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Inland
Ziel und Strategie neonazistischer Veranstaltungen im September:
Ein Europa der Rechtsextremisten
Von Hans Georg
3. September 1939
Die erste der Großveranstaltungen vom Samstag in Dortmund findet wie es in der Einladung heißt, bereits zum vierten Mal seit 2005 statt und sollte am ersten Samstag im September weniger an den Überfall des Deutschen Reiches auf Polen erinnern (1. September 1939), was Gewerkschaften und Friedensbewegung an ihrem jährlichen Antikriegstag tun. Stattdessen ging es den rechten Demonstranten um eine Erinnerung an den 3. September 1939, den Tag, als Großbritannien und Frankreich ihre Bündnispflichten gegenüber Polen aktivierten und damit nach neonazistischer Auffassung "den bis dahin bilateralen Kampf zuerst zu einem europäischen Krieg" ausweiteten.[1] Entsprechend begannen Mobilisierungs-Videos zu der Dortmunder Demonstration mit Klagen über alliierte Luftangriffe auf das NS-Reich sowie mit Lob für die Wehrmacht, die Deutschland "verteidigt" habe.[2]
"Nationale Sozialisten - Bundesweite Aktion"
Die Stoßrichtung der Demonstration wurde in zahlreichen Erklärungen neonazistischer Aktivisten deutlich, die die Organisatoren ("Nationale Sozialisten - Bundesweite Aktion") auf einer Mobilisierungs-Website gesammelt haben.[3] Demnach ist die Veranstaltung "bei genauer Betrachtung (...) ein Anti-US-Protest". Das "zionistische Establishment" habe mit Hilfe seiner "hörigen Sklavenkolonie USA den Krieg auf allen Ebenen" gegen die "Völker" der Welt begonnen, heißt es da in Aktualisierung traditioneller antisemitischer Verschwörungstheorien: Die "Vielfalt der Rassen" solle "vernichtet und zerstört werden". Wo auch immer sich Widerstand gegen Washington und gegen das "zionistische Establishment" rege, dort "führen die USA unter Vorwänden militärische Vernichtungskriege, wie wir Deutschen es bereits bei der verbrecherischen Ausbombung unserer Städte (...) erleben mußten" - in den Jahren von 1942 bis 1945. Man wolle "für genau die Amerikaner, die in zwei Weltkriegen gegen uns gekämpft" und dabei "schreckliches Leid über deutsche Städte und wehrlose Zivilisten gebracht haben", kein "deutsches Blut" vergießen, heißt es weiter zu den Motiven für die Ablehnung der Kriege in Afghanistan und Irak. Keinen Zweifel lassen die neonazistischen Aktivisten an ihrer prinzipiellen Einstellung zu bewaffneter Gewalt: "Kriege die notwendig sind, müssen geführt werden. Darum sind wir ja auch keine Pazifisten."
Gewalttäter
Dominiert wurde die Dortmunder Demonstration wie bereits in den Vorjahren von nicht parteigebundenen Neonazis, die in örtlichen Zusammenschlüssen ("Kameradschaften") organisiert sind oder einer jüngeren, besonders gewaltbereiten Strömung angehören ("Autonome Nationalisten"). Diese machten zuletzt am 1. Mai bundesweit von sich reden, als sie bei einer Demonstration in Hamburg Journalisten zusammenschlugen und Polizisten attackierten; Dortmund ist eine ihrer Hochburgen. Die Demonstration diente nicht zuletzt der internationalen Vernetzung der Gewalttäter mit Rednern aus Österreich, den Niederlanden, der Tschechischen Republik und Bulgarien.
Zurück nach 1938
Der internationalen Vernetzung dient auch ein Rechtsrock-Festival, das für das kommende Wochenende (13. September) angekündigt ist - im ostdeutschen Altenburg (Bundesland Thüringen). Es findet, wie auch die Dortmunder Demonstration, seit 2005 jährlich statt, wird allerdings überwiegend von der NPD und ihren Parteigliederungen organisiert.
Quelle: NRhZ-Archiv
Im Mittelpunkt stehen ebenfalls antisemitische Verschwörungstheorien, wenn auch in szenetypischer Kodierung. In dem Aufruf, mit dem für das NPD-Festival geworben wird, ist von "Völkern" die Rede, deren biologische "Identität" "verraten und verkauft" worden sei - und zwar an einen "Gott Mammon" und seine "Handlanger in der internationalen Großfinanz".[4] Diese Chiffren stehen seit je für eine angebliche "jüdische Weltverschwörung" und fanden ihre mit Abstand größte Verbreitung in Nazi-Deutschland - zu einer Zeit, als auch der Titel des Festivals geprägt wurde: "Fest der Völker". "Fest der Völker" hieß ein Propagandafilm der NS-Filmregisseurin Leni Riefenstahl aus dem Jahr 1938.
Stabilisierung
In den vergangenen Jahren hat die NPD ihr "Fest der Völker" genutzt, um den Aufbau eines europaweiten Parteienbündnisses voranzutreiben - der "European National Front" (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Kooperationspartner waren wenig bedeutende Organisationen unter anderem aus Spanien (La Falange), Italien (Forza Nuova), Rumänien (Noua Dreaptă) und Griechenland (Symmaxia). Das Bündnis steckt zwar zur Zeit fest, aber Veranstaltungen wie das aktuelle Festival ermöglichen es, Kontakte zu stabilisieren und auszubauen: Redner, Bands und Besucher kommen aus über zehn europäischen Staaten.[6] Die Eintrittsgelder sind für den Landtagswahlkampf der NPD Thüringen im nächsten Jahr vorgesehen. Nach ihren Wahlerfolgen in den Bundesländern Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern will die neonazistische Partei bald in ein drittes Landesparlament einziehen und rechnet sich in Thüringen gute Chancen aus: Das Bundesland ist von einer starken rechtsextremen Szene geprägt.[7]
Achse Berlin-Moskau
Bei der NPD, aber auch bei den nicht parteigebundenen, in Dortmund demonstrierenden Neonazis verbindet sich der antisemitisch-antiamerikanische Verschwörungswahn mit einem außenpolitischen Ansatz: Mit dem Bemühen um ein Bündnis mit Russland. Eine "Achse Berlin-Moskau" befürwortet etwa der österreichische Nazi Herbert Schweiger, der 1941 in die Waffen-SS eintrat und auch nach Kriegsende weiter nazistische Positionen vertrat. "Das Zustandekommen einer solchen Achse", erklärte Schweiger kürzlich, "würde in erster Linie die Auflösung der NATO und dementsprechend das Ende der Vasallenabhängigkeit von den USA bedeuten".[8] "Europas Freiheit und Sicherheit verläuft entlang der Achse Paris-Berlin-Moskau!", sagt der ehemalige Waffen-SS-Mann; es sei allerdings noch "offen", ob Russland und Deutschland sogar "zu Militärverbündeten werden, wie es im 19. Jahrhundert war". Schweiger verfügt über enge Beziehungen in die NPD und trat auch am vergangenen Samstag als Redner in Dortmund auf.
Spielarten
Ein europaweites Bündnis der extremen Rechten steht auch im Mittelpunkt des Kongresses, der vom 19. bis zum 21. September in Köln abgehalten wird. Bemühen sich NPD und nicht parteigebundene Neonazis um Bündnisse offen antisemitischer, häufig gewalttätiger Ausprägung, so grenzen sich die in Köln aktiven Kräfte von diesen ausdrücklich ab. Der "Anti-Islamisierungskongress" wird von regional tätigen Milieus getragen
Für Köln vom Vlaams Belang angekündigt: Filip de Winter
Quelle: www.volkskrantblog.nl
("Pro Köln", "Pro NRW"), die zu bedeutenden Teilen dem deutschen Rechtsextremismus entstammen und mit rechtsextremen Parteien aus Belgien (Vlaams Belang) und Österreich (FPÖ) kooperieren, aber den offenen Bezug auf antisemitische und gewalttätige Elemente bewusst vermeiden. Sie agitieren vorwiegend gegen Migranten aus islamisch geprägten Ländern,m beispielsweise gegen die neue Moschee in Köln. Über Ziele und Strategie dieser Kräfte, einer gegenwärtig recht erfolgreichen Spielart des deutschen Rechtsextremismus, und über ihre europäischen Bündnispläne folgt ein weiterer Bericht. (PK)
[1] Demo Dortmund 2. September; www.widerstand.info 03.09.2007
[2] s. auch Menschenjäger
[3] logr.org/antikriegstag/. Dort finden sich auch die im Folgenden wiedergegebenen Zitate.
[4] Aufruf; www.f-d-v.de/
[5] s. dazu 8. Mai: "Morgen ein Sieg" und Gut geschützt
[6] Deutschland, Schweiz, Italien, Spanien, Portugal, Großbritannien, Schweden, Tschechien, Slowakei, Bulgarien.
[7] s. dazu Im Aufstieg begriffen und Fest verankert
[8] Neuer Redner: Herbert Schweiger; logr.org/antikriegstag/
Mehr unter www.german-foreign-policy.com
Online-Flyer Nr. 163 vom 10.09.2008
Ziel und Strategie neonazistischer Veranstaltungen im September:
Ein Europa der Rechtsextremisten
Von Hans Georg
3. September 1939
Die erste der Großveranstaltungen vom Samstag in Dortmund findet wie es in der Einladung heißt, bereits zum vierten Mal seit 2005 statt und sollte am ersten Samstag im September weniger an den Überfall des Deutschen Reiches auf Polen erinnern (1. September 1939), was Gewerkschaften und Friedensbewegung an ihrem jährlichen Antikriegstag tun. Stattdessen ging es den rechten Demonstranten um eine Erinnerung an den 3. September 1939, den Tag, als Großbritannien und Frankreich ihre Bündnispflichten gegenüber Polen aktivierten und damit nach neonazistischer Auffassung "den bis dahin bilateralen Kampf zuerst zu einem europäischen Krieg" ausweiteten.[1] Entsprechend begannen Mobilisierungs-Videos zu der Dortmunder Demonstration mit Klagen über alliierte Luftangriffe auf das NS-Reich sowie mit Lob für die Wehrmacht, die Deutschland "verteidigt" habe.[2]
"Nationale Sozialisten - Bundesweite Aktion"
Die Stoßrichtung der Demonstration wurde in zahlreichen Erklärungen neonazistischer Aktivisten deutlich, die die Organisatoren ("Nationale Sozialisten - Bundesweite Aktion") auf einer Mobilisierungs-Website gesammelt haben.[3] Demnach ist die Veranstaltung "bei genauer Betrachtung (...) ein Anti-US-Protest". Das "zionistische Establishment" habe mit Hilfe seiner "hörigen Sklavenkolonie USA den Krieg auf allen Ebenen" gegen die "Völker" der Welt begonnen, heißt es da in Aktualisierung traditioneller antisemitischer Verschwörungstheorien: Die "Vielfalt der Rassen" solle "vernichtet und zerstört werden". Wo auch immer sich Widerstand gegen Washington und gegen das "zionistische Establishment" rege, dort "führen die USA unter Vorwänden militärische Vernichtungskriege, wie wir Deutschen es bereits bei der verbrecherischen Ausbombung unserer Städte (...) erleben mußten" - in den Jahren von 1942 bis 1945. Man wolle "für genau die Amerikaner, die in zwei Weltkriegen gegen uns gekämpft" und dabei "schreckliches Leid über deutsche Städte und wehrlose Zivilisten gebracht haben", kein "deutsches Blut" vergießen, heißt es weiter zu den Motiven für die Ablehnung der Kriege in Afghanistan und Irak. Keinen Zweifel lassen die neonazistischen Aktivisten an ihrer prinzipiellen Einstellung zu bewaffneter Gewalt: "Kriege die notwendig sind, müssen geführt werden. Darum sind wir ja auch keine Pazifisten."
Gewalttäter
Dominiert wurde die Dortmunder Demonstration wie bereits in den Vorjahren von nicht parteigebundenen Neonazis, die in örtlichen Zusammenschlüssen ("Kameradschaften") organisiert sind oder einer jüngeren, besonders gewaltbereiten Strömung angehören ("Autonome Nationalisten"). Diese machten zuletzt am 1. Mai bundesweit von sich reden, als sie bei einer Demonstration in Hamburg Journalisten zusammenschlugen und Polizisten attackierten; Dortmund ist eine ihrer Hochburgen. Die Demonstration diente nicht zuletzt der internationalen Vernetzung der Gewalttäter mit Rednern aus Österreich, den Niederlanden, der Tschechischen Republik und Bulgarien.
Zurück nach 1938
Der internationalen Vernetzung dient auch ein Rechtsrock-Festival, das für das kommende Wochenende (13. September) angekündigt ist - im ostdeutschen Altenburg (Bundesland Thüringen). Es findet, wie auch die Dortmunder Demonstration, seit 2005 jährlich statt, wird allerdings überwiegend von der NPD und ihren Parteigliederungen organisiert.
Quelle: NRhZ-Archiv
Stabilisierung
In den vergangenen Jahren hat die NPD ihr "Fest der Völker" genutzt, um den Aufbau eines europaweiten Parteienbündnisses voranzutreiben - der "European National Front" (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Kooperationspartner waren wenig bedeutende Organisationen unter anderem aus Spanien (La Falange), Italien (Forza Nuova), Rumänien (Noua Dreaptă) und Griechenland (Symmaxia). Das Bündnis steckt zwar zur Zeit fest, aber Veranstaltungen wie das aktuelle Festival ermöglichen es, Kontakte zu stabilisieren und auszubauen: Redner, Bands und Besucher kommen aus über zehn europäischen Staaten.[6] Die Eintrittsgelder sind für den Landtagswahlkampf der NPD Thüringen im nächsten Jahr vorgesehen. Nach ihren Wahlerfolgen in den Bundesländern Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern will die neonazistische Partei bald in ein drittes Landesparlament einziehen und rechnet sich in Thüringen gute Chancen aus: Das Bundesland ist von einer starken rechtsextremen Szene geprägt.[7]
Achse Berlin-Moskau
Bei der NPD, aber auch bei den nicht parteigebundenen, in Dortmund demonstrierenden Neonazis verbindet sich der antisemitisch-antiamerikanische Verschwörungswahn mit einem außenpolitischen Ansatz: Mit dem Bemühen um ein Bündnis mit Russland. Eine "Achse Berlin-Moskau" befürwortet etwa der österreichische Nazi Herbert Schweiger, der 1941 in die Waffen-SS eintrat und auch nach Kriegsende weiter nazistische Positionen vertrat. "Das Zustandekommen einer solchen Achse", erklärte Schweiger kürzlich, "würde in erster Linie die Auflösung der NATO und dementsprechend das Ende der Vasallenabhängigkeit von den USA bedeuten".[8] "Europas Freiheit und Sicherheit verläuft entlang der Achse Paris-Berlin-Moskau!", sagt der ehemalige Waffen-SS-Mann; es sei allerdings noch "offen", ob Russland und Deutschland sogar "zu Militärverbündeten werden, wie es im 19. Jahrhundert war". Schweiger verfügt über enge Beziehungen in die NPD und trat auch am vergangenen Samstag als Redner in Dortmund auf.
Spielarten
Ein europaweites Bündnis der extremen Rechten steht auch im Mittelpunkt des Kongresses, der vom 19. bis zum 21. September in Köln abgehalten wird. Bemühen sich NPD und nicht parteigebundene Neonazis um Bündnisse offen antisemitischer, häufig gewalttätiger Ausprägung, so grenzen sich die in Köln aktiven Kräfte von diesen ausdrücklich ab. Der "Anti-Islamisierungskongress" wird von regional tätigen Milieus getragen
Für Köln vom Vlaams Belang angekündigt: Filip de Winter
Quelle: www.volkskrantblog.nl
("Pro Köln", "Pro NRW"), die zu bedeutenden Teilen dem deutschen Rechtsextremismus entstammen und mit rechtsextremen Parteien aus Belgien (Vlaams Belang) und Österreich (FPÖ) kooperieren, aber den offenen Bezug auf antisemitische und gewalttätige Elemente bewusst vermeiden. Sie agitieren vorwiegend gegen Migranten aus islamisch geprägten Ländern,m beispielsweise gegen die neue Moschee in Köln. Über Ziele und Strategie dieser Kräfte, einer gegenwärtig recht erfolgreichen Spielart des deutschen Rechtsextremismus, und über ihre europäischen Bündnispläne folgt ein weiterer Bericht. (PK)
[1] Demo Dortmund 2. September; www.widerstand.info 03.09.2007
[2] s. auch Menschenjäger
[3] logr.org/antikriegstag/. Dort finden sich auch die im Folgenden wiedergegebenen Zitate.
[4] Aufruf; www.f-d-v.de/
[5] s. dazu 8. Mai: "Morgen ein Sieg" und Gut geschützt
[6] Deutschland, Schweiz, Italien, Spanien, Portugal, Großbritannien, Schweden, Tschechien, Slowakei, Bulgarien.
[7] s. dazu Im Aufstieg begriffen und Fest verankert
[8] Neuer Redner: Herbert Schweiger; logr.org/antikriegstag/
Mehr unter www.german-foreign-policy.com
Online-Flyer Nr. 163 vom 10.09.2008