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Lokales
Verband kommunaler Unternehmen verliert Prozess in Köln
Journalistenpreis per Gericht erzwungen
Von Werner Rügemer und Peter Kleinert

Im Jahr 2003 hatte der Verband kommunaler Unternehmen einen „Deutschen Journalistenpreis“ für Print-, Hörfunk- und Fernsehberichte, Reportagen und Features vergeben, die „die Aufgaben und/oder die Marktbedingungen der lokalen und regionalen Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen thematisieren“. Für eine Sendung im Deutschlandfunk über „Cross Border Leasing“ wurde Werner Rügemer dieser Preis verliehen, dann aber "wegen zu großen Engagements in der Sache" wieder aberkannt. Am 27. September 2004 entschied das Amtsgericht Köln, dass der VKU den Preis doch herausgeben musste. – Hier zunächst eine Pressemitteilung des Preisträgers von diesem Tag.

Preisgeld bei „Stillschweigen“ angeboten
 
Nach dem heutigen Urteil des Amtsgerichts Köln muss der Verband kommunaler Unternehmen Deutschlands (VKU, Sitz Köln) den zunächst zu- und dann aberkannten „Deutschen Journalistenpreis Hörfunk 2003“ an mich herausgeben. Ich hatte mithilfe meines Berufsverbandes DJU/verdi auf Herausgabe des Preises geklagt, weil die Aberkennung gegen die Teilnahmebedingungen verstoße. Beim Gütetermin am 6.9. 2004 hatte der VKU die Auszahlung des Preisgeldes von 3.000 Euro angeboten - unter der Bedingung des Stillschweigens. Das hatte ich abgelehnt. Der VKU muss nun zudem auf die 3.000 Euro Preisgeld 5 Prozent Zinsen seit dem Tag der geplanten Preisverleihung, dem 3.10.2003, zahlen und die Gerichtskosten übernehmen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, also auch wenn der VKU in Berufung gehen sollte. (143 C 132/04)
 
Im August 2003 vergab die Jury des VKU den „Deutschen Journalistenpreis“ in der Sparte Hörfunk für mein Feature „Cross Border Leasing – ein fragwürdiges Instrument zur Sanierung kommunaler Haushalte?“. Die Redaktion „Hintergrund Politik“ des Deutschlandfunks - hier war das Feature gesendet worden - hatte es vorgeschlagen. Die Jury setzte es unter 120 Einsendungen an die erste Stelle, weil es ein komplexes und brisantes Thema verständlich und ausgewogen darstelle.
 
„Marsch“- und „Kampagnen-Journalismus“
 
Zwei Tage vor der Preisverleihung im Oktober 2003 erkannte mir die Jury den Preis wieder ab: Man habe herausgefunden, dass Rügemer einen Offenen Brief von attac Köln mitunterzeichnet habe, in dem die Kölner Stadtwerke aufgefordert wurden, ein geplantes Cross Border Leasing über die Trinkwasserleitungen nicht zu machen. Damit habe der Autor sich zu sehr mit der Sache „gemein gemacht“. Man habe zwar einen nach wie vor preiswürdigen Beitrag und gehe von dieser Beurteilung nicht ab, der Autor aber praktiziere einen „Marsch“- und „Kampagnen-Journalismus“. Der Preis sei deshalb aberkannt worden. Ein Ersatzpreisträger wurde nicht präsentiert.
 
Viele Stadtwerke haben Cross Border Leasing-Verträge gemacht, ohne sie genau zu prüfen. Da ging die Information in meiner Sendung wohl zu weit, und der VKU bekam Angst vor der eigenen Courage. Außerdem dürfte die Jury selbst nicht unabhängig sein: die Mehrheit der neun Mitglieder, nämlich fünf, sind Funktionäre des VKU und von Stadtwerken.
 
DJV zieht Konsequenzen
 
Es stellte sich nachträglich heraus, dass entgegen der Behauptung des Juryvorsitzenden, des WDR-Redakteurs Hagen Beinhauer, die Aberkennung keineswegs „einstimmig“ erfolgt war. Nur die Jurymitglieder, die gleichzeitig VKU- oder Stadtwerke-Funktionäre sind, standen einstimmig hinter der Entscheidung. Einige der journalistischen Mitglieder (Kerstin Schwenn, FAZ und Gustl Glattfelder, Deutscher Journalistenverband/DJV) haben sich entweder gar nicht geäußert oder hatten Bedenken. Der DJV hat daraus die Konsequenz gezogen, kein Mitglied mehr in diese Jury zu entsenden.
 
Das Vergleichsangebot des VKU finde ich hinsichtlich des journalistischen Selbstverständnisses aufschlussreich: Einerseits spielt sich der VKU als Hüter der reinen journalistischen Lehre auf, andererseits bietet er mir beim Gütetermin an, die Preissumme auszuzahlen - aber verbunden mit der strafbewehrten Auflage, darüber Stillschweigen zu wahren. Etwas Wahres, das unangenehm ist, soll verschwiegen werden! So war es auch beim Thema des zunächst ausgezeichneten Preises. Inzwischen sind die Risiken und Hintergründe dieser Art globaler Steuerflucht besser bekannt, seit Anfang 2004 wurde kein einziger Vertrag mehr abgeschlossen.
 
Protest auch aus Mülheim
 
In Briefen an den VKU haben nach der Aberkennung des Preises u.a. das Kölner Sozialforum und die Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) protestiert: „Wir sind entsetzt, wie weit wir offenbar in Deutschland schon sind mit der Diskriminierung kritischer Stimmen, die sich nicht einpassen in einen sog. mainstream, der Privatisierungen kommunalen Eigentums - dazu gehört auch Crossborder-Leasing (CBL) - ohne Rücksicht auf Verluste vorantreibt.“
 
Erst durch Werner Rügemers Hörfunkberichte zum Thema CBL, so die MBI an den VKU,  „fingen wir an zu begreifen, worum es überhaupt ging“. Durch Anfragen an Mülheimer Gremien und durch eine Veranstaltung mit Werner Rügemer habe man erfahren, „dass die Dresdener Bank bzw. ein US-Ableger bei uns als sog. US-Investor auftreten sollte. Danach kamen die CBL-Vorhaben bei uns in Mülheim zusehends ins Wanken, weil wohl der "Investor" nicht mehr geheim war... Ohne den kritischen und mutigen Journalisten Dr. Rügemer wäre das wohl auch in unserer Stadt völlig anders gelaufen“. Weder die BürgerInnen, noch die Beschäftigten im Mülheimer Nahverkehrsbetrieb und wohl auch nicht die Stadtverordneten wussten, zu welchen Bedingungen bzw. Risiken ihr kommunales Unternehmen seine Netze „wahrscheinlich inzwischen verkauft bzw. verleast hätte. OB und Kämmerer hätten wahrscheinlich stolz kurzfristige Einnahmen verkündet, aber spätestens unsere Kinder hätten uns wahrscheinlich dafür verflucht“.
 
Beispiel für unabhängigen Journalismus

Dieses Mülheimer Beispiel zeige, dass Rügemer „für seine engagierte und sehr kompetente Berichterstattung gerade zu CBL jede Auszeichnung in einer Demokratie zustehen müsste als wirklich leuchtendes Beispiel für sauberen und unabhängigen Journalismus! Umso betrüblicher stimmt uns, dass gerade ein Verband wie der VKU, dessen Mitglieder seit Jahren stark bedroht sind durch diverse Spielarten im "Ausverkaufsrausch" von Kommunen, die finanziell mit dem Rücken an die Wand gedrängt wurden, seinen eigenen Journalistenpreis kurzfristigen Lobbyisteninteressen unterordnet.“ Zum VKU gehöre nämlich auch die Rhein Energie AG, die gerade ein CBL-Geschäft zum Kölner Trinkwasser über die Bühne bringen wolle. Man wundere sich deshalb in Mülheim nicht „wenn in der Jury zur Verleihung des Journalistenpreises deren Pressesprecher Christoph Preuß sitzt und diese dann dem eigentlich gekürten VKU-Preisträger Dr. Rügemer seinen Preis wieder aberkennt“.
 
Den von der NRhZ gestifteten „Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik“ wird Werner Rügemer am Freitag, 22. August, um 17.30 Uhr im Café Rosenow am Heumarkt 65 mit Sicherheit erhalten. Dort erinnert eine Gedenktafel an die NRhZ-Redaktion von 1848/49, in der damals bis zum Verbot der Neuen Rheinischen Zeitung neben Karl Marx auch Friedrich Engels, Ferdinand Freiligrath, Ernst Dronke, Ferdinand und Wilhelm Wolff und Georg Weerth arbeiteten. (PK)
 

 

Online-Flyer Nr. 160  vom 20.08.2008



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