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Blick aus dem Reisetagebuch der Kabarettistin auf Köln – pro und contra
„Sie sind doch die Dame aus Köln?“
Von Monika Blankenberg
Freitag, 19. September
Die Nachricht erreicht mich bei einem späten Abendessen in einem Gasthof in Helmstadt bei Würzburg. Ich bin ziemlich müde von der langen anstrengenden Fahrt und sehr hungrig. Vor mir duften die köstlichen Kässpätzle. Mein Blick fällt auf die Tür zu einem kleinen Saal. Dort hängt das Konterfei des lokalen CSU-Kandidaten, und im Saal tagt der Ortsverband der CSU unter Leitung eben jenes Kandidaten. Rechts von mir ein großer Stammtisch mit etwa 25 „gestandenen Mannsbildern“, in eine politische Diskussion vertieft. Leider verstehe ich nicht all zuviel, da man sich hitzig im tiefsten Dialekt ereifert. Was bei mir ankommt ist die Empörung darüber, dass die SPD laut Umfrage in Bayern bei 20 Prozent liegt: „Wie konnte das passieren?!“
Eine halbe Portion Kässpätzle...
Foto: Campomalo, pixelio.de
Ich schmunzle ein wenig still in mich hinein und ergebe mich der Köstlichkeit meiner Kässpätzle. Vor mir erscheint die wirklich sehr freundliche Bedienung mit meinem Weizenbier, fesch im blauweißen Dirndl. „Sie sind doch die Dame aus Köln? Seien sie froh, dass sie jetzt hier bei uns sind. In Köln geht’s gerade schlimm zu. Schwere, gewalttätige Auseinander- setzungen. Da werfen sie mit Steinen Fensterscheiben ein, unglaublich so was!“ Und damit entschwindet sie hinter ihren Tresen.
Hä? Moment mal, wer wirft mit Steinen auf wessen Fenster?
Die große Demo gegen die Nazis ist doch erst morgen. Bis zu meiner Abreise am Mittag war in Köln noch alles in Ordnung. Gut, ein bisschen mehr Polizei als üblich. Habe ich irgendwas verpasst?
Hastig beende ich mein Abendmahl und eile zum Fernsehgerät auf meinem Zimmer. Und richtig. Alle drei bayrischen Sender berichten von Gewalttaten und Steinewerfern. Die Art der Berichterstattung lässt glauben, in Köln sei der Krieg ausgebrochen.
Liebe Bayern, schaut doch etwas differenzierter hin! Ich weiß ja, Gewaltbilder verkaufen sich medial besser als friedliche Demonstranten. Allerdings bin ich mir sicher, dass Köln keinesfalls in Schutt und Glassplittern untergegangen ist.
Auf dem Bildschirm sieht man „Moby Dick“, das Schiff der Bonner-Personen-Schifffahrt einsam auf dem Rhein treibend, mit eingeworfener Fensterscheibe (wahrscheinlich ein Reißzahn Moby Dicks – Autsch). Ich fluche einmal mehr über die Handvoll idiotischer Steinewerfer, die offensichtlich immer dabei sind.
Leute, muss das denn sein?!
Arbeitet sonst als Touristendampfer und wusste gar nicht, wie ihm geschah: Rheinschiff Moby Dick | Foto: Der Toco
Gleichzeitig freue ich mich diebisch zu hören, dass die Handvoll nadel-gestreifter rechter Hohlköpfe offensichtlich nicht ohne weiteres an Land kommen.
Mein Lieblingsspiel aus öden Schulstunden fällt mir ein: „Schiffe versenken.“
Aber das wäre natürlich zu radikal. Als nächstes die Nachricht, dass Kölns Taxifahrer sich nach der erfolgten Schiffslandung weigerten, Nazis zu befördern. In diesem Moment liebe ich alle Kölner Taxifahrer: netter „kleiner“ ziviler Ungehorsam. Auch das Hotel hat sich zum Rausschmiss der rechten Brut entschlossen. Sehr schön, da muss man wenigstens die Zimmer nicht desinfizieren.
Ich begebe mich wieder an den Tresen, bestelle noch ein Weizen, grüße sogar den an mir zum WC vorbei eilenden CSU-Kandidaten freundlich und teile der feschen Bedienung mit, man müsse sich keine Sorgen machen. In Köln sei alles soweit unter Kontrolle. Sie schenkt mir einen Blick, dem ich entnehme, dass sie gerade an meinem Verstand zweifelt. Meinetwegen.
Samstag, 20. September
Um 8:00 Uhr klingelt der Wecker. Grauenvolle Uhrzeit, aber ich muss raus, dies wird ein sehr langer anstrengender Tag. Um 11 Uhr erwartet man mich auf dem Stadtfest in Würzburg.
Das Thermometer zeigt 15 Grad. Gar nicht schön.
Dort soll ich im Laufe des Tages zwei kabarettistische Auftritte absolvieren. Aber bitte nichts politisches, auch nichts über die Kirche und schon gar nichts über Sex. Aha! Habe ich da was falsch verstanden und wurde am Ende als Pausenclown engagiert und nicht als Kabarettistin?
Gut, sie blicken alle ein wenig düster drein, diese Würzburger. Allerdings sehe ich viele Familien. Zumindest fortpflanzen können und dürfen sie sich.
Krampfhaft überlege ich, welchen Teil meines Programms ich hier ungestraft spielen kann. Schließlich hängen von diesem Tag weitere Auftritte ab.
Übrigens spricht mich so ziemlich jeder, der mir begegnet voller Mitleid auf die schweren gewalttätigen Auseinandersetzungen in Köln an. Und angesichts meiner Antwort, wahrscheinlich sei alles nur halb so wild, schließlich müsse man diese Nazis doch stoppen, ernte ich nur Irritation. Mit einer Ausnahme. Ein gestandener Würzburger Geschäftsmann antwortet mir auf meine Frage, ob es denn in Würzburg keine Nazis gebe:„Ach wissen Sie, wir haben doch schon die CSU und die Kirche, das reicht.“
Symphatischer Mann.
St. Kilian bewacht Würzburg vor Molotowcocktails und braunen Brandstiftern
– oder ist es doch St. Beckstein?! | Foto W.I. Quelle: pixelio.de
Auf der Bühne gebe ich mich erstmal ganz harmlos als „Elfriede Schmitz“, und nachdem ich feststelle, dass die Würzburger mir wohl gesonnen sind und tatsächlich herzlich lachen, teste ich mal wie weit ich gehen kann und streue ein paar kabarettistische Witze über Herrn Schäuble, seine Wanzen und den Überwachungsstaat ein. Am Bühnenrand sehe ich, wie der Veranstalter nach Luft schnappt, was mich zu einem weiteren Witzchen über die Gesundheitsreform animiert. Alles klappt wunderbar, die Leute lachen. Gott sei Dank, sonst würde es wohl mit den Folgeauftritten nichts mehr.
Letztendlich ist auch der Veranstalter hochzufrieden. Na bitte, geht doch!
Um 17.30 Uhr verlasse ich ziemlich verfroren das Stadtfest und brause über die Autobahn Richtung Frankfurt. Das Autoradio informiert mich über die aktuellen Geschehnisse in meiner Heimatstadt. Köln steht nach wie vor. Das beruhigt mich ungemein.
Das stupide Kilometerfressen macht mich langsam wieder müde.
In Frankfurt werde ich von Yusuf, dem Betreiber der Interkulturellen Bühne bereits erwartet.
Zum Aufwärmen und wach werden braut er mir einen türkischen Kaffee, der sofort alle Lebensgeister reanimiert. Auch Yusuf fragt sofort nach, was in Köln denn los sei.
Auf meine mittlerweile standardmäßige Frage, ob es denn auch in Frankfurt kein Naziproblem gebe, antwortet er, ihm sei nichts Erwähnenswertes bekannt.
„Pappnasen gegen Kacknazen“ typisch
kölscher Protest | Foto Hans-Dieter Hey
Kann das wirklich wahr sein? Köln ist wohl gerade Lieblingsstadt der Braunen. Yusuf in seiner ruhigen und besonnenen Art zwinkert mir zu, klopft mir auf die Schulter und erklärt, er finde es toll, wie die Kölner den Aufmarsch der Rechten verhindert haben. Ich empfinde noch ein bisschen mehr Stolz auf Köln und seine wehrhaften Einwohner.
„Arsch huh un Zäng ussenander“ hat hervorragend funktioniert, abgesehen von ein paar Chaoten. Um 1 Uhr in der Nacht fahre ich zufrieden nach Hause, in der Hoffnung, dass im Kölner Rathaus auch der Letzte nun begriffen hat, dass man gegen die soziale Unsicherheit, gegen Armut und Ausgrenzung in Köln endlich etwas tun muss, damit die Rechten bei der nächsten Kommunalwahl keinen Nährboden mehr haben. (CH)
Sehen Sie Monika Blankenberg auch im Filmclip in dieser Ausgabe der NRhZ.
Online-Flyer Nr. 165 vom 24.09.2008
Blick aus dem Reisetagebuch der Kabarettistin auf Köln – pro und contra
„Sie sind doch die Dame aus Köln?“
Von Monika Blankenberg
Freitag, 19. September
Die Nachricht erreicht mich bei einem späten Abendessen in einem Gasthof in Helmstadt bei Würzburg. Ich bin ziemlich müde von der langen anstrengenden Fahrt und sehr hungrig. Vor mir duften die köstlichen Kässpätzle. Mein Blick fällt auf die Tür zu einem kleinen Saal. Dort hängt das Konterfei des lokalen CSU-Kandidaten, und im Saal tagt der Ortsverband der CSU unter Leitung eben jenes Kandidaten. Rechts von mir ein großer Stammtisch mit etwa 25 „gestandenen Mannsbildern“, in eine politische Diskussion vertieft. Leider verstehe ich nicht all zuviel, da man sich hitzig im tiefsten Dialekt ereifert. Was bei mir ankommt ist die Empörung darüber, dass die SPD laut Umfrage in Bayern bei 20 Prozent liegt: „Wie konnte das passieren?!“
Eine halbe Portion Kässpätzle...
Foto: Campomalo, pixelio.de
Hä? Moment mal, wer wirft mit Steinen auf wessen Fenster?
Die große Demo gegen die Nazis ist doch erst morgen. Bis zu meiner Abreise am Mittag war in Köln noch alles in Ordnung. Gut, ein bisschen mehr Polizei als üblich. Habe ich irgendwas verpasst?
Hastig beende ich mein Abendmahl und eile zum Fernsehgerät auf meinem Zimmer. Und richtig. Alle drei bayrischen Sender berichten von Gewalttaten und Steinewerfern. Die Art der Berichterstattung lässt glauben, in Köln sei der Krieg ausgebrochen.
Liebe Bayern, schaut doch etwas differenzierter hin! Ich weiß ja, Gewaltbilder verkaufen sich medial besser als friedliche Demonstranten. Allerdings bin ich mir sicher, dass Köln keinesfalls in Schutt und Glassplittern untergegangen ist.
Auf dem Bildschirm sieht man „Moby Dick“, das Schiff der Bonner-Personen-Schifffahrt einsam auf dem Rhein treibend, mit eingeworfener Fensterscheibe (wahrscheinlich ein Reißzahn Moby Dicks – Autsch). Ich fluche einmal mehr über die Handvoll idiotischer Steinewerfer, die offensichtlich immer dabei sind.
Leute, muss das denn sein?!
Arbeitet sonst als Touristendampfer und wusste gar nicht, wie ihm geschah: Rheinschiff Moby Dick | Foto: Der Toco
Gleichzeitig freue ich mich diebisch zu hören, dass die Handvoll nadel-gestreifter rechter Hohlköpfe offensichtlich nicht ohne weiteres an Land kommen.
Mein Lieblingsspiel aus öden Schulstunden fällt mir ein: „Schiffe versenken.“
Aber das wäre natürlich zu radikal. Als nächstes die Nachricht, dass Kölns Taxifahrer sich nach der erfolgten Schiffslandung weigerten, Nazis zu befördern. In diesem Moment liebe ich alle Kölner Taxifahrer: netter „kleiner“ ziviler Ungehorsam. Auch das Hotel hat sich zum Rausschmiss der rechten Brut entschlossen. Sehr schön, da muss man wenigstens die Zimmer nicht desinfizieren.
Ich begebe mich wieder an den Tresen, bestelle noch ein Weizen, grüße sogar den an mir zum WC vorbei eilenden CSU-Kandidaten freundlich und teile der feschen Bedienung mit, man müsse sich keine Sorgen machen. In Köln sei alles soweit unter Kontrolle. Sie schenkt mir einen Blick, dem ich entnehme, dass sie gerade an meinem Verstand zweifelt. Meinetwegen.
Samstag, 20. September
Um 8:00 Uhr klingelt der Wecker. Grauenvolle Uhrzeit, aber ich muss raus, dies wird ein sehr langer anstrengender Tag. Um 11 Uhr erwartet man mich auf dem Stadtfest in Würzburg.
Das Thermometer zeigt 15 Grad. Gar nicht schön.
Dort soll ich im Laufe des Tages zwei kabarettistische Auftritte absolvieren. Aber bitte nichts politisches, auch nichts über die Kirche und schon gar nichts über Sex. Aha! Habe ich da was falsch verstanden und wurde am Ende als Pausenclown engagiert und nicht als Kabarettistin?
Gut, sie blicken alle ein wenig düster drein, diese Würzburger. Allerdings sehe ich viele Familien. Zumindest fortpflanzen können und dürfen sie sich.
Krampfhaft überlege ich, welchen Teil meines Programms ich hier ungestraft spielen kann. Schließlich hängen von diesem Tag weitere Auftritte ab.
Übrigens spricht mich so ziemlich jeder, der mir begegnet voller Mitleid auf die schweren gewalttätigen Auseinandersetzungen in Köln an. Und angesichts meiner Antwort, wahrscheinlich sei alles nur halb so wild, schließlich müsse man diese Nazis doch stoppen, ernte ich nur Irritation. Mit einer Ausnahme. Ein gestandener Würzburger Geschäftsmann antwortet mir auf meine Frage, ob es denn in Würzburg keine Nazis gebe:„Ach wissen Sie, wir haben doch schon die CSU und die Kirche, das reicht.“
Symphatischer Mann.
St. Kilian bewacht Würzburg vor Molotowcocktails und braunen Brandstiftern
– oder ist es doch St. Beckstein?! | Foto W.I. Quelle: pixelio.de
Auf der Bühne gebe ich mich erstmal ganz harmlos als „Elfriede Schmitz“, und nachdem ich feststelle, dass die Würzburger mir wohl gesonnen sind und tatsächlich herzlich lachen, teste ich mal wie weit ich gehen kann und streue ein paar kabarettistische Witze über Herrn Schäuble, seine Wanzen und den Überwachungsstaat ein. Am Bühnenrand sehe ich, wie der Veranstalter nach Luft schnappt, was mich zu einem weiteren Witzchen über die Gesundheitsreform animiert. Alles klappt wunderbar, die Leute lachen. Gott sei Dank, sonst würde es wohl mit den Folgeauftritten nichts mehr.
Letztendlich ist auch der Veranstalter hochzufrieden. Na bitte, geht doch!
Um 17.30 Uhr verlasse ich ziemlich verfroren das Stadtfest und brause über die Autobahn Richtung Frankfurt. Das Autoradio informiert mich über die aktuellen Geschehnisse in meiner Heimatstadt. Köln steht nach wie vor. Das beruhigt mich ungemein.
Das stupide Kilometerfressen macht mich langsam wieder müde.
In Frankfurt werde ich von Yusuf, dem Betreiber der Interkulturellen Bühne bereits erwartet.
Zum Aufwärmen und wach werden braut er mir einen türkischen Kaffee, der sofort alle Lebensgeister reanimiert. Auch Yusuf fragt sofort nach, was in Köln denn los sei.
Auf meine mittlerweile standardmäßige Frage, ob es denn auch in Frankfurt kein Naziproblem gebe, antwortet er, ihm sei nichts Erwähnenswertes bekannt.
„Pappnasen gegen Kacknazen“ typisch
kölscher Protest | Foto Hans-Dieter Hey
„Arsch huh un Zäng ussenander“ hat hervorragend funktioniert, abgesehen von ein paar Chaoten. Um 1 Uhr in der Nacht fahre ich zufrieden nach Hause, in der Hoffnung, dass im Kölner Rathaus auch der Letzte nun begriffen hat, dass man gegen die soziale Unsicherheit, gegen Armut und Ausgrenzung in Köln endlich etwas tun muss, damit die Rechten bei der nächsten Kommunalwahl keinen Nährboden mehr haben. (CH)
Sehen Sie Monika Blankenberg auch im Filmclip in dieser Ausgabe der NRhZ.
Online-Flyer Nr. 165 vom 24.09.2008