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„Sie sagen ja jetzt...“
Und man konnte sich ähnlich werden
Von Ulla Lessmann
Älteres Ehepaar
Foto: Nippeser Nachrichten Archiv
Ich glaube ja, dass die Leute, die ewig miteinander verheiratet sind, sich einfach so aneinander gewöhnt haben, dass ihnen gar nicht mehr auffällt, dass vielleicht irgendwas nicht stimmt. Ich meine, jeder hat doch so nicht ganz kaputte Sachen, also angeschlagene Milchkännchen und so was, die hat man jahrzehntelang und merkt gar nicht mehr, dass die Tülle ab ist oder der Henkel wackelt, man hängt eben dran und diese Sachen gehen nie richtig kaputt!
Genauso ist das mit diesen Uraltehen. Günstigerweise wird man sich von außen auch immer ähnlicher, manche sehen aus wie Zwillinge mit ihrem praktischen grauen Pottschnitt und den orangenen Anoraks und diesen beigen Bequemschuhen. Die meckern nie gegenseitig an ihrem Aussehen rum, weil es ja dasselbe ist!
Und sie haben die gleichen Schrittlängen, dadurch kommen sie überall zusammen an und keiner muß auf den anderen warten, was sonst schnell zu Eheproblemen führt, und sie bestellen immer denselben Kuchen. Andererseits lässt so eine alte Ehe einem auch nie die Chance, mal einen anderen Kuchen zu essen, weil er dann sagt, was soll das denn jetzt? Du isst doch immer Kirschstreusel, wieso willst du denn plötzlich Zitronenrolle? Was ist das denn für eine neue Mode? Und dann muss man was erklären, was man gar nicht erklären kann, weil es ein spontanes Bedürfnis nach Zitronenrolle war, aber der Ehemann, der nimmt das natürlich nicht einfach so hin, wenn er 47 Jahre erlebt hat, dass man immer Kirschstreusel isst!
Die jungen Leute, die sich ständig scheiden lassen, die kommen gar nicht dazu, sich an irgendwas zu gewöhnen und ein bisschen Stetigkeit in ihr Leben reinzubringen. Es wäre besser für sie, sie könnten sich mal über Kirschstreusel und Zitronenrolle streiten als über „Beziehungsprobleme“. Die sind natürlich hochinteressant, das muss man sagen, wenn ich mit meinem Mann in diesem einen Café sitze, wo es ein bißchen enger ist, da hören wir immer viel über „Nähe“, die man „nicht zulassen“ kann oder „Bindungsunfähigkeit“, die man „loslassen“ muss. Was die alles „reinlassen“ und „annehmen“ sollen heutzutage, das ist wirklich schwierig für die jungen Leute!
...dann lieber doch keine Zitronenrolle...
Foto: Rainer Sturm | pixelio.de
Uns haben sie damals irgendwie in Ruhe gelassen, da hatten sie diese ganzen Eheprobleme alle noch nicht erfunden und man konnte sich zanken und ähnlich werden. Jetzt sagen sie ja, diejenigen Ehen halten lange, in denen die Partner sich immer wieder „neu entdecken“. Das kann ich nun gar nicht bestätigen. Das ist doch furchtbar, wenn man 47 Jahre dauernd was neues an seinem Mann entdeckt, und ich habe ja gesehen, was ich davon habe, wenn ich neuerdings Zitronenrolle will: Nichts als Ärger! (CH)
Online-Flyer Nr. 138 vom 19.03.2008
„Sie sagen ja jetzt...“
Und man konnte sich ähnlich werden
Von Ulla Lessmann
Älteres Ehepaar
Foto: Nippeser Nachrichten Archiv
Genauso ist das mit diesen Uraltehen. Günstigerweise wird man sich von außen auch immer ähnlicher, manche sehen aus wie Zwillinge mit ihrem praktischen grauen Pottschnitt und den orangenen Anoraks und diesen beigen Bequemschuhen. Die meckern nie gegenseitig an ihrem Aussehen rum, weil es ja dasselbe ist!
Und sie haben die gleichen Schrittlängen, dadurch kommen sie überall zusammen an und keiner muß auf den anderen warten, was sonst schnell zu Eheproblemen führt, und sie bestellen immer denselben Kuchen. Andererseits lässt so eine alte Ehe einem auch nie die Chance, mal einen anderen Kuchen zu essen, weil er dann sagt, was soll das denn jetzt? Du isst doch immer Kirschstreusel, wieso willst du denn plötzlich Zitronenrolle? Was ist das denn für eine neue Mode? Und dann muss man was erklären, was man gar nicht erklären kann, weil es ein spontanes Bedürfnis nach Zitronenrolle war, aber der Ehemann, der nimmt das natürlich nicht einfach so hin, wenn er 47 Jahre erlebt hat, dass man immer Kirschstreusel isst!
Die jungen Leute, die sich ständig scheiden lassen, die kommen gar nicht dazu, sich an irgendwas zu gewöhnen und ein bisschen Stetigkeit in ihr Leben reinzubringen. Es wäre besser für sie, sie könnten sich mal über Kirschstreusel und Zitronenrolle streiten als über „Beziehungsprobleme“. Die sind natürlich hochinteressant, das muss man sagen, wenn ich mit meinem Mann in diesem einen Café sitze, wo es ein bißchen enger ist, da hören wir immer viel über „Nähe“, die man „nicht zulassen“ kann oder „Bindungsunfähigkeit“, die man „loslassen“ muss. Was die alles „reinlassen“ und „annehmen“ sollen heutzutage, das ist wirklich schwierig für die jungen Leute!
...dann lieber doch keine Zitronenrolle...
Foto: Rainer Sturm | pixelio.de
Online-Flyer Nr. 138 vom 19.03.2008