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Inland
Über die Rolle „unserer“ Geheimdienste bei Anschlägen in Europa
Unter falscher Flagge
Von Jürgen Elsässer

Wann zündet Al Qaida eine Atombombe in Berlin? Wann erwachen die Schläfer des Dschihad in Wien und Paris, um Killerbakterien in unser Trinkwasser zu schütten? Antwort auf diese und andere Fragen gibt Jürgen Elsässers neues Buch „Terrorziel Europa. Das gefährliche Doppelspiel der Geheimdienste“, von dem wir hier einen Vorabdruck veröffentlichen. Es ist ab 11. September im Handel – Die Redaktion

Elsässer
Jürgen Elsässer
Die Terror-Attacken in Madrid 2004 und in London 2005 mit zusammen fast 250 Toten haben Europa in Angst und Schrecken versetzt. Das nächste Mordkomplott ist nur noch eine Frage der Zeit, behaupten führende Politiker.
Doch eine genauere Analyse zeigt: Al Qaida und die CIA bilden ein Joint Venture. Bei allen Anschlagsversuchen und Anschlägen in Europas spielten V-Leute westlicher Geheimdienste eine unverzichtbare Rolle.

Fundamentalistische Fanatiker schüren zwar überall den Hass. Aber Befehl zum Zuschlagen und Bomben bekommen sie von US-amerikanischen und britischen Dunkelmännern, die damit Europa in Hysterie versetzen und immer tiefer in den weltweiten Krieg gegen den Islam hineinziehen wollen.
 
Das schmutzige Doppelspiel von Al Qaida, CIA und Secret Service seit den frühen neunziger
Jahren habe ich als Mitarbeiter im BND-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages beobachten können.
 
„Eine Goldgrube an Enthüllungen“, schrieb der langjährige französische Innenminister Jean-Pierre Chevènement über sein letztes Buch „Wie der Dschihad nach Europa kam“. Und der „Deutschlandfunk“ urteilte: „Solche Eröffnungen gehen unter die Haut.“
 
V-Leute als Agent Provocateur
 
Es sind zahlreiche Vorgänge aktenkundig, wo sich Informanten und Zuträger von Polizei und Geheimdiensten nicht nur als Desinformanten und Aufschneider hervortaten, sondern möglicherweise als Agents Provocateurs Straftaten anstiften wollten oder direkt daran beteiligt waren. Eine sicher unvollständige Auswahl:
 
Am 21. September 2002 versuchten zwei Männer, auf dem Frankfurter Flughafen ein Rambo-Messer und eine Pistole in einen Lufthansa(LH)-Airbus nach Tel Aviv zu schmuggeln. Ein Wachmann der Fluggesellschaft sagte aus, dass er die mit Ausweisen der Luftfahrtgesellschaft versehenen Gestalten „im letzten Moment an der Gangway gestoppt und gefilzt“ habe. Anschließend hätten ihn „zwei plötzlich auftauchende Kollegen der mutmaßlichen Hijacker beruhigt (...): Es handele sich bei dem Waffenschmuggel lediglich um einen Test, den er erfolgreich bestanden habe“. Sodann habe die Vierertruppe in einem Opel das vom (Bundesgrenzschutz) BGS militärisch observierte Vorfeld verlassen – unter Mitnahme von Messer und Pistole. Bundesverkehrsministerium, BGS und Staatsanwaltschaft wollten auf Nachfrage des „Focus“ von keiner derartigen Inspektion wissen. LH-Sprecher Thomas Jachnow sah aber dennoch „keinen Grund, an der Darstellung des Wachmannes zu zweifeln“. Ein Experte des Frankfurter Flughafens glaubte gegenüber dem Magazin des Rätsels Lösung zu kennen: „Das müssen israelische oder US-Geheimdienstler gewesen sein. Die wollten uns Sicherheitslücken vorführen.“ (1) 

Im Herbst 2002 wurde bei einer bundesweiten Razzia gegen die Gruppe Al Tawhid der Jordanier Shadi A. geschnappt. Im Gefängnis wechselte er die Seite und packte über islamistische Netzwerke aus – angeblich. „Der gelernte Friseur Shadi A., der die Verhörspezialisten anfangs durch abenteuerliche Storys verblüffte, gilt längst als verlässlicher Zeuge“, berichtete der „Focus“. Sein Werdegang weckte offensichtlich keinerlei Verdacht: „1995 kam A. als Asylbewerber nach Deutschland – auf Grund seiner Homosexualität fühlte er sich in Jordanien verfolgt. Nach mehreren Stationen in Belgien tauchte A. 1997 im Ruhrgebiet auf und geriet dort in die Drogenszene. Zeitweise beschaffte er der Polizei Informationen über Heroin-Dealer, erhielt dafür aufwändigen Zeugenschutz.“ (2)

Ein schwuler Drogendealer, der in Deutschland Zuflucht vor dem nicht besonders sittenstrengen Islam in Jordanien gesucht hat, soll hier zum Islamisten geworden sein? Die Qualität des Mannes sollte sich bald erweisen: Der von ihm als Helfer des mutmaßlichen 9/11-Bombers Mohammed Atta denunzierte Abdelghani Mzoudi wurde vom Hamburger Oberlandesgericht letztinstanzlich freigesprochen (vgl. S. xy). Ob A.s Beweise gegen den angeblichen Helfer beim Dscherba-Attentat 2002, Christian Ganczarski, tauglicher sind, wird sich zeigen.


Am interessantesten ist aber der Umstand, dass Shadi A. und zwölf weiteren Al Tawhid-Leuten die Vorbereitung von Anschlägen auf jüdische Einrichtungen zur Last gelegt wird – und zwar zu einer Zeit, als dieser, siehe oben, schon als V-Mann für das Drogendezernat gearbeitet hatte. Zu seiner Entlastung führte der bekennende Haschischraucher an, zur Tatzeit „von Geistern besessen“ gewesen zu sein.(3)

Kurz nach dem G8-Gipfel von Heiligendamm meldete die Deutsche Presseagentur (dpa): »US-Sicherheitskräfte haben die Kontrollen um den G-8-Gipfel in Heiligendamm nach dpa-Informationen mit dem Transport einer geringen Menge Sprengstoff getestet. Der in einem Koffer versteckte Plastiksprengstoff sei von den deutschen Beamten an einer Kontrollstelle in einem Auto entdeckt worden." Obwohl es sich um eine "sehr kleine Menge" gehandelt habe, schlug demnach die Durchleuchtungstechnik Alarm. Daraufhin hätten sich die zivil gekleideten Insassen als US-Sicherheitskräfte zu erkennen gegeben. (4)

Die Fragen, die sich daraus ergeben, hat als erstes der Investigativjournalist Mathias Bröckers formuliert: Was hätten die »US-Sicherheitskräfte« gemacht, wenn das Material bei der Kontrolle unentdeckt geblieben wäre? Hätte die »sehr kleine Menge« ausgereicht, um Wolfgang Schäuble und der „Bild-Zeitung“ (»Chaoten, wollt ihr Tote ?«) Genüge zu tun? Reicht es, nach der Entdeckung einer Straftat einen CIA-Ausweis zu zücken und »Sorry, war nur ein kleiner Test« zu nuscheln, um fröhlich seiner Wege zu ziehen? „Gilt in Deutschland statt Grundgesetz und Strafgesetzbuch der Patriot Act, weil Präsident Bush im Lande weilt?“ (5)

Im Frühjahr 2008 wurden drei georgische Autohändler in Rheinland-Pfalz getötet, einer davon angeblich nach islamischem Ritus geschächtet. “Es sind die Tat-Hintergründe, welche die Ermittler rätseln lassen und dem Fall eine politische Dimension verleihen. Denn die beiden Männer, die in U-Haft sitzen, sind den Behörden bekannt. Einer von ihnen ist ausgerechnet ein Zuträger, eine so genannte Vertrauens-Person (VP). Der Iraker mit deutschem Pass aus Ludwigshafen hatte der Polizei seit 2001 Infos aus der Islamistenszene gesteckt und bekam dafür Honorare, im Mai 2007 sogar 4500 Euro. Der andere, der Somalier Ahmad H., ist den Staatsschützern ebenfalls bekannt, er ist ein als ‘Gefährder’ registrierter Islamist.” (6)

Bildeten der Polizeispitzel und der Gefährder ein Joint Venture und ermordeten drei Christen? “Der zuständige Innenminister von Rheinland-Pfalz wies alle Vorwürfe zurück, der V-Mann sei nicht ausreichend kontrolliert worden. Nach Angaben aus Ermittlerkreisen hatte der Iraker zwar Vorstrafen, allerdings handele es sich dabei ‘um Kleinzeug’. Zudem sei der Mann streng geführt worden, es gibt mehr als 250 Akteneinträge von Treffen mit seinem V-Mann-Führer. Bis zum Januar habe er exakte Tipps gegeben, hieß es, für die 4500 Euro im Mai 2007 habe er ein ganzes Dossier über Islamisten geliefert.”
(7)

Pikant: Der somalische Islamist hatte, so die Fahnder, auch Verbindungen zu Schlüsselpersonen der bundesweiten Gefährder-Szene: „Sie wissen, mit wem er Kontakt hat: zum Beispiel mit Adem Yilmaz, dem Mann aus dem hessischen Langen, der zu den Bombenbauern vom Sauerland gehört und nun in Haft sitzt. Oder auch zu Dr. Yehia Youssif, einem Pharmakologen und Prediger, der erst in Freiburg, dann im Multikulturhaus von Neu-Ulm predigte. Jener Mann, der den Dschihad predigte und in dessen Garage man Anleitungen zur Organisation von Terrorausbildungslagern fand. All diese Menschen kennt H.” Mit diesen Kontaktpersonen des Mordverdächtigen H. beschäftigt sich das Buch im weiteren ausführlich. (PK)

Terrorziel EuropaBuchpremiere Wien: 15.9., Beginn 19 Uhr, Buchhandlung Kuppitsch,     Schottengasse 4, 1010 Wien

Buchpremiere Berlin: 17.9., 19 Uhr, Pressehaus "Neues Deutschland", Franz-Mehring-Platz 1  






Vorabdruck aus: Jürgen Elsässer „Terrorziel Europa. Das gefährliche Doppelspiel der Geheimdienste“, Residenz Verlag, 344 Seiten, 21.90 Euro, Erstverkaufstag 11.09.2008



1) Thomas Zorn, Das Terror-Phantom, Focus 40/2002
2) Josef Hufelschulte, „Wie ein Sechser im Lotto“, Focus 42/2002
3) Arno Heissmeyer, „Vielzahl von Opfern“, Focus 43/2005
dpa 08.06.2007
4) z.n. Jürgen Elsässer, Provokateure raus!, jW 16.06.2007
5) Matthias Gebauer, Ein Polizeiagent unter Verdacht, Spiegel Online 28.02.2008
6) Matthias, Gebauer, Ein Polizeiagent ..., a.a.o.
7) Ein V-Mann und drei Tote, SZ 28.02.2008


Online-Flyer Nr. 161  vom 27.08.2008



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