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Lokales
„Den Schweiß der Edlen wert"
Sozialkaufhaus Köln-Kalk
Von Hans-Dieter Hey

Am Dienstag, 13. Mai, wurde das neue Sozialkaufhaus „Kaufhaus Kalk - alles Menschenmögliche" mit einer offiziellen Feier eröffnet. Während sich drin bei Häppchen und Sekt die Helden der Gründung, das Diakonische Werk Michaelshoven, und gesellschaftliche Honoratioren in ihren Reden gegenseitig auf die Schulter klopften, machten sich vor der Tür einige Demonstranten mit ihrer Meinung Luft und trübten die Stimmung.

Beschäftigung von Leuten mit „Vermittlungshemmnissen"

Bereits am 2. Mai war das Sozialkaufhaus an der Kalker Hauptstraße 177 für den Publikumsverkehr geöffnet worden. Mittels Kundenkarte für ausgegrenzte "ALG-II-Bezieher" bekommt man hier 30 Prozent Rabatt, alle anderen Kunden drei Prozent. Das Angebot an diesem Morgen war eher spärlich: eine Kaffeemaschine für ein paar Euro, Biergläser für ein paar Cent, ein paar Bilder nach dem Thema „Hirsch im Wald", ausrangierte Klamotten, diverse Billigware, aber auch Babynahrung oder Büromaterial. Mit ihrem Verkauf soll sieben „mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen behafteten Langzeiterwerbslosen" der Einstieg ins sogenannte geordnete Leben ermöglicht werden. Derlei „Vermittlungshemmnisse" sind beispielsweise das Alter, eine Behinderung oder Langzeitarbeitslosigkeit. Was als „Vermittlungshemmnis" zu gelten hat, wird selbstverständlich von denjenigen festgelegt, die die Arbeitsbedingungen im Lande diktieren und damit eben auch, wer außen vor bleibt und zum Beispiel langzeitarbeitslos wird. Auf jeden Fall geschieht es ohne Zutun der Betroffenen, die dem hilflos ausgeliefert sind, dann mit dem amtlicherseits festzustellenden Stigma zum Beispiel in Sozialkaufhäusern landen. Doch existenzsichernde Arbeit gibt es immer weniger, und selbst beim Rattenrennen um Erstplazierung wird es für viele immer enger.


Einweihung mit Häppchen und Musik

Sozialkaufhäuser wachsen derweil wie die Pilze aus dem Boden. Ein Feld, das offenbar außer Selbsthilfe-Organisationen auch Diakonie und Caritas mit der Selbstbekundung „ausgehend vom christlichen Menschenbild" für sich entdeckt haben und bereits etwas länger beackern. Solche Sozialkaufhäuser helfen den zunehmend verarmenden Bevölkerungsschichten, das eine oder andere preiswert einzukaufen. Und die darauf Angewiesenen werden zum fragwürdigen sozialen Aushängeschild einer Gesellschaft, die keine Lösung mehr für diese selbstgeschaffenen Probleme hat, abgesehen davon, dass sie sich weigert, diese zu verstehen. Denn Sozialkaufhäuser machen eines: sie verhelfen zu einer Gewöhnung an die Armut, anstatt dass sie zu einem besseren Leben, zum Beispiel durch eine gerechtere Verteilung in der Gesellschaft, verhelfen könnten. Sie sind deshalb auch keine wirkliche Lösung, sondern Teil desselben Problems – und deshalb nicht das Menschenmögliche.

Jedem das Seine

Solche und andere Ideen zusätzlich der Ein-Euro-Jobs könnten leicht Wirtschaftsminister Michaels Glos' Wahnvorstellungen von der Vollbeschäftigung nähren, die Langzeitarbeitslosigkeit durch Zwangsmaßnahmen bekämpfen zu wollen, wie in diesen Tage verlautet wird. Glos – so Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Franktion Die.Linke im Bundestag – sei dann aber „von allen guten Geistern verlassen", wenn er die Grundsicherung des Arbeitslosengeldes künftig unter „Aufgabe der Unantastbarkeit der Menschenwürde" an eine erzwungene Gegenleistung koppeln möchte. Wenn es so kommen sollte, könnten sich in dieser Frage die Wohlfahrtsverbände vielleicht wieder als zuverlässige Partner der Politik herausstellen. Aber ob es soweit kommt, entscheiden nächstes Jahr die Wähler.


Zusammenhang hergestellt
Fotos: arbeiterfotografie

Als Teil des Problems sahen die Demonstranten vor der Kaufhaustür deshalb auch die zahlreichen Ein-Euro-Jobber, die durch das Diakonische Werk Michaelshoven als einem der größten Beschäftigungsträger beschäftigt werden und der Kölner Arbeitsagentur zu ihren geschönten Arbeitsmarktzahlen verhelfen. Und weil man sich gegenseitig hilft, verstehen sich beide offenbar auch recht gut. Zur statistischen Verschönerung trugen im vergangenen Jahr bundesweit 800.000 Ein-Euro-Jobber bei, an denen Caritas und Diakonische Werke massiv beteiligt waren. Eben deshalb warfen die Demonstranten vor der Kaufhaustür dem Diakonischen Werk Michaelshoven eine gewisse Doppelzüngigkeit vor, wenn man dort von einem christlichen Menschenbild spricht, „wonach das Tun des Menschen, bzw. seine Arbeit ihn und seine Familie auch ernähren sollen." Im Kaufhaus Köln-Kalk gibt es allerdings derzeit keine Ein-Euro-Jobber.

Bürgermeister Josef Müller (CDU) fand das Kaufhaus denn auch prima: "Kalk ist zwar im Umbruch, aber Kalk befindet sich auch im Aufwind" – wie das Sozialkaufhaus eben deutlich mache. Kein Wunder, dass ein erregter Zwischenrufer aufgebracht reagierte: "Was heißt hier im Aufwind, wenn ich von 347 Euro leben muss? Mit 347 Euro muss ich hier einkaufen. Es ist eine Unverschämtheit, dass sie sich hier an meiner Armut beweihräuchern." Doch Müller reagierte gelassen: „Das ist besser, als wenn sie woanders noch mehr bezahlen müssen." Vor allem fand der BM es „sehr willkommen, wenn man Sachen abgibt, die sonst auf dem Sperrmüll landen, die man hier gut verwenden kann". Wie bereits gesagt: das Verkaufsangebot ist nicht wirklich attraktiv – jedem das Seine halt.

Guter ARGE-Partner


ARGE-Chef Müller-Starmann


ARGE-Chef Klaus Müller-Starmann ist überzeugt, in diesem Fall Geld fürs
 
 Richtige ausgegeben und „mit der Diakonie einen guten Partner gefunden zu haben, um Arbeit für sieben Langzeitarbeitslose zu schaffen und günstige Dienstleistungen den Menschen zu bieten, die ihrer bedürfen." Dies sei den Schweiß der Edlen wert. Vor allem wünscht er sich weitere Second-Hand-Läden dieser Art, die es in Köln bereits seit zehn Jahren gibt: „Wir freuen uns, dass neben dem Möbelverbund auch zunehmend andere in diesen Geschäftsbereich finden." So befindet sich Kalk also im Aufbruch: Der billige Jakob macht Schule. Und das bundesweit!





Diakonie-Chef Ziegler
Dr.Stefan Ziegler, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Michaelshoven, klärte darüber auf, dass man sich in Köln erstmalig mit „Langzeitarbeitslosen" beschäftige und erstmalig auch mit dem Dienstleistungssektor „Handel". Doch mit der Seelenwanderung vom Seelenheil zur Krämerseele hat die Diakonie bereits jahrelange Erfahrung, unter anderem bei der Vermarktung von Bioprodukten christlicher Provenienz aus ihrem Landwirtschaftlichen Gut Ziegelbronn. „Insofern stellt dieses Arbeitsprojekt" – so Ziegler – „die konsequente Fortsetzung diakonischer Hilfeformen dar, die unser Werk bereits seit längerem verfolgt, um den Veränderungen in dieser Gesellschaft Rechnung zu tragen". (PK)

Online-Flyer Nr. 146  vom 14.05.2008



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