NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 22. November 2024  

Fenster schließen

Lokales
Wie Kölner Polizei und Presse mit Roma-Flüchtlingen umgehen
„Pro Köln“ kann sich freuen
Von Peter Kleinert

Das hatten wir doch schon mal beim Kölner DuMont-Verlag: Unter der Schlagzeile "Klau-Kids" machte der EXPRESS mit einem Hetz-Artikel über Roma-Jugendliche am Hauptbahnhof auf. Anschließend entschuldigte sich Verleger Alfred Neven DuMont persönlich dafür: So etwas dürfe eigentlich nicht vorkommen. Nun hat auch der Kölner Stadt-Anzeiger mit einer Roma-Diffamierung fast EXPRESS-Niveau erreicht. Der Kölner Rom e.V. wehrt sich dagegen in seinem aktuellen Rundbrief "Nevipe".


Roma-Flüchtlingskind in Köln
Quelle: NRhZ-Archiv
  "Zahl der Einbrüche gestiegen" titelte der KStA am 23. Juli einen Artikel seines Reporters Simon Müller. Der Anlass: eine von der Kölner Polizei inszenierte Massenkontrolle in einigen Heimen mit Roma-Flüchtlingen in der Ricarda-Huch-Straße und am Poller Damm. Ein Ausschnitt aus der langen Simon Müller-Reportage: "Die Türen des verbeulten roten Lieferwagens mit dem zersprungenen Außenspiegel stehen offen. Eine Polizistin kniet im Wageninneren und entrümpelt die Ladefläche. Neben einem alten Kinderwagen, krummen Skistöcken, dem vergilbten Fernseher und mehreren Tischlampen findet die Beamtin auch "Dinge, die sich als Einbruchswerkzeug eignen", wie sie sagt. Der Lieferwagen ist vor dem Flüchtlingswohnheim am Poller Damm geparkt. Hier hat die Polizei am Mittwochmorgen mit groß angelegten Kontrollen begonnen. Bewohner des Heimes werden verdächtigt, für zahlreiche Wohnungseinbrüche in Köln und Umgebung verantwortlich zu sein. Seit Mitte Juni hat die Polizei 15 Wohnungseinbrecher noch am Tatort festgenommen, "die allesamt Angehörige einer ethnischen Minderheit aus Ex-Jugoslawien sind und fast ausnahmslos in Flüchtlingsheimen der Stadt Köln wohnen", sagt Friedhelm Krappe, Leiter des für Einbruchsdelikte zuständigen Kriminalkommissariats 72." Allerdings muss der wie Polizist Krappe vom Ergebnis offensichtlich enttäuschte KStA-Reporter am Ende der "groß angelegten Kontrollen" zugeben: "Bei den Kontrollen an der Ricarda-Hof-Straße und am Poller Damm wurden laut Polizeisprecher Georg Kraushaar "keine tatrelevanten Gegenstände und auch keine verdächtigen Personen gefunden"".

"Pro Köln" in die Karten gespielt


Insgesamt dreimal hat Müller in seinem Artikel die bekannte deutsche Dichterin Ricarda Huch in Ricarda Hof umgetauft. Anstatt ihn auf diese Peinlichkeit aufmerksam zu machen und den Text entsprechend zu korrigieren, steht Redakteur Peter Berger ihm lieber ideologisch bei.


Ricarda Huch – eines ihrer Werke trägt
den Titel "Teufeleien, Lügenmärchen"
Foto: Wanda von Debschitz-Kunowski
 In einem Kommentar mit dem Titel "Nicht in die Karten spielen" bestätigt er ihn: Es gehe der Polizei keineswegs "darum, eine bestimmte Gruppe von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien zu diskriminieren. Die Polizei muss einschreiten, weil es den begründeten Verdacht gibt, dass dieser Personenkreis etwas mit der signifikanten Zunahme von Einbrüchen in der näheren Umgebung dieser Übergangsheime zu tun hat… Wohin das Ignorieren von unangenehmen Fakten führt, hat die Kommunalwahl vor fünf Jahren gezeigt. Die rechtsextreme Organisation "Pro Köln" hat genau in den Vierteln gepunktet, wo die Bürger den Eindruck hatten, dass ihre Probleme von der Stadtverwaltung, den etablierten Parteien und den Ordnungsbehörden nicht ernst genommen werden. Zum Beispiel in Poll."

Dort habe es "Pro Köln" bei der letzten Wahl auf 9,2 Prozent gebracht und sei dadurch mit insgesamt 4,7 Prozent in den Stadtrat eingezogen. Berger: "Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass es kontraproduktiv ist, aus falsch verstandener Toleranz die Tatsachen zu leugnen. Damit spielt man den Rechten in die Karten."

Offener Brief des Rom e.V.

Antwort des Rom e.V. in "Nevipe":

"BRAVO, Herr Müller, – mit Ihrem Artikel haben Sie es geschafft, Menschen, die dem Volk der Roma angehören, unter den Generalverdacht zu stellen, Einbrüche zu begehen. Und in Ihrem Kommentar, verehrter Herr Berger, verteidigen Sie Ihre Vorgehensweise, um den "Rechten" nicht "in die Karten" zu spielen - genau dies wurde mit dem Artikel aber erreicht. Wir sind empört über Ihre diskriminierende Berichterstattung und Kommentierung - wir waren schon einmal weiter.


Wollen legal arbeiten und nicht klauen – Roma-Demonstration in Köln
Quelle: NRhZ-Archiv

Denn was sind die Fakten: vor den Flüchtlingswohnheimen Ricarda-Huch-Straße und Poller Damm fanden Polizeikontrollen statt und als Ergebnis kam raus, was sie dann im letzten Absatz schreiben: "keine tatrelevanten Gegenstände und auch keine verdächtigen Personen gefunden". Was aber schreiben Sie vorher? Sie vermischen Fakten und verknüpfen Verdächtigungen und Vermutungen und suggerieren damit, dass alle Roma "klauen".Wenn die Zahl der Einbrüche steigt, so hat die Polizei die nach ihrer Ansicht erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, was sie auch getan. Darüber können Sie auch berichten - sollten dies aber korrekt tun.

Warum ist es von Bedeutung, die ethnische Zugehörigkeit der 15 Tatverdächtigen zu benennen, wenn man bedenkt, dass in Köln ca. 3.500 Roma leben? Sie hinterfragen in keiner Weise die "relativ einfache Erklärung" der Polizei, sondern folgen ihr. Verehrter Herr Müller, dass Ihr Artikel die erforderliche Sorgfalt vermissen lässt zeigt sich auch daran, dass Sie vom Wohnheim "Ricarda-Hof-Straße" schreiben: eine solche Straße gibt es in Köln nicht. Wenn Sie, verehrter Herr Berger schreiben, "bei der Verbrechensbekämpfung darf die Herkunft der Straftäter keine Rolle spielen", so gehen wir davon aus bzw. hoffen wir, dass dies auch so der Fall ist. Nur übersehen Sie dabei eins: Die Presse ist kein Organ der Verbrechensbekämpfung. Mithin sollten Sie sich im Hinblick auf die Aufgabe und Wirkung der Medien Ihrer besonderen Verantwortung (wieder) bewusst werden.

Mit freundlichen Grüßen
Kurt Holl, Elisabeth Klesse, Doris Schmitz, Simone Treis"

Mitverantwortlich: Chefredakteur Sommerfeld


Franz Sommerfeld –
Zeitungsjournalist
des Jahres 2007
Quelle: www.goldener-
prometheus.de
Nachdem der Rom e.V. sich vor sechs Jahren in einem Offenen Brief über die Klau-Kids-Hetze im EXPRESS beschwert hatte, durfte dessen Chefredakteur Hans-Peter Buschheuer nach der öffentlichen Entschuldigung des Verlegers seinen Hut nehmen und nach Berlin verschwinden. Man darf gespannt sein, wie Alfred Neven DuMont diesmal reagieren wird. Es ist ja nicht das erste Mal, dass unter dem KStA-Chefredakteur Franz Sommerfeld Roma diffamiert wurden. Im September 2006 zum Beispiel meldete einer seiner Redakteure - auch in einem Bericht über eine Wohnungsdurchsuchung -, ein Roma sei aus einem Fenster im zweiten Stock gesprungen und habe sich dabei schwer verletzt. Gegen den Mann sei "wegen Diebstahls ermittelt" worden. Tatsächlich hatte die Polizei bei Herrn S. keinerlei Diebesgut oder Einrecherwerkzeug sondern einen Reisepass gefunden, dadurch festgestellt, dass er ein Flüchtling sei und ihm klar gemacht: "So, jetzt geht´s ab nach Jugoslawien." (PK)

Kontakt zum Rom e.V.: e-mail rom.ev@netcologne.de,
Homepage www.romev.de


Online-Flyer Nr. 158  vom 06.08.2008



Startseite           nach oben