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Arbeit und Soziales
Bedingungsloses Grundeinkommen ist machbar
„Mut zum Wandel“
Von Gisela Brunken
Quelle: www.initiative-grundeinkommen.ch
In Fahrgemeinschaft fuhren wir vom Arbeitskreis in Göttingen zu diesem interessanten Event nach Hannover. Dort trafen wir Mitstreiter und Mitstreiterinnen aus dem gesamten Bundesgebiet. Vor allem erwartete uns ein Abendprogramm mit erstklassigen Vorträgen und künstlerischen Darbietungen. Der Wirtschaftsdezernent der Landeshauptstadt Hannover, Hans Mönninghoff, eröffnete die Veranstaltung mit den Worten: „Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat keine Kraft zum Kämpfen!“ Er stehe hinter dem Thema Grundeinkommen, gerade im Hinblick auf die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise, die Änderungen und Diskussionen erforderlich mache.
Verstöße gegen die Würde des Menschen
Den ersten Vortrag hielt Prof. Götz W. Werner, der die Idee des Grundeinkommens in Bezug auf die Würde des Menschen vorstellte. „Warum“, so fragte er, „wurde in den fünfziger Jahren Kohleabbau subventioniert, obwohl keine Kohle gebraucht wurde, dann die Stahlindustrie subventioniert und später die Werften? Weil es dort so interessante Arbeitsplätze gab, im Bergbau unter Tage und bei lebensfeindlichen Bedingungen? Warum wird heute, in der Wirtschaftskrise, die Automobilindustrie subventioniert und das, obwohl das Problem der europäischen Autoindustrie ist, dass fünfzehn Millionen Autos produziert werden könnten, für die es keine Käufer gibt?“ – „Weil wir ein Denkproblem haben und glauben, Arbeit schafft Einkommen!“
Auch auf die Altersarmut kam er zu sprechen und nannte es einen Skandal, wie in unserem reichen Land sowohl junge als auch alte Menschen behandelt würden. Da die alten Menschen den Wohlstand, in dem wir lebten, hervorgebracht hätten, könne man es nur als groben Undank bezeichnen, wie es vielen alten Menschen heute ergehen würde. Unsere Zukunft würden wir nicht durch Ansparen sichern können, die junge Generation müsse Leistungsträger dieser Gesellschaft werden. Es sei daher eine Dummheit, den Ast, der einen trägt, selber abzusägen, sagte er im Hinblick auf die Kinderarmut und die Zustände an den Schulen. „Das Bedingungslose Grundeinkommen kommt, da können Sie sicher sein.“ Die Frage sei, wann und wie, ob die Menschheit durch Einsicht zu diesem Schritt bereit sei, oder ob sie durch Katastrophen dazu gezwungen werden würde. So hätte man das Problem, das unter anderem zu der Finanzkrise geführt habe, auch anders lösen können. Die falsche Verteilung von Zukunftsinvestitionen sei für jeden sichtbar, der mit offenen Augen durch die Stadt gehe. Als Beispiel nannte er die Ausstattung von Autohäusern, verglichen mit der Ausstattung von Grund- und Hauptschulen.
Befreiung aus dem Hamsterrad
In dem darauf folgenden Vortrag erklärte Prof. Dr. Ute L. Fischer von der Initiative „Freiheit statt Vollbeschäftigung“ anschaulich, wie der Einstieg in ein Bedingungsloses Grundeinkommen finanziert werden könne. Sie stellte die kleine Lösung, den Einstieg mit einem niedrigeren, nach dem Transfergrenzenmodell finanzierten Grundeinkommen, der großen Lösung, dem hohen Grundeinkommen, finanziert durch Konsumsteuer, gegenüber, wobei die große Lösung aus der kleinen erwachsen könne. Mit selbst für Laien verständlichen Formeln verdeutlichte sie, dass ein Einstieg ohne viele Verwerfungen sofort möglich ist. Mit dem Transfergrenzenmodell hätten Erwerbstätige, die nicht vom Grundeinkommen leben würden, nur eine geringfügig höhere Steuerlast als bisher. Auch sie hätten von der Einführung des Grundeinkommens große Vorteile, denn sie würden von den gesellschaftlichen Veränderungen um sie herum mit profitieren, Veränderungen, die eine Befreiung aus dem Hamsterrad für alle bedeuten könnten.
Freiheit des Einzelnen
Der dritte Redner, Dr. Sascha Liebermann, ebenfalls von der Initiative „Freiheit statt Vollbeschäftigung“, hielt ein Plädoyer für die Freiheit des einzelnen Bürgers als politisches Ziel. Er vermittelte einen Überblick über die Bewegung für ein Bedingungsloses Grundeinkommen mit dem Ziel der Freiheit des Einzelnen, wie sie mit einem Internetauftritt und einer Plakataktion dieser Initiative vor fünf Jahren begann. Damals hatte es, außer dass sich eine Gruppe mit der Idee des Existenzgeldes beschäftigte, keine öffentlich bekannte Initiative für ein Grundeinkommen gegeben. Anfangs seien sie stark angefeindet worden. Sie wurden sowohl als Neoliberale als auch als Kommunisten beschimpft oder auch für maßlos naiv gehalten. In der Zwischenzeit habe sich die Debatte stark versachlicht und das Thema sei mehr diskutiert worden, als sie erwartet hatten. Doch mit dem Begriff der Freiheit hätten immer noch viele Menschen Probleme, selbst manche Befürworter des Grundeinkommens würden das BGE mit neu erfundenen Pflichten für die Bürger verknüpfen wollen.
Für direkte Demokratie und Volksentscheid
Eine emotionale und mitreißende Rede dafür, dass Bürger an politischen Entscheidungen demokratisch beteiligt werden sollten, hielt Gerald Häfner. Er habe die Erfahrung gemacht, dass man zwar alles sagen dürfe, aber ändern würde sich deshalb noch nichts. Er plädierte darum für direkte Demokratie und Volksentscheid. Er sprach auch über die ökologischen Folgen der Verteuerung menschlicher Arbeit und bestätigte damit die Ausführungen von Prof. Götz W. Werner. Rohstoffe, die in Jahrtausenden entstanden seien, würden verschwendet, nur weil die menschliche Tätigkeit, z. B. ein Gerät zu reparieren, mit hohen Steuern belastet sei.
Gerald Häfner betonte außerdem, dass die Schule Kinder und Jugendliche nicht auf das Berufsleben vorbereiten könne. Aufgabe der Schule sei es, sie in ihren Fähigkeiten zu bestärken. Er nannte es einen Skandal, dass Jugendlichen vermittelt würde, sie würden nicht gebraucht, wo es doch in dieser Welt so viel zu tun gäbe: „Das kann man doch kaum aushalten! So macht man eine Gesellschaft kaputt!!“ Auch Prof. Götz W. Werner hatte in seiner Rede betont, dass Menschen unter Druck kaum kreativ sein könnten und gesagt: „Was wir brauchen ist doch etwas, was uns trägt. Und das ist das Bedingungslose Grundeinkommen.“
Die Online-Petition an den Bundestag
Ebenfalls zu Wort kam Susanne Wiest, Initiatorin der zurzeit meistunterzeichneten Online-Petition an den Deutschen Bundestag. Authentisch, mit Herz und Humor, eroberte sie das Publikum. Sie berichtete, wie sie auf die Idee gekommen war, eine Petition zu schreiben und zitierte ausgewählte Beiträge aus dem zu der von ihr eingereichten Petition gehörenden Online-Forum.
Die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Neuregelung der Besteuerung von Tagesmüttern führte bei ihr zu monatlich 200,- Euro weniger Einkommen. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, den sie daraufhin aufgesucht hatte, begründete die Änderung mit der Aufwertung des Berufsstandes. Für sie war jedoch nicht einzusehen, dass eine Aufwertung ausgerechnet mit einer Kürzung des Einkommens beginnen sollte. Darum reichte Susanne Wiest eine Petition beim Deutschen Bundestag ein. Auf der Website des Bundestages fand sie dann mehrere Eingaben, die ebenfalls eine Besserstellung für bestimmte Gruppen verlangten. „Flickwerk!“, urteilte sie und reichte zusätzlich die Petition für die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens ein. Während die Petition zu der Besteuerung von Tagesmüttern abgelehnt wurde, dazu waren bereits andere eingereicht worden, wurde die Petition für ein Grundeinkommen für die Online-Mitzeichnung freigegeben.
Der Text der Petition, der auf der Seite https://epetitionen.bundestag.de/
unterzeichnet werden konnte und dem sich bis zum 17. Februar mehr als 35.000 Unterzeichner anschlossen, hat folgenden Wortlaut: „Der Deutsche Bundestag möge beschließen ... das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen. Begründung: Unser Finanz- und Steuersystem ist sehr unübersichtlich geworden. Auch die Arbeitslosenquote scheint eine feste Größe geworden sein. Um nun allen Bürgern ein würdevolles Leben zu gewährleisten, erscheint mir die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens als guter Lösungsweg. Ca. 1500 € für jeden Erwachsenen und 1000 € für jedes Kind. Alle bestehenden Transferleistungen, Subventionen und Steuern einstellen und als einzige(!) Steuer eine hohe Konsumsteuer einführen. Eine deutliche Vereinfachung unseres komplizierten Finanzsystems erscheint mir zwingend erforderlich. Auch ginge mit dieser Veränderung ein deutlicher Bürokratieabbau, und damit eine Verwaltungskostenreduzierung, einher.“
Film Grundeinkommen
In einer Pause zwischen den Vorträgen konnten sich die Gäste mit den Referenten unterhalten und Fragen stellen. Außerdem präsentierten sich an Tischen einzelne Grundeinkommens-Initiativen, u. a. aus Nürnberg, die Hamburger mit dem Grundeinkommensscheck, mit besonderer Darstellung die Kölner und Bonner, die Osnabrücker boten den Film Grundeinkommen an, usw. Auch andere Initiativen und Vereine, wie z. B. „Mehr Demokratie e.V.“ und der „Leine-Kies“, das Regionalgeld für Hannover, waren vertreten. Einige Parteien standen ebenfalls zum Gespräch über das Bedingungslose Grundeinkommen mit den Gästen bereit.
Dass das Zuhören bei so vielen anspruchsvollen Wortbeiträgen dem Publikum an diesem langen Abend leicht fiel, dafür sorgten zwischen den etwa halbstündigen Referaten musikalische und künstlerisch-akrobatische Darbietungen von dem Kinder- und Jugendzirkus Bunttropfen. Ein krönender Abschluss war es dann, als der Künstler und BGE-Aktivist Andreas Körber aus Köln sein Lied „Du bist der Grund für ein Einkommen“, das er Susanne Wiest widmete, sang.
Noch zu wenig herumgesprochen
Es war eine Glanzleistung der Veranstalter aus Hannover, diesen Abend so perfekt zu organisieren. Nur mit der Saalgröße hatte man sich verkalkuliert, bzw. mit der Zahl der Gäste. Es kamen rund 800 Gäste in die für über zweitausend Personen bestuhlte Halle. Auch während der bundesweiten Woche des Grundeinkommens im letzten Herbst war ja oft weniger Publikum da, als von den Veranstaltern erwartet worden war. Ein Grund dafür könnte sein, dass es sich noch zu wenig herumgesprochen hat, dass Politik Spaß machen kann. Politisches Engagement wird vielfach mit frustrierendem Gegen-Wände-Rennen verbunden. Wenn dann eine Veranstaltung zu einem aktuellen politischen Thema mit Musik angeboten wird, mag wohl nur ein langweiliger und wirkungsloser Abend für „brave Bürger“ erwartet werden.
Wenn Menschen sich politisch nicht betätigen, weil sie meinen, man könne ohnehin in dieser Welt nichts ändern, bestätigt das die Forderung der Bewegung für Direkte Demokratie, dass der Grundsatz der Volkssouveränität, der im Grundgesetz in Artikel 20 Absatz 2 („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“) formuliert ist, durch andere Mitwirkungsmöglichkeiten, als wir sie jetzt haben, verwirklicht werden muss.
Neue Initiativen und Lesekreise
Wenn es auch (noch) meistens keine Massenbeteiligung an den Veranstaltungen gibt, so ist für die Bewegung doch festzustellen, dass sich die kleinen Initiativen und Lesekreise vermehren. So begegneten wir an diesem Abend zwei neu entstandenen Gruppen, die sich in Hildesheim und in einem Dorf zwischen Hannover und Hameln gebildet haben. Manche Gruppen beschäftigen sich lange mit der Literatur und reden gemeinsam über dieses grundlegende Thema, bevor sie in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam machen. Das Grundeinkommen fordert eben, mehr noch als andere Themen, mit denen sich Bürgerinitiativen in den letzten Jahrzehnten beschäftigt haben, von jedem einzelnen Menschen viel Nachdenken und Umdenken. Zulauf haben derzeit Vortragsabende über Zusammenhänge der Finanzkrise. Dann besteht oft auch der Wunsch, sich an weiteren Abenden über Lösungsansätze und auch über das Thema Grundeinkommen zu informieren.
Zusammenfassend lässt sich zu der Veranstaltung in Hannover sagen: Diese Art Veranstaltung kann wegweisend sein, um für die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens zu begeistern, sie wirklich verstehbar zu machen und die Herzen der Menschen damit zu erreichen. Ein Abend, der uns lange in Erinnerung bleiben wird. (PK)
Online-Flyer Nr. 185 vom 18.02.2009
Bedingungsloses Grundeinkommen ist machbar
„Mut zum Wandel“
Von Gisela Brunken
Quelle: www.initiative-grundeinkommen.ch
In Fahrgemeinschaft fuhren wir vom Arbeitskreis in Göttingen zu diesem interessanten Event nach Hannover. Dort trafen wir Mitstreiter und Mitstreiterinnen aus dem gesamten Bundesgebiet. Vor allem erwartete uns ein Abendprogramm mit erstklassigen Vorträgen und künstlerischen Darbietungen. Der Wirtschaftsdezernent der Landeshauptstadt Hannover, Hans Mönninghoff, eröffnete die Veranstaltung mit den Worten: „Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat keine Kraft zum Kämpfen!“ Er stehe hinter dem Thema Grundeinkommen, gerade im Hinblick auf die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise, die Änderungen und Diskussionen erforderlich mache.
Verstöße gegen die Würde des Menschen
Den ersten Vortrag hielt Prof. Götz W. Werner, der die Idee des Grundeinkommens in Bezug auf die Würde des Menschen vorstellte. „Warum“, so fragte er, „wurde in den fünfziger Jahren Kohleabbau subventioniert, obwohl keine Kohle gebraucht wurde, dann die Stahlindustrie subventioniert und später die Werften? Weil es dort so interessante Arbeitsplätze gab, im Bergbau unter Tage und bei lebensfeindlichen Bedingungen? Warum wird heute, in der Wirtschaftskrise, die Automobilindustrie subventioniert und das, obwohl das Problem der europäischen Autoindustrie ist, dass fünfzehn Millionen Autos produziert werden könnten, für die es keine Käufer gibt?“ – „Weil wir ein Denkproblem haben und glauben, Arbeit schafft Einkommen!“
Auch auf die Altersarmut kam er zu sprechen und nannte es einen Skandal, wie in unserem reichen Land sowohl junge als auch alte Menschen behandelt würden. Da die alten Menschen den Wohlstand, in dem wir lebten, hervorgebracht hätten, könne man es nur als groben Undank bezeichnen, wie es vielen alten Menschen heute ergehen würde. Unsere Zukunft würden wir nicht durch Ansparen sichern können, die junge Generation müsse Leistungsträger dieser Gesellschaft werden. Es sei daher eine Dummheit, den Ast, der einen trägt, selber abzusägen, sagte er im Hinblick auf die Kinderarmut und die Zustände an den Schulen. „Das Bedingungslose Grundeinkommen kommt, da können Sie sicher sein.“ Die Frage sei, wann und wie, ob die Menschheit durch Einsicht zu diesem Schritt bereit sei, oder ob sie durch Katastrophen dazu gezwungen werden würde. So hätte man das Problem, das unter anderem zu der Finanzkrise geführt habe, auch anders lösen können. Die falsche Verteilung von Zukunftsinvestitionen sei für jeden sichtbar, der mit offenen Augen durch die Stadt gehe. Als Beispiel nannte er die Ausstattung von Autohäusern, verglichen mit der Ausstattung von Grund- und Hauptschulen.
Befreiung aus dem Hamsterrad
In dem darauf folgenden Vortrag erklärte Prof. Dr. Ute L. Fischer von der Initiative „Freiheit statt Vollbeschäftigung“ anschaulich, wie der Einstieg in ein Bedingungsloses Grundeinkommen finanziert werden könne. Sie stellte die kleine Lösung, den Einstieg mit einem niedrigeren, nach dem Transfergrenzenmodell finanzierten Grundeinkommen, der großen Lösung, dem hohen Grundeinkommen, finanziert durch Konsumsteuer, gegenüber, wobei die große Lösung aus der kleinen erwachsen könne. Mit selbst für Laien verständlichen Formeln verdeutlichte sie, dass ein Einstieg ohne viele Verwerfungen sofort möglich ist. Mit dem Transfergrenzenmodell hätten Erwerbstätige, die nicht vom Grundeinkommen leben würden, nur eine geringfügig höhere Steuerlast als bisher. Auch sie hätten von der Einführung des Grundeinkommens große Vorteile, denn sie würden von den gesellschaftlichen Veränderungen um sie herum mit profitieren, Veränderungen, die eine Befreiung aus dem Hamsterrad für alle bedeuten könnten.
Freiheit des Einzelnen
Der dritte Redner, Dr. Sascha Liebermann, ebenfalls von der Initiative „Freiheit statt Vollbeschäftigung“, hielt ein Plädoyer für die Freiheit des einzelnen Bürgers als politisches Ziel. Er vermittelte einen Überblick über die Bewegung für ein Bedingungsloses Grundeinkommen mit dem Ziel der Freiheit des Einzelnen, wie sie mit einem Internetauftritt und einer Plakataktion dieser Initiative vor fünf Jahren begann. Damals hatte es, außer dass sich eine Gruppe mit der Idee des Existenzgeldes beschäftigte, keine öffentlich bekannte Initiative für ein Grundeinkommen gegeben. Anfangs seien sie stark angefeindet worden. Sie wurden sowohl als Neoliberale als auch als Kommunisten beschimpft oder auch für maßlos naiv gehalten. In der Zwischenzeit habe sich die Debatte stark versachlicht und das Thema sei mehr diskutiert worden, als sie erwartet hatten. Doch mit dem Begriff der Freiheit hätten immer noch viele Menschen Probleme, selbst manche Befürworter des Grundeinkommens würden das BGE mit neu erfundenen Pflichten für die Bürger verknüpfen wollen.
Für direkte Demokratie und Volksentscheid
Eine emotionale und mitreißende Rede dafür, dass Bürger an politischen Entscheidungen demokratisch beteiligt werden sollten, hielt Gerald Häfner. Er habe die Erfahrung gemacht, dass man zwar alles sagen dürfe, aber ändern würde sich deshalb noch nichts. Er plädierte darum für direkte Demokratie und Volksentscheid. Er sprach auch über die ökologischen Folgen der Verteuerung menschlicher Arbeit und bestätigte damit die Ausführungen von Prof. Götz W. Werner. Rohstoffe, die in Jahrtausenden entstanden seien, würden verschwendet, nur weil die menschliche Tätigkeit, z. B. ein Gerät zu reparieren, mit hohen Steuern belastet sei.
Gerald Häfner betonte außerdem, dass die Schule Kinder und Jugendliche nicht auf das Berufsleben vorbereiten könne. Aufgabe der Schule sei es, sie in ihren Fähigkeiten zu bestärken. Er nannte es einen Skandal, dass Jugendlichen vermittelt würde, sie würden nicht gebraucht, wo es doch in dieser Welt so viel zu tun gäbe: „Das kann man doch kaum aushalten! So macht man eine Gesellschaft kaputt!!“ Auch Prof. Götz W. Werner hatte in seiner Rede betont, dass Menschen unter Druck kaum kreativ sein könnten und gesagt: „Was wir brauchen ist doch etwas, was uns trägt. Und das ist das Bedingungslose Grundeinkommen.“
Die Online-Petition an den Bundestag
Ebenfalls zu Wort kam Susanne Wiest, Initiatorin der zurzeit meistunterzeichneten Online-Petition an den Deutschen Bundestag. Authentisch, mit Herz und Humor, eroberte sie das Publikum. Sie berichtete, wie sie auf die Idee gekommen war, eine Petition zu schreiben und zitierte ausgewählte Beiträge aus dem zu der von ihr eingereichten Petition gehörenden Online-Forum.
Die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Neuregelung der Besteuerung von Tagesmüttern führte bei ihr zu monatlich 200,- Euro weniger Einkommen. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, den sie daraufhin aufgesucht hatte, begründete die Änderung mit der Aufwertung des Berufsstandes. Für sie war jedoch nicht einzusehen, dass eine Aufwertung ausgerechnet mit einer Kürzung des Einkommens beginnen sollte. Darum reichte Susanne Wiest eine Petition beim Deutschen Bundestag ein. Auf der Website des Bundestages fand sie dann mehrere Eingaben, die ebenfalls eine Besserstellung für bestimmte Gruppen verlangten. „Flickwerk!“, urteilte sie und reichte zusätzlich die Petition für die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens ein. Während die Petition zu der Besteuerung von Tagesmüttern abgelehnt wurde, dazu waren bereits andere eingereicht worden, wurde die Petition für ein Grundeinkommen für die Online-Mitzeichnung freigegeben.
Der Text der Petition, der auf der Seite https://epetitionen.bundestag.de/
unterzeichnet werden konnte und dem sich bis zum 17. Februar mehr als 35.000 Unterzeichner anschlossen, hat folgenden Wortlaut: „Der Deutsche Bundestag möge beschließen ... das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen. Begründung: Unser Finanz- und Steuersystem ist sehr unübersichtlich geworden. Auch die Arbeitslosenquote scheint eine feste Größe geworden sein. Um nun allen Bürgern ein würdevolles Leben zu gewährleisten, erscheint mir die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens als guter Lösungsweg. Ca. 1500 € für jeden Erwachsenen und 1000 € für jedes Kind. Alle bestehenden Transferleistungen, Subventionen und Steuern einstellen und als einzige(!) Steuer eine hohe Konsumsteuer einführen. Eine deutliche Vereinfachung unseres komplizierten Finanzsystems erscheint mir zwingend erforderlich. Auch ginge mit dieser Veränderung ein deutlicher Bürokratieabbau, und damit eine Verwaltungskostenreduzierung, einher.“
Film Grundeinkommen
In einer Pause zwischen den Vorträgen konnten sich die Gäste mit den Referenten unterhalten und Fragen stellen. Außerdem präsentierten sich an Tischen einzelne Grundeinkommens-Initiativen, u. a. aus Nürnberg, die Hamburger mit dem Grundeinkommensscheck, mit besonderer Darstellung die Kölner und Bonner, die Osnabrücker boten den Film Grundeinkommen an, usw. Auch andere Initiativen und Vereine, wie z. B. „Mehr Demokratie e.V.“ und der „Leine-Kies“, das Regionalgeld für Hannover, waren vertreten. Einige Parteien standen ebenfalls zum Gespräch über das Bedingungslose Grundeinkommen mit den Gästen bereit.
Dass das Zuhören bei so vielen anspruchsvollen Wortbeiträgen dem Publikum an diesem langen Abend leicht fiel, dafür sorgten zwischen den etwa halbstündigen Referaten musikalische und künstlerisch-akrobatische Darbietungen von dem Kinder- und Jugendzirkus Bunttropfen. Ein krönender Abschluss war es dann, als der Künstler und BGE-Aktivist Andreas Körber aus Köln sein Lied „Du bist der Grund für ein Einkommen“, das er Susanne Wiest widmete, sang.
Noch zu wenig herumgesprochen
Es war eine Glanzleistung der Veranstalter aus Hannover, diesen Abend so perfekt zu organisieren. Nur mit der Saalgröße hatte man sich verkalkuliert, bzw. mit der Zahl der Gäste. Es kamen rund 800 Gäste in die für über zweitausend Personen bestuhlte Halle. Auch während der bundesweiten Woche des Grundeinkommens im letzten Herbst war ja oft weniger Publikum da, als von den Veranstaltern erwartet worden war. Ein Grund dafür könnte sein, dass es sich noch zu wenig herumgesprochen hat, dass Politik Spaß machen kann. Politisches Engagement wird vielfach mit frustrierendem Gegen-Wände-Rennen verbunden. Wenn dann eine Veranstaltung zu einem aktuellen politischen Thema mit Musik angeboten wird, mag wohl nur ein langweiliger und wirkungsloser Abend für „brave Bürger“ erwartet werden.
Wenn Menschen sich politisch nicht betätigen, weil sie meinen, man könne ohnehin in dieser Welt nichts ändern, bestätigt das die Forderung der Bewegung für Direkte Demokratie, dass der Grundsatz der Volkssouveränität, der im Grundgesetz in Artikel 20 Absatz 2 („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“) formuliert ist, durch andere Mitwirkungsmöglichkeiten, als wir sie jetzt haben, verwirklicht werden muss.
Neue Initiativen und Lesekreise
Wenn es auch (noch) meistens keine Massenbeteiligung an den Veranstaltungen gibt, so ist für die Bewegung doch festzustellen, dass sich die kleinen Initiativen und Lesekreise vermehren. So begegneten wir an diesem Abend zwei neu entstandenen Gruppen, die sich in Hildesheim und in einem Dorf zwischen Hannover und Hameln gebildet haben. Manche Gruppen beschäftigen sich lange mit der Literatur und reden gemeinsam über dieses grundlegende Thema, bevor sie in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam machen. Das Grundeinkommen fordert eben, mehr noch als andere Themen, mit denen sich Bürgerinitiativen in den letzten Jahrzehnten beschäftigt haben, von jedem einzelnen Menschen viel Nachdenken und Umdenken. Zulauf haben derzeit Vortragsabende über Zusammenhänge der Finanzkrise. Dann besteht oft auch der Wunsch, sich an weiteren Abenden über Lösungsansätze und auch über das Thema Grundeinkommen zu informieren.
Zusammenfassend lässt sich zu der Veranstaltung in Hannover sagen: Diese Art Veranstaltung kann wegweisend sein, um für die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens zu begeistern, sie wirklich verstehbar zu machen und die Herzen der Menschen damit zu erreichen. Ein Abend, der uns lange in Erinnerung bleiben wird. (PK)
Online-Flyer Nr. 185 vom 18.02.2009