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Zugriff Berlins auf ehemalige französische Kolonien
Politisch schwieriges Terrain im Kongo
Von Hans Georg
Uneinigkeiten über die Prioritäten der deutschen Außenexpansion führen zu Auseinandersetzungen in den Regierungsparteien über einen künftigen Bundeswehreinsatz in der Demokratischen Republik Kongo. Während Entwicklungspolitiker sich dringend dafür aussprechen, deutsches Militär im Auftrag der UNO in das von einem erneuten Aufflammen des Bürgerkriegs bedrohte Land zu entsenden, warnt der Frankreich-Experte der CDU, Andreas Schockenhoff, vor einem allzu offensiven Ausgreifen in Zentralafrika. Hintergrund sind Befürchtungen, Paris könne nach kontinuierlichen Einflussverlusten in seinen ehemaligen Kolonien bei gleichzeitigem deutschem Einflussgewinn empfindlich auf eine militärische Führungsposition Deutschlands im Kongo reagieren und im Gegenzug der innereuropäischen Machtkonsolidierung Berlins Schwierigkeiten bereiten. Der westliche Interessenabgleich im Kongo war Thema der Gespräche zwischen Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Bush. Er betrifft ein Land, dem im Falle einer erfolgreichen Herrschaftsstabilisierung erhebliche wirtschaftliche und geostrategische Bedeutung zugeschrieben wird.
Erhebliche Bedeutung
Das grundsätzliche deutsche Interesse am Kongo, der immer wieder Objekt blutiger internationaler Einflusskämpfe gewesen ist, ist unbestritten. "Nach Ende des Konfliktes und innerstaatlicher Konsolidierung ist davon auszugehen, dass die DR Kongo aufgrund ihrer Lage im Zentrum Afrikas und des Ressourcenreichtums zu einem Faktor von erheblicher politischer Bedeutung werden wird", heißt es in der Zentralafrika-Strategie des Auswärtigen Amts (AA).[1] Das Land sei im Blick auf seine Rohstoffvorkommen "sehr reich und in vieler Hinsicht sehr wichtig", bestätigte der CSU-Entwicklungspolitiker Christian Ruck im Dezember auf einer entwicklungspolitischen Tagung deutscher Wirtschaftsverbände in Köln. Angesichts der gegenwärtigen Friedensbemühungen sei bereits jetzt "eine Tendenz seitens internationaler Großkonzerne und einzelner Industriestaaten erkennbar (...), sich auf wirtschaftspolitischem Gebiet für eine post-Konflikt-Phase strategisch zu positionieren", hieß es bereits vor Jahren im AA. [2]
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Heftige Diskussionen
Wie Ruck im Dezember in Köln berichtete, gab es schon aus Anlass des ersten EU-Militäreinsatzes im Kongo (Juni bis August 2003 unter französischer Führung) hinter den Kulissen heftige Diskussionen über die deutsche Rolle in dem zentralafrikanischen Land. Hintergrund ist der kontinuierliche Einflussgewinn Deutschlands in Afrika, dessen weiterer Steigerung sich der gegenwärtige Bundespräsident Horst Köhler verschrieben hat. [3] Parallel konstatieren deutsche Regierungsberater einen dramatischen Einflussverlust Frankreichs in seinen ehemaligen Kolonien. So sei etwa die Schwächung der Pariser Position in Cote d'Ivoire, dem "wichtigsten" seiner "vier afrikanischen Kernländer" [4], "an Symbolkraft kaum zu übertreffen" und verbessere die Chancen Berlins, "die eigenen afrikapolitischen Zielsetzungen" zu verwirklichen, urteilt die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). [5]
Erhebliche Skepsis
Die Debatte um einen erneuten Bundeswehr-Einsatz im Kongo hält der Frankreich-Experte der CDU-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff, für "politisch schwierige(s) Terrain". [6] Eine allzu offene Brüskierung Frankreichs könne Störmanöver gegen die innereuropäische Machtkonsolidierung Deutschlands provozieren, befürchten mehrere Regierungspolitiker. Während Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die Anforderung einer derzeit deutsch geführten EU-Battle-Group durch die Vereinten Nationen "ausdrücklich" unterstützt [7], äußert Schockenhoff daher "erhebliche Skepsis" [8]. Als möglicher Kompromiss gilt ein EU-Einsatz unter französischer Führung, bei dem deutsche Soldaten wie im Sommer 2003 nur logistische Tätigkeiten übernehmen und zusätzlich allenfalls medizinische Aufgaben durchführen.
Erfolg
Währenddessen sind deutsche Einflussorganisationen längst im Kongo tätig. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung beteiligt sich an der Vorbereitung der für April geplanten Wahlen, die bundeseigene Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) leitet - wie auch die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung - die Entwicklung der Privatwirtschaft an. Zu den Programmschwerpunkten der GTZ gehören Maßnahmen zur Wasserversorgung - eine Aufgabe, die die deutsche Entwicklungspolitik ebenfalls in den Nachbarstaaten Burundi und Ruanda übernommen hat. Mit Erfolg: In Ruanda wurde schließlich das Management des Wasser- und Energieversorgers "Electrogaz" trotz starker französischer Konkurrenz dem deutschen Unternehmen "Lahmeyer International" übertragen. Dies entspricht den neuen Machtverhältnissen in dem Land. "Der Machtwechsel vor zehn Jahren hat Ruanda aus der Frankophonie 'herauskatapultiert'", beschreibt die deutsche Botschaft in Kigali einen weiteren Fall französischen Einflussverlustes. Dies habe, heißt es weiter, "die Chancen der übrigen Europäer, vor allem der Deutschen, entsprechend erhöht". [9]
Zugriff
In der Demokratischen Republik Kongo stehen wichtige Entscheidungen mit außenpolitischer Bedeutung u.a. in der Infrastrukturplanung bevor. Dort konkurrieren mehrere Vorhaben, die auf die verkehrstechnische Erschließung der Ressourcengebiete im Osten des Landes abzielen. Plänen für den Bau einer Eisenbahn-Anbindung Ugandas, Ruandas, Burundis und der DR Kongo an die ehemalige britische Kolonie Sambia ("südlicher Korridor") stehen Konzepte zum Anschluss des Gebietes an das südsudanesisch-kenianische Eisenbahnprojekt des deutschen Unternehmens Thormählen Schweißtechnik entgegen ("nördlicher Korridor"). [10] Sollte es gelingen, dieses Vorhaben durchzusetzen, scheint ein deutscher Zugriff auf die ostkongolesischen Ressourcen auch ohne militärische Einflusskomponente möglich.
[1], [2] Afrika südlich der Sahara - außenpolitische Strategien - Teil Zentralafrika; www.auswaertiges-amt.de. S. dazu "Erdöl, Kobalt, Coltan"
[3] s. dazu Glücksfall und Mr. Horst Köhler, Managing Director
[4] s. dazu Kolonial-Kämpfe
[5] SWP-Studie. S. dazu Offensive in Afrika
[6] Bundeswehr soll nicht allein in den Kongo. Union und SPD von UN-Bitte alarmiert; Berliner Zeitung 19.01.2006
[7] "Die Region der großen Seen braucht Frieden und Stabilität"; Pressemitteilung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 17.01.2006
[8] Bundeswehr soll nicht allein in den Kongo. Union und SPD von UN-Bitte alarmiert; Berliner Zeitung 19.01.2006. Schockenhoff ist u.a. Vorsitzender der deutsch-französischen Parlamentariergruppe und Mitglied in verschiedenen binationalen Gremien und Think Tanks. Im Dezember erhielt er "für seine Verdienste und sein Engagement in den deutsch-französischen Beziehungen" das Bundesverdienstkreuz am Bande.
[9] s. dazu Region der Großen Seen
[10] Hehre Ziele und erste Erfolge; Hintergrundinformationen aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung, Dezember 2005. S. auch Die Kongo-Bahn
Weitere Informationen unter:
http://www.german-foreign-policy.com
Online-Flyer Nr. 28 vom 25.01.2006
Zugriff Berlins auf ehemalige französische Kolonien
Politisch schwieriges Terrain im Kongo
Von Hans Georg
Uneinigkeiten über die Prioritäten der deutschen Außenexpansion führen zu Auseinandersetzungen in den Regierungsparteien über einen künftigen Bundeswehreinsatz in der Demokratischen Republik Kongo. Während Entwicklungspolitiker sich dringend dafür aussprechen, deutsches Militär im Auftrag der UNO in das von einem erneuten Aufflammen des Bürgerkriegs bedrohte Land zu entsenden, warnt der Frankreich-Experte der CDU, Andreas Schockenhoff, vor einem allzu offensiven Ausgreifen in Zentralafrika. Hintergrund sind Befürchtungen, Paris könne nach kontinuierlichen Einflussverlusten in seinen ehemaligen Kolonien bei gleichzeitigem deutschem Einflussgewinn empfindlich auf eine militärische Führungsposition Deutschlands im Kongo reagieren und im Gegenzug der innereuropäischen Machtkonsolidierung Berlins Schwierigkeiten bereiten. Der westliche Interessenabgleich im Kongo war Thema der Gespräche zwischen Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Bush. Er betrifft ein Land, dem im Falle einer erfolgreichen Herrschaftsstabilisierung erhebliche wirtschaftliche und geostrategische Bedeutung zugeschrieben wird.
Erhebliche Bedeutung
Das grundsätzliche deutsche Interesse am Kongo, der immer wieder Objekt blutiger internationaler Einflusskämpfe gewesen ist, ist unbestritten. "Nach Ende des Konfliktes und innerstaatlicher Konsolidierung ist davon auszugehen, dass die DR Kongo aufgrund ihrer Lage im Zentrum Afrikas und des Ressourcenreichtums zu einem Faktor von erheblicher politischer Bedeutung werden wird", heißt es in der Zentralafrika-Strategie des Auswärtigen Amts (AA).[1] Das Land sei im Blick auf seine Rohstoffvorkommen "sehr reich und in vieler Hinsicht sehr wichtig", bestätigte der CSU-Entwicklungspolitiker Christian Ruck im Dezember auf einer entwicklungspolitischen Tagung deutscher Wirtschaftsverbände in Köln. Angesichts der gegenwärtigen Friedensbemühungen sei bereits jetzt "eine Tendenz seitens internationaler Großkonzerne und einzelner Industriestaaten erkennbar (...), sich auf wirtschaftspolitischem Gebiet für eine post-Konflikt-Phase strategisch zu positionieren", hieß es bereits vor Jahren im AA. [2]
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Heftige Diskussionen
Wie Ruck im Dezember in Köln berichtete, gab es schon aus Anlass des ersten EU-Militäreinsatzes im Kongo (Juni bis August 2003 unter französischer Führung) hinter den Kulissen heftige Diskussionen über die deutsche Rolle in dem zentralafrikanischen Land. Hintergrund ist der kontinuierliche Einflussgewinn Deutschlands in Afrika, dessen weiterer Steigerung sich der gegenwärtige Bundespräsident Horst Köhler verschrieben hat. [3] Parallel konstatieren deutsche Regierungsberater einen dramatischen Einflussverlust Frankreichs in seinen ehemaligen Kolonien. So sei etwa die Schwächung der Pariser Position in Cote d'Ivoire, dem "wichtigsten" seiner "vier afrikanischen Kernländer" [4], "an Symbolkraft kaum zu übertreffen" und verbessere die Chancen Berlins, "die eigenen afrikapolitischen Zielsetzungen" zu verwirklichen, urteilt die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). [5]
Erhebliche Skepsis
Die Debatte um einen erneuten Bundeswehr-Einsatz im Kongo hält der Frankreich-Experte der CDU-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff, für "politisch schwierige(s) Terrain". [6] Eine allzu offene Brüskierung Frankreichs könne Störmanöver gegen die innereuropäische Machtkonsolidierung Deutschlands provozieren, befürchten mehrere Regierungspolitiker. Während Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die Anforderung einer derzeit deutsch geführten EU-Battle-Group durch die Vereinten Nationen "ausdrücklich" unterstützt [7], äußert Schockenhoff daher "erhebliche Skepsis" [8]. Als möglicher Kompromiss gilt ein EU-Einsatz unter französischer Führung, bei dem deutsche Soldaten wie im Sommer 2003 nur logistische Tätigkeiten übernehmen und zusätzlich allenfalls medizinische Aufgaben durchführen.
Erfolg
Währenddessen sind deutsche Einflussorganisationen längst im Kongo tätig. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung beteiligt sich an der Vorbereitung der für April geplanten Wahlen, die bundeseigene Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) leitet - wie auch die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung - die Entwicklung der Privatwirtschaft an. Zu den Programmschwerpunkten der GTZ gehören Maßnahmen zur Wasserversorgung - eine Aufgabe, die die deutsche Entwicklungspolitik ebenfalls in den Nachbarstaaten Burundi und Ruanda übernommen hat. Mit Erfolg: In Ruanda wurde schließlich das Management des Wasser- und Energieversorgers "Electrogaz" trotz starker französischer Konkurrenz dem deutschen Unternehmen "Lahmeyer International" übertragen. Dies entspricht den neuen Machtverhältnissen in dem Land. "Der Machtwechsel vor zehn Jahren hat Ruanda aus der Frankophonie 'herauskatapultiert'", beschreibt die deutsche Botschaft in Kigali einen weiteren Fall französischen Einflussverlustes. Dies habe, heißt es weiter, "die Chancen der übrigen Europäer, vor allem der Deutschen, entsprechend erhöht". [9]
Zugriff
In der Demokratischen Republik Kongo stehen wichtige Entscheidungen mit außenpolitischer Bedeutung u.a. in der Infrastrukturplanung bevor. Dort konkurrieren mehrere Vorhaben, die auf die verkehrstechnische Erschließung der Ressourcengebiete im Osten des Landes abzielen. Plänen für den Bau einer Eisenbahn-Anbindung Ugandas, Ruandas, Burundis und der DR Kongo an die ehemalige britische Kolonie Sambia ("südlicher Korridor") stehen Konzepte zum Anschluss des Gebietes an das südsudanesisch-kenianische Eisenbahnprojekt des deutschen Unternehmens Thormählen Schweißtechnik entgegen ("nördlicher Korridor"). [10] Sollte es gelingen, dieses Vorhaben durchzusetzen, scheint ein deutscher Zugriff auf die ostkongolesischen Ressourcen auch ohne militärische Einflusskomponente möglich.
[1], [2] Afrika südlich der Sahara - außenpolitische Strategien - Teil Zentralafrika; www.auswaertiges-amt.de. S. dazu "Erdöl, Kobalt, Coltan"
[3] s. dazu Glücksfall und Mr. Horst Köhler, Managing Director
[4] s. dazu Kolonial-Kämpfe
[5] SWP-Studie. S. dazu Offensive in Afrika
[6] Bundeswehr soll nicht allein in den Kongo. Union und SPD von UN-Bitte alarmiert; Berliner Zeitung 19.01.2006
[7] "Die Region der großen Seen braucht Frieden und Stabilität"; Pressemitteilung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 17.01.2006
[8] Bundeswehr soll nicht allein in den Kongo. Union und SPD von UN-Bitte alarmiert; Berliner Zeitung 19.01.2006. Schockenhoff ist u.a. Vorsitzender der deutsch-französischen Parlamentariergruppe und Mitglied in verschiedenen binationalen Gremien und Think Tanks. Im Dezember erhielt er "für seine Verdienste und sein Engagement in den deutsch-französischen Beziehungen" das Bundesverdienstkreuz am Bande.
[9] s. dazu Region der Großen Seen
[10] Hehre Ziele und erste Erfolge; Hintergrundinformationen aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung, Dezember 2005. S. auch Die Kongo-Bahn
Weitere Informationen unter:
http://www.german-foreign-policy.com
Online-Flyer Nr. 28 vom 25.01.2006