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Der Fern-Seher – Folge 32
Steife Krise aus Nord-West
Von Ekkes Frank
Signore Berlussolini | Quelle: Warwick.ac.uk.jpg
Inzwischen versucht aber auch er, die unübersehbaren Auswirkungen dieses weltweiten Desasters irgendwie abzumildern und aufzufangen. Wem die geplanten Hilfen zugute kommen werden, ist nicht so ganz klar; wem sie sicher nichts bringen werden, schon: Fausto zum Beispiel, dem Inhaber unseres Stamm-Ristorante „I Tigli“ in Corinaldo. Der berichtet ziemlich ratlos von dem gewaltigen Rückgang der Gästezahlen, sowohl beim Pranzo als auch beim Abendessen. Oder Giordano, der Maurermeister, der seinen Familienbetrieb gefährdet sieht, nachdem von 25 Kostenvoranschlägen, die er erstellt hat, gerade mal ganze drei dann auch zu einem Auftrag führten.
„Repubblica“-Schlagzeile symptomatisch
Alle reden von der Krise, auch hier jetzt also. Bloß: wie! Gerade habe ich in der „Repubblica“ eine Schlagzeile gelesen, die von einem „Tsunami del debito“ spricht, von einer Sturmflut der Schulden. Diese Wortwahl ist symptomatisch und allgemein verbreitet in den Medien. Als ob es sich um eine Naturkatastrophe handeln würde, um ein Unwetter, Hochwasser, eine Überschwemmung, Hitzewelle, Kälteeinbruch, Dürre, Trockenheit. Also etwas, wofür niemand etwas kann. Und was auch völlig unvorhersehbar war. Schicksalhaft über uns hereingebrochen.
Ron Sommers Schäfchen
So ein Quatsch! Das Ganze ist Menschenwerk, genauer noch: Männerwerk. Aber wenn man das so beschreiben würde, in den Medien, in der Politik und überhaupt, dann müsste man ganz schnell auch darüber reden, wer diese Krise verursacht hat und wodurch. Und wie man die Schuldigen an diesen katastrophalen Verlusten in der ganzen Welt zur Rechenschaft ziehen kann. Banker, wie z.B. diesen Ackermann, der „seiner“ Deutschen Bank 5 Milliarden Verluste erwirtschaftet hat. Oder – wir erinnern uns doch noch? – ein Manager wie dieser Ron Sommer, der die frisch geschaffene Telekom AG gigantisch hochgepuscht hat, dann absahnte und grinsend mit seinen Schäfchen im Trockenen zuschauen konnte, wie der Konzern zu Tale fuhr und seither dauerdümpelt, zusätzlich von Skandalen überschattet. Oder so manche Unternehmer, die nach großspurigen Höhenflügen auf einmal kleinlaut ihre finanzielle Bauchlandung eingestehen mussten.
Die Banker von Lehman Brothers
Und die Konsequenzen für diese Herren? Gut – manche dieser Banker, Manager oder Bosse schmeißen nicht nur zehntausende von Angestellten raus, sondern im Einzelfall auch mal sich selbst vor einen Zug. Aber normalerweise läuft das doch so, dass diese Typen weiterhin ihre Gehälter kassieren (Jahressalär von Porsches Wiedeking: 60 Millionen Euro), dazu die so genannten Boni (die Banker von Lehman Brothers haben in den zwei Jahren vor dem Crash etwa 8.200.000.000 Dollar eingesackt). Oder sie gehen in den wohlverdienten Ruhestand, mit 40 000 Euro Pension; pro Monat, versteht sich).
Mal ins Grundgesetz schauen!
Übrigens: von wegen unvorhersehbar! Alle, die heute jammern, sie hätten doch nicht wissen können, wie das läuft, hätten schon vor über 30 Jahren einfach in eine meiner Veranstaltungen kommen und dort all das erfahren können. (Sorry: auch die Frau Merkel: ich bin auch ein paar Mal in der DDR aufgetreten und habe da genau dasselbe vorgetragen wie in der BRD). Zum Beispiel: die wissenschaftlich fundierte und dennoch verständliche Abhandlung über die „Zehn Unternehmerlein“. Die unter anderem die Passage enthält: „…und dann sprach dieser Konzern: Ich zahl zehntausend Leuten Lohn. Dass das so bleibt, mein guter Staat, zahl du mir Subvention“. Immerhin: es sind schließlich auch jene braven Befürworter des bundesrepublikanischen Kapitalismus-Modells („soziale Marktwirtschaft“), die meine Ausführungen als völlig überzogen, polemisch, absurd und linksradikal bezeichnet haben, auch die also sind inzwischen auf die Möglichkeit gestoßen, die ich einst vorschlug: nämlich ins Grundgesetz zu schauen. In welchem ja immer noch jene Artikel 14 und 15 stehen, die eine Verstaatlichung erlauben…
Auch für die ratlosen Wirtschaftsweisen
Der Frau Kanzlerin, den ratlosen Wirtschaftsweisen und allen sonstigen um unser Gemeinwesen so Besorgten möchte ich deshalb ans Herz legen, in ihrer wenn auch knapp bemessenen Freizeit mal zu überlegen, wie viel von einem anderen, zehn Jahre alten Text von mir bereits Wirklichkeit geworden ist, bzw. was demnächst noch so alles passieren könnte, hier; ich meine das Werk „Die Post-Demokratie“. (Nein, die Herren Steinmeier, Steinbrück, Müntefering und dergl. schließe ich da nicht mit ein: die SPD hat sich längst als beratungsresistent gegenüber meinen einfühlsamen Ratschlägen gezeigt).
Und um auf die eingangs beschriebene Metaphorik zurückzukommen: der Titel dieses Stücks hier - „Steife Krise aus Nord-West“ - spielt zwar auch mit diesem Gedanken einer scheinbar schicksalhaften Unabänderlichkeit und Unvorhersehbarkeit. Was aber in jedem Fall stimmt: die Himmelsrichtung, aus der die Katastrophe kam: von Italien aus gesehen liegen die USA eben in dieser Himmelsrichtung… (PK)
Ekkes Frank | Quelle: NRhZ-Archiv
Ekkes Frank, Kabarettist, Singersongwriter, Hörspiel- und TV-Autor, seit mehr als 30 Jahren parteiunabhängiger Kommentator der politischen und sozialen Zustände, lebt in Italien:
Zehn Unternehmerlein
Zehn Unternehmerlein, die wollten Freunde sein –
Das eine hat das ernst genommen. Da warens nur noch neun.
Neun Unternehmerlein ham einen Preiskampf g’macht –
Das eine hat falsch kalkuliert. Da warens nur noch acht.
Acht Unternehmerlein, die fandens übertrieben,
So viele in einer Branche zu sein. Da warens nur noch sieben.
Sieben Unternehmerlein bezahlten nur mit Schecks –
Bis dann die Herstatt-Pleite kam. Da warens nur noch sechs.
Sechs Unternehmerlein, die ham die Nas’ gerümpft,
als eines starb am Herzinfarkt. Sie warn ja noch zu fünft.
Fünf Unternehmerlein ham rationalisiert
Eins war nicht mehr rentabel und da warn sie noch zu viert.
Vier Unternehmerlein, die fanden nix dabei,
Das schwächste zu vernichten und da warens nur noch drei.
Drei Unternehmerlein schrien Hoch die Marktfreiheit!
Das hat man bis New York gehört. Da warn sie noch zu zweit.
Zwei Unternehmerlein, die schlossen sich zusamm’
Sie meinten, dass es besser wär, a Monopol zu ham.
Und dann sprach dieser Konzern: Ich zahl 10 000 Leuten Lohn,
Dass das so bleibt, mein guter Staat, zahl du mir Subvention.
Da sprach der Staat: Sehr peinlich – aber so ist das mal nun,
Die ham die stärkere Position, was soll ich da nur tun?
Da sprachen die neun Unternehmerlein, die jetzt auch Arbeiter warn:
Mensch, kuck halt mal ins Grundgesetz, da kannste was erfahrn…
Die Post-Demokratie
Es wird im Jahr 2008 sich unser Land, das schöne,
ganz wunderbar entwickelt präsentieren.
Wir sind ja heut schon voll dabei, z.B. das obszöne
Sozialstaatsdenken wegzureformieren.
Doch das ist nur ein Teil,
wenn auch ein grosser, weil:
wir können uns die Dreisten
und Faulen nicht mehr leisten!
Ist das erst mal erledigt, läuft der Laden, aber wie!
Dann geht sie ab, die Post -,
dann geht sie ab die Post -
Dann geht sie ab, die Post-Demokratie.
Die Wahlen werden abgeschafft, die sind auch viel zu teuer,
die Global Players zahlen sowieso schon zu viel Steuer.
Wer uns regiert - politisch! - in den kommenden vier Jahren,
das ist von INFAS, Allensbach und EMNID zu erfahren.
Die Demoskopen irren sich dabei bekanntlich nie -
so flutscht das, in der Post-Demokratie.
Dann kriegen wir - und Deutschland hat darauf ein Weltpatent -
das erste freigeheime permanente Parlament.
Statt ätzender Debatten und Abstimmungsdekadenz
entscheiden Partner kungelfroh und friedlich im Konsens.
Und klappt das einmal nicht, sagt der als Kanzler grad regiert:
Das ist jetzt meine Sache. Worauf gar nix mehr passiert.
Das gute alte Grundgesetz - es bleibt hoch angesehen,
als pralles Poesiealbum voll putziger Ideen.
Zum Beispiel die vom Angriffskrieg, und dass der gar verboten!
Das finden alle komisch, auch die Grünen und die Roten.
Und regt sich einer auf, dann heisst es: Süss! Ein Demokrat...! Ach du!
Wir sind doch längst im Post-Verfassungsstaat!
Beseitigt ist - das nervte grad uns Deutsche lange schon -
die undankbare Rolle einer Opposition.
Die beiden grossen Lager haben sich darauf verständigt,
wie lange eins regieren darf, und wann und wie das endigt.
Parteiprogramme? Ja, gibt es noch - aber nur aus Nostalgie.
Sie stören in der Post-Demokratie.
Wie Friedrich Engels sagte: er starb wirklich ab, der Staat.
Justiz, die Polizei, die Schulen - alles längst privat.
Nur Länder und Kommunen nicht, und zwar aus gutem Grund:
man braucht sie noch als ABM (genau so wie den Bund).
Die Wirtschaft jammert, alles wär doch besser ohne die
und wünscht sich noch mehr... noch mehr... noch mehr!
Und wünscht sich noch mehr Post-Demokratie.
Kultur ist Kirch und Bildung BILD. Latein spricht selbst der Bohlen -
mit Audio, Disco, Video verdient auch er die Kohlen...
Wer dreimal in ‘ner Talkshow sprach, kriegt dafür den Magister,
und wer sogar bei Bio war, wird Wissenschaftsminister.
Der Stefan Raab wird Ehrendoktor in Philologie -
so volksnah ist die Post-Demokratie.
Die Wahrheit ist, was Geld bringt, Netz und Börse schaffen Wert.
Längst geniessen auch Genossen. Wer sich wehrt, der lebt verkehrt.
Die Herren der Konzerne preisen laut das neue Karma
der Erlösung durch Mobilfunk, Hightech, Gen, Klon, Biopharma.
Und auch in Afrika und Asien, alle Länder wollen sie
die schöne neue Welt -
die schöne neue Post -
die schöne neue Welt-Post-Demokratie. Oh yeah.
Online-Flyer Nr. 186 vom 25.02.2009
Der Fern-Seher – Folge 32
Steife Krise aus Nord-West
Von Ekkes Frank
Signore Berlussolini | Quelle: Warwick.ac.uk.jpg
Inzwischen versucht aber auch er, die unübersehbaren Auswirkungen dieses weltweiten Desasters irgendwie abzumildern und aufzufangen. Wem die geplanten Hilfen zugute kommen werden, ist nicht so ganz klar; wem sie sicher nichts bringen werden, schon: Fausto zum Beispiel, dem Inhaber unseres Stamm-Ristorante „I Tigli“ in Corinaldo. Der berichtet ziemlich ratlos von dem gewaltigen Rückgang der Gästezahlen, sowohl beim Pranzo als auch beim Abendessen. Oder Giordano, der Maurermeister, der seinen Familienbetrieb gefährdet sieht, nachdem von 25 Kostenvoranschlägen, die er erstellt hat, gerade mal ganze drei dann auch zu einem Auftrag führten.
„Repubblica“-Schlagzeile symptomatisch
Alle reden von der Krise, auch hier jetzt also. Bloß: wie! Gerade habe ich in der „Repubblica“ eine Schlagzeile gelesen, die von einem „Tsunami del debito“ spricht, von einer Sturmflut der Schulden. Diese Wortwahl ist symptomatisch und allgemein verbreitet in den Medien. Als ob es sich um eine Naturkatastrophe handeln würde, um ein Unwetter, Hochwasser, eine Überschwemmung, Hitzewelle, Kälteeinbruch, Dürre, Trockenheit. Also etwas, wofür niemand etwas kann. Und was auch völlig unvorhersehbar war. Schicksalhaft über uns hereingebrochen.
Ron Sommers Schäfchen
So ein Quatsch! Das Ganze ist Menschenwerk, genauer noch: Männerwerk. Aber wenn man das so beschreiben würde, in den Medien, in der Politik und überhaupt, dann müsste man ganz schnell auch darüber reden, wer diese Krise verursacht hat und wodurch. Und wie man die Schuldigen an diesen katastrophalen Verlusten in der ganzen Welt zur Rechenschaft ziehen kann. Banker, wie z.B. diesen Ackermann, der „seiner“ Deutschen Bank 5 Milliarden Verluste erwirtschaftet hat. Oder – wir erinnern uns doch noch? – ein Manager wie dieser Ron Sommer, der die frisch geschaffene Telekom AG gigantisch hochgepuscht hat, dann absahnte und grinsend mit seinen Schäfchen im Trockenen zuschauen konnte, wie der Konzern zu Tale fuhr und seither dauerdümpelt, zusätzlich von Skandalen überschattet. Oder so manche Unternehmer, die nach großspurigen Höhenflügen auf einmal kleinlaut ihre finanzielle Bauchlandung eingestehen mussten.
Die Banker von Lehman Brothers
Und die Konsequenzen für diese Herren? Gut – manche dieser Banker, Manager oder Bosse schmeißen nicht nur zehntausende von Angestellten raus, sondern im Einzelfall auch mal sich selbst vor einen Zug. Aber normalerweise läuft das doch so, dass diese Typen weiterhin ihre Gehälter kassieren (Jahressalär von Porsches Wiedeking: 60 Millionen Euro), dazu die so genannten Boni (die Banker von Lehman Brothers haben in den zwei Jahren vor dem Crash etwa 8.200.000.000 Dollar eingesackt). Oder sie gehen in den wohlverdienten Ruhestand, mit 40 000 Euro Pension; pro Monat, versteht sich).
Mal ins Grundgesetz schauen!
Übrigens: von wegen unvorhersehbar! Alle, die heute jammern, sie hätten doch nicht wissen können, wie das läuft, hätten schon vor über 30 Jahren einfach in eine meiner Veranstaltungen kommen und dort all das erfahren können. (Sorry: auch die Frau Merkel: ich bin auch ein paar Mal in der DDR aufgetreten und habe da genau dasselbe vorgetragen wie in der BRD). Zum Beispiel: die wissenschaftlich fundierte und dennoch verständliche Abhandlung über die „Zehn Unternehmerlein“. Die unter anderem die Passage enthält: „…und dann sprach dieser Konzern: Ich zahl zehntausend Leuten Lohn. Dass das so bleibt, mein guter Staat, zahl du mir Subvention“. Immerhin: es sind schließlich auch jene braven Befürworter des bundesrepublikanischen Kapitalismus-Modells („soziale Marktwirtschaft“), die meine Ausführungen als völlig überzogen, polemisch, absurd und linksradikal bezeichnet haben, auch die also sind inzwischen auf die Möglichkeit gestoßen, die ich einst vorschlug: nämlich ins Grundgesetz zu schauen. In welchem ja immer noch jene Artikel 14 und 15 stehen, die eine Verstaatlichung erlauben…
Auch für die ratlosen Wirtschaftsweisen
Der Frau Kanzlerin, den ratlosen Wirtschaftsweisen und allen sonstigen um unser Gemeinwesen so Besorgten möchte ich deshalb ans Herz legen, in ihrer wenn auch knapp bemessenen Freizeit mal zu überlegen, wie viel von einem anderen, zehn Jahre alten Text von mir bereits Wirklichkeit geworden ist, bzw. was demnächst noch so alles passieren könnte, hier; ich meine das Werk „Die Post-Demokratie“. (Nein, die Herren Steinmeier, Steinbrück, Müntefering und dergl. schließe ich da nicht mit ein: die SPD hat sich längst als beratungsresistent gegenüber meinen einfühlsamen Ratschlägen gezeigt).
Und um auf die eingangs beschriebene Metaphorik zurückzukommen: der Titel dieses Stücks hier - „Steife Krise aus Nord-West“ - spielt zwar auch mit diesem Gedanken einer scheinbar schicksalhaften Unabänderlichkeit und Unvorhersehbarkeit. Was aber in jedem Fall stimmt: die Himmelsrichtung, aus der die Katastrophe kam: von Italien aus gesehen liegen die USA eben in dieser Himmelsrichtung… (PK)
Ekkes Frank | Quelle: NRhZ-Archiv
Ekkes Frank, Kabarettist, Singersongwriter, Hörspiel- und TV-Autor, seit mehr als 30 Jahren parteiunabhängiger Kommentator der politischen und sozialen Zustände, lebt in Italien:
Zehn Unternehmerlein
Zehn Unternehmerlein, die wollten Freunde sein –
Das eine hat das ernst genommen. Da warens nur noch neun.
Neun Unternehmerlein ham einen Preiskampf g’macht –
Das eine hat falsch kalkuliert. Da warens nur noch acht.
Acht Unternehmerlein, die fandens übertrieben,
So viele in einer Branche zu sein. Da warens nur noch sieben.
Sieben Unternehmerlein bezahlten nur mit Schecks –
Bis dann die Herstatt-Pleite kam. Da warens nur noch sechs.
Sechs Unternehmerlein, die ham die Nas’ gerümpft,
als eines starb am Herzinfarkt. Sie warn ja noch zu fünft.
Fünf Unternehmerlein ham rationalisiert
Eins war nicht mehr rentabel und da warn sie noch zu viert.
Vier Unternehmerlein, die fanden nix dabei,
Das schwächste zu vernichten und da warens nur noch drei.
Drei Unternehmerlein schrien Hoch die Marktfreiheit!
Das hat man bis New York gehört. Da warn sie noch zu zweit.
Zwei Unternehmerlein, die schlossen sich zusamm’
Sie meinten, dass es besser wär, a Monopol zu ham.
Und dann sprach dieser Konzern: Ich zahl 10 000 Leuten Lohn,
Dass das so bleibt, mein guter Staat, zahl du mir Subvention.
Da sprach der Staat: Sehr peinlich – aber so ist das mal nun,
Die ham die stärkere Position, was soll ich da nur tun?
Da sprachen die neun Unternehmerlein, die jetzt auch Arbeiter warn:
Mensch, kuck halt mal ins Grundgesetz, da kannste was erfahrn…
Die Post-Demokratie
Es wird im Jahr 2008 sich unser Land, das schöne,
ganz wunderbar entwickelt präsentieren.
Wir sind ja heut schon voll dabei, z.B. das obszöne
Sozialstaatsdenken wegzureformieren.
Doch das ist nur ein Teil,
wenn auch ein grosser, weil:
wir können uns die Dreisten
und Faulen nicht mehr leisten!
Ist das erst mal erledigt, läuft der Laden, aber wie!
Dann geht sie ab, die Post -,
dann geht sie ab die Post -
Dann geht sie ab, die Post-Demokratie.
Die Wahlen werden abgeschafft, die sind auch viel zu teuer,
die Global Players zahlen sowieso schon zu viel Steuer.
Wer uns regiert - politisch! - in den kommenden vier Jahren,
das ist von INFAS, Allensbach und EMNID zu erfahren.
Die Demoskopen irren sich dabei bekanntlich nie -
so flutscht das, in der Post-Demokratie.
Dann kriegen wir - und Deutschland hat darauf ein Weltpatent -
das erste freigeheime permanente Parlament.
Statt ätzender Debatten und Abstimmungsdekadenz
entscheiden Partner kungelfroh und friedlich im Konsens.
Und klappt das einmal nicht, sagt der als Kanzler grad regiert:
Das ist jetzt meine Sache. Worauf gar nix mehr passiert.
Das gute alte Grundgesetz - es bleibt hoch angesehen,
als pralles Poesiealbum voll putziger Ideen.
Zum Beispiel die vom Angriffskrieg, und dass der gar verboten!
Das finden alle komisch, auch die Grünen und die Roten.
Und regt sich einer auf, dann heisst es: Süss! Ein Demokrat...! Ach du!
Wir sind doch längst im Post-Verfassungsstaat!
Beseitigt ist - das nervte grad uns Deutsche lange schon -
die undankbare Rolle einer Opposition.
Die beiden grossen Lager haben sich darauf verständigt,
wie lange eins regieren darf, und wann und wie das endigt.
Parteiprogramme? Ja, gibt es noch - aber nur aus Nostalgie.
Sie stören in der Post-Demokratie.
Wie Friedrich Engels sagte: er starb wirklich ab, der Staat.
Justiz, die Polizei, die Schulen - alles längst privat.
Nur Länder und Kommunen nicht, und zwar aus gutem Grund:
man braucht sie noch als ABM (genau so wie den Bund).
Die Wirtschaft jammert, alles wär doch besser ohne die
und wünscht sich noch mehr... noch mehr... noch mehr!
Und wünscht sich noch mehr Post-Demokratie.
Kultur ist Kirch und Bildung BILD. Latein spricht selbst der Bohlen -
mit Audio, Disco, Video verdient auch er die Kohlen...
Wer dreimal in ‘ner Talkshow sprach, kriegt dafür den Magister,
und wer sogar bei Bio war, wird Wissenschaftsminister.
Der Stefan Raab wird Ehrendoktor in Philologie -
so volksnah ist die Post-Demokratie.
Die Wahrheit ist, was Geld bringt, Netz und Börse schaffen Wert.
Längst geniessen auch Genossen. Wer sich wehrt, der lebt verkehrt.
Die Herren der Konzerne preisen laut das neue Karma
der Erlösung durch Mobilfunk, Hightech, Gen, Klon, Biopharma.
Und auch in Afrika und Asien, alle Länder wollen sie
die schöne neue Welt -
die schöne neue Post -
die schöne neue Welt-Post-Demokratie. Oh yeah.
Online-Flyer Nr. 186 vom 25.02.2009