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Inland
Forderung von Umweltverbänden an Minister Gabriel:
Störfälle nicht länger verschleiern!
Von Peter Kleinert
Nach Kenntnis der Unterzeichner des Briefes erfasst die Zentrale Melde- und -Auswertestelle für Störfälle (ZEMA) im Umweltbundesamt seit 1993 alle nach der Störfall-Verordnung meldepflichtigen Ereignisse. Die ZEMA-Onlinedatenbank umfasse zurzeit über 530 Berichte. Hinzu kämen auf der Homepage des Umweltbundesamtes rund 25 Datenblätter zu Einzelereignissen, die als „sicherheitstechnisch bedeutsam“ eingestuft wurden, allerdings aus formalen Gründen nicht als Störfälle gelten.
Die „sicherheitstechnisch bedeutsamen“ Vorfälle enthalten aber weder eine Angabe des Ortes oder des Betreibers der jeweiligen Anlage. Als Datum gebe es nur Jahreszahlen, so dass „eine eindeutige Zuordnung unmöglich“ sei. Die Einträge in der ausführlicheren ZEMA-Onlinedatenbank enthalten zwar Orts- und Datums-Angabe, aber auch dort fehle die Nennung des Betreibers, obwohl die zugrundeliegenden Ereignisse durchweg in der lokalen Presse mit Betreiberangaben kommentiert wurden.
Störfälle nicht länger verschleiern – Umweltminister Gabriel
Quelle: BMU
Re-Anonymisierung
„Mit dieser Art von Re-Anonymisierung sind wir überhaupt nicht einverstanden!“ erklären die Umweltver5bände, weil dadurch „in unangemessener Weise die Verursacher von Schäden gegenüber der Öffentlichkeit und den Betroffenen“ begünstigt würden. Da Unternehmen von sich aus kaum oder gar nicht über Störfälle und extern wahrnehmbare Ereignisse berichten, hätten Medien und Umweltverbände „keine Möglichkeit, eine Ereignis-Bilanz einzelner Firmen zu erstellen“. Somit fehle der öffentliche Druck auf die beteiligten Unternehmen, ihre Sicherheitslage zu verbessern.
Solch öffentlicher Druck sei aber dringend notwendig, weil in allen Bereichen von Unternehmen – also auch in den sicherheitsrelevanten – seit Jahren durch Personaleinsparung und Outsourcen Kosten reduziert würden. Sicherheitspersonal wurde reduziert und in mehreren Werken gar die Werksfeuerwehr geschlossen. Steigende Arbeitsbelastung und der damit einhergehende Stress seien für viele Unfälle verantwortlich. Zusätzlich nehme durch den Verlust erfahrener Arbeitnehmer über Frühpensionierung und Altersteilzeit und den damit einhergehenden geringeren Wissenstransfer die Sicherheit in den Betrieben großen Schaden.
Störfall im AKW Brunsbüttel | Quelle: pripyat.com
Einig mit dem Umweltbundesamt
Auch nach Meinung des Umweltbundesamts liege es in den Händen der Betreiber, die Unfall-Zahlen zu verringern, wie aus dessen Presse-Info vom 27.10.2006 hervorgehe: „Eine bessere Wartung der Anlagen, intensivere Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ausreichendes Personal könnten die Zahl der Störfälle und die damit verbundenen Personen- sowie Sachschäden deutlich verringern.“
Öffentliche Aufklärung von Ereignissen – wie sie in den Niederlanden und den USA üblich sei – und detaillierte Information von Fachgremien wie der Kommission für Anlagensicherheit und von Umweltverbänden könnten dazu beitragen, dass Unfälle an Anlagen vermieden und ihre Folgen reduziert würden, dass Lernprozesse zu ihrer Vermeidung stattfinden und dass die Arbeit der Katastropheninstitutionen und –organisationen unterstützt würde.
Störfall bei BAYER-Uerdingen - © cbgnetwork.org
Willkürliche Verstöße
Die praktizierte (Re-)Anonymisierung der Störfall- und Ereignis-Daten durch ZEMA und die Kommission für Anlagensicherheit bzw. durch die Betreiber oder Berichterstatter verstoße gegen die Umweltinformationspflicht; sei willkürlich und in den meisten Fällen völlig unbegründet. Im Übrigen bestehe für Eigentümer von Produktionsanlagen nach dem Grundgesetz eine soziale Verpflichtung. Darunter, so die Forderung der Unterzeichner, „sollte auch die Verpflichtung zur unmittelbaren, vollständigen und umfassenden Übermittlung der Daten von o.g. Ereignissen zu verstehen sein“.
Sicherheitsrelevante Informationen dürften der Öffentlichkeit also nicht vorenthalten werden. Der Minister solle also „künftig und rückwirkend eine Aufschlüsselung aller Unfälle nach Ort, Datum und Anlagenbetreiber“ vorlegen. (PK)
Die Unterzeichner des Briefes sind:
Prof. Dr. Jürgen Rochlitz, Mitglied der Kommission für Anlagensicherheit
Angelika Horster, Naturschutzbund Deutschland (NABU) in der Kommission für Anlagensicherheit
Roland Hipp, Kampagnengeschäftsführer Greenpeace e.V.
Philipp Mimkes, Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.
Dr. Helmut Roescheisen, Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dr. Ursula Fischbach, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in der Kommission für Anlagensicherheit
Oliver Kalusch, Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e.V. in der Kommission für Anlagensicherheit
Online-Flyer Nr. 137 vom 12.03.2008
Forderung von Umweltverbänden an Minister Gabriel:
Störfälle nicht länger verschleiern!
Von Peter Kleinert
Nach Kenntnis der Unterzeichner des Briefes erfasst die Zentrale Melde- und -Auswertestelle für Störfälle (ZEMA) im Umweltbundesamt seit 1993 alle nach der Störfall-Verordnung meldepflichtigen Ereignisse. Die ZEMA-Onlinedatenbank umfasse zurzeit über 530 Berichte. Hinzu kämen auf der Homepage des Umweltbundesamtes rund 25 Datenblätter zu Einzelereignissen, die als „sicherheitstechnisch bedeutsam“ eingestuft wurden, allerdings aus formalen Gründen nicht als Störfälle gelten.
Die „sicherheitstechnisch bedeutsamen“ Vorfälle enthalten aber weder eine Angabe des Ortes oder des Betreibers der jeweiligen Anlage. Als Datum gebe es nur Jahreszahlen, so dass „eine eindeutige Zuordnung unmöglich“ sei. Die Einträge in der ausführlicheren ZEMA-Onlinedatenbank enthalten zwar Orts- und Datums-Angabe, aber auch dort fehle die Nennung des Betreibers, obwohl die zugrundeliegenden Ereignisse durchweg in der lokalen Presse mit Betreiberangaben kommentiert wurden.
Störfälle nicht länger verschleiern – Umweltminister Gabriel
Quelle: BMU
Re-Anonymisierung
„Mit dieser Art von Re-Anonymisierung sind wir überhaupt nicht einverstanden!“ erklären die Umweltver5bände, weil dadurch „in unangemessener Weise die Verursacher von Schäden gegenüber der Öffentlichkeit und den Betroffenen“ begünstigt würden. Da Unternehmen von sich aus kaum oder gar nicht über Störfälle und extern wahrnehmbare Ereignisse berichten, hätten Medien und Umweltverbände „keine Möglichkeit, eine Ereignis-Bilanz einzelner Firmen zu erstellen“. Somit fehle der öffentliche Druck auf die beteiligten Unternehmen, ihre Sicherheitslage zu verbessern.
Solch öffentlicher Druck sei aber dringend notwendig, weil in allen Bereichen von Unternehmen – also auch in den sicherheitsrelevanten – seit Jahren durch Personaleinsparung und Outsourcen Kosten reduziert würden. Sicherheitspersonal wurde reduziert und in mehreren Werken gar die Werksfeuerwehr geschlossen. Steigende Arbeitsbelastung und der damit einhergehende Stress seien für viele Unfälle verantwortlich. Zusätzlich nehme durch den Verlust erfahrener Arbeitnehmer über Frühpensionierung und Altersteilzeit und den damit einhergehenden geringeren Wissenstransfer die Sicherheit in den Betrieben großen Schaden.
Störfall im AKW Brunsbüttel | Quelle: pripyat.com
Einig mit dem Umweltbundesamt
Auch nach Meinung des Umweltbundesamts liege es in den Händen der Betreiber, die Unfall-Zahlen zu verringern, wie aus dessen Presse-Info vom 27.10.2006 hervorgehe: „Eine bessere Wartung der Anlagen, intensivere Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ausreichendes Personal könnten die Zahl der Störfälle und die damit verbundenen Personen- sowie Sachschäden deutlich verringern.“
Öffentliche Aufklärung von Ereignissen – wie sie in den Niederlanden und den USA üblich sei – und detaillierte Information von Fachgremien wie der Kommission für Anlagensicherheit und von Umweltverbänden könnten dazu beitragen, dass Unfälle an Anlagen vermieden und ihre Folgen reduziert würden, dass Lernprozesse zu ihrer Vermeidung stattfinden und dass die Arbeit der Katastropheninstitutionen und –organisationen unterstützt würde.
Störfall bei BAYER-Uerdingen - © cbgnetwork.org
Willkürliche Verstöße
Die praktizierte (Re-)Anonymisierung der Störfall- und Ereignis-Daten durch ZEMA und die Kommission für Anlagensicherheit bzw. durch die Betreiber oder Berichterstatter verstoße gegen die Umweltinformationspflicht; sei willkürlich und in den meisten Fällen völlig unbegründet. Im Übrigen bestehe für Eigentümer von Produktionsanlagen nach dem Grundgesetz eine soziale Verpflichtung. Darunter, so die Forderung der Unterzeichner, „sollte auch die Verpflichtung zur unmittelbaren, vollständigen und umfassenden Übermittlung der Daten von o.g. Ereignissen zu verstehen sein“.
Sicherheitsrelevante Informationen dürften der Öffentlichkeit also nicht vorenthalten werden. Der Minister solle also „künftig und rückwirkend eine Aufschlüsselung aller Unfälle nach Ort, Datum und Anlagenbetreiber“ vorlegen. (PK)
Die Unterzeichner des Briefes sind:
Prof. Dr. Jürgen Rochlitz, Mitglied der Kommission für Anlagensicherheit
Angelika Horster, Naturschutzbund Deutschland (NABU) in der Kommission für Anlagensicherheit
Roland Hipp, Kampagnengeschäftsführer Greenpeace e.V.
Philipp Mimkes, Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.
Dr. Helmut Roescheisen, Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dr. Ursula Fischbach, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in der Kommission für Anlagensicherheit
Oliver Kalusch, Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e.V. in der Kommission für Anlagensicherheit
Online-Flyer Nr. 137 vom 12.03.2008