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Meisner war zwar nicht beim Soldatengottesdienst.
Wir bringen seine Predigt trotzdem
Magische Sätze, mystische Tiefe ...
von Hans-Detlev von Kirchbach
Es war eigentlich wie immer in den letzten Jahren: Orgelklang und Männersang aus Soldatenkehlen erfüllten das machtvolle Kirchenschiff des Kölner Doms. Doch irgendwie war es auch anders: Der eigentliche Star des Tages, Kardinal Joachim Meisner, fehlte beim diesjährigen Soldatengottesdienst, zur Enttäuschung von Gläubigen und Gegendemonstranten gleichermaßen. So fiel das laut Diözesan-Pressemitteilung 30jährige "Jubiläum" des Kölner Soldatengottesdienstes eher leiser aus als sonst. Denn ohne Meisner kommt einfach nicht die rechte Stimmung auf. Statt die Kanzel zu besteigen, musste der Kardinal das Krankenbett hüten, und seine Predigt durfte ein weit weniger charismatischer Verrichtungsgehilfe vom Blatt vortragen. Das Fehlen des Hauptdarstellers konnten auch militärische und zivile Spitzenchargen wie der Generalinspekteur der Bundeswehr und der zuständige Bundesminister durch ihre Anwesenheit nicht ausgleichen. Doch tröstete Meisners Predigt über seine Abwesenheit hinweg, zunächst einmal mit der theologischen Erleuchtung, dass Abwesenheit und Da-Sein kein Widerspruch sein müssen:
"Das Sein der Welt oder die Dinge der Welt sind nicht nur vorhanden, sondern sie sind da." - So lautete einer der magischen Kernsätze, mit denen Kardinal Meisner seine diesjährige Feldpredigt im Hohen Dom zu Köln anreicherte. Ein gar geheimnisvoller Satz von der verwaberten Art, wie sie der Kölner Oberhirte so gerne von sich gibt, als Vorlage für Kabarettisten und den Gläubigen zum Rätseln. Zum "wunderbaren Geheimnis" dieses Tages gehörte denn der Tatbestand, dass der Herr des Domes zwar durch mystische Gedankentiefe stets vorhanden, aber selber eben gar nicht da war. Oder umgekehrt. Denn dem HErrn hatte es in seinem unerfindlichen Ratschluss gefallen, seinen weltweit eifrigsten Streiter nach dem Papst ausgerechnet am Tage des Internationalen Soldatengottesdienstes vermittels einer Grippe lahmzulegen. Und dies, obwohl doch gerade die Verbreitung des bewaffneten Christentums dem wortmächtigen Gotteskämpen wie kaum eine andere Aufgabe seines heiligen Amtes am Herzen liegt und mit seinem Namen schon fast untrennbar verschmolzen ist.
Kardinal Meisner: Soldaten 'Brückenbauer des Friedens'
Foto: NRhZ-Archiv
Frieden schaffen mit gesegneten Waffen
Warum also zog der Herr der himmlischen Heerscharen seinen militantesten Truppführer auf Erden aus dem Gefecht? Ob ihm wohl Meisners Predigten doch nicht so gut gefallen, wie dieser in seinem Eifer meint? Denn aus denen klang gelegentlich eher der alte, traditionelle Ungeist des "gerechten Krieges", des unheilvollen Bündnisses von Kreuz und Schwert, als die Friedensbotschaft des nominellen Kirchengründers, der einst verkündet haben soll:Wer das Schwert ergreift, wird durch das Schwert umkommen. Am berühmtesten von all den kreuzzüglerischen Sentenzen des Kölner Feldkardinals ist ein Predigtspruch aus dem Jahre 1997 geworden, der einem in Verbindung mit Meisner seither sofort einfällt: In betenden Händen ist die Waffe vor Missbrauch sicher.
Eine glatte Verhöhnung der Millionen, die der Blutallianz von Kreuz und Schwert seit Kaiser Konstantins Zeiten durch betende Mörderhände zum Opfer gefallen sind, sah in solchen geschichtsvergessenen Kardinals-Thesen zum Beispiel der abweichlerische Theologe Eugen Drewermann bei seiner Kölner "Gegenpredigt" vor drei Jahren. Drewermann freilich ist vor etlichen Wochen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Meisner hingegen gilt trotz seiner mittlerweile 72 Jahre immer noch als ernstzunehmender Aspirant auf den Papstposten. Papst wäre er auch gern, und sei es auch nur für einen Tag, soweit man jedenfalls dem kirchenfrommen Kölner EXPRESS glauben darf. Doch am Weltfriedenstag konnte der Liebhaber des Stuhles Petri noch nicht einmal seinen eigenen Kardinalsthron im Kölner Dom besetzen, während ein selbst erkälteter Weihbischof die Predigt seines Chefs verlas. Der nachgeordnete Kleriker entledigte sich dieser Aufgabe mit militärischer Disziplin, während ihm der Atem im eiskalten Dom vor dem Munde gefror. Aber die glühende Leidenschaft des Oberhirten fürs Waffenhandwerk konnte der wackere Stellvertreter doch nur unvollkommen simulieren.
Meisners Predigt: Gott und dem Generalstab zu Gefallen
Gleichwohl: Manche Passagen auch der diesjährigen Predigt werden die anwesenden hohen Militärs, darunter Generalinspekteur sowie der "neue"Bundesmilitärminister Franz Josef Jung (CDU) wohl zumindest als herzerwärmend empfunden haben, während sie bei Kühlschranktemperaturen zwei Stunden lang eisern für die christliche Wehrkraftfestigung froren. Schließlich können sich die fast vom lieben Gott höchstselbst bestätigt fühlen, wenn einer der höchsten Vertreter der katholischen Weltkirche Frieden ohne Militär gar nicht denken kann, ja, Frieden überhaupt erst als Ergebnis rechtgläubiger Wehrfreudigkeit begreift. Diese Haltung hat Meisner mit Vorliebe am so genannten Weltfriedenstag der katholischen Kirche in seiner Soldatenpredigt bekundet, nicht nur den, wie regelmäßig jedes Jahr, etwa dreißig Gegendemonstranten draußen vor den Domtoren, sondern jeder Art Pazifisten zum Trotz. Denn siehe, Meisners Gott läßt nicht einfach nur Blut und Eisen wachsen, wie ein christlich-militaristischer Spruch zu Kaiser Wilhelms Zeiten meinte, sondern aus diesem unbekömmlichen Gemenge überhaupt erst die Friedenspalme erblühen. Und damit tritt der Stellvertreter des Christengottes auf Kölner Boden, der sich eines direkten Drahts nach "oben" rühmt, nicht nur den von ihm herzlich mißachteten Pazifisten, sondern auch jeglicher historischer Erfahrung entgegen. Frieden schaffen mit gottgefälligen Waffen - das ist die Kardinals-Alternative zur Pazifistenparole "Frieden schaffen ohne Waffen."
Franz Josef Jung: 'Der Glaube kann Hilfe bieten'
Foto: NRhZ-Archiv
Meisner schmiedet am Bündnis von Kreuz und Schwert...
Das gehe ja schon deshalb nicht, weil, so belehrt uns der Kardinal, der Mensch als solcher das Schlimmste sei, was auf Erden herumlaufe. Das "Sorgenkind Nr. 1", wie er es noch 2002 etwas milder bezeichnete. Und das, obwohl "der Mensch" doch andererseits "Ebenbild Gottes" sein soll. Aber eben nur dann, wenn er sich der einzig wahren Gotteslehre, nämlich der katholischen, unterwirft. Denn das Böse, die Sünde, das ist, Meisner zufolge, stets und vor allem der "Abfall von Gott" und der Kirche, mithin der Unglaube, das Gute aber die Hinwendung zur Kirche, der Glaube. Daher bedeutet Frieden für den schwärmerischen Liebhaber des christlichen Mittelalters - ganz in der kämpferischen und expansiven Tradition seiner Kirche - letztlich die weltweite Durchsetzung des christlichen Glaubens, mithin also des katholischen Herrschaftsanspruches. So immerhin bekommen Verkündigungs-Sätze schließlich doch noch einen plausiblen Sinn, die scheinbar Unvereinbares wie Militär und Kriegseinsätze einerseits und Friedensproklamationen andererseits gewaltsam zusammenzwingen.
Bollwerk wider Rebellion
Schließlich geht es darum, das Bestehende, soweit es dem Meisnerschen Bild vom "christlichen Abendland" einigermaßen nahe kommt, als Ausdruck der göttlichen Ordnung unter allen Umständen zu erhalten, und sei es mit Feuer und Schwert. Der Nationalsozialismus und sein Rassenwahn, lehrt Meisner, war zwar irrig und daher auch böse. Aber heute ist, meint der Kardinal, die vom Marxismus stammende Lehre, die soziale Verteilungsungerechtigkeit die Quelle allen Unheils auf der Welt, genau so gefährlich, wenn nicht noch gefährlicher, und daher auch mindestens so böse, wie es einst der "Nationalsozialismus" war. Wie es überhaupt unsinnig ist, befindet Meisner, gegen Ausbeutung antreten zu wollen, denn der schlimmste Ausbeuter ist nicht der Kapitalist oder Sklavenhalter, sondern überhaupt und allzumal der Mensch als solcher. Vor allem dann verirrt der Mensch sich auf den Abweg des Bösen, wenn er sich untersteht, Über- und Unterordnung in Frage zu stellen oder gegen die real existierenden Zustände etwa zu gar rebellieren. Der Begriff Kapitalismus kommt in Meisners Predigten daher auch nie vor, schon gar nicht in kritischem Sinne.
Meisners Religion errichtet ein Bollwerk für die herrschenden Macht- und Eigentumsverhältnisse, an denen er nur auszusetzen hat, dass die Kirche in ihnen heute nicht mehr über die alleinige Befehlsgewalt verfügt. Für die Verteidigung des Glaubens an Kirche und Kapital und dessen Ausweitung über die Erdkugel (welche selbst Meisner und sein Papst ja immerhin über 350 Jahre nach Galilei akzeptieren) bedarf es natürlich der Macht des Schwertes, des Militärs. Ein Staat ohne Militär und ohne jederzeitige kriegerische Einsatzbereitschaft könnte daher in Meisners Theologie nie als "christlicher Staat" anerkannt werden. Mehr noch: Jede pazifistische Bestrebung gefährdet in Wahrheit den Frieden, den Frieden nämlich des Herrn und der göttlichen Ordnung unter'm Dach der Kirche. Solche "Friedenstheologie" paßt den Planern gegenwärtiger und künftiger weltweiter Militär-, kurzum Kriegseinsätze natürlich ausgesprochen ins Konzept, wie ja seit dem erwähnten römischen Kriegs- und Christenkaiser Kostantin kein christlicher Staat ohne mehr oder minder aggressive Kriegsmacht samt zugehöriger Waffenweihe auskommt.
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Krieg ist Frieden
Dabei mag zwar, nach der "Zwiesprach"-Methode des Orwellschen Wahrheitsministeriums, die Rüstung zum Kriege als eigentliche Friedenstat im wahrsten Wortsinn abgesegnet werden. Doch wäre es ein fataler Irrtum, die Friedenskantaten der christlichen Feldprediger infolge eines naiven Verständnisses des Friedensbegriffs wirklich als Friedensaufrufe zu mißdeuten. Der Friede wird hienieden, so erklärt es uns nämlich gerade Kardinal Meisner immer wieder anläßlich des "Soldatengottesdienstes", allenfalls ein bewaffneter Friede sein. Ist doch der Soldat, so erkannte der Gottesmann aufgrund höherer Eingebung 1993, "als Inbegriff der strafenden Gerechtigkeit die letzte Möglichkeit, das Böse im Menschen zu bannen." Und deshalb muß man als Kleriker schon mal den Soldaten zurufen, wie Meisner in seiner Predigt 1991 kurz vor dem seinerzeitigen Irak-Krieg der NATO: "Wohlan, legen Sie Hand ans Werk!" Das aber sollte uns nicht beunruhigen, denn, so versöhnt uns Meisner mit dem "Frieden" unter Waffen: Soldaten sind "Brückenbauer des Friedens", ja sollen gar, wie er in seiner diesjährigen Predigt mahnte, "Verkünder der Wahrheit des Friedens" sein. Wir begreifen: Wenn man in fremden Ländern, wie etwa der Bundesrepublik Jugoslawien, Bomben auf Brücken, Marktplätze und Krankenhäuser wirft, dann nur, um auf die "Wahrheit des Friedens" aufmerksam zu machen; wie einst Jesus auf seinem Esel verkündet die Bundeswehr diese spezielle Friedenswahrheit eben nur mit jeweils zeitgemäßen Verkehrs- und Kommunikationsmitteln.
Und wem immer noch Zweifel blieben, den hüllten im Kölner Dom bis zur Betäubung Schwaden von Desinfektiösem und Weihrauch ein, hinter denen manch Gläubiger doch noch die mystischen Geheimnisse der Kirche vermuten mochte. Wie etwa den Frieden, der aus dem christlichen Waffenwerk erwachsen soll. Wir jedenfalls sollten diesem barocken Prediger danken für die jedes Jahr erneuerte lehrreiche Demonstration, was von der Trennung von Kirche und Staat hierzulande wirklich zu halten ist. Und für den Beweis, dass Kirchenreligion allemal noch wie eh und je als Rechtfertigungsquelle höchst irdischer Machtbestrebungen taugt. Was umgekehrt auch "Verteidigungs"-Minister Jung, CDU, in seiner Rede anläßlich eines Empfanges nach dem Soldatengottesdienst bestätigte: "Immer mehr Soldaten erkennen, dass in Grenzsituationen vor allem der Glaube Hilfe bieten kann." Hilfe vor allem für die Einsatzfähigkeit der Truppe. Denn, so der für die gegenwärtig und demnächst anstehenden deutschen Welt-Kriege zuständige Minister: "Wir benötigen heute und in Zukunft klare Orientierungen und eine tief verwurzelte innere Stärke, um den Bedrohungen unserer Existenz mit Festigkeit begegnen zu können."
Man kann Rohstoff- und Ressourcenkriege eben leichter führen, wenn man den "Segen" von "oben" zu haben glaubt. Danke also unseren Militärbischöfen und - geistlichen, denn deren Wirken, so Jung, "stärkt das Suchen nach der Wahrheit und den Wegen des Friedens". Wonach Panzerfahren und MG-Ballern also eine Art philosophischer Unternehmung sind, jedenfalls, wenn unsere bewaffneten Friedensboten und Wahrheitssucher dadurch die Wahrheit freischießen und die Wege zum Frieden plattfahren. Vor hundert Jahren hieß das noch ein bißchen preußisch knapper einfach: "Gott mit uns!" Die Sprache ist ein bißchen anders geworden, das Denken ist geblieben, beziehungsweise der "Glaube". Glauben ist in solchem Zusammenhang allemal seliger denn Denken, und so betonte Meisner schon 1999 in seiner Soldatenpredigt auch im ausdrücklichen Widerspruch zu Descartes: "Ich bete, also bin ich."
So lasset uns denn glauben: Wer in Köln beten gelernt hat, in dessen Händen ist die Waffe auch in Kabul vor Mißbrauch sicher. Oder, abschließend Meisner, das Waffenhandwerk endgültig zum philosopisch-theologischen Seminar veredelnd: "Nehmen wir die ethische, philosophische und theologische Ausbildung unserer Soldaten sehr ernst! Dann ist der Friede bei ihnen in den besten Händen. - Amen."
Online-Flyer Nr. 29 vom 31.01.2006
Meisner war zwar nicht beim Soldatengottesdienst.
Wir bringen seine Predigt trotzdem
Magische Sätze, mystische Tiefe ...
von Hans-Detlev von Kirchbach
Es war eigentlich wie immer in den letzten Jahren: Orgelklang und Männersang aus Soldatenkehlen erfüllten das machtvolle Kirchenschiff des Kölner Doms. Doch irgendwie war es auch anders: Der eigentliche Star des Tages, Kardinal Joachim Meisner, fehlte beim diesjährigen Soldatengottesdienst, zur Enttäuschung von Gläubigen und Gegendemonstranten gleichermaßen. So fiel das laut Diözesan-Pressemitteilung 30jährige "Jubiläum" des Kölner Soldatengottesdienstes eher leiser aus als sonst. Denn ohne Meisner kommt einfach nicht die rechte Stimmung auf. Statt die Kanzel zu besteigen, musste der Kardinal das Krankenbett hüten, und seine Predigt durfte ein weit weniger charismatischer Verrichtungsgehilfe vom Blatt vortragen. Das Fehlen des Hauptdarstellers konnten auch militärische und zivile Spitzenchargen wie der Generalinspekteur der Bundeswehr und der zuständige Bundesminister durch ihre Anwesenheit nicht ausgleichen. Doch tröstete Meisners Predigt über seine Abwesenheit hinweg, zunächst einmal mit der theologischen Erleuchtung, dass Abwesenheit und Da-Sein kein Widerspruch sein müssen:
"Das Sein der Welt oder die Dinge der Welt sind nicht nur vorhanden, sondern sie sind da." - So lautete einer der magischen Kernsätze, mit denen Kardinal Meisner seine diesjährige Feldpredigt im Hohen Dom zu Köln anreicherte. Ein gar geheimnisvoller Satz von der verwaberten Art, wie sie der Kölner Oberhirte so gerne von sich gibt, als Vorlage für Kabarettisten und den Gläubigen zum Rätseln. Zum "wunderbaren Geheimnis" dieses Tages gehörte denn der Tatbestand, dass der Herr des Domes zwar durch mystische Gedankentiefe stets vorhanden, aber selber eben gar nicht da war. Oder umgekehrt. Denn dem HErrn hatte es in seinem unerfindlichen Ratschluss gefallen, seinen weltweit eifrigsten Streiter nach dem Papst ausgerechnet am Tage des Internationalen Soldatengottesdienstes vermittels einer Grippe lahmzulegen. Und dies, obwohl doch gerade die Verbreitung des bewaffneten Christentums dem wortmächtigen Gotteskämpen wie kaum eine andere Aufgabe seines heiligen Amtes am Herzen liegt und mit seinem Namen schon fast untrennbar verschmolzen ist.
Kardinal Meisner: Soldaten 'Brückenbauer des Friedens'
Foto: NRhZ-Archiv
Frieden schaffen mit gesegneten Waffen
Warum also zog der Herr der himmlischen Heerscharen seinen militantesten Truppführer auf Erden aus dem Gefecht? Ob ihm wohl Meisners Predigten doch nicht so gut gefallen, wie dieser in seinem Eifer meint? Denn aus denen klang gelegentlich eher der alte, traditionelle Ungeist des "gerechten Krieges", des unheilvollen Bündnisses von Kreuz und Schwert, als die Friedensbotschaft des nominellen Kirchengründers, der einst verkündet haben soll:Wer das Schwert ergreift, wird durch das Schwert umkommen. Am berühmtesten von all den kreuzzüglerischen Sentenzen des Kölner Feldkardinals ist ein Predigtspruch aus dem Jahre 1997 geworden, der einem in Verbindung mit Meisner seither sofort einfällt: In betenden Händen ist die Waffe vor Missbrauch sicher.
Eine glatte Verhöhnung der Millionen, die der Blutallianz von Kreuz und Schwert seit Kaiser Konstantins Zeiten durch betende Mörderhände zum Opfer gefallen sind, sah in solchen geschichtsvergessenen Kardinals-Thesen zum Beispiel der abweichlerische Theologe Eugen Drewermann bei seiner Kölner "Gegenpredigt" vor drei Jahren. Drewermann freilich ist vor etlichen Wochen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Meisner hingegen gilt trotz seiner mittlerweile 72 Jahre immer noch als ernstzunehmender Aspirant auf den Papstposten. Papst wäre er auch gern, und sei es auch nur für einen Tag, soweit man jedenfalls dem kirchenfrommen Kölner EXPRESS glauben darf. Doch am Weltfriedenstag konnte der Liebhaber des Stuhles Petri noch nicht einmal seinen eigenen Kardinalsthron im Kölner Dom besetzen, während ein selbst erkälteter Weihbischof die Predigt seines Chefs verlas. Der nachgeordnete Kleriker entledigte sich dieser Aufgabe mit militärischer Disziplin, während ihm der Atem im eiskalten Dom vor dem Munde gefror. Aber die glühende Leidenschaft des Oberhirten fürs Waffenhandwerk konnte der wackere Stellvertreter doch nur unvollkommen simulieren.
Meisners Predigt: Gott und dem Generalstab zu Gefallen
Gleichwohl: Manche Passagen auch der diesjährigen Predigt werden die anwesenden hohen Militärs, darunter Generalinspekteur sowie der "neue"Bundesmilitärminister Franz Josef Jung (CDU) wohl zumindest als herzerwärmend empfunden haben, während sie bei Kühlschranktemperaturen zwei Stunden lang eisern für die christliche Wehrkraftfestigung froren. Schließlich können sich die fast vom lieben Gott höchstselbst bestätigt fühlen, wenn einer der höchsten Vertreter der katholischen Weltkirche Frieden ohne Militär gar nicht denken kann, ja, Frieden überhaupt erst als Ergebnis rechtgläubiger Wehrfreudigkeit begreift. Diese Haltung hat Meisner mit Vorliebe am so genannten Weltfriedenstag der katholischen Kirche in seiner Soldatenpredigt bekundet, nicht nur den, wie regelmäßig jedes Jahr, etwa dreißig Gegendemonstranten draußen vor den Domtoren, sondern jeder Art Pazifisten zum Trotz. Denn siehe, Meisners Gott läßt nicht einfach nur Blut und Eisen wachsen, wie ein christlich-militaristischer Spruch zu Kaiser Wilhelms Zeiten meinte, sondern aus diesem unbekömmlichen Gemenge überhaupt erst die Friedenspalme erblühen. Und damit tritt der Stellvertreter des Christengottes auf Kölner Boden, der sich eines direkten Drahts nach "oben" rühmt, nicht nur den von ihm herzlich mißachteten Pazifisten, sondern auch jeglicher historischer Erfahrung entgegen. Frieden schaffen mit gottgefälligen Waffen - das ist die Kardinals-Alternative zur Pazifistenparole "Frieden schaffen ohne Waffen."
Franz Josef Jung: 'Der Glaube kann Hilfe bieten'
Foto: NRhZ-Archiv
Meisner schmiedet am Bündnis von Kreuz und Schwert...
Das gehe ja schon deshalb nicht, weil, so belehrt uns der Kardinal, der Mensch als solcher das Schlimmste sei, was auf Erden herumlaufe. Das "Sorgenkind Nr. 1", wie er es noch 2002 etwas milder bezeichnete. Und das, obwohl "der Mensch" doch andererseits "Ebenbild Gottes" sein soll. Aber eben nur dann, wenn er sich der einzig wahren Gotteslehre, nämlich der katholischen, unterwirft. Denn das Böse, die Sünde, das ist, Meisner zufolge, stets und vor allem der "Abfall von Gott" und der Kirche, mithin der Unglaube, das Gute aber die Hinwendung zur Kirche, der Glaube. Daher bedeutet Frieden für den schwärmerischen Liebhaber des christlichen Mittelalters - ganz in der kämpferischen und expansiven Tradition seiner Kirche - letztlich die weltweite Durchsetzung des christlichen Glaubens, mithin also des katholischen Herrschaftsanspruches. So immerhin bekommen Verkündigungs-Sätze schließlich doch noch einen plausiblen Sinn, die scheinbar Unvereinbares wie Militär und Kriegseinsätze einerseits und Friedensproklamationen andererseits gewaltsam zusammenzwingen.
Bollwerk wider Rebellion
Schließlich geht es darum, das Bestehende, soweit es dem Meisnerschen Bild vom "christlichen Abendland" einigermaßen nahe kommt, als Ausdruck der göttlichen Ordnung unter allen Umständen zu erhalten, und sei es mit Feuer und Schwert. Der Nationalsozialismus und sein Rassenwahn, lehrt Meisner, war zwar irrig und daher auch böse. Aber heute ist, meint der Kardinal, die vom Marxismus stammende Lehre, die soziale Verteilungsungerechtigkeit die Quelle allen Unheils auf der Welt, genau so gefährlich, wenn nicht noch gefährlicher, und daher auch mindestens so böse, wie es einst der "Nationalsozialismus" war. Wie es überhaupt unsinnig ist, befindet Meisner, gegen Ausbeutung antreten zu wollen, denn der schlimmste Ausbeuter ist nicht der Kapitalist oder Sklavenhalter, sondern überhaupt und allzumal der Mensch als solcher. Vor allem dann verirrt der Mensch sich auf den Abweg des Bösen, wenn er sich untersteht, Über- und Unterordnung in Frage zu stellen oder gegen die real existierenden Zustände etwa zu gar rebellieren. Der Begriff Kapitalismus kommt in Meisners Predigten daher auch nie vor, schon gar nicht in kritischem Sinne.
Meisners Religion errichtet ein Bollwerk für die herrschenden Macht- und Eigentumsverhältnisse, an denen er nur auszusetzen hat, dass die Kirche in ihnen heute nicht mehr über die alleinige Befehlsgewalt verfügt. Für die Verteidigung des Glaubens an Kirche und Kapital und dessen Ausweitung über die Erdkugel (welche selbst Meisner und sein Papst ja immerhin über 350 Jahre nach Galilei akzeptieren) bedarf es natürlich der Macht des Schwertes, des Militärs. Ein Staat ohne Militär und ohne jederzeitige kriegerische Einsatzbereitschaft könnte daher in Meisners Theologie nie als "christlicher Staat" anerkannt werden. Mehr noch: Jede pazifistische Bestrebung gefährdet in Wahrheit den Frieden, den Frieden nämlich des Herrn und der göttlichen Ordnung unter'm Dach der Kirche. Solche "Friedenstheologie" paßt den Planern gegenwärtiger und künftiger weltweiter Militär-, kurzum Kriegseinsätze natürlich ausgesprochen ins Konzept, wie ja seit dem erwähnten römischen Kriegs- und Christenkaiser Kostantin kein christlicher Staat ohne mehr oder minder aggressive Kriegsmacht samt zugehöriger Waffenweihe auskommt.
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Krieg ist Frieden
Dabei mag zwar, nach der "Zwiesprach"-Methode des Orwellschen Wahrheitsministeriums, die Rüstung zum Kriege als eigentliche Friedenstat im wahrsten Wortsinn abgesegnet werden. Doch wäre es ein fataler Irrtum, die Friedenskantaten der christlichen Feldprediger infolge eines naiven Verständnisses des Friedensbegriffs wirklich als Friedensaufrufe zu mißdeuten. Der Friede wird hienieden, so erklärt es uns nämlich gerade Kardinal Meisner immer wieder anläßlich des "Soldatengottesdienstes", allenfalls ein bewaffneter Friede sein. Ist doch der Soldat, so erkannte der Gottesmann aufgrund höherer Eingebung 1993, "als Inbegriff der strafenden Gerechtigkeit die letzte Möglichkeit, das Böse im Menschen zu bannen." Und deshalb muß man als Kleriker schon mal den Soldaten zurufen, wie Meisner in seiner Predigt 1991 kurz vor dem seinerzeitigen Irak-Krieg der NATO: "Wohlan, legen Sie Hand ans Werk!" Das aber sollte uns nicht beunruhigen, denn, so versöhnt uns Meisner mit dem "Frieden" unter Waffen: Soldaten sind "Brückenbauer des Friedens", ja sollen gar, wie er in seiner diesjährigen Predigt mahnte, "Verkünder der Wahrheit des Friedens" sein. Wir begreifen: Wenn man in fremden Ländern, wie etwa der Bundesrepublik Jugoslawien, Bomben auf Brücken, Marktplätze und Krankenhäuser wirft, dann nur, um auf die "Wahrheit des Friedens" aufmerksam zu machen; wie einst Jesus auf seinem Esel verkündet die Bundeswehr diese spezielle Friedenswahrheit eben nur mit jeweils zeitgemäßen Verkehrs- und Kommunikationsmitteln.
Und wem immer noch Zweifel blieben, den hüllten im Kölner Dom bis zur Betäubung Schwaden von Desinfektiösem und Weihrauch ein, hinter denen manch Gläubiger doch noch die mystischen Geheimnisse der Kirche vermuten mochte. Wie etwa den Frieden, der aus dem christlichen Waffenwerk erwachsen soll. Wir jedenfalls sollten diesem barocken Prediger danken für die jedes Jahr erneuerte lehrreiche Demonstration, was von der Trennung von Kirche und Staat hierzulande wirklich zu halten ist. Und für den Beweis, dass Kirchenreligion allemal noch wie eh und je als Rechtfertigungsquelle höchst irdischer Machtbestrebungen taugt. Was umgekehrt auch "Verteidigungs"-Minister Jung, CDU, in seiner Rede anläßlich eines Empfanges nach dem Soldatengottesdienst bestätigte: "Immer mehr Soldaten erkennen, dass in Grenzsituationen vor allem der Glaube Hilfe bieten kann." Hilfe vor allem für die Einsatzfähigkeit der Truppe. Denn, so der für die gegenwärtig und demnächst anstehenden deutschen Welt-Kriege zuständige Minister: "Wir benötigen heute und in Zukunft klare Orientierungen und eine tief verwurzelte innere Stärke, um den Bedrohungen unserer Existenz mit Festigkeit begegnen zu können."
Man kann Rohstoff- und Ressourcenkriege eben leichter führen, wenn man den "Segen" von "oben" zu haben glaubt. Danke also unseren Militärbischöfen und - geistlichen, denn deren Wirken, so Jung, "stärkt das Suchen nach der Wahrheit und den Wegen des Friedens". Wonach Panzerfahren und MG-Ballern also eine Art philosophischer Unternehmung sind, jedenfalls, wenn unsere bewaffneten Friedensboten und Wahrheitssucher dadurch die Wahrheit freischießen und die Wege zum Frieden plattfahren. Vor hundert Jahren hieß das noch ein bißchen preußisch knapper einfach: "Gott mit uns!" Die Sprache ist ein bißchen anders geworden, das Denken ist geblieben, beziehungsweise der "Glaube". Glauben ist in solchem Zusammenhang allemal seliger denn Denken, und so betonte Meisner schon 1999 in seiner Soldatenpredigt auch im ausdrücklichen Widerspruch zu Descartes: "Ich bete, also bin ich."
So lasset uns denn glauben: Wer in Köln beten gelernt hat, in dessen Händen ist die Waffe auch in Kabul vor Mißbrauch sicher. Oder, abschließend Meisner, das Waffenhandwerk endgültig zum philosopisch-theologischen Seminar veredelnd: "Nehmen wir die ethische, philosophische und theologische Ausbildung unserer Soldaten sehr ernst! Dann ist der Friede bei ihnen in den besten Händen. - Amen."
Online-Flyer Nr. 29 vom 31.01.2006