Gedankenspiele für einen Krieg gegen den Iran auf Internationaler Konferenz
Atomarer Präventivschlag gegen „Un-Zivilisation“?
Von Ali Fathollah-Nejad
Zur Einleitung sprach der Vorsitzende des deutschen Zweiges der in den USA gegründeten akademischen Vereinigung „Scholars for Peace in the Middle East (SPME)“, Professor Diethard Pallaschke. Laut Statut, ist es das Ziel der an über 1.000 Universitäten vertretenen SPME, Antisemitismus und Anti-Israelismus zu begegnen sowie sich für die Sicherung der Grenzen Israels einzusetzen.
Alle Fotos der Iran-Konferenz: © Lorenz Richter
Der Iran, so Pallaschke, sei die „größte Bedrohung der Menschheitsgeschichte“ und als solcher „aller zivilisierter Staaten“. SPME wird in den USA dafür verantwortlich gemacht, durch sogenannte „Campus Watch“-Gruppen, Kritik an der israelischen, aber auch US-Außenpolitik in Hörsälen zu unterbinden. Zu den prominentesten Opfern dieser Einschränkung der akademischen Freiheit gehören der Historiker Tony Judt und der Politologe Norman Finkelstein, beide jüdischen Hintergrunds.
Ihm folgte der amerikanische Geschichtsprofessor Charles A. Small, der den ehemaligen Generalstabschef der israelischen Streitkräfte, Schaul Mofaz, mit der Einschätzung zitierte, dass man in einem Jahr einen nuklearbewaffneten Iran zu erwarten habe.[1] Laut des Iran-Berichts 16 amerikanischer Geheimdienste, dem National Intelligence Estimate (NIE), vom Dezember 2007 unterhält Iran jedoch kein Atomwaffenprogramm. Dies wurde unlängst ebenfalls seitens des Generaldirektors der Internationalen Atomenergie-Agentur El-Baradei bestätigt. Auch die IAEA-Inspektionen iranischer Anlagen ergaben keine Anzeichen für ein iranisches Atomwaffenprogramm. Falls der Iran sich entschiede, ein Waffenprogramm aufzunehmen, gehen die US-Geheimdienste von einer möglichen Nuklearbewaffnung frühestens im Jahre 2015 aus.
Präventiver Atomschlag gegen die „Un-Zivilisation“
Matthias Küntzel und Menashe Amir, rechts
Foto: © Lorenz Richter
Es gelte, dem iranischen Volk dabei zu helfen, einen „Regime Change“ herbeizuführen – sowohl zum Wohle der Iraner als auch der Welt. Amir schloss mit einer Anekdote über eine Privataudienz bei US-Präsident Bush, dem er sagte: „Iranische Bürger warten darauf, von Ihnen befreit zu werden.“ Darauf habe Bush entgegnet: „Wissen Sie, im Irak, wo wir feststecken, haben wir gerade dasselbe Problem.“[2]
Professor Benny Morris
Foto: © Lorenz Richter
Um der strategischen Herausforderung einer Atommacht Iran zuvorzukommen, müsse Israel präventiv einschreiten und das „iranische Atomprojekt“ mit konventionellen oder besser mit nuklearen Mitteln, zerstören. Dies hätte sicherlich zur Folge, dass viele Zivilisten sterben müssten, so Morris, doch liege diese Aussicht in der Verantwortung der Iraner selbst, die nun einmal solch ein Regime selbst zu verantworten hätten. Alles in allem, sei ein Nuklearschlag besser als ein zweiter Holocaust, der sich seitens dieser „Un-Zivilisation“ anbahne.
Bush, so Morris, habe dem israelischen Premierminister Ehud Olmert zugesagt, dass die Vereinigten Staaten sich um das iranische Atomprogramm kümmerten. Jedoch, gab auch er zu bedenken, dass die Möglichkeit eines US-Militärschlages angesichts der Lage im Irak sehr gering sei. Doch wenn der demokratische Senator Barack Obama im November zum Präsidenten gewählt werden würde, dann glaube er, dass Bush einen Angriff auf den Iran anordnen werde. Obama hatte im Gegensatz zu McCain Gespräche mit dem Iran in Aussicht gestellt.
Matthias Küntzel, Vorstandsmitglied der SPME, warnte davor, die Konferenz zu einer akademischen Veranstaltung zu machen.[3] Ganz im Gegenteil müsse das Ziel sein, politisch zu intervenieren und vor allem gelte es, die Linke für sich zu gewinnen. In der anschließenden Diskussion warf Küntzel den deutschen Medien – mit Ausnahme einiger Kommentare der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – ein grobes Versäumnis bei der Darstellung der vom Iran ausgehenden Gefahr vor.
Israel wird zum Präventivschlag übergehen
Yossi Melman | Foto: © L. Richter
Patrick Clawson | Foto: © L. Richter
Eine „neue antifaschistische Front“ gegen den „neuen Hitler“?
Zum „Höhepunkt“ des zweitägigen Kongresses gehörte sicher der Beitrag von Thomas von der Osten-Sacken. Der Geschäftsführer der hauptsächlich im Nord-Irak aktiven NGO „Wadi e.V.“ machte ganz zu Anfang klar, dass der „Islam-Nazismus“ dem deutschen Nationalsozialismus ähnlich sei. Dagegen sei ein Antifaschismus vonnöten, dessen Ziel es sein müsse, diesen „Islam-Nazis“ „aufs Maul zu hauen, [sie] einzuknasten und umzubringen“ – eine Ansage, die großen Applaus erntete. Als „Antifaschisten“ müsse man „Krieg führen“, wie in den 1930er und 40er Jahren müsse die universalistische Vision lauten, die „Despotie“ zu bekämpfen.
Thomas von der Osten-Sacken
Foto: © L. Richter
Diese Programmpunkte, die größtenteils stark an die US-amerikanische Initiative für einen „neuen Greater Middle East“ erinnern, wurden durch eine sehr eigene Lesart des momentan schwelenden Irak-Krieges ergänzt. Die Länder der Region, wie beispielsweise der Irak, seien „von innen so marode“, dass man lediglich „den Korken ziehen“ musste, damit der Krieg ausbreche. Insgesamt sei er jedoch gegen eine atomwaffenfreie Zone, sodass Israel einzige Atommacht im Nahen Ostens bliebe.
Broder‘sche Beschimpfungssalven
Henryk Broder – M. soll wohl für „modest"
(dt. bescheiden) stehen | Foto: © L. Richter
In seinen Konferenzausführungen zitierte Broder Textstellen aus deutschen Tageszeitungen des Jahres 2006 zum Konflikt zwischen Iran und dem Westen. Diese erweckten den Eindruck, dass die europäischen Politiker der iranischen Regierung unentwegt attraktive Verhandlungspakete geschnürt hätten, Teheran diese jedoch nach zeitintensiver Prüfung forsch abzulehnen wusste. Auch Ultimaten seitens des Westens hätte Iran wiederholt und ohne mit der Achsel zu zucken ignoriert. Schließlich zitierte er den iranischen Präsidenten mit dem Ausspruch „The Europeans are stupid“ und fügte süffisant hinzu, dass dieser anscheinend recht habe.[4]
Mahmud Ahmadinejad an Columbia
University in NY | Foto: Daniella Zalcman
Ohne jedoch die „Arbeiterfotografie“ beim Namen zu nennen, die er im Internet bereits als „Lumpenproletariat“ bezeichnete hatte, nannte Broder diese „Querulanten“, „Spinner“, „Penner“, „Asoziale“, „Subventionsempfänger“ sowie „Irre“. Die von diesen „Narren“ der „Arbeiterfotografie“ entfachte Debatte hätte die bpb jedoch „elegant“ zu lösen gewusst. Von den drei Diskussionsbeiträgen auf der eigens hierfür erstellten Internetseite der „Bundeszentrale“ stammt einer von Matthias Küntzel und ein zweiter von Broder selbst – eine Polemik.
„Im Ausnahmezustand Menschenrechte außer Kraft setzen!“
In der abschließenden Diskussionsrunde forderte der Historiker Herf einen „neuen Atlantizismus“. Diese „atlantische Allianz“ müsse den „langen Krieg gegen den radikalen Islam“ führen. Er stellte zugleich fest, dass falls die „USA sich von der Welt zurückziehen“, Europa dann einer größeren Gefahr ausgesetzt sei.
Broder fügte seinem historischen Vergleich hinzu, dass es doch einen wichtigen Unterschied gebe zwischen 2008 und 1939/40. Im Hier-und-Jetzt gebe es keinen Churchill, der im Anschluss an gescheiterte Verhandlungen in der Lage wäre zu handeln. Zwar seien die „Vorstellungen des Krieges“ für ihn „grauenhaft“, aber die Option dürfe nicht ausgeschlossen werden. Von der Osten-Sacken sagte, dass ein großer Teil der iranischen Bevölkerung für die „Befreiung“ sei. Er unterstrich, dass man sich in einem „Ausnahmezustand“ befände. Die Lehre aus Auschwitz bestünde indes darin, dass man „in manchen Situationen, Menschenrechte außer Kraft setzen“ müsse.
Über die weltweite Bedrohung des neuen „faschistischen“ Staates waren sich alle Konferenzteilnehmer einig und auch darüber, dass man dieser mit eiserner Hand zu begegnen habe. Nur zur Mitte der Konferenz meldete sich ein Mann, der mit den Worten begann, dass für ihn das gezeichnete Bild zwischen Gut und Böse nicht klar sei. Prompt wurde er von der Moderatorin angehalten, keine Statements zu äußern, sondern lediglich Fragen zu stellen. Dazu kam es jedoch nicht, da ihm das Mikrophon abgenommen wurde. Später im Flur äußerte er schließlich, dass es Alternativen dazu gäbe, Aggressionen mit ebensolchen zu begegnen. Dies habe er in der Praxis zehn Jahre lang in Israel unter Beweis gestellt.
Am folgenden Tag fand an der Universität Wien eine nahezu identisch besetzte Veranstaltung statt, die unter anderem von der Initiative „Stop the Bomb – Bündnis gegen das iranische Vernichtungsprogramm“ organisiert wurde. Die auch dort vorgetragenen Inhalte und Drohungen veranlassten die österreichische Standard-Redakteurin Gudrun Harrer zu der Annahme, dass es sich bei diesen zwei Kongressen um eine konzertierte Lobbying-Aktion handeln könne.
Kontroverse bei Ahmandinejads Columbia-Besuch | Foto: David Shankbone
Der Nahostexperte Udo Steinbach, langjähriger Direktor des Deutschen Orientinstituts, sprach unterdessen von der neuen „AIPAC“, die sich nun im deutschsprachigen Raum formiere. „America’s Pro-Israel-Lobby“ gilt als eine der einflussreichsten, die eine „harte Haltung“ gegenüber Iran einnimmt. Küntzels Initialwunsch nach politischer Intervention wollen einige der prominenteren Berliner Konferenzteilnehmer mit einer Vorstellung bei Bundeskanzlerin Merkel einlösen.
Um ebenfalls auf die Gefahr seitens des Iran hinzuweisen und konkrete Handlungen einzufordern, wünsche man sich zudem eine Bundestagsanhörung sowie Gespräche mit deutschen Unternehmen. Als nächstes jedoch steht ein Termin am letzten Mai-Wochenende an der Kölner Universität an, so wurde durch Flyer im Eingangsfoyer des „Auditorium Friedrichstraße“ aufmerksam gemacht: Die „Kritische Islamkonferenz: Der Islam als politische Herausforderung“. Es bleibt abzuwarten, ob die Kölner Referenten die „Kunst“ der polemischen Hetze ebenso beherrschen wie ihre Berliner Kollegen. (CH)
Ali Fathollah-Nejad (MA, MSc, BA, BSc), Jahrgang 1981, ist Politikwissenschaftler und Kulturjournalist.
Online-Flyer Nr. 148 vom 28.05.2008