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Inland
Der Iran in der Bundeszentrale für politische Bildung und den „seriösen Medien“
„Von der Landkarte tilgen“
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Seit 1948 wird ganz Palästina Schritt für Schritt von der Landkarte getilgt. Doch im Bewußtsein der allermeisten Menschen hält sich ein ganz anderer, tausendfach wiederholt wiedergegebener Satz: "Israel muss von der Landkarte getilgt werden." Den soll angeblich Mahmud Ahmadinedschad, Präsident des Iran, ausgesprochen haben. Und dieser Satz spielt eine zentrale Rolle bei der Unterstellung, der Iran plane, Israel mittels Atomwaffen auszulöschen (siehe NRhZ 135 und 137). Die Behauptung, der Iran wolle Israel von der Landkarte tilgen, findet sich auch auf der website der Bundeszentrale für politische Bildung. Speziell im so genannten Antisemitismus-Dossier dieser dem Bundesinnenministerium unterstehenden Behörde hat die Behauptung bis vor kurzem eine zentrale Rolle bei der Schaffung des Feindbildes Iran gespielt. Das war Anlaß für uns, am 17. Januar 2008 einen offenen Brief an die Bundeszentrale [1] zu richten und die Nennung der Originalquellen zu fordern. In dem Brief hieß es u.a.:
Offener Brief
"Sie schreiben in Ihrem Text dem iranischen Präsidenten das Zitat zu, das besagt, der Iran wolle Israel von der Landkarte tilgen...
Irans Präsident Ahmadinedschad
Foto: NRhZ-Archiv
Deshalb möchten wir Sie herzlich bitten, uns die Ihren Ausführungen zugrunde liegende Quelle zu benennen... In diesem Zusammenhang möchten wir auf einen Sachverhalt hinweisen, der unserer Meinung sehr zu denken gibt. Das, was dem iranischen Präsidenten vorgeworfen wird, womit er angeblich droht, ist auf der anderen Seite bittere Realität..: Israel praktiziert genau das, was es dem Iran unterstellt zu beabsichtigen. Israel (und seine Verbündeten) erheben den Vorwurf, der Iran wolle Israel von der Landkarte tilgen. Tatsächlich aber wird Palästina durch Israel von der Landkarte getilgt. Israel (und seine Verbündeten) werfen dem Iran vor, nach Atomwaffen zu streben, verfügen selber aber längst über derartige Waffen. Israel (und seine Verbündeten) führen unentwegt das Wort vom Existenzrecht Israels im Munde. Doch es ist bittere Realität, daß... die Politik Israels de facto auf Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung abzielt..."
Palästina – wird von der Landkarte getilgt | Bild: Arbeiterfotografie
Auf die Forderung nach Aufdeckung der Quellen für das Landkarten-Zitat und weitere angebliche Zitate, mit denen der iranische Präsident als Judenhasser und Holocaustleugner gebrandmarkt wird, erfolgte zunächst keine Reaktion. Dazu kam es erst, als wir uns ca. vier Wochen nach der Veröffentlichung unseres offenen Briefes mit einer Petition an den Deutschen Bundestag gewandt haben, kurz darauf auch den Vorgesetzten des für den web-Auftritt presserechtlich Verantwortlichen und das Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung (21 Bundestagsabgeordnete) angeschrieben hatten, und daraufhin einzelne Abgeordnete verlangten, daß die Bundeszentrale uns doch bitte antworten möge. Schließlich, am 26. Februar 2008, reagierte der stellvertretende Präsident der Bundeszentrale, Dr. Bernd Hübinger.
Der machte es sich sehr einfach und verwies lediglich auf ein paar
Veröffentlichungen in den von ihm so genannten 'seriösen' Medien (Deutsche Welle [2], Spiegel [3], Tagesschau [4], FAZ [5] und Netzeitung [6]). Original-Quellen-Angaben waren in seinem Schreiben keine zu finden.
Nachgehakt
Damit konnten wir uns nicht zufrieden geben. Wir hatten auch um Berücksichtigung der Veröffentlichung von Jonathan Steele im Guardian [7] gebeten, der sich sehr eingehend mit der Thematik befaßt hat. Aber nichts dergleichen geschah. Deshalb haben wir am 3. März.2008 mit einem weiteren Brief an die Bundeszentrale und an die Mitglieder des Kuratoriums der Bundeszentrale nachgehakt. Darin machten wir deutlich, wie die Übersetzung des Zitats entsprechend unserer Recherchen und denen von Jonathan Steele tatsächlich lauten muß: "Das Besatzungsregime muß von den Seiten der Geschichte verschwinden." Oder weniger blumig ausgedrückt: "Das Besatzungsregime muß Geschichte werden." Unsere Meinung: Das sei etwas deutlich anderes als das, was weltweit in den Medien und von der Bundeszentrale behauptet werde, und beschreibe ein politisches Ziel, um das es allen am Frieden im Nahen Osten Interessierten gehen müsse.
Wieder ließ eine Antwort der Bundeszentrale auf sich warten. Ein wichtiger Hinweis dafür, daß aber doch etwas ins Rollen gekommen war, war ein Artikel mit dem Titel 'Der iranische Schlüsselsatz - Ein Übersetzungsfehler macht gefährliche Weltpolitik' von Katajun Amirpur, bekannte, sprachkundige Islam-Wissenschaftlerin, in der Süddeutschen Zeitung vom 15./16. März 2008 [8].
Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur
Quelle: www.isoplan.de
In diesem Artikel griff sie unsere Argumentation in wesentlichen Punkten auf und initiierte damit eine wesentlich breitere öffentliche Diskussion um die verfälschende Wiedergabe des Landkarten-Zitats. Auch ein zweiter Artikel (von Mariella Ourghi) [9], der kurz darauf in der Süddeutschen Zeitung am 27. März 2008 erscheint und dem anzumerken ist, daß er dazu dienen sollte, dem Artikel von Katajun Amirpur entgegenzuwirken, konnte daran nicht mehr viel ändern.
Falsche Übersetzung entlarvt
Schließlich - nachdem wir unter Berücksichtigung der neuen Situation noch einmal an den Petitionsausschuss, die Bundeszentrale, das Kuratorium und dieses Mal auch an den wissenschaftlichen Beirat der Bundeszentrale geschrieben hatten - kam am 8. April eine Reaktion der Bundeszentrale, in der diese darlegte, daß sie vom Petitionsausschuss aufgefordert worden sei, eine offizielle Übersetzung einzuholen, eine Darstellung der Kontroverse um die Übersetzung des Zitats vorzunehmen und einen Meinungsartikel zu der Auseinandersetzung zu verfassen. Ca. zwei Wochen später kam die Bundeszentrale dieser Aufforderung nach, hat den einleitenden Text zu ihrem Antisemitismus-Dossier [10] überarbeitet, hat eine Rubrik ‚Debatte um die Position Irans’ [11] eingerichtet und dort die Übersetzung der Rede Ahmadinedschads [12] sowie die kommentierenden Artikel ergänzt:
Der Sprachendienst des Deutschen Bundestages ist jetzt hinsichtlich des entscheidenden Satzes zu folgender Übersetzung gelangt: "Unser lieber Imam [Khomeini] sagte auch: Das Regime, das Jerusalem besetzt hält, muss aus den Annalen der Geschichte [safha-yi rozgar] getilgt werden. In diesem Satz steckt viel Weisheit." Damit waren von drei Fehlern, die in dem kurzen Satz steckten, zwei bereinigt. Aus 'Israel' wurde 'das Regime, das Jerusalem besetzt hält' und aus 'Landkarte' wurde 'Annalen der Geschichte'. Was blieb ist, ist das transitive (aktive) 'tilgen', das nach den Erkenntnissen von Jonathan Steele, Juan Cole und Katajun Amirpur in 'verschwinden' hätte korrigiert werden müssen. Immerhin: die Wendung 'von der Landkarte tilgen', die im englischen Sprachraum mit 'wipe off the map' kursiert und im übertragenen Sinne die Bedeutung von 'dem Erdboden gleichmachen' oder 'ausradieren' hat, war damit als eindeutig falsche Übersetzung entlarvt.
USA-Israel-Lobby
Damit ist die gegen den Iran gerichtete (Kriegsvorbereitungs-)Propaganda sicher noch lange nicht aus der Welt geschafft. "Es ist die erste Behauptung, die wirklich zählt. Alle Dementis sind völlig unwirksam.", sagte 1993 James Harff, Direktor der PR-Agentur Ruder Finn Global Public Affairs im Zusammenhang mit der Schaffung des Feindbilds 'Die Serben'. Es ist richtig: Lügen aus der Welt zu schaffen, ist extrem schwierig. Aber immerhin ist ein wesentlicher Baustein, der Schlüsselsatz, der gefährliche Weltpolitik macht, als Propaganda enttarnt. Zu kritisieren bleibt insbesondere, daß zwei kommentierende Texte, die ergänzend auf die website der Bundeszentrale gesetzt worden sind, alles andere als wissenschaftlich und objektiv zu bezeichnen sind. Sie stammen von zwei Autoren aus dem Kreis der USA-Israel-Lobby, von Henryk M. Broder (Spiegel-Autor und Betreiber der website, die er 'Achse des Guten' getauft hat) [13] und Matthias Küntzel (der den so genannten 'Antideutschen' nahe steht) [14].
Henryk M. Broder und Matthias Küntzel
Foto: Günter Zint und arbeiterfotografie.com
Das sei – so kommentiert Matthias Bröckers (der vor allem für die taz und telepolis schreibt) – als würde man "zum Zwecke der ‚politischen Bildung’ eine Debatte über Frauenrechte von zwei Zuhältern eröffnen lassen oder eine über Vegetarismus von Vertretern der Metzger-Innung" [15].
Stein ins Rollen gebracht
Über den ganzen Zeitraum, beginnend mit der Veröffentlichung unseres offenen Briefes, bis hin zu den Änderungen durch die Bundeszentrale, haben wir ein reges Interesse an der Auseinandersetzung feststellen können, das sich in überwiegend sehr positiven an uns gerichteten Zuschriften niedergeschlagen hat. Es sei ein ganz großer Stein ins Rollen gebracht worden, lesen wir in einer der zahllosen eMails. Es sind relativ Wenige, die uns wegen unserer Aktivitäten, mit denen wir dazu beitragen wollen, einen weiteren Krieg zu verhindern, mit unsachlichen Mitteln attackieren und uns als Antisemiten beschimpfen. Aber – und das ist erschreckend - diese Wenigen sitzen unter anderem an Schaltstellen insbesondere auch 'linker' und 'alternativer' Parteien, Organisationen und Netzwerke. (PK)
[1] Offener Brief an die Bundeszentrale für politische Bildung (mit anschließender Korrespondenz und Resonanz):
http://www.arbeiterfotografie.com/iran/iran-0034.shtml
[2] 'Seriöse' Quelle 'Deutsche Welle':
http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,2263137,00.html
[3] 'Seriöse' Quelle 'Spiegel':
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,381752,00.html
[4] 'Seriöse' Quelle 'tagessschau.de':
http://www.tagesschau.de/ausland/meldung153740.html
[5] 'Seriöse' Quelle 'FAZ': http://www.faz.net/s/RubE073BC45BF914FEAA6F729039898A785/Doc~E7341392685F74D4F8C8267FECE300169~ATpl~Ecommon~Scontent.html
[6] 'Seriöse' Quelle 'Netzeitung':
http://www.netzeitung.de/spezial/nahost/371986.html
[7] Zusammenfassung der Analysen von Jonathan Steele im Guardian (mit Links zu seinen Artikeln): http://www.arbeiterfotografie.com/iran/index-iran-0025.html
[8] Artikel von Katajun Amirpur in der Süddeutschen Zeitung vom 15./16.3.2008
http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/858/165387/
[9] Artikel von Mariella Ourghi in der Süddeutschen Zeitung vom 27.3.2008
http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/811/165340/
[10] BpB - Antisemitismus-Dossier: http://www.bpb.de/themen/GX51KQ,0,0,Antisemitismus.html
[11] BpB - Debatte um die Positions Irans: http://www.bpb.de/themen/5FGZGI,0,Debatte_um_die_Position_Irans.html
[12] BpB – Übersetzung der Rede Ahmadinedschads durch den Sprachendienst des Deutschen Bundestages: http://www.bpb.de/themen/MK6BD2.html
[13] BpB – Kommentar von Henryk M. Broder http://www.bpb.de/themen/5VQL0D.html
[14] BpB – Kommentar von Matthias Küntzel http://www.bpb.de/themen/Q9CB0M.html
[15] Writers Blog von Mathias Bröckers: http://www.zweitausendeins.de/writersblog/broeckers/
Online-Flyer Nr. 146 vom 14.05.2008
Der Iran in der Bundeszentrale für politische Bildung und den „seriösen Medien“
„Von der Landkarte tilgen“
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Seit 1948 wird ganz Palästina Schritt für Schritt von der Landkarte getilgt. Doch im Bewußtsein der allermeisten Menschen hält sich ein ganz anderer, tausendfach wiederholt wiedergegebener Satz: "Israel muss von der Landkarte getilgt werden." Den soll angeblich Mahmud Ahmadinedschad, Präsident des Iran, ausgesprochen haben. Und dieser Satz spielt eine zentrale Rolle bei der Unterstellung, der Iran plane, Israel mittels Atomwaffen auszulöschen (siehe NRhZ 135 und 137). Die Behauptung, der Iran wolle Israel von der Landkarte tilgen, findet sich auch auf der website der Bundeszentrale für politische Bildung. Speziell im so genannten Antisemitismus-Dossier dieser dem Bundesinnenministerium unterstehenden Behörde hat die Behauptung bis vor kurzem eine zentrale Rolle bei der Schaffung des Feindbildes Iran gespielt. Das war Anlaß für uns, am 17. Januar 2008 einen offenen Brief an die Bundeszentrale [1] zu richten und die Nennung der Originalquellen zu fordern. In dem Brief hieß es u.a.:
Offener Brief
"Sie schreiben in Ihrem Text dem iranischen Präsidenten das Zitat zu, das besagt, der Iran wolle Israel von der Landkarte tilgen...
Irans Präsident Ahmadinedschad
Foto: NRhZ-Archiv
Deshalb möchten wir Sie herzlich bitten, uns die Ihren Ausführungen zugrunde liegende Quelle zu benennen... In diesem Zusammenhang möchten wir auf einen Sachverhalt hinweisen, der unserer Meinung sehr zu denken gibt. Das, was dem iranischen Präsidenten vorgeworfen wird, womit er angeblich droht, ist auf der anderen Seite bittere Realität..: Israel praktiziert genau das, was es dem Iran unterstellt zu beabsichtigen. Israel (und seine Verbündeten) erheben den Vorwurf, der Iran wolle Israel von der Landkarte tilgen. Tatsächlich aber wird Palästina durch Israel von der Landkarte getilgt. Israel (und seine Verbündeten) werfen dem Iran vor, nach Atomwaffen zu streben, verfügen selber aber längst über derartige Waffen. Israel (und seine Verbündeten) führen unentwegt das Wort vom Existenzrecht Israels im Munde. Doch es ist bittere Realität, daß... die Politik Israels de facto auf Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung abzielt..."
Palästina – wird von der Landkarte getilgt | Bild: Arbeiterfotografie
Auf die Forderung nach Aufdeckung der Quellen für das Landkarten-Zitat und weitere angebliche Zitate, mit denen der iranische Präsident als Judenhasser und Holocaustleugner gebrandmarkt wird, erfolgte zunächst keine Reaktion. Dazu kam es erst, als wir uns ca. vier Wochen nach der Veröffentlichung unseres offenen Briefes mit einer Petition an den Deutschen Bundestag gewandt haben, kurz darauf auch den Vorgesetzten des für den web-Auftritt presserechtlich Verantwortlichen und das Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung (21 Bundestagsabgeordnete) angeschrieben hatten, und daraufhin einzelne Abgeordnete verlangten, daß die Bundeszentrale uns doch bitte antworten möge. Schließlich, am 26. Februar 2008, reagierte der stellvertretende Präsident der Bundeszentrale, Dr. Bernd Hübinger.
Der machte es sich sehr einfach und verwies lediglich auf ein paar
Veröffentlichungen in den von ihm so genannten 'seriösen' Medien (Deutsche Welle [2], Spiegel [3], Tagesschau [4], FAZ [5] und Netzeitung [6]). Original-Quellen-Angaben waren in seinem Schreiben keine zu finden.
Nachgehakt
Damit konnten wir uns nicht zufrieden geben. Wir hatten auch um Berücksichtigung der Veröffentlichung von Jonathan Steele im Guardian [7] gebeten, der sich sehr eingehend mit der Thematik befaßt hat. Aber nichts dergleichen geschah. Deshalb haben wir am 3. März.2008 mit einem weiteren Brief an die Bundeszentrale und an die Mitglieder des Kuratoriums der Bundeszentrale nachgehakt. Darin machten wir deutlich, wie die Übersetzung des Zitats entsprechend unserer Recherchen und denen von Jonathan Steele tatsächlich lauten muß: "Das Besatzungsregime muß von den Seiten der Geschichte verschwinden." Oder weniger blumig ausgedrückt: "Das Besatzungsregime muß Geschichte werden." Unsere Meinung: Das sei etwas deutlich anderes als das, was weltweit in den Medien und von der Bundeszentrale behauptet werde, und beschreibe ein politisches Ziel, um das es allen am Frieden im Nahen Osten Interessierten gehen müsse.
Wieder ließ eine Antwort der Bundeszentrale auf sich warten. Ein wichtiger Hinweis dafür, daß aber doch etwas ins Rollen gekommen war, war ein Artikel mit dem Titel 'Der iranische Schlüsselsatz - Ein Übersetzungsfehler macht gefährliche Weltpolitik' von Katajun Amirpur, bekannte, sprachkundige Islam-Wissenschaftlerin, in der Süddeutschen Zeitung vom 15./16. März 2008 [8].
Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur
Quelle: www.isoplan.de
In diesem Artikel griff sie unsere Argumentation in wesentlichen Punkten auf und initiierte damit eine wesentlich breitere öffentliche Diskussion um die verfälschende Wiedergabe des Landkarten-Zitats. Auch ein zweiter Artikel (von Mariella Ourghi) [9], der kurz darauf in der Süddeutschen Zeitung am 27. März 2008 erscheint und dem anzumerken ist, daß er dazu dienen sollte, dem Artikel von Katajun Amirpur entgegenzuwirken, konnte daran nicht mehr viel ändern.
Falsche Übersetzung entlarvt
Schließlich - nachdem wir unter Berücksichtigung der neuen Situation noch einmal an den Petitionsausschuss, die Bundeszentrale, das Kuratorium und dieses Mal auch an den wissenschaftlichen Beirat der Bundeszentrale geschrieben hatten - kam am 8. April eine Reaktion der Bundeszentrale, in der diese darlegte, daß sie vom Petitionsausschuss aufgefordert worden sei, eine offizielle Übersetzung einzuholen, eine Darstellung der Kontroverse um die Übersetzung des Zitats vorzunehmen und einen Meinungsartikel zu der Auseinandersetzung zu verfassen. Ca. zwei Wochen später kam die Bundeszentrale dieser Aufforderung nach, hat den einleitenden Text zu ihrem Antisemitismus-Dossier [10] überarbeitet, hat eine Rubrik ‚Debatte um die Position Irans’ [11] eingerichtet und dort die Übersetzung der Rede Ahmadinedschads [12] sowie die kommentierenden Artikel ergänzt:
Der Sprachendienst des Deutschen Bundestages ist jetzt hinsichtlich des entscheidenden Satzes zu folgender Übersetzung gelangt: "Unser lieber Imam [Khomeini] sagte auch: Das Regime, das Jerusalem besetzt hält, muss aus den Annalen der Geschichte [safha-yi rozgar] getilgt werden. In diesem Satz steckt viel Weisheit." Damit waren von drei Fehlern, die in dem kurzen Satz steckten, zwei bereinigt. Aus 'Israel' wurde 'das Regime, das Jerusalem besetzt hält' und aus 'Landkarte' wurde 'Annalen der Geschichte'. Was blieb ist, ist das transitive (aktive) 'tilgen', das nach den Erkenntnissen von Jonathan Steele, Juan Cole und Katajun Amirpur in 'verschwinden' hätte korrigiert werden müssen. Immerhin: die Wendung 'von der Landkarte tilgen', die im englischen Sprachraum mit 'wipe off the map' kursiert und im übertragenen Sinne die Bedeutung von 'dem Erdboden gleichmachen' oder 'ausradieren' hat, war damit als eindeutig falsche Übersetzung entlarvt.
USA-Israel-Lobby
Damit ist die gegen den Iran gerichtete (Kriegsvorbereitungs-)Propaganda sicher noch lange nicht aus der Welt geschafft. "Es ist die erste Behauptung, die wirklich zählt. Alle Dementis sind völlig unwirksam.", sagte 1993 James Harff, Direktor der PR-Agentur Ruder Finn Global Public Affairs im Zusammenhang mit der Schaffung des Feindbilds 'Die Serben'. Es ist richtig: Lügen aus der Welt zu schaffen, ist extrem schwierig. Aber immerhin ist ein wesentlicher Baustein, der Schlüsselsatz, der gefährliche Weltpolitik macht, als Propaganda enttarnt. Zu kritisieren bleibt insbesondere, daß zwei kommentierende Texte, die ergänzend auf die website der Bundeszentrale gesetzt worden sind, alles andere als wissenschaftlich und objektiv zu bezeichnen sind. Sie stammen von zwei Autoren aus dem Kreis der USA-Israel-Lobby, von Henryk M. Broder (Spiegel-Autor und Betreiber der website, die er 'Achse des Guten' getauft hat) [13] und Matthias Küntzel (der den so genannten 'Antideutschen' nahe steht) [14].
Henryk M. Broder und Matthias Küntzel
Foto: Günter Zint und arbeiterfotografie.com
Das sei – so kommentiert Matthias Bröckers (der vor allem für die taz und telepolis schreibt) – als würde man "zum Zwecke der ‚politischen Bildung’ eine Debatte über Frauenrechte von zwei Zuhältern eröffnen lassen oder eine über Vegetarismus von Vertretern der Metzger-Innung" [15].
Stein ins Rollen gebracht
Über den ganzen Zeitraum, beginnend mit der Veröffentlichung unseres offenen Briefes, bis hin zu den Änderungen durch die Bundeszentrale, haben wir ein reges Interesse an der Auseinandersetzung feststellen können, das sich in überwiegend sehr positiven an uns gerichteten Zuschriften niedergeschlagen hat. Es sei ein ganz großer Stein ins Rollen gebracht worden, lesen wir in einer der zahllosen eMails. Es sind relativ Wenige, die uns wegen unserer Aktivitäten, mit denen wir dazu beitragen wollen, einen weiteren Krieg zu verhindern, mit unsachlichen Mitteln attackieren und uns als Antisemiten beschimpfen. Aber – und das ist erschreckend - diese Wenigen sitzen unter anderem an Schaltstellen insbesondere auch 'linker' und 'alternativer' Parteien, Organisationen und Netzwerke. (PK)
[1] Offener Brief an die Bundeszentrale für politische Bildung (mit anschließender Korrespondenz und Resonanz):
http://www.arbeiterfotografie.com/iran/iran-0034.shtml
[2] 'Seriöse' Quelle 'Deutsche Welle':
http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,2263137,00.html
[3] 'Seriöse' Quelle 'Spiegel':
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,381752,00.html
[4] 'Seriöse' Quelle 'tagessschau.de':
http://www.tagesschau.de/ausland/meldung153740.html
[5] 'Seriöse' Quelle 'FAZ': http://www.faz.net/s/RubE073BC45BF914FEAA6F729039898A785/Doc~E7341392685F74D4F8C8267FECE300169~ATpl~Ecommon~Scontent.html
[6] 'Seriöse' Quelle 'Netzeitung':
http://www.netzeitung.de/spezial/nahost/371986.html
[7] Zusammenfassung der Analysen von Jonathan Steele im Guardian (mit Links zu seinen Artikeln): http://www.arbeiterfotografie.com/iran/index-iran-0025.html
[8] Artikel von Katajun Amirpur in der Süddeutschen Zeitung vom 15./16.3.2008
http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/858/165387/
[9] Artikel von Mariella Ourghi in der Süddeutschen Zeitung vom 27.3.2008
http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/811/165340/
[10] BpB - Antisemitismus-Dossier: http://www.bpb.de/themen/GX51KQ,0,0,Antisemitismus.html
[11] BpB - Debatte um die Positions Irans: http://www.bpb.de/themen/5FGZGI,0,Debatte_um_die_Position_Irans.html
[12] BpB – Übersetzung der Rede Ahmadinedschads durch den Sprachendienst des Deutschen Bundestages: http://www.bpb.de/themen/MK6BD2.html
[13] BpB – Kommentar von Henryk M. Broder http://www.bpb.de/themen/5VQL0D.html
[14] BpB – Kommentar von Matthias Küntzel http://www.bpb.de/themen/Q9CB0M.html
[15] Writers Blog von Mathias Bröckers: http://www.zweitausendeins.de/writersblog/broeckers/
Online-Flyer Nr. 146 vom 14.05.2008