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Aktueller Online-Flyer vom 23. November 2024  

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Lokales
Uni Köln wird Medikamentenschmiede des BAYER-Konzerns – Teil I
Studierende: „Hochschul(-ver)rat“
Von Jan Pehrke

Im Frühjahr vereinbarte der Leverkusener BAYER-Konzern mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. Auch andere Universitäten und Forschungseinrichtungen zeigen sich offen für eine Zusammenarbeit mit dem Leverkusener Multi. Von der Politik massiv gefördert, hat der Konzern bereits über 800 solcher Allianzen geschmiedet. „Standort-Forschung“ heißt die Devise, und das Produkt ist das Ziel. Was die Welt im Innersten zusammenhält, interessiert in den Laboren immer weniger.

„Der Informationsaustausch auf höchstem wissenschaftlichen Niveau und der breite Zugang zu Wissen ist gerade für ein Unternehmen wie BAYER – mit dem größten Forschungsbudget unserer Branche in Deutschland – eine entscheidende Voraussetzung für Innovationen“, konstatiert der im Konzern-Vorstand für Forschung zuständige Wolfgang Plischke. Einen neuen großen Zugang zu Wissen verschaffte sich der Leverkusener Multi im Frühjahr 2008. Er vereinbarte mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit.


Total begeistert von BAYER –
Innovationsminister Andreas
Pinkwart | Quelle:
www.innovation.nrw.de
„Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, begeisterte sich Innovationsminister Andreas Pinkwart auf einer Pressekonferenz. Die Allianz, der bereits ein gemeinsames pharmakologisches Wirken an 30 Therapeutika vorausging, umfasst Arzneistoff-Forschungen zu Krebs, Herz/Kreislauf-Erkrankungen und Störungen des Zentralen Nervensystems. Wenn die TeamworkerInnen dann aussichtsreiche Wirkstoff-Kandidaten entdeckt haben, so können sie diese gleich um die Ecke testen – im nagelneuen „Zentrum für Klinische Studien“ der Universität. Und damit das Projekt auch den passenden Nachwuchs bekommt, hat der Pillen-Riese ein Graduierten-Kolleg für DoktorandInnen initiiert. „Die Uni-Klinik hat die Grundlagen-Forschung und die Nähe zum Patienten. Wir haben Methoden, um aus einer Idee oder einem Erfolg versprechenden Ansatz die Herstellung eines Arzneimittels zu beschleunigen“, so beschreibt Wolfgang Plischke die Synergie-Effekte. BAYER bringt in die neue Beziehung jährlich „einen soliden sechsstelligen Betrag“ ein – eine lohnende Investition, erwartet der Multi von der „bevorzugten Partnerschaft“ doch „deutliche Vorteile bei der Positionierung im internationalen Wettbewerb“.
 
800 Kooperationen
 
800 Kooperationen dieser Art unterhält der Global Player mit Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen im In- und Ausland. Sie reichen von Forschungen zu Alzheimer und zur Kombinatorischen Chemie über die Beteiligung an Protein-, Katalyse- und Werkstoff-Exellenzclustern bis hin zu wissenschaftlichen Kooperationen in den Bereichen „Unternehmensstrategien und Personalmanagement“, „Photovoltaik“ und „Veterinärmedizinische Dermatopharmakologie“. Die Bundesregierung fördert dieses Teamwork massiv. So hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine „Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft“ ins Leben gerufen. Sie zählt unter anderem die ehemalige BAYER-Forscherin Helga-Rübsamen-Waigmann zu ihren Mitgliedern, an deren Unternehmen AICURIS der Leverkusener Multi einen Geschäftsanteil von zehn Prozent hält. Die Bewilligung von Fördergeldern macht das BMBF sogar von der Bildung von Netzwerken zwischen Unternehmen und Universitäten abhängig. Den „Wissenstransfer“ von den Hochschulen zur Industrie zu fördern, gilt ihm als wichtiges Instrument der Standort-Politik.
 
Auf 17 „Zukunftsfeldern“ will das BMBF diesen im Rahmen ihrer Hightech-Strategie beschleunigen, „um unser Land an die Weltspitze der wichtigsten Zukunftsmärkte zu führen“. Die „Pharma-Initiative für Deutschland“ hat sich beispielsweise vorgenommen, die Bundesrepublik wieder zur „größten Apotheke der Welt“ machen. Dafür unterstützt sie Projekte „zur Kommerzialisierung wissenschaftlicher Ideen“ und veranstaltet den „Biopharma“-Strategie-Wettbewerb. Dieser „ruft unternehmerisch geführte Konsortien auf, sich mit den besten langfristigen Konzepten für eine effiziente Gestaltung der biopharmzeutischen Wertschöpfungskette zu bewerben“. BAYER hat den Ruf sogleich erhört und flugs mit der Berliner Charité, der Universität Köln und den Firmen Magforce Nanotechnologies und Kinaxo Biotechnologies ein solches Konsortium gebildet. Mit dem Vorhaben, Therapie-Verfahren zur Tumorbehandlung zu entwickeln, hat es auch gute Chancen, zu den fünf Biopharmern zu gehören, die sich die ausgelobten 100 Millionen Euro teilen dürfen: Die Runde der letzten Zehn hat das Netzwerk bereits erreicht. Mit ähnlichen Verbünden zur Katalyse, Genomforschung, zur molekularen Bildgebung, zur Kohlendioxid-Reduktion in der Chemie-Produktion, zum Medikamententransport in der Leber, zu Nierenerkrankungen, zur Individualisierung von Arzneimittel-Therapien, zur Gefährlichkeit der Nanotechnik und zur Verfahrenstechnik konnte der Leverkusener Multi in der Vergangenheit bereits BMBF-Gelder einstreichen.
 
Netzwerker BAYER
 
Daneben hat der Pillen-Riese noch zahlreiche andere Möglichkeiten gefunden, WissenschaftlerInnen und Wissenschaftseinrichtungen an sich zu binden und auf diese Weise seinen Wissensdurst zu stillen. So vergibt er Forschungspreise, lobt Stipendien aus, stiftet Lehrstühle und stellt eigenes Personal als Honorar-Professoren ab. Im Herbst 2007 hat der Konzern ein DozentInnen-Treffen veranstaltet, das laut Wolfgang Plischke dazu diente, ein lebendiges Netzwerk mit jungen Habilitanden und Professoren aufzubauen. „Eine langfristige Zusammenarbeit dieser besten Köpfe innerhalb- und außerhalb unseres Unternehmens wird für beide Seiten von großem Nutzen sein“, prophezeite BAYERs Forschungschef.


BAYER-Chef Wenning – Ruf des Ministeriums erhört | Quelle: NRhZ-Archiv
 
Als Gastredner bei dem Treffen konnte er den Vizepräsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Dr. Ferdi Schüth, verpflichten, denn zu dieser Institution hat der Global Player von jeher die besten Beziehungen. So sitzt der frühere DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker, der mittlerweile als Generalsekretär des Europäischen Forschungsrats über einen Förderetat von einer Milliarde Euro gebietet, im Aufsichtsrat des Unternehmens. Aber der Chemie-Multi hat auch direkten Einfluss auf die Forschungspolitik im Lande: BAYER-Chef Werner Wenning gehört Angela Merkels „Rat für Innovation und Wachstum“ an. Und für die Umsetzung des dort Erarbeiteten vor Ort kann der Agro-Riese auch selbst sorgen, denn er hat in so manchen Hochschulgremien ein Wörtchen mitzureden.
 
Hochschulrat BAYER
 
Um aus den hehren Bildungstempeln Umschlagplätze für Wissen zu machen, welches profanes Profitstreben dann zu Produkten weiterverarbeitet, mussten die Parteien die Hochschulpolitik einer grundsätzlichen Revision unterziehen. „Genau solche Vorhaben erhoffen wir uns vom Hochschulmedizingesetz, das Anfang des Jahres in Kraft getreten ist“, lobte NRW-Minister Andreas Pinkwart die unheilige Allianz zwischen BAYER und der Universität Köln, „Das neue Gesetz gibt den nordrhein-westfälischen Universitätskliniken mehr Autonomie und mehr Gestaltungsspielräume und verbessert auch die Bedingungen für Kooperationen mit privaten Unternehmen“.


Professor Butterwegge: „In Wirklichkeit Markt-
abhängigkeit“ / Quelle: NRhZ-Archiv
Entstanden ist das Hochschulmedizingesetz mit freundlicher Unterstützung der Unternehmensberatung Roland Berger. Für den großen Bruder dieses Paragrafenwerkes, das Hochschulfreiheitsgesetz, hat wiederum das Bertelsmann-eigene „Centrum für Hochschulentwicklung“ nicht nur den Namen, sondern auch viele Inhalte geliefert. Von welcher Beschaffenheit die Freiheit ist, die sie meinen, hat der Kölner Politikwissenschaftler Professor Christoph Butterwegge analysiert. „Die Freiheit, von der da die Rede ist, bedeutet in Wirklichkeit Marktabhängigkeit. Statt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, müssen sich die Hochschulen demnächst um die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Wissens kümmern. Freiheit in Forschung und Lehre heißt ja gerade auch frei zu sein von den Zwängen eines marktorientierten Wirtschaftsunternehmens. Aber genau dazu werden die Hochschulen dann gemacht“, so Butterwegge.
 
Staat verzichtet auf Aufsicht
 
Und das besorgt vor allem der Hochschulrat, weshalb neben Bertelsmann auch die Unternehmensvereinigung „Stifterverband für die deutsche Wissenschaft“, in dessen Kuratorium BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider sitzt, leidenschaftlich für ein solches Gremium stritt. An dieses Organ tritt der Staat seine Aufsichtspflichten ab. Nicht mehr der Minister, der Hochschulrat ist nunmehr oberster Dienstherr der Bildungseinrichtung. Er bestimmt über die strategische Ausrichtung der Universität, beaufsichtigt die Geschäftsführung, muss die Zustimmung zum Hochschulentwicklungsplan, zum Wirtschaftsplan und zur „unternehmerischen Hochschultätigkeit“ geben und wählt den Rektor. Mindestens die Hälfte seiner Mitglieder müssen Externe aus den Bereichen Wissenschaft, Kultur oder Wirtschaft sein. Sie sollten „auf Grund ihrer hervorragenden Kenntnisse und Erfahrungen einen Beitrag zur Erreichung der Ziele und Aufgaben der Hochschule leisten können“, so will es das Gesetz.
 
KünstlerInnen oder SchriftstellerInnen haben es bislang aber kaum zu Hochschulräten gebracht, dafür tummeln sich unter ihnen auffällig viele Wirtschaftsvertreter. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. BAYER-Vorstand Richard Pott sitzt im Hochschulrat der Universität Köln. Während beispielsweise die RWTH Aachen Wert darauf legt, keine/n VertreterInnen von Unternehmen, die in Kooperation mit der Hochschule auf dem Campus forschen, mit einem Hochschulratsmandat zu betrauen, kann Pott in Köln nach Herzenslust selber die neue Medikamentenschmiede des Konzerns beaufsichtigen. Unterstützung erfährt er dabei von Dr. Andreas Radbruch, der 1988 bis 89 eine von BAYER bezahlte Dozentur am universitätseigenen Institut für Genetik wahrnahm und jetzt eine Professur an der Berliner Charité innehat. Potts Kollegin Ilka von Braun bestimmt derweil die Geschicke der in Saarbrücken ansässigen „Deutsch-Französischen Hochschule“ mit, Helga Rübsamen-Waigmann gehörte schon in ihrer BAYER-Zeit dem Hochschulrat der Universität Wien an und nimmt das Amt noch bis mindestens 2013 wahr, während Fred-Robert Heiker diese Aufgabe lange an der Universität Hohenheim versah.


Demokratie in der Hochschule – trotz Protesten in Köln nicht erreicht
Foto: Hans-Detlev von Kirchbach
 
Die Studierenden protestierten überall gegen die Einführung der Hochschulräte, am schärfsten aber in Köln (siehe NRhZ 147). „Damit wird die studentische Mitbestimmung weiter abgebaut und die (...) kapitalistische Verwertungslogik weiter bedient“, erklärten dort die StudentInnen und setzten sich zur Wehr. Sie hielten Kundgebungen auf dem Campus ab, veranstalteten Aktions- und Infocamps und besetzten das Rektoriat, bis die Polizei mit 100 Einsatzkräften das Gebäude stürmte. Zur konstituierenden Sitzung des „Hochschul(-ver)rates“  riefen verschiedene Gruppen zu einem großen „Reclaim the Uni“-Event auf, „um die LobbyistInnen von BAYER, IBM, Deutscher Bank usw. ins Exil nach Liechtenstein zu schicken“, so dass das Gremium schließlich unter Polizeischutz tagen musste. (PK)
 
Siehe auch „Aktionstag Kölner Studenten gegen „Hochschulrat" und Kapital-Akademie – Rebellion liegt in der Luft“ in NRhZ 147

Teil II folgt in der nächsten NRhZ-Ausgabe

Jan Pehrkes Beitrag erscheint im Oktober im „Stichwort Bayer“ der Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. Mehr unter www.CBGnetwork.de. Bestellung eines Probeexemplars unter CBGnetwork@aol.com

Online-Flyer Nr. 166  vom 01.10.2008



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