arbeitenden und ausgebeuteten Menschen neu aufstellen müssen.
Mitgliedergewerkschaft DGB !
Die gewerkschaftliche Durchsetzungsmacht kann nur dann verbessert werden, wenn der DGB eine Mitgliedergewerkschaft wird. Dann könnten die politischen Potenziale gebündelt und der Verwaltungsaufwand enorm reduziert werden. Das würde gleichzeitig zur Verbesserung gewerkschaftlicher Beratungs- und Unterstützungstätigkeit führen.
Die hohen Mitgliederverluste und der damit verbundene finanzielle Aderlass zwingen zum Zusammenschluss aller Gewerkschaften. Aber bislang beschränkt man sich auf eine stärkere Kooperation der Einzelgewerkschaften mit dem DGB vor Ort.
Der DGB-Bundesvorstand soll Anfang März über Vorschläge des Projektes „Weiterentwicklung Organisationsstruktur“ entscheiden. In insgesamt 20 Pilotprojekten haben 22 DGB-Regionen und sechs DGB-Bezirke von Mitte 2006 bis zum Sommer 2007 neue Formen der Zusammenarbeit von DGB und Einzelgewerkschaften erprobt und weiter entwickelt.
Beispielsweise soll der Service für die Mitglieder durch gemeinsame Anlaufstellen verbessert werden. Dies kann aber nur gelingen, wenn sich die örtlichen Gewerkschaften auch finanziell daran beteiligen. Grundvoraussetzung für Aufbau und Betrieb einer Anlaufstelle ist außerdem die Beteiligung ausreichend vieler ehrenamtlich Aktiver in den Einzelgewerkschaften.
Franz Kersjes im Jahr 2003 vor dem Amerikahaus in Köln
Foto: Arbeiterfotografie
Fusionen und Kooperationen
DGB-Regionen sollen nach dem Projektbericht fusionieren und kooperieren. „Bei Berücksichtigung der organisationspolitischen und arbeitsorganisatorischen Kennziffern müssten etwa dreiviertel der bestehenden DGB-Regionen Veränderungsmaßnahmen einleiten“, heißt es. Das kann die mangelhafte Zusammenarbeit zwischen den Einzelgewerkschaften und dem DGB in den Regionen sicherlich nicht fördern. Schon heute muss sich so mancher DGB-Vorsitzende mit 20 und mehr ehrenamtlichen oder hauptamtlichen Geschäftsführern der Einzelgewerkschaften in seiner Region vor Ort abstimmen, um Kooperationen zu ermöglichen. Bereits in der Vergangenheit hat es als Folge von Mitglieder- und Einnahmenverlusten in den DGB-Regionen und zuvor schon in den DGB-Kreisen immer wieder Fusionen von Organisationseinheiten gegeben. Und es soll weiteren Personalabbau beim DGB geben. Die gegenwärtig etwa 670 Stellen sollen bis zum Jahr 2010 auf 600 reduziert werden; etwa 300 dieser Beschäftigten sollen in den DGB-Regionen eingesetzt werden. An Sachmitteln sollen den DGB-Regionen wie bisher etwa 20 Prozent der DGB-Haushaltsmittel zur Verfügung stehen.
Warum Veränderungen nur in den Regionen?
Durch die Zusammenarbeit zwischen DGB-Regionen und Einzelgewerkschaften werden eine „starke Präsenz nach außen und Synergien“ angestrebt. Gemeinsam sollen sich alle Beteiligten „stärker als bisher um gewerkschaftsübergreifende organisationspolitische Ziele“ kümmern. Vor allem soll das für öffentliche Auftritte des DGB als die „gewerkschaftliche Stimme“ gelten. Jedoch kann dies nicht nur ein Ziel für die Gewerkschaften in den Regionen sein! Wollen die Verantwortlichen auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene etwa ansonsten so weitermachen wie bisher? Das wäre Wahnsinn, denn: Es gibt besonders auf zentraler Ebene der acht Einzelgewerkschaften und beim DGB Abteilungen für Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik, Bildungsarbeit, Personal, Europa, Öffentlichkeitsarbeit, Gesundheitspolitik, Frauen, Jugend, Senioren, usw., usw. Sie alle existieren weitgehend nebeneinander, tun fast das Gleiche – und klagen über Personalmangel. Selbstverständlich, sind alle wichtig. Jeder ist wichtiger als der andere. Und wer kümmert sich unmittelbar um die Mitglieder?
Kooperationen reichen nicht aus
Kooperationen reichen also bei weitem nicht aus! Dringend nötig ist eine umfassende Organisationsreform mit dem Ziel, alle Gewerkschaftsmitglieder und solche, die es werden könnten, in einer großen Einheitsgewerkschaft mit Berufs- und Branchenfachbereichen zu vereinigen. Wenn die verantwortlichen Funktionäre das nicht schaffen, wird der Bedeutungsverlust der deutschen Gewerkschaften unaufhaltsam sein. (PK)
Lesen Sie auch „Streik ist Notwehr“ von Franz Kersjes in dieser Ausgabe
Online-Flyer Nr. 135 vom 27.02.2008
Der DGB braucht eine umfassende Organisationsreform
Die Einheit neu denken
Von Franz Kersjes
Gewerkschaftsorganisationen sind Mittel zum Zweck. Sie müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass abhängig Beschäftigte, Arbeitslose und freiberuflich Tätige eine durchsetzungsfähige Interessenvertretung und die bestmögliche Unterstützung im Kampf um Sicherung und Ausbau ihrer Rechte erfahren. Dazu gehören gewerkschaftliche Strukturen, die gemeinsame Ziele und optimale Beteiligung der Mitglieder ermöglichen. „Gemeinsam sind wir stark!“, heißt die Losung.
Eine aufgezwungene Organisationsstruktur
Umstritten waren Aufbau und Struktur der deutschen Gewerkschaften schon bei ihrer Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Frage nach einem effektiven, gerechten und durchsetzbaren allgemeinen Strukturmodell gewerkschaftlicher Organisation, also die Schaffung eines optimalen Organisationsprinzips, wurde damals von den Besatzungsmächten bestimmt. Für die Gründung eines DGB als Mitgliedergewerkschaft – ähnlich wie in Österreich und vielen anderen Ländern – gab es keine Chance. Die Alliierten wünschten für Deutschland keine zentralen Gewalten. Viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter waren dagegen der Auffassung, dass alle gewerkschaftlichen Kräfte in einer gemeinsamen Organisation zusammengefasst werden müssten, um die Durchsetzungsfähigkeit ihrer politischen, ökonomischen und sozialen Forderungen zu erhöhen. Der Alliierte Kontrollrat für Deutschland erließ jedoch bereits am 3. Juni 1946 die Anweisung Nr. 31 über „Die Entwicklung von Gewerkschaftsverbänden“. Damit wurde den Gewerkschaften zwar der Weg zu größeren Zusammenschlüssen freigegeben, gleichzeitig jedoch die Auflage zur Bildung von Industriegewerkschaften gemacht.
Konferenz Gewerkschaftsbund Süd-Württemberg und Hohenzollern 1949 in Ravensburg | Quelle: www.fes.de
Der offiziellen Geschichtsschreibung des DGB zufolge wurden die modernen deutschen Einheitsgewerkschaften auf dem DGB-Gründungskongress 1949 in München konstituiert. Tatsächlich erhielt der DGB als Dachorganisation aber die Verfassung eines eher lockeren Bundes von autonomen 16 Industrie- und Berufsgewerkschaften. Das Resultat, die Schwächung der Gewerkschaften, war gewollt: Ein geschlossener gewerkschaftlicher Widerstand bei der Wiederherstellung kapitalistischer Verhältnisse sollte verhindert werden.
Gleichwertigkeit von Arbeit und Kapital
Nachdem der Anti-Hitler-Koalition der Kalte Krieg gefolgt war, sollten vor allem die westdeutschen Gewerkschaften in ein Bündnis mit Staat und Kapital integriert werden. Arbeit und Kapital galten nun als gleichwertig. In Betrieb und Gesellschaft sollten ihre Vertreter gleichberechtigt agieren können. Der Staat verpflichtete sich zu einer Politik des Interessenausgleichs. Dazu gehörten: die Tarifautonomie, das Konzept der betrieblichen Mitbestimmung sowie die paritätische Finanzierung und Selbstverwaltung der Sozialversicherungen. Bis zur Wirtschaftskrise in den Jahren 1974/75 wurde der Sozialstaat als historische Errungenschaft betrachtet. Deutschland galt als Musterland des Wohlfahrtsstaates. Die so genannte Soziale Marktwirtschaft wurde als Kompromiß zwischen Arbeit und Kapital angesehen.
Hans Böckler - 1949 in München zum Vorsitzenden des DGB gewählt
Quelle: DGB-Archiv
Die angeblichen Volksparteien haben sich inzwischen konzeptionell und praktisch vom Prinzip der Gleichwertigkeit von Arbeit und Kapital verabschiedet, ebenso vom damit verbundenen Gesellschaftsentwurf. Das Prinzip der solidarischen Finanzierung des Sozialstaats soll durch die abhängig Beschäftigten und ihre Unterordnung unter die allgemeinen Wettbewerbszwänge ersetzt werden. Der Staat zieht sich aus der Verantwortung zurück. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen das gewünschte Maß an Sozialstaatlichkeit selbst finanzieren. Hauptziel dieser neuen ‚Sozialpolitik’ ist die Entlastung der Wirtschaft. Die Formel lautet nun: Kapital geht vor Arbeit – und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit vor sozialer Sicherheit.
Beschäftigte tragen das Risiko
Mit einem Politikmodell der Sozialpakte wurde in den vergangenen drei Jahrzehnten die Gleichberechtigung der Interessen von Arbeit und Kapital ersetzt durch die unmittelbare Einbeziehung der abhängig Beschäftigten in die Risiken durch die Weltmarktkonkurrenz. Wenn im internationalen Wettbewerb die Erfolge der Unternehmen und Konzerne ausbleiben, sollen die abhängig Beschäftigten mit Lohnverzicht und Entlassungen dafür bezahlen. Und wenn die Renditen wieder steigen, werden von den Belegschaften erneut Verzichte verlangt, um den Aufschwung nicht zu gefährden. Kostenentlastungen und Deregulierungen verschärfen die Konkurrenzsituation unter den Arbeitnehmern. Mit der dramatisch abnehmenden Tarifbindung sollen die Gewerkschaften empfindsam geschwächt werden.
Die Herren des Kapitals und ihre Interessenvertreter haben sich von der Kooperation mit den Gewerkschaften verabschiedet. Die Arbeitnehmerorganisationen werden nach ihrer Überzeugung nicht mehr gebraucht! Diese Tatsache wird vor allem von vielen hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionären ignoriert. Sie sperren sich der Erkenntnis, dass sich die Gewerkschaften als starke, selbstbewusste und von Parteiinteressen unabhängige Organisationen im Interesse der arbeitenden und ausgebeuteten Menschen neu aufstellen müssen.
Mitgliedergewerkschaft DGB !
Die gewerkschaftliche Durchsetzungsmacht kann nur dann verbessert werden, wenn der DGB eine Mitgliedergewerkschaft wird. Dann könnten die politischen Potenziale gebündelt und der Verwaltungsaufwand enorm reduziert werden. Das würde gleichzeitig zur Verbesserung gewerkschaftlicher Beratungs- und Unterstützungstätigkeit führen.
Die hohen Mitgliederverluste und der damit verbundene finanzielle Aderlass zwingen zum Zusammenschluss aller Gewerkschaften. Aber bislang beschränkt man sich auf eine stärkere Kooperation der Einzelgewerkschaften mit dem DGB vor Ort.
Der DGB-Bundesvorstand soll Anfang März über Vorschläge des Projektes „Weiterentwicklung Organisationsstruktur“ entscheiden. In insgesamt 20 Pilotprojekten haben 22 DGB-Regionen und sechs DGB-Bezirke von Mitte 2006 bis zum Sommer 2007 neue Formen der Zusammenarbeit von DGB und Einzelgewerkschaften erprobt und weiter entwickelt.
Beispielsweise soll der Service für die Mitglieder durch gemeinsame Anlaufstellen verbessert werden. Dies kann aber nur gelingen, wenn sich die örtlichen Gewerkschaften auch finanziell daran beteiligen. Grundvoraussetzung für Aufbau und Betrieb einer Anlaufstelle ist außerdem die Beteiligung ausreichend vieler ehrenamtlich Aktiver in den Einzelgewerkschaften.
Franz Kersjes im Jahr 2003 vor dem Amerikahaus in Köln
Foto: Arbeiterfotografie
Fusionen und Kooperationen
DGB-Regionen sollen nach dem Projektbericht fusionieren und kooperieren. „Bei Berücksichtigung der organisationspolitischen und arbeitsorganisatorischen Kennziffern müssten etwa dreiviertel der bestehenden DGB-Regionen Veränderungsmaßnahmen einleiten“, heißt es. Das kann die mangelhafte Zusammenarbeit zwischen den Einzelgewerkschaften und dem DGB in den Regionen sicherlich nicht fördern. Schon heute muss sich so mancher DGB-Vorsitzende mit 20 und mehr ehrenamtlichen oder hauptamtlichen Geschäftsführern der Einzelgewerkschaften in seiner Region vor Ort abstimmen, um Kooperationen zu ermöglichen. Bereits in der Vergangenheit hat es als Folge von Mitglieder- und Einnahmenverlusten in den DGB-Regionen und zuvor schon in den DGB-Kreisen immer wieder Fusionen von Organisationseinheiten gegeben. Und es soll weiteren Personalabbau beim DGB geben. Die gegenwärtig etwa 670 Stellen sollen bis zum Jahr 2010 auf 600 reduziert werden; etwa 300 dieser Beschäftigten sollen in den DGB-Regionen eingesetzt werden. An Sachmitteln sollen den DGB-Regionen wie bisher etwa 20 Prozent der DGB-Haushaltsmittel zur Verfügung stehen.
Warum Veränderungen nur in den Regionen?
Durch die Zusammenarbeit zwischen DGB-Regionen und Einzelgewerkschaften werden eine „starke Präsenz nach außen und Synergien“ angestrebt. Gemeinsam sollen sich alle Beteiligten „stärker als bisher um gewerkschaftsübergreifende organisationspolitische Ziele“ kümmern. Vor allem soll das für öffentliche Auftritte des DGB als die „gewerkschaftliche Stimme“ gelten. Jedoch kann dies nicht nur ein Ziel für die Gewerkschaften in den Regionen sein! Wollen die Verantwortlichen auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene etwa ansonsten so weitermachen wie bisher? Das wäre Wahnsinn, denn: Es gibt besonders auf zentraler Ebene der acht Einzelgewerkschaften und beim DGB Abteilungen für Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik, Bildungsarbeit, Personal, Europa, Öffentlichkeitsarbeit, Gesundheitspolitik, Frauen, Jugend, Senioren, usw., usw. Sie alle existieren weitgehend nebeneinander, tun fast das Gleiche – und klagen über Personalmangel. Selbstverständlich, sind alle wichtig. Jeder ist wichtiger als der andere. Und wer kümmert sich unmittelbar um die Mitglieder?
Kooperationen reichen nicht aus
Kooperationen reichen also bei weitem nicht aus! Dringend nötig ist eine umfassende Organisationsreform mit dem Ziel, alle Gewerkschaftsmitglieder und solche, die es werden könnten, in einer großen Einheitsgewerkschaft mit Berufs- und Branchenfachbereichen zu vereinigen. Wenn die verantwortlichen Funktionäre das nicht schaffen, wird der Bedeutungsverlust der deutschen Gewerkschaften unaufhaltsam sein. (PK)
Lesen Sie auch „Streik ist Notwehr“ von Franz Kersjes in dieser Ausgabe
Online-Flyer Nr. 135 vom 27.02.2008