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Das Militärgeschichtliche Forschungsamt und die alten Kameraden
Blutiges Edelweiß, Vergissdeinnicht!
Von Eberhard Rondholz
Im Zwielicht steht dabei seit Mitte letzter Woche das Militärische Forschungsamt der Bundeswehr, das seit vielen Jahren mit wichtigen Arbeiten zur Aufarbeitung der Wehrmachtverbrechen hervorgetreten ist. Umso überraschender ist es, dass dort jetzt eher an der Exkulpation der Wehrmacht gearbeitet zu werden scheint.
1943:
1. Gebirgsjägerdivision
brennt Dorf
in Epirus (Nordgriechenland) nieder
(www.hfmeyer.com)
Das bayrische Mittenwald darf als ein Mittelpunkt revisionistischer Traditionspflege bei der Bundeswehr gelten. An diesem Standort der schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder aufgebauten 1. Gebirgsdivision wird alle Jahre zu Pfingsten eine Art Heldengedenktag der alten Kameraden zelebriert, und die Bundeswehr unterstützt diese Treffen eines sogenannten Kameradenkreises der Gebirgstruppe materiell, ideell und personell, obwohl sich dort bis hin zu bekennenden SS-Veteranen auch Leute versammeln, die eigentlich Zielobjekte des Verfassungsschutzes sein sollten. Soldaten des österreichischen Bundesheeres dürfen am Mittenwalder Kameradentreff nicht mehr teilnehmen, jedenfalls nicht in Uniform, er diene „auch zur Verherrlichung von Kriegsverbrechen“, befand Wiens Verteidigungsminister Norbert Darabos.
Vorbild: Werteordnung der Wehrmacht
Klaus Reinhardt
Foto: NATO
Von welchem Geist die Versammlungen geprägt sind, das demonstrierte nicht zuletzt die Festansprache des ehemaligen NATO-Kommandeurs und Vier-Sterne- Generals Klaus Reinhardt zu Pfingsten 2000 am Mittenwalder Gebirgsjägerdenkmal: die Gebirgstruppe der Bundeswehr sei „von Männern aufgebaut und geistig ausgerichtet, die als Kommandeure, als Kompaniechefs und Kompaniefeldwebel... uns die zeitlosen militärischen Werte wie Pflicht, Treue, Tapferkeit und Kameradschaft vorgelebt haben. Diese Männer waren unsere Vorbilder und sie repräsentieren eine ganze Generation von Wehrmachtssoldaten, die der nachfolgenden Generation das Koordinatensystem ihrer Werteordnung weitergegeben haben.“
Was sie im Zeichen dieser Werteordnung vor allem in Griechenland angerichtet haben, ist seit Jahrzehnten – beispielsweise aus zahlreichen Sendungen des WDR – gut bekannt. Doch das ganze Ausmaß der Untaten dieser nur noch von der Waffen-SS übertroffenen Truppe wurde erst jetzt mit der minutiös recherchierten und unangreifbar dokumentierten Publikation „Blutiges Edelweiß“ von Hermann Frank Meyer sichtbar.
Wie man Massenmord aufrechnet
Ulla Jelpke, 2001
Foto: arbeiterfotografie.com
Dessen ungeachtet macht sich nun das Militärgeschichtliche Forschungsamt der Bundeswehr (MGFA) an die Ehrenrettung dieser Einheit, wenn man einer Veröffentlichung in der Tageszeitung „Die Welt“ glauben darf. Welt-Autor Sven Felix Kellerhoff spricht dort von einer „Neubewertung der deutschen Besatzungsherrschaft in Griechenland“beim MGFA – unter Berufung auf ein unveröffentlichtes Gutachten ihres wissenschaftlichen Direktors, Rolf-Dieter Müller über das Verhalten der 1. Gebirgsdivision im Zweiten Weltkrieg, das das Verteidigungsministerium zur Beantwortung einer Anfrage der Bundestagsabgeorndten Ulla Jelpke von der Fraktion der Linken als Argumentationshilfe hatte erstellen lassen.
In dem Gutachten heißt es laut „Welt“ unter anderem, dass die Taten der Gebirgstruppe im Zusammenhang mit dem griechischen Bürgerkrieg zu verstehen und „die schlimmsten Verbrechen von Griechen an den eigenen Landsleuten verübt worden“ seien, und dass deshalb nicht von einer verbrecherischen Geschichte der Gebirgstruppe gesprochen werden könne.
Das wäre denn doch ein starkes Stück – weil während der deutschen Okkupation in einem von ihr ausgelösten und von den Besatzern kräftig angestachelten Bruderkrieg auch Griechen Griechen ermordeten, war deutscher Mord an Griechen kein Verbrechen? Das Gutachten beruft sich in diesem Punkt auf eine im Februar 2008 an der FU Berlin angenommene Dissertation über die griechische Widerstandorganisation EAM von Kaspar Dreidoppel. Diese Arbeit setzt sich zwar mit den dunklen Seiten der linken griechischen Partisanenbewegung und den von ihnen begangenen Gräueltaten auseinander, doch der Autor verwahrt sich in einem noch unveröffentlichten Leserbrief an die „Welt“ zu Recht ganz entschieden gegen den dort erweckten irreführenden Eindruck, dass er von Griechen und von Deutschen verübte Verbrechen vergleiche oder gar gegeneinander aufrechne. Eine solche Tendenz lässt sich in der über 500 Seiten umfassenden Arbeit in der Tat nicht wahrnehmen und für eine Exkulpation der Gebirgstruppe gibt sie nichts her.
1943:
der Tote griechische Zivilisten nach Massaker 1. Gebirgsjägerdivision in Kommeno, Epiros
(www.hfmeyer.com)
Um eben diese aber geht es dem Gutachten des MGFA. Lediglich eine, so wörtlich, „unrühmliche Liste von Übergriffen und brutalen Aktionen, an denen die Gebirgsjäger beteiligt gewesen sind“, wird dort eingestanden. Doch die „unrühmliche Liste“ umfasst in Wirklichkeit eine schier endlose Kette von schweren und schwersten Kriegsverbrechen. Ein Übergriff die Ermordung von mehreren tausend kriegsgefangenen Mannschaften und Offizieren der italienischen Division Acqui auf der Insel Kefalonia im September 1943? Schlicht „brutale Aktionen“, die systematische Zerstörung von Dutzenden von Dörfern und das Abschlachten von Frauen und Kindern, die Schändung ihrer Leichen?
„Grausam, aus niedrigen Motiven und hinterhältig“
Ein US-Militärgericht hat über einen Teil dieser Verbrechen schon im Februar 1948 in Nürnberg ein Urteil gesprochen, der Gebirgsjäger-General Lanz wurde dort zu 20 Jahren Haft verurteilt. Selbst wenn das heute wieder in gewissen Kreisen als „Siegerjustiz“ abgetan werden sollte – als „mordqualifiziert“ wurden die Taten der Gebirgsjäger inzwischen, nach jahrzehntelanger Zurückhaltung, auch durch eine deutsche Staatsanwaltschaft eingestuft. So nennen es Juristen, wenn eine Tat als unverjährbare Tötungshandlung zu gelten hat, weil sie besonders grausam, aus niedrigen Motiven oder hinterhältig begangen wurde.
„Tagesbefehl" von General Lanz zur schonungslosen „Vegeltung"
Sollte diese Bewertung nicht bis zum MGFA durchgedrungen sein? Hat man dort vergessen, was der ehemalige Amtsmitarbeiter Gerhard Schreiber zum Massenmord von Kefalonia, einem der schwerstdenkbaren Verstöße gegen die Haager Landkriegsordnung, geschrieben hat? Was dieses Massaker mit dem während der deutschen Okkupation beginnenden griechischen Bürgerkrieg zu tun haben soll, bleibt im übrigen völlig unerfindlich.
Das MGFA hat in der Vergangenheit eine Menge zur Aufarbeitung der Verbrechen der Wehrmacht beigetragen, lange vor der Ausstellung des Reemtsma-Instituts. Es sollte sich entscheiden, ob es auch in Zukunft mehr sein will als nur Dienstmagd der Bundeswehr und Lieferant von Gefälligkeitsgutachten. Es hat einen Ruf zu verlieren als wissenschaftliche Einrichtung von Rang. (CH)
Weitere Informationen unter www.hfmeyer.com
Online-Flyer Nr. 147 vom 21.05.2008
Das Militärgeschichtliche Forschungsamt und die alten Kameraden
Blutiges Edelweiß, Vergissdeinnicht!
Von Eberhard Rondholz
Im Zwielicht steht dabei seit Mitte letzter Woche das Militärische Forschungsamt der Bundeswehr, das seit vielen Jahren mit wichtigen Arbeiten zur Aufarbeitung der Wehrmachtverbrechen hervorgetreten ist. Umso überraschender ist es, dass dort jetzt eher an der Exkulpation der Wehrmacht gearbeitet zu werden scheint.
1943:
1. Gebirgsjägerdivision
brennt Dorf
in Epirus (Nordgriechenland) nieder
(www.hfmeyer.com)
Das bayrische Mittenwald darf als ein Mittelpunkt revisionistischer Traditionspflege bei der Bundeswehr gelten. An diesem Standort der schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder aufgebauten 1. Gebirgsdivision wird alle Jahre zu Pfingsten eine Art Heldengedenktag der alten Kameraden zelebriert, und die Bundeswehr unterstützt diese Treffen eines sogenannten Kameradenkreises der Gebirgstruppe materiell, ideell und personell, obwohl sich dort bis hin zu bekennenden SS-Veteranen auch Leute versammeln, die eigentlich Zielobjekte des Verfassungsschutzes sein sollten. Soldaten des österreichischen Bundesheeres dürfen am Mittenwalder Kameradentreff nicht mehr teilnehmen, jedenfalls nicht in Uniform, er diene „auch zur Verherrlichung von Kriegsverbrechen“, befand Wiens Verteidigungsminister Norbert Darabos.
Vorbild: Werteordnung der Wehrmacht
Klaus Reinhardt
Foto: NATO
Was sie im Zeichen dieser Werteordnung vor allem in Griechenland angerichtet haben, ist seit Jahrzehnten – beispielsweise aus zahlreichen Sendungen des WDR – gut bekannt. Doch das ganze Ausmaß der Untaten dieser nur noch von der Waffen-SS übertroffenen Truppe wurde erst jetzt mit der minutiös recherchierten und unangreifbar dokumentierten Publikation „Blutiges Edelweiß“ von Hermann Frank Meyer sichtbar.
Wie man Massenmord aufrechnet
Ulla Jelpke, 2001
Foto: arbeiterfotografie.com
In dem Gutachten heißt es laut „Welt“ unter anderem, dass die Taten der Gebirgstruppe im Zusammenhang mit dem griechischen Bürgerkrieg zu verstehen und „die schlimmsten Verbrechen von Griechen an den eigenen Landsleuten verübt worden“ seien, und dass deshalb nicht von einer verbrecherischen Geschichte der Gebirgstruppe gesprochen werden könne.
Das wäre denn doch ein starkes Stück – weil während der deutschen Okkupation in einem von ihr ausgelösten und von den Besatzern kräftig angestachelten Bruderkrieg auch Griechen Griechen ermordeten, war deutscher Mord an Griechen kein Verbrechen? Das Gutachten beruft sich in diesem Punkt auf eine im Februar 2008 an der FU Berlin angenommene Dissertation über die griechische Widerstandorganisation EAM von Kaspar Dreidoppel. Diese Arbeit setzt sich zwar mit den dunklen Seiten der linken griechischen Partisanenbewegung und den von ihnen begangenen Gräueltaten auseinander, doch der Autor verwahrt sich in einem noch unveröffentlichten Leserbrief an die „Welt“ zu Recht ganz entschieden gegen den dort erweckten irreführenden Eindruck, dass er von Griechen und von Deutschen verübte Verbrechen vergleiche oder gar gegeneinander aufrechne. Eine solche Tendenz lässt sich in der über 500 Seiten umfassenden Arbeit in der Tat nicht wahrnehmen und für eine Exkulpation der Gebirgstruppe gibt sie nichts her.
1943:
der Tote griechische Zivilisten nach Massaker 1. Gebirgsjägerdivision in Kommeno, Epiros
(www.hfmeyer.com)
Um eben diese aber geht es dem Gutachten des MGFA. Lediglich eine, so wörtlich, „unrühmliche Liste von Übergriffen und brutalen Aktionen, an denen die Gebirgsjäger beteiligt gewesen sind“, wird dort eingestanden. Doch die „unrühmliche Liste“ umfasst in Wirklichkeit eine schier endlose Kette von schweren und schwersten Kriegsverbrechen. Ein Übergriff die Ermordung von mehreren tausend kriegsgefangenen Mannschaften und Offizieren der italienischen Division Acqui auf der Insel Kefalonia im September 1943? Schlicht „brutale Aktionen“, die systematische Zerstörung von Dutzenden von Dörfern und das Abschlachten von Frauen und Kindern, die Schändung ihrer Leichen?
„Grausam, aus niedrigen Motiven und hinterhältig“
Ein US-Militärgericht hat über einen Teil dieser Verbrechen schon im Februar 1948 in Nürnberg ein Urteil gesprochen, der Gebirgsjäger-General Lanz wurde dort zu 20 Jahren Haft verurteilt. Selbst wenn das heute wieder in gewissen Kreisen als „Siegerjustiz“ abgetan werden sollte – als „mordqualifiziert“ wurden die Taten der Gebirgsjäger inzwischen, nach jahrzehntelanger Zurückhaltung, auch durch eine deutsche Staatsanwaltschaft eingestuft. So nennen es Juristen, wenn eine Tat als unverjährbare Tötungshandlung zu gelten hat, weil sie besonders grausam, aus niedrigen Motiven oder hinterhältig begangen wurde.
„Tagesbefehl" von General Lanz zur schonungslosen „Vegeltung"
Sollte diese Bewertung nicht bis zum MGFA durchgedrungen sein? Hat man dort vergessen, was der ehemalige Amtsmitarbeiter Gerhard Schreiber zum Massenmord von Kefalonia, einem der schwerstdenkbaren Verstöße gegen die Haager Landkriegsordnung, geschrieben hat? Was dieses Massaker mit dem während der deutschen Okkupation beginnenden griechischen Bürgerkrieg zu tun haben soll, bleibt im übrigen völlig unerfindlich.
Das MGFA hat in der Vergangenheit eine Menge zur Aufarbeitung der Verbrechen der Wehrmacht beigetragen, lange vor der Ausstellung des Reemtsma-Instituts. Es sollte sich entscheiden, ob es auch in Zukunft mehr sein will als nur Dienstmagd der Bundeswehr und Lieferant von Gefälligkeitsgutachten. Es hat einen Ruf zu verlieren als wissenschaftliche Einrichtung von Rang. (CH)
Weitere Informationen unter www.hfmeyer.com
Online-Flyer Nr. 147 vom 21.05.2008