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Reflexe und Reflexionen über Islam in den Medien – Teil I
Hauptthema Gewalt
Von Dr. Sabine Schiffer
Wesentlich durch Auslandsberichterstattung geprägt
Obwohl das Islambild nicht einhellig ist, gibt es eine Konstanz in der Gewaltdominanz als Hauptthema der Thematisierung „des Islams“. Kai Hafez hat ermittelt, dass 50% der Presseberichterstattung eine Verknüpfung der Themen Islam und Gewalt anbieten (1). Daneben gibt es zwar auch immer wieder und immer öfter Beiträge, die entweder selbstkritisch die Darstellungsweise der eigenen Redaktion reflektieren oder das sehr eingeschränkte Themenspektrum in Bezug auf „die islamische Welt“ erweitern. Aber durch die parallel laufende Kontinuität im Angstdiskurs über „den Islam“ entsteht allenfalls eine Spannung und keine Lösung des kolportierten Konflikts für das Medienpublikum.
Und obwohl immer mehr – nennen wir sie – Inlandsmuslime ins „Visier“ der Berichterstattung rücken, wird nach wie vor das Islambild wesentlich durch die Auslandsberichterstattung geprägt, die nicht den Islam sondern ganz andere Motive zum Thema hat. Eine Vorstellung von diesem wird sozusagen en passant mit kreiert. Außerdem muss man feststellen, dass die differenzierten Sendungen und Artikel zum Thema in den Massenmedien Fernsehen und Zeitung weniger Raum erhalten als die „Problemthematisierung“ und weniger gut platziert sind – also nicht im Hauptabendprogramm, sondern eher in der Nacht und auch nicht auf den Titelseiten von Zeitungen und Magazinen, sondern im Innenteil zu finden sind. Razzien, ob in Banken oder Moscheen und Skandale wie bei Siemens, werden nun einmal bevorzugt auf den Titelseiten der Tageszeitungen präsentiert. Die weniger brisanten Ergebnisse solcher Events verschwinden dann im Innenteil oder erscheinen überhaupt nicht mehr – ganz gemäß der Interessenskurve des Publikums, das die Fortsetzung vieler angerissener Geschichten und lückenhafter Berichterstattung selten verlangt. Insgesamt gilt, dass die wirkenden Mechanismen, die hier beschrieben werden, kein Spezifikum des „Islam“-Diskurses sind, sondern dieser hier nur exemplarisch behandelt wird.
Peter Scholl-Latour im ZDF
An einigen nicht repräsentativen, aber prototypischen Beispielen werden die Reflexen deutlich, die man inzwischen sehr häufig in Bezug auf die Verwendung islamischer Symbole feststellen kann. Wir beginnen mit einer Sendung von Peter Scholl-Latour, in der in 45 Minuten ein Bild der ehemaligen südsowjetischen Republiken gezeichnet wird und wo es u.a. zu einer Explosion in der Unterkunft russischer Grenztruppen bei Kaspisk kommt. „Und schon fällt der Blick auf eine Moschee, das gewaltigste Bauwerk in dieser eintönigen und geduckten Umgebung, eine Kopie der Sultan Ahmed Moschee…“. Während eine Erklärung für die Zusammenpräsentation des Themas Explosion/Zerstörung und Moschee/Islam ausgespart bleibt, drängt sich genau diese subtil natürlich auf, weil immer das, was zusammen präsentiert wird, auch füreinander relevant gehalten wird.
Nehmen wir aber einmal an, die Explosion war keine Gasexplosion, sondern vielleicht ein Anschlag. Und nehmen wir auch an, Scholl-Latour hat Anlass, für diesen eine Urheberschaft in sogenannten islamistischen Extremistenkreisen zu vermuten. Dann müsste er das eigentlich begründen, statt es hier per Sinn-Induktions-Schnitt – also durch die Montage der beiden Szenen – einfach zu unterstellen. Übrigens unterstellt wird es nur im Kontext des aktuellen Diskurses über Islam und Muslime in Deutschland und darüber hinaus. Inzwischen gibt es eine Darstellungstradition dahingehend, schreckliche Szenen und Angst machende Themen mit Symbolen des Islams zu „schmücken“: Moschee, Gebet, Kopftuch.
ZDF 17.12.1997 Das Schlachtfeld der Zukunft
Welche Relation ein Zuschauer aber zwischen den verknüpft angebotenen Bildern vermutet, ist zunächst individuell – so sagte einmal ein muslimischer Teilnehmer eines Seminars an dieser Stelle: „Puh, ich bin erleichtert. Als ich die Moschee sah, wusste ich: Es kann nichts Schlimmes passiert sein.“
Gleiche Technik in Magazintiteln
Wir müssen aber davon ausgehen, dass die Mehrheit des (nichtmuslimischen) Publikums aus den folgenden Beispielen aus den Printmedien andere Schlüsse zieht. Hier einige Beispiele, wie die gleiche Technik in Magazintiteln angewandt wird.
Der Spiegel 5.12.2005, Stern 26.1.2006
Sowohl die schrecklichen Entführungen im Irak sind Fakten wie auch die im SPIEGEL-Titel abgebildete Moschee, die dem Thema damit beigeordnet wird. Während man bei der Darstellung des Atompilzes in den Händen Ahmadinejads vielleicht um den Realitätssinn dieser Montage streiten kann, ist die darunter abgebildete Moschee auf jeden Fall ein realer Teil des Irans und soll hier vermutlich diesen illustrieren – zumal Ahmadinejad im Anzug erscheint, der ihn vielleicht zu „westlich-fortschrittlich“ erscheinen lassen könnte. Durch das Moscheebild wird also einerseits eine „eindeutigere“ Interpretationssituation geschaffen, andererseits eben wiederum ein Problemthema mit islamischem Symbol verknüpft. Hier wird deutlich, wie man auch bei der Beschränkung auf reine Faktennennung Stereotype bedienen und gar Feindbilder schüren kann.
Wenn wir einmal die letzte Darstellung mit einer vergleichbaren aus der arabischen Presse vergleichen, wird die Problematik von derlei Verknüpfungen vielleicht noch deutlicher.
Ägyptische Zeitung Al Ahram
8.3.2002
Hier wird einem israelischen Politiker auch eine Atombombe zugeordnet und der Davidstern. Und obwohl letzteres Symbol zwar auch in der israelischen Fahne vorkommt, so symbolisiert es doch auch das Judentum allgemein. Genau hierin liegt also ein verallgemeinernder Zug, der suggeriert, die hier offensichtlich kritisierte Politik habe etwas mit dem „Jüdischsein“ zu tun. (PK)
Dr. Sabine Schiffer ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen - www.medienverantwortung.de
Foto: privat
Online-Flyer Nr. 145 vom 07.05.2008
Reflexe und Reflexionen über Islam in den Medien – Teil I
Hauptthema Gewalt
Von Dr. Sabine Schiffer
Wesentlich durch Auslandsberichterstattung geprägt
Obwohl das Islambild nicht einhellig ist, gibt es eine Konstanz in der Gewaltdominanz als Hauptthema der Thematisierung „des Islams“. Kai Hafez hat ermittelt, dass 50% der Presseberichterstattung eine Verknüpfung der Themen Islam und Gewalt anbieten (1). Daneben gibt es zwar auch immer wieder und immer öfter Beiträge, die entweder selbstkritisch die Darstellungsweise der eigenen Redaktion reflektieren oder das sehr eingeschränkte Themenspektrum in Bezug auf „die islamische Welt“ erweitern. Aber durch die parallel laufende Kontinuität im Angstdiskurs über „den Islam“ entsteht allenfalls eine Spannung und keine Lösung des kolportierten Konflikts für das Medienpublikum.
Und obwohl immer mehr – nennen wir sie – Inlandsmuslime ins „Visier“ der Berichterstattung rücken, wird nach wie vor das Islambild wesentlich durch die Auslandsberichterstattung geprägt, die nicht den Islam sondern ganz andere Motive zum Thema hat. Eine Vorstellung von diesem wird sozusagen en passant mit kreiert. Außerdem muss man feststellen, dass die differenzierten Sendungen und Artikel zum Thema in den Massenmedien Fernsehen und Zeitung weniger Raum erhalten als die „Problemthematisierung“ und weniger gut platziert sind – also nicht im Hauptabendprogramm, sondern eher in der Nacht und auch nicht auf den Titelseiten von Zeitungen und Magazinen, sondern im Innenteil zu finden sind. Razzien, ob in Banken oder Moscheen und Skandale wie bei Siemens, werden nun einmal bevorzugt auf den Titelseiten der Tageszeitungen präsentiert. Die weniger brisanten Ergebnisse solcher Events verschwinden dann im Innenteil oder erscheinen überhaupt nicht mehr – ganz gemäß der Interessenskurve des Publikums, das die Fortsetzung vieler angerissener Geschichten und lückenhafter Berichterstattung selten verlangt. Insgesamt gilt, dass die wirkenden Mechanismen, die hier beschrieben werden, kein Spezifikum des „Islam“-Diskurses sind, sondern dieser hier nur exemplarisch behandelt wird.
Peter Scholl-Latour im ZDF
An einigen nicht repräsentativen, aber prototypischen Beispielen werden die Reflexen deutlich, die man inzwischen sehr häufig in Bezug auf die Verwendung islamischer Symbole feststellen kann. Wir beginnen mit einer Sendung von Peter Scholl-Latour, in der in 45 Minuten ein Bild der ehemaligen südsowjetischen Republiken gezeichnet wird und wo es u.a. zu einer Explosion in der Unterkunft russischer Grenztruppen bei Kaspisk kommt. „Und schon fällt der Blick auf eine Moschee, das gewaltigste Bauwerk in dieser eintönigen und geduckten Umgebung, eine Kopie der Sultan Ahmed Moschee…“. Während eine Erklärung für die Zusammenpräsentation des Themas Explosion/Zerstörung und Moschee/Islam ausgespart bleibt, drängt sich genau diese subtil natürlich auf, weil immer das, was zusammen präsentiert wird, auch füreinander relevant gehalten wird.
Nehmen wir aber einmal an, die Explosion war keine Gasexplosion, sondern vielleicht ein Anschlag. Und nehmen wir auch an, Scholl-Latour hat Anlass, für diesen eine Urheberschaft in sogenannten islamistischen Extremistenkreisen zu vermuten. Dann müsste er das eigentlich begründen, statt es hier per Sinn-Induktions-Schnitt – also durch die Montage der beiden Szenen – einfach zu unterstellen. Übrigens unterstellt wird es nur im Kontext des aktuellen Diskurses über Islam und Muslime in Deutschland und darüber hinaus. Inzwischen gibt es eine Darstellungstradition dahingehend, schreckliche Szenen und Angst machende Themen mit Symbolen des Islams zu „schmücken“: Moschee, Gebet, Kopftuch.
ZDF 17.12.1997 Das Schlachtfeld der Zukunft
Welche Relation ein Zuschauer aber zwischen den verknüpft angebotenen Bildern vermutet, ist zunächst individuell – so sagte einmal ein muslimischer Teilnehmer eines Seminars an dieser Stelle: „Puh, ich bin erleichtert. Als ich die Moschee sah, wusste ich: Es kann nichts Schlimmes passiert sein.“
Gleiche Technik in Magazintiteln
Wir müssen aber davon ausgehen, dass die Mehrheit des (nichtmuslimischen) Publikums aus den folgenden Beispielen aus den Printmedien andere Schlüsse zieht. Hier einige Beispiele, wie die gleiche Technik in Magazintiteln angewandt wird.
Der Spiegel 5.12.2005, Stern 26.1.2006
Sowohl die schrecklichen Entführungen im Irak sind Fakten wie auch die im SPIEGEL-Titel abgebildete Moschee, die dem Thema damit beigeordnet wird. Während man bei der Darstellung des Atompilzes in den Händen Ahmadinejads vielleicht um den Realitätssinn dieser Montage streiten kann, ist die darunter abgebildete Moschee auf jeden Fall ein realer Teil des Irans und soll hier vermutlich diesen illustrieren – zumal Ahmadinejad im Anzug erscheint, der ihn vielleicht zu „westlich-fortschrittlich“ erscheinen lassen könnte. Durch das Moscheebild wird also einerseits eine „eindeutigere“ Interpretationssituation geschaffen, andererseits eben wiederum ein Problemthema mit islamischem Symbol verknüpft. Hier wird deutlich, wie man auch bei der Beschränkung auf reine Faktennennung Stereotype bedienen und gar Feindbilder schüren kann.
Wenn wir einmal die letzte Darstellung mit einer vergleichbaren aus der arabischen Presse vergleichen, wird die Problematik von derlei Verknüpfungen vielleicht noch deutlicher.
Ägyptische Zeitung Al Ahram
8.3.2002
Hier wird einem israelischen Politiker auch eine Atombombe zugeordnet und der Davidstern. Und obwohl letzteres Symbol zwar auch in der israelischen Fahne vorkommt, so symbolisiert es doch auch das Judentum allgemein. Genau hierin liegt also ein verallgemeinernder Zug, der suggeriert, die hier offensichtlich kritisierte Politik habe etwas mit dem „Jüdischsein“ zu tun. (PK)
Dr. Sabine Schiffer ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen - www.medienverantwortung.de
Foto: privat
Online-Flyer Nr. 145 vom 07.05.2008