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Inland
Buchkritik: „Agenda Bertelsmann - Ein Konzern stiftet Politik“
Im Hintergrund die Fäden spinnen!
Von Dr. Sabine Schiffer
Das Bittere vorweg: Als weiterer Autor von „Agenda Bertelsmann - Ein Konzern stiftet Politik“ hätte neben Werner Biermann und Arno Klönne mindestens noch Wolfgang Lieb genannt werden müssen, einer der Betreiber der nachdenkseiten.de, die eine nicht unwesentliche Quelle für dieses im PapyRossa-Verlag erschienene Buch darstellen. Auch Texte aus den Blättern für deutsche und internationale Politik begegnen einem hier wieder. Die aus anderen Quellen übernommenen Textpassagen wurden genauer markiert und sind sicher so prägnant, dass man sie nicht ändern wollte. Allerdings stört etwas, dass man offensichtlich die Mühe scheute, diese Passagen in den Text zu integrieren und Wiederholungen zu vermeiden. Dies alles dient nicht der besseren Übersicht, die man diesem Buch gewünscht hätte. Denn wenn man auf so viel gut vorbereitetes Recherche-Material zurückgreifen kann, hätte man mehr strukturierende Hilfe und vielleicht die eine oder andere Tabelle mit vollständigen Listen etwa der mit Bertelsmann verbandelten Institutionen sowie übersichtliche Schaubilder erwarten können – zumal in der zweiten Auflage.
Im öffentlichen Diskurs keine große Rolle spielen…
Damit kann „Agenda Bertelsmann“ nicht den Anspruch einer umfassenden Zusammenfassung erheben. Es reiht sich ein in die Publikationen, die jeweils Teilaspekte dieses äußerst wichtigen Themas behandeln. Während das Thema sich im Internet reger Behandlung erfreut, spielt es im öffentlichen Diskurs keine große Rolle. Und dies wiederum verwundert nicht, denn es hat direkt mit der Philosophie der Bertelsmann Think Tanks zu tun: Im Hintergrund die Fäden spinnen!
Milliardenschwer und mit Bundesverdienst-
kreuz geehrt – Reinhard Mohn
Foto: www.fundacionprincipedeasturias.org
Das Konstrukt der gezielten politischen Einflussnahme besteht aus einem Informationskonzern mit Medienmonopol in immer größer werdenden Teilen der Welt und einer renommierten Stiftung, die nicht nur der Imagepflege dient. Sie dient gleichzeitig als erfolgreiches Steuersparmodell für die weiterhin federführende milliardenschwere Familie von Reinhard und Liz Mohn und verleiht den „Vorschlägen“ der hauseigenen Politik-„Berater“ einen gewissen wissenschaftlichen Impetus. Denn Bertelsmann hat es verstanden, durch Forschungsaufträge und ein System der Leistungsvergleiche Innovationsdruck auszuüben: in den Bereichen Medien, Bildung, Arbeitsmarkt, Wirtschafts-, EU- und Militärpolitik – und, wie Jan Döllein erst kürzlich auf facharzt.de veröffentlichte, auch im Gesundheitswesen.
…zum Nutzen der Konzerne…
Dazu dienen alle Mittel der PR und vor allem das einfachste, die ständige Wiederholung der Heils- sprich „Reform“-Botschaften, die aus vermeintlich verschiedenen Kanälen stammen.
Liz Mohn und NRW-Familienminister Armin Laschet
Quelle: Mgffi.nrw.de
Aber man agiert nicht platt und leicht durchschaubar, sondern vermeidet eine zu offensichtliche Parteinahme sowie das öffentliche Auftreten der Strippenzieher. Angesichts der Eigner- bzw. Einflussstruktur verschiedenster Medien wie Wirtschaftswoche, Die Welt, Handelsblatt, FAS, RTL uvm. sowie entsprechender Institute wie das Centrum für angewandte Politik (CAP), das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und Stiftungen wie die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) – um nur die Prägnantesten zu nennen – sowie dank Kooperationen mit Stiftungen wie Böckler und Böll ist die massenhafte Verbreitung der gleichen Neusprech-Formeln garantiert.
Da ist von „Sachzwängen“ und „Reformnotwendigkeit“ die Rede oder von einem „mutigen Sozialplan“, der jedoch vor allem Entlassungen bedeutet mit einer kontinuierlich steigenden Belastung der öffentlichen Kassen und zum ausschließlichen Nutzen von Konzernen, wozu ja auch der Bertelsmann-Konzern bzw. sein Tochterunternehmen Arvato AG gehören (siehe NRhZ 27). Letzteres hat sich u.a. spezialisiert auf die Verwaltung bisher öffentlicher Aufgaben in Kommunen, widmet sich also den Einflüsterungen und Gewinnabschöpfungen in Sachen Privatisierung von Wasser, Energie, „sozialen“ Dienstleistungen und ähnlichen offensichtlich ganz einträglichen Agitationsfeldern – denn sonst wären sie für die Privatwirtschaft ja nicht interessant.
…vor allem des eigenen
Eine dem Sinn nach „selbständigere Leistungsgesellschaft“ verbräme die Suggestion, dass Entstaatlichung und Stärkung der freien Wirtschaft die Dinge beheben könne, die der Staat angeblich nicht „so effizient“ leistet und die man in Wirklichkeit mittels dieses Systems erst geschaffen hat. (Dies kann man etwa auf http://www.jjahnke.net/unsoz.html nachvollziehen.) Denn die Bundesrepublik ist wirtschaftlich gesehen die Gewinnerin der Globalisierung schlechthin. Die sogenannten „Sachzwänge“ sind konstruiert. Das Stichwort „Globalisierung“ eignet sich aber offensichtlich gut als Dämon zum Schüren von Angst, um Bereitschaft für unpopuläre und für wenige profitable Umstrukturierungen zu schaffen. Gerade diese lassen aber die Schere zwischen den weniger werdenden Reichen und den mehr werdenden Armen aufgehen. Zwar passt die Kampagne zu den Zielen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die das „Soziale“ aus Verschleierungsgründen noch als Namenskomponente trägt – dennoch wird aus der Erwähnung ihrer Aktivitäten der Zusammenhang mit dem Bertelsmann-Konzern nicht deutlich.
Ähnlich schwammig bleibt der Zusammenhang zwischen der von der rot-grünen Regierung forcierten Zerschlagung des Balkans und den Strategiepapieren des CAP. Zwar stimmt es, dass hier am Völkerrecht vorbei Machpolitik betrieben wurde. Und die PR-Strategien in Richtung „humanitäres Engagement“ passen zu den seither immer wieder eingesetzten Spins, die auch aus CAP- u.ä. Papieren herauszulesen sind und somit auf den Leiter des CAP, Werner Weidenfeld, und Bertelsmann deuten könnten. Aber das genannte Papier „Europa vor der Südosterweiterung“ erschien erst 2005. Nach dieser Darstellung erscheint auf Grund der zeitlichen Abfolge Bertelsmann eher als Profiteur denn als Ideengeber des Krieges zu fungieren. Dies wäre genauer zu prüfen bzw. zu belegen gewesen – denn eine Ausweitung eines „ethischen Imperialismus“ kann sowohl an einem gemeinsamen Auftreten von Bundeswehr und Bertelsmann allgemein als auch ganz konkret am Beispiel der Interventionspolitik im Kongo aufgezeigt werden. Im Buch wird am Bespiel Chinas das konstruktive Zusammenwirken von Konzern und Stiftung(s-Umfragen) exemplarisch vorgeführt.
Militarisierung und Entdemokratisierung
Laut Biermann und Klönne könne man die neuere Politik Deutschlands des Übernehmens einer „verantwortlichen Rolle in der Welt“ sowie die Dominanzpolitik der EU mitsamt der Militarisierungs- und Entdemokratisierungsbestrebungen durchaus den Bertelsmann Think Tanks zuordnen – wenn auch nicht diesen allein. Sie wurden jahrelang vorbereitet und auf entsprechend inszenierten Tagungen mit der zuständigen politischen Prominenz erörtert. Mittels des Bertelsmann Transformation Index (BTI) wird zudem die „Reformbereitschaft“ in Entwicklungsländern gemessen, sprich: forciert. Die Eingriffe in die Souveränität der Länder entsprechen denen von IWF und Weltbank, wie man mit dem Verweis auf die Veröffentlichungen von Joseph Stiglitz und auch Jean Ziegler hätte aufzeigen können.
Besonders perfide erscheint das Spiel der Lobbyisten, wenn man die Anstrengungen in Sachen EU-Ausrichtung nachvollzieht. Neben einer „stärkeren Rolle in der internationalen Politik“, bei der Deutschland weder „abseits stehen“ noch zu forsch voranschreiten dürfe, wird die EU ins Feld geführt. Für die Realisierung der Vormachtstellung – auch gegenüber den USA – seien „zukunftstüchtige“ Streitkräfte erforderlich. In entsprechenden Strategiepapieren wird mehr Kontrolle nach innen und mehr Abschottung nach außen propagiert. Dazu dient auch das Bedrohungsszenario „Migrantenströme“, welche nun „zeitgemäß“ eingedämmt und nicht mehr entsprechend der Gefühlsduselei der Nachkriegszeit gut behandelt werden müssten. Hier wäre eine Analyse der NATO-Doktrin von 1999 sinnvoll gewesen, die ja genau diese Punkte enthält. Hingegen beziehen sich die Autoren ohne eine Verbindung herzustellen auf die von Bertelsmann ausgerichtete Konferenz zum Thema „Die strategischen Antworten [sic!] Europas“: Um die Veränderungen im Inneren wie nach außen hin – die sog. „Sicherheits“-bedürfnisse – populär zu machen, könne nun ein Etat für entsprechende PR-Vorhaben ausgeschöpft werden, so die Autoren.
Auch in Sachen EU mache sich der Wirkmechanismus der Steuerung der Politik durch wirtschaftliche Strukturmaßnahmen deutlich, wie man aus der Arbeit des European Round Table of Industrials (ERT) schließen kann, dem neben Bertelsmann auch E.ON, Total und Microsoft angehören. Bertelsmann sei zwar absolut dominant, aber dennoch nicht alleine und es fragt sich, welche Mittel die Politik zur Eindämmung dieser außerparlamentarischen und an jeder demokratischen Kontrolle vorbei ablaufenden Politikmacher hat. Natürlich kann man, wie die Autoren fordern, das Stiftungswesen an sich einer Prüfung und Kontrolle unterziehen. Zusätzlich sollte man eine permanente Transparentmachung auch vergleichbarer Aktivitäten fordern, etwa durch ein Register mit dem öffentlichen Eintrag entsprechender „Dienstleistungen“ – vergleichbar dem US-amerikanischen FARA-Register für PR-Aktivitäten.
Uns regiert ein Schattenkabinett
Das Verdienst des Taschenbuches liegt in der Sammlung vieler wichtiger Erkenntnisse der Verflechtungen von Bertelsmann mit Wirtschaft, Politik, Medien und inzwischen auch unseren Gedanken in einem handlichen Format, das überall lesbar ist. Allerdings behebt es das Problem der Wiederholungen seines Vorgängerbuches, das Thomas Barth 2006 unter dem Titel „Bertelsmann: ein globales Medienunternehmen macht Politik“ im Anders-Verlag herausgegeben hat (siehe NRhZ 68) und das aus einzelnen Beiträgen verschiedener Autoren besteht, nicht – im Gegenteil es bleibt gar in manchen Darstellungen hinter der präzisen Aufarbeitung von Barth & Co. zurück. Sowieso bleibt das umfassendste Referenzwerk zu diesem Thema die 500-Seiten starke Aufsatzsammlung „Netzwerk der Macht“ in der zweiten Auflage von 2007, herausgegeben von Jens Wernicke und Torsten Bultmann.
Die erwähnten Namen – Mohn (s. auch: www.artfond.de/reinhardmohn.htm), Weidenfeld und wenige mehr – sollte sich jeder gut merken. Wieder einmal wird deutlich, dass unsere Medien ihrer Aufgabe als Vierter Gewalt immer weniger nachkommen und warum sie der immer weniger nachkommen können – die Fünfte Gewalt hat sie und uns schon gut im Griff. Dennoch zeigen Beispiele wie die im Buch zitierten Autoren und Websiten oder der erst durch einen Zufall auf die Hintergründe der aktuellen zerstörerischen „Gesundheitsreformen“ gestoßene bayerische Arzt Dr. Jan Erik Döllein, dass man unabhängig von einer bestimmten politischen Ausrichtung zu den gleichen Ergebnissen kommt: Uns regiert ein Schattenkabinett und echte demokratische Mitbestimmung ist unerwünscht. (PK)
Werner Biermann und Arno Klönne: „Agenda Bertelsmann. Ein Konzern stiftet Politik“, PapyRossa Köln 2008, 142 Seiten, EUR 11,90, ISBN 978-3-89438-372-5.
Dr. Sabine Schiffer ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen - www.medienverantwortung.de, info@medienverantwortung.de
Online-Flyer Nr. 149 vom 04.06.2008
Buchkritik: „Agenda Bertelsmann - Ein Konzern stiftet Politik“
Im Hintergrund die Fäden spinnen!
Von Dr. Sabine Schiffer
Das Bittere vorweg: Als weiterer Autor von „Agenda Bertelsmann - Ein Konzern stiftet Politik“ hätte neben Werner Biermann und Arno Klönne mindestens noch Wolfgang Lieb genannt werden müssen, einer der Betreiber der nachdenkseiten.de, die eine nicht unwesentliche Quelle für dieses im PapyRossa-Verlag erschienene Buch darstellen. Auch Texte aus den Blättern für deutsche und internationale Politik begegnen einem hier wieder. Die aus anderen Quellen übernommenen Textpassagen wurden genauer markiert und sind sicher so prägnant, dass man sie nicht ändern wollte. Allerdings stört etwas, dass man offensichtlich die Mühe scheute, diese Passagen in den Text zu integrieren und Wiederholungen zu vermeiden. Dies alles dient nicht der besseren Übersicht, die man diesem Buch gewünscht hätte. Denn wenn man auf so viel gut vorbereitetes Recherche-Material zurückgreifen kann, hätte man mehr strukturierende Hilfe und vielleicht die eine oder andere Tabelle mit vollständigen Listen etwa der mit Bertelsmann verbandelten Institutionen sowie übersichtliche Schaubilder erwarten können – zumal in der zweiten Auflage.
Im öffentlichen Diskurs keine große Rolle spielen…
Damit kann „Agenda Bertelsmann“ nicht den Anspruch einer umfassenden Zusammenfassung erheben. Es reiht sich ein in die Publikationen, die jeweils Teilaspekte dieses äußerst wichtigen Themas behandeln. Während das Thema sich im Internet reger Behandlung erfreut, spielt es im öffentlichen Diskurs keine große Rolle. Und dies wiederum verwundert nicht, denn es hat direkt mit der Philosophie der Bertelsmann Think Tanks zu tun: Im Hintergrund die Fäden spinnen!
Milliardenschwer und mit Bundesverdienst-
kreuz geehrt – Reinhard Mohn
Foto: www.fundacionprincipedeasturias.org
…zum Nutzen der Konzerne…
Dazu dienen alle Mittel der PR und vor allem das einfachste, die ständige Wiederholung der Heils- sprich „Reform“-Botschaften, die aus vermeintlich verschiedenen Kanälen stammen.
Liz Mohn und NRW-Familienminister Armin Laschet
Quelle: Mgffi.nrw.de
Aber man agiert nicht platt und leicht durchschaubar, sondern vermeidet eine zu offensichtliche Parteinahme sowie das öffentliche Auftreten der Strippenzieher. Angesichts der Eigner- bzw. Einflussstruktur verschiedenster Medien wie Wirtschaftswoche, Die Welt, Handelsblatt, FAS, RTL uvm. sowie entsprechender Institute wie das Centrum für angewandte Politik (CAP), das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und Stiftungen wie die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) – um nur die Prägnantesten zu nennen – sowie dank Kooperationen mit Stiftungen wie Böckler und Böll ist die massenhafte Verbreitung der gleichen Neusprech-Formeln garantiert.
Da ist von „Sachzwängen“ und „Reformnotwendigkeit“ die Rede oder von einem „mutigen Sozialplan“, der jedoch vor allem Entlassungen bedeutet mit einer kontinuierlich steigenden Belastung der öffentlichen Kassen und zum ausschließlichen Nutzen von Konzernen, wozu ja auch der Bertelsmann-Konzern bzw. sein Tochterunternehmen Arvato AG gehören (siehe NRhZ 27). Letzteres hat sich u.a. spezialisiert auf die Verwaltung bisher öffentlicher Aufgaben in Kommunen, widmet sich also den Einflüsterungen und Gewinnabschöpfungen in Sachen Privatisierung von Wasser, Energie, „sozialen“ Dienstleistungen und ähnlichen offensichtlich ganz einträglichen Agitationsfeldern – denn sonst wären sie für die Privatwirtschaft ja nicht interessant.
…vor allem des eigenen
Eine dem Sinn nach „selbständigere Leistungsgesellschaft“ verbräme die Suggestion, dass Entstaatlichung und Stärkung der freien Wirtschaft die Dinge beheben könne, die der Staat angeblich nicht „so effizient“ leistet und die man in Wirklichkeit mittels dieses Systems erst geschaffen hat. (Dies kann man etwa auf http://www.jjahnke.net/unsoz.html nachvollziehen.) Denn die Bundesrepublik ist wirtschaftlich gesehen die Gewinnerin der Globalisierung schlechthin. Die sogenannten „Sachzwänge“ sind konstruiert. Das Stichwort „Globalisierung“ eignet sich aber offensichtlich gut als Dämon zum Schüren von Angst, um Bereitschaft für unpopuläre und für wenige profitable Umstrukturierungen zu schaffen. Gerade diese lassen aber die Schere zwischen den weniger werdenden Reichen und den mehr werdenden Armen aufgehen. Zwar passt die Kampagne zu den Zielen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die das „Soziale“ aus Verschleierungsgründen noch als Namenskomponente trägt – dennoch wird aus der Erwähnung ihrer Aktivitäten der Zusammenhang mit dem Bertelsmann-Konzern nicht deutlich.
Ähnlich schwammig bleibt der Zusammenhang zwischen der von der rot-grünen Regierung forcierten Zerschlagung des Balkans und den Strategiepapieren des CAP. Zwar stimmt es, dass hier am Völkerrecht vorbei Machpolitik betrieben wurde. Und die PR-Strategien in Richtung „humanitäres Engagement“ passen zu den seither immer wieder eingesetzten Spins, die auch aus CAP- u.ä. Papieren herauszulesen sind und somit auf den Leiter des CAP, Werner Weidenfeld, und Bertelsmann deuten könnten. Aber das genannte Papier „Europa vor der Südosterweiterung“ erschien erst 2005. Nach dieser Darstellung erscheint auf Grund der zeitlichen Abfolge Bertelsmann eher als Profiteur denn als Ideengeber des Krieges zu fungieren. Dies wäre genauer zu prüfen bzw. zu belegen gewesen – denn eine Ausweitung eines „ethischen Imperialismus“ kann sowohl an einem gemeinsamen Auftreten von Bundeswehr und Bertelsmann allgemein als auch ganz konkret am Beispiel der Interventionspolitik im Kongo aufgezeigt werden. Im Buch wird am Bespiel Chinas das konstruktive Zusammenwirken von Konzern und Stiftung(s-Umfragen) exemplarisch vorgeführt.
Militarisierung und Entdemokratisierung
Laut Biermann und Klönne könne man die neuere Politik Deutschlands des Übernehmens einer „verantwortlichen Rolle in der Welt“ sowie die Dominanzpolitik der EU mitsamt der Militarisierungs- und Entdemokratisierungsbestrebungen durchaus den Bertelsmann Think Tanks zuordnen – wenn auch nicht diesen allein. Sie wurden jahrelang vorbereitet und auf entsprechend inszenierten Tagungen mit der zuständigen politischen Prominenz erörtert. Mittels des Bertelsmann Transformation Index (BTI) wird zudem die „Reformbereitschaft“ in Entwicklungsländern gemessen, sprich: forciert. Die Eingriffe in die Souveränität der Länder entsprechen denen von IWF und Weltbank, wie man mit dem Verweis auf die Veröffentlichungen von Joseph Stiglitz und auch Jean Ziegler hätte aufzeigen können.
Besonders perfide erscheint das Spiel der Lobbyisten, wenn man die Anstrengungen in Sachen EU-Ausrichtung nachvollzieht. Neben einer „stärkeren Rolle in der internationalen Politik“, bei der Deutschland weder „abseits stehen“ noch zu forsch voranschreiten dürfe, wird die EU ins Feld geführt. Für die Realisierung der Vormachtstellung – auch gegenüber den USA – seien „zukunftstüchtige“ Streitkräfte erforderlich. In entsprechenden Strategiepapieren wird mehr Kontrolle nach innen und mehr Abschottung nach außen propagiert. Dazu dient auch das Bedrohungsszenario „Migrantenströme“, welche nun „zeitgemäß“ eingedämmt und nicht mehr entsprechend der Gefühlsduselei der Nachkriegszeit gut behandelt werden müssten. Hier wäre eine Analyse der NATO-Doktrin von 1999 sinnvoll gewesen, die ja genau diese Punkte enthält. Hingegen beziehen sich die Autoren ohne eine Verbindung herzustellen auf die von Bertelsmann ausgerichtete Konferenz zum Thema „Die strategischen Antworten [sic!] Europas“: Um die Veränderungen im Inneren wie nach außen hin – die sog. „Sicherheits“-bedürfnisse – populär zu machen, könne nun ein Etat für entsprechende PR-Vorhaben ausgeschöpft werden, so die Autoren.
Auch in Sachen EU mache sich der Wirkmechanismus der Steuerung der Politik durch wirtschaftliche Strukturmaßnahmen deutlich, wie man aus der Arbeit des European Round Table of Industrials (ERT) schließen kann, dem neben Bertelsmann auch E.ON, Total und Microsoft angehören. Bertelsmann sei zwar absolut dominant, aber dennoch nicht alleine und es fragt sich, welche Mittel die Politik zur Eindämmung dieser außerparlamentarischen und an jeder demokratischen Kontrolle vorbei ablaufenden Politikmacher hat. Natürlich kann man, wie die Autoren fordern, das Stiftungswesen an sich einer Prüfung und Kontrolle unterziehen. Zusätzlich sollte man eine permanente Transparentmachung auch vergleichbarer Aktivitäten fordern, etwa durch ein Register mit dem öffentlichen Eintrag entsprechender „Dienstleistungen“ – vergleichbar dem US-amerikanischen FARA-Register für PR-Aktivitäten.
Uns regiert ein Schattenkabinett
Das Verdienst des Taschenbuches liegt in der Sammlung vieler wichtiger Erkenntnisse der Verflechtungen von Bertelsmann mit Wirtschaft, Politik, Medien und inzwischen auch unseren Gedanken in einem handlichen Format, das überall lesbar ist. Allerdings behebt es das Problem der Wiederholungen seines Vorgängerbuches, das Thomas Barth 2006 unter dem Titel „Bertelsmann: ein globales Medienunternehmen macht Politik“ im Anders-Verlag herausgegeben hat (siehe NRhZ 68) und das aus einzelnen Beiträgen verschiedener Autoren besteht, nicht – im Gegenteil es bleibt gar in manchen Darstellungen hinter der präzisen Aufarbeitung von Barth & Co. zurück. Sowieso bleibt das umfassendste Referenzwerk zu diesem Thema die 500-Seiten starke Aufsatzsammlung „Netzwerk der Macht“ in der zweiten Auflage von 2007, herausgegeben von Jens Wernicke und Torsten Bultmann.
Die erwähnten Namen – Mohn (s. auch: www.artfond.de/reinhardmohn.htm), Weidenfeld und wenige mehr – sollte sich jeder gut merken. Wieder einmal wird deutlich, dass unsere Medien ihrer Aufgabe als Vierter Gewalt immer weniger nachkommen und warum sie der immer weniger nachkommen können – die Fünfte Gewalt hat sie und uns schon gut im Griff. Dennoch zeigen Beispiele wie die im Buch zitierten Autoren und Websiten oder der erst durch einen Zufall auf die Hintergründe der aktuellen zerstörerischen „Gesundheitsreformen“ gestoßene bayerische Arzt Dr. Jan Erik Döllein, dass man unabhängig von einer bestimmten politischen Ausrichtung zu den gleichen Ergebnissen kommt: Uns regiert ein Schattenkabinett und echte demokratische Mitbestimmung ist unerwünscht. (PK)
Werner Biermann und Arno Klönne: „Agenda Bertelsmann. Ein Konzern stiftet Politik“, PapyRossa Köln 2008, 142 Seiten, EUR 11,90, ISBN 978-3-89438-372-5.
Dr. Sabine Schiffer ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen - www.medienverantwortung.de, info@medienverantwortung.de
Online-Flyer Nr. 149 vom 04.06.2008