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Lokales
IBKA-Gottesleugner tourten mit Buskampagne durch’s hillije Kölle!
Fast verboten
Von Hans-Detlev von Kirchbach
Der Atheistenbus auf dem Weg durch Deutschland
Quelle: www.buskampagne.de
„No, I don't know that atheists should be considered as citizens, nor should they be considered as patriots. this is one nation under God.” - So sprach einstmals George Bush sr. als Präsident der USA den atheistisch gesonnenen Einwohnern seines und “God’s own Countrie’s“ schlichtweg die Bürgerrechte ab. Ginge es nach einigen speziell kölschen Brüdern im Geiste des George Bush sr., so würden Ungläubigen auch in der Domstadt nicht nur das kölsche “Bürgerrecht“, sondern überhaupt die Grundrechte der sogar für Köln geltenden Verfassung mal eben abgesprochen.
Kilps fundamentalistische Parallelgesellschaft
Denn, so grummelte das Ordnungsamt im Vorfeld der Buskampagne gegenüber den Veranstaltern ganz offen, eigentlich wolle man so etwas in Köln nicht haben. Allein schon die These, daß der erwähnte "Gott" - mit erkenntnistheoretisch höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit - nicht existiere, könne insbesondere in unserer katholischen Stadt eine "Beleidigung" darstellen. Ein Argument, das freilich für totalitäre Wahn- und Herrschaftssysteme aller Art kennzeichnend ist: Kritik, ja überhaupt schon die Erkennbarkeit einer anderen Meinung als der vorgeschriebenen, ist verbots- und verfolgungswürdige "Beleidigung". Was Ralph Giordano auf einer "kritischen Islamkonferenz“ im Jahre 2008 recht pauschal "dem Islam“ vorwarf, erwies sich mithin, ansatzweise wenigstens, als Realität, nach der man nicht in angeblichen "Parallelgesellschaften“ suchen muß, sondern die man direkt im Paralleluniversum des Kölner Ordnungsamtes wiederfindet. Kriminalisierung religionskritischer Meinungen ist also nicht nur in historischen Dokumenten über die Heilige Inquisition nachzulesen, sondern gehört zum mentalen Standard im Ordnungsamte der Stadt Köln anno 2009.
Kölsches Krähwinkel: Grundrechte nur gnadenweise
Daß diese Behörde im Demokratieverständnis eher vordemokratischer Epochen verharrt, kennzeichnet deren "Organisationsprofil“, neudeutsch: Corporate Identity, unter der Amtsleitung des Herrn Kilp allerdings ohnehin notorisch. Davon können etwa Walter Herrmann oder der "Q-Hof“ so manches Lied singen. Leider war das Kölner Ordnungsamt gehindert, dem von ihm vermuteten Gottesgesetz wunschgemäß genüge zu tun und den beelzebübischen Atheistenbus aus den heiligen Kölner Mauern zu verbannen. Leider nämlich gibt es da noch so etwas wie ein Grundgesetz, ärgerlicherweise, das jedenfalls vorerst noch Restbestände sogenannter "Grundrechte" enthält. Unter anderem garantiert es Grundrechte, die beispielsweise Papst Gregor XVI. im Jahre 1832 als „Wahnsinn“ geißelte und Pius IX. - der das Dogma von der "päpstlichen Unfehlbarkeit" erfand - 1864 als „Verwirrung und Ordnungslosigkeit“ verfluchte - wie zum Beispiel Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit. Letztere, um das gleich insbesondere dem Ordnungsamte der Stadt Köln zur Kenntnis zu geben, bedeutet übrigens nicht nur die Freiheit zur Religion, sondern auch das Recht auf Freiheit von Religion, was unerhörterweise auch das Recht einschließt, eine religionslose, ja religionskritische Haltung sogar öffentlich zu bekunden.
Nun zweifelt der Autor als notorischer Optimist nicht, daß namentlich christ-"demokratische“ Gottesbeauftragte wie etwa unser Innenminister Schäuble schon kräftig daran arbeiten, derart ordnungswidrigen und noch dazu gotteslästerlichen Grundrechts-Relikten, soweit sie die Äußerung unerwünschter Meinungen ermöglichen, über kurz oder lang den Garaus zu bereiten. Wenn auch keineswegs nur im Namen des von den Gottlosen öffentlich geleugneten HErrn, sondern mindestens ebenso im Interesse des Großkapitals, der Bankwirtschaft und des Militärisch-Industriellen Komplexes.
Dem Ordnungsamt ein Ärgernis, dem HErrn ein Mißgefallen
Noch aber wird es bis zur Wiederherstellung einer grundrechtsbereinigten obrigkeits- und gottgefälligeren Ordnung ein Weilchen brauchen. Und so bleibt vorerst notfalls nichts anderes übrig, als die öffentliche Äußerung nicht genehmer Meinungen widerwillig verkniffen gerade mal so eben zu dulden. So mußte denn sogar das gottergebene Kölner Ordnungsamt sowohl einen Informationsstand des IBKA zwischen Saturn und Kölner Filmhaus als auch die Entweihung des Kölner Straßenpflasters durch den Atheistenbus nicht nur hinnehmen, sondern in Vollzug profaner weltlicher Gesetze sogar genehmigen. Was für eine Selbstverleugnung, was für ein Tort. Ein schwarzer Tag fürs schwarze Köln, und so ließ denn auch der HErr als Ausdruck seines Mißgefallens die Tagestemperaturen ins Eisloch fallen und sintflutartige Regengüsse auf die Domstadt herniederprasseln, die er doch ansonsten mit einer Sonderausgabe des Zentralgestirns verwöhnt. Zum berühmten Sünnsche von Kölle. "Höherenorts" sind anscheinend die erwähnten weltlichen Banalitäten wie insbesondere das Grundrecht auf Bekundung von Unglauben, eben auch noch nicht durchgedrungen.
Der Atheistenbus - Beweis der Atheistenthese
Gleichwohl zerbrach die "Allmacht Gottes" an profaner Meinungsfreiheit, die eine säkulare Verfassung leichtsinnigerweise dem beschränkten Menschenverstande eingeräumt hat. Allein dieser Umstand könnte rein erkenntnistheoretisch als Beleg für die umständlich formulierte Grundthsese der atheistischen PR-Tour herhalten. Wo die Allmacht Gottes, ja sogar des Kölner Ordnungsamtes, an Grenzen stößt, kann von einer "göttlichen Allmacht" keine Rede mehr sein, die doch aber für die Instanz "Gott" schlechthin konstitutiv ist. Keine Allmacht, kein Gott. Damit, daß ihr Bus durch Köln tuckern konnte, lieferten die wackeren Atheisten mindestens ein starkes Indiz für die Richtigkeit ihrer Behauptung, die das religionseifrige Ordnungsamt gern als Formalbeleidigung verboten hätte. Noch freilich sind wir nicht mehr und nicht wieder ganz so weit, daß etwa ein Herr Kilp alleinverbindlich bestimmen könnte, was in dieser Stadt öffentlich gesagt werden darf. Was darauf hinausliefe, daß Amtsstubenzensoren von beschränktester Krähwinkel-Mentalität beispielsweise einem Bertrand Russell oder einem Albert Einstein den öffentlichen Auftritt untersagen könnten, die sich zur "Gottesfrage" in identischem Sinne geäußert haben wie die inkriminierte Parole der "Buskampagne".
Mehr als die üblichen Verdächtigen
Es wäre mal spannend zu sehen, wie sich das Kilp-Offizium anstellen würde, wenn etwa der derzeit bekannteste Religions- und Christentumskritiker aus der naturwissenschaftlichen Szene, der - freilich als angeblicher „Sozialdarwinist“ umstrittene - britische Evolutionsbiologe Sir Richard Dawkins, hier in Köln nicht in der Universität, sondern beispielsweise auf dem Domvorplatz eine atheistische Rede halten wollte. Das könnte spaßig werden.
Darf noch auf dem Kölner Rathaus stehen
– Atheist Karl Marx | NRhZ-Archiv
Potentielle Straftäter eines rechtsverfolgungs- und verbotsbedürftigen Beleidigungsdelikts wären neben den Genannten u.v.a. auch Isaac Asimov, Noam Chomsky, Carl Sagan, Francis Crick, der Mitentdecker der DNA und Medizin-Nobelpreisträger 1962, selbstverständlich Marie Curie. Die nach der Niederlage gegen die Buskampagne schleunigst einzurichtenden Arrestzellen des Kölner Ordnungsamtes als oberster städtischer Inquisitionsbehörde der spezifisch kölschen Gottesordnung würden sich, so gesehen, mit geschichtsbuchträchtiger Prominenz füllen. Vergessen wir dabei gerade in Köln aber auch einen ganz besonders hartnäckigen Atheisten nicht, der in dieser Stadt vor gut 160 Jahren als Redakteur der "Neuen Rheinischen Zeitung" sein lästerliches Unwesen trieb, in der Kampagnenpräsentation des IBKA aber - Folge vielleicht einer gewissen bürgerlichen Perspektivbeschränkung - leider nicht auftaucht: Karl Marx. Den würden die Krähwinkelianer, Meisners und Kilps natürlich zuallererst verbieten, wenn sie denn könnten.
Notwendige Notwehr gegen Religionsmissionierung
Am Wochenende allerdings musste die Stadt Köln einstweilen noch die feindliche Invasion der Gottesleugner ertragen. Den Bus hat sich die Stadt Köln allerdings selbst eingebrockt, wie alle anderen Kommunen, durch die das Atheistengefährt tourt. Die mittlerweile internationale Kampagne entstand zunächst in Großbritannien, weil öffentliche Verkehrsbetriebe dort zwar die übliche christliche Banden-Werbung, aber keine atheistischen Slogans anbringen wollten. Also charterte man eben einen eigenen Bus. In Deutschland sieht es genau so trübe aus, was die diesbezügliche Meinungsfreiheit im „öffentlichen (Verkehrs-)Raum“ angeht. Auch hier verweigern alle angefragten öffentlichen Verkehrsunternehmen die Anbringung “religionskritischer Werbung“.
Von Herrn Kilps Ordnungsamt erlaubt
Foto: H.D.v. Kirchbach
Die christliche Werbung sei „positiv“, die Atheistenparole hingegen „richtet sich gegen andere“, so etwa die Originalbegründung des KVB-Pressesprechers Berger gegenüber dem Magazin StadtRevue. Als ob sich nicht jegliche Werbung, ja schon jede Hypothese, implizit “gegen andere“ richten würde. Dafür aber darf ich mir in der U-Bahn-Haltestelle Poststraße gleich achtmal den optisch aufdringlichen Vorhalt gefallen lassen: „Wer Jesus hat, hat das Leben.“ Im Umkehrschluß: Wer nicht, hat den Tod? Und das soll sich nicht „gegen andere richten“?
“Campus Crusade“ gegen “Atheistenbus“
Samstagvormittag also: Abfahrt zur aufklärerischen Rundfahrt durchs hillige Kölle. Vor dem Freidenkerzentrum am Bayenthalgürtel, dem konspirativen Treffpunkt der motorisierten Gottlosen-PR, parkte zeitweise allerdings auch ein eilends organisierter christlicher “Gegenbus“ mit der Aufschrift „Und wenn es ihn doch gibt…“ einer Religions-Rettungsinitiative, die sich auf der Website “Gott kennen.de“ präsentiert. Anscheinend hängt diese mit der kapital- und werbeintensiven US-Missionierungsorganisation “Campus Crusade“ zusammen, die ihre Glaubensindoktrination seit 1951 ansonsten auf Universitäten konzentriert. Man sei den Atheisten sogar dankbar, dass sie „Jesus wieder zum Thema“ gemacht hätten, erklärte dem NRhZ-Reporter ein freundlicher junger Mann aus dem Kreis der christlichen Bus-Initiative. Schließlich ist Werbung immer gut für das Produkt, das man vermarkten will, und ein Scharmützel von Slogan und Gegenslogan kann für beide Seiten PR-Nutzen bringen. In Köln unterließen es die Gegen-Aufklärer freilich, sich an die Fuß- bzw. Reifenspuren der Atheisten zu heften. Die konnten denn ohne christliche “Verfolger“ und doch noch mit ordnungsamtlicher Genehmigung ihren Doppeldeckerbus mit der weithin lesbaren Aufschrift „potentiell religionsbeleidigenden“ Charakters durch die Domstadt karren, trotz des strömenden Regens bestaunt, wo immer das “Transparent auf Rädern“ an Ampeln, in der Nähe von KVB-Haltestellen oder vor Stätten mit lokaler religionspolitischer Bedeutung zum Stehen kam.
Rügemers aufklärerische Stadtführung: Heilige Orte des "Klüngels“
Als Krönung dieses öffentlichen Ärgernisses führte ausgerechnet das lebende Ärgernis Kölner Geld- und Glaubenswächter, der Publizist und Korruptionsexperte Dr. Werner Rügemer, den Atheistenbus auf einer speziellen Route an Orten vorbei, an denen sich speziell kölsche Symbiosen religiöser, politischer und wirtschaftlicher Macht – die populär unter dem Begriff “Klüngel“ firmieren – eingeschrieben haben.
Auch das wollte das Kilp-Amt im Vorfeld übrigens eigentlich verhindern, mit dem interessanten Argument, dass eine solche Stadtführung des Kölner Karls-Preis-Trägers des Jahres 2008 (http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=12601) eine “Konkurrenz“ zu offiziellen und kommerziellen Stadtführungen darstellen könne. Als ob städtisch bestallte Köln-Expeditionen je am 1933 erbauten evangelischen Gemeindehaus von Köln-Marienburg (Mehlemer Straße) vorbeiführen würden, an dem sich neben der Skulptur eines heldischen Luther auch noch der sichtbare Umriß eines nach 1945 aus der Gemeindemauer “abgekratzten“ SA-Heroen befindet.
Nazi-Held in der Mehlemer Straße –
kein Problem für das Ordnungsamt
Foto: Arbeiterfotografie.com
Als ob ein “ordnungsgemäßer“ Stadtführer hier darüber informieren würde, dass die Kohle für diesen Symbolbau nazikompatiblen Protestantismus vom evangelisch-kölschen Bankier Robert Pferdmenges kam. Dieser Herr förderte vor 1933 u.a. über die nazistische “Dirksen-Stiftung“ (Kuratoriumsmitglieder: Ernst Röhm und Heinrich Himmler) den Machtantritt Hitlers - und rief nach 1945 zusammen mit einem gewissen Konrad Adenauer die “Christlich-Demokratische Union“ ins Leben. Derlei erfährt man bei offiziellen Stadtrundfahrten wohl kaum. Auch dürfte eine kommerzielle Stadtrundfahrt einen Steinwurf vom Marienburger Gemeindehaus entfernt nebenbei noch an der ehemaligen Villa des Post-Skandalchefs Zumwinkel und überdies dem Anwesen des legendären Otto Wolff von Amerongen vorbeifahren, garniert von notwendig galligen Erläuterungen des Stadtführers Werner Rügemer.
Entweihung sakraler Kölntümer durch Realgeschichte
Natürlich konnte es Rügemer auch nicht unterlassen, über die demokratisch prekäre Einflußnahme religiös-ökonomischer, konfessionsübergreifender, aber elite-einigender Strippenzieher-Zirkel - denen jeder angehören muß, der in dieser Stadt “was werden“ will - wie beispielsweise den Dombauverein zu referieren. Oder über die unrühmliche Geschichte der nach dem Kirchenlehrer Albertus Magnus benannten Kölner Universität, in der jahrhundertelang vor allem fundamentalistische Theologie gelehrt wurde, an der sogar der berüchtigte Hexenhammer entstand und die von den napoleonischen Besatzungstruppen als "Hort des Dunkelmännertums" verdientermaßen geschlossen wurde. Bis der Katholik Adenauer 120 Jahre später dafür sorgte, daß die Kölner Universität mit stark konservativem Profil wiedererstand. Und so weiter, und so fort.
So etwas ist in ordnungsamtsgefälligen Stadtführungen natürlich nicht zu hören, ganz zu schweigen von der Information, daß Kölns heiligster Schatz, der Schrein mit den angeblichen Gebeinen der sogenannten Heiligen Drei Könige, eine delikate Mischung aus Reliquienschwindel und glattem Raub darstellt, wurde er doch glattweg aus Mailand gestohlen. Derlei Aufklärung stört natürlich die Kölner Ordnung, und deswegen, nicht etwa wegen der behaupteten „Konkurrenz“, wollte man diese Art Aufklärungstour wohl auch verhindern. Freilich, aus den oben genannten Gründen, für dieses Mal erfolglos.
Konfessionsloses Drittel sichtbar machen
Eine "Missionierung" wollen die Atheisten - denen manche einen ähnlichen Glaubenseifer unterstellen wie den Religionsvertretern - mit ihrer Kampagne nicht veranstalten, beteuert jedenfalls Pressesprecher Möller, ein 28jähriger Mathematiklehrer aus Berlin. Vielmehr solle darauf aufmerksam gemacht werden, daß etwa ein Drittel der deutschen Wohnbevölkerung keiner Religionsgemeinschaft mehr angehöre. Es solle nicht weiter hingenommen werden, daß dieses konfessionslose Drittel, etwa nach dem Muster des einleitenden Bush-Zitates, permanent ignoriert, an den Rand gedrängt und wie selbstverständlich von Kirchen, Medien und Politik „moralisch denunziert" werde. Die Konfessionslosen, so wünschen die Organisatoren wie der IBKA, der Deutsche Freidenkerverband und die Giordano-Bruno-Stiftung, sollten ihr Vorhandensein sichtbar machen, statt sich in eine randständige Rechtfertigungsposition drängen zu lassen. So soll die Buskampagne auch ein Zeichen dafür setzen, in Zukunft beispielsweise nur mittelalterlichen Relikten wie dem sogenannten kirchlichen Arbeitsrecht oder auch dem manchenorts auf Kinder ausgeübten Glaubens- und Gebetszwang selbst außerhalb des Religionsunterrichts offensiv entgegenzutreten. Differenzen deuten sich freilich in der Szene über weitergehende Konsequenzen an: Soll man, wie es klassische Forderung der Freidenkerbewegung war, das real existierende staatskirchliche Privilegiensystem mit Kirchensteuer und Religionsunterricht an Staatsschulen grundsätzlich abschaffen oder will man lediglich eine Art Gleichberechtigung innerhalb dieses Systems für die eigenen Organisationsklientels? Doch diese Grundsatzfrage führt über die momentane Einigkeit der Konfessionslosen-Verbände angesichts der Buskampagne weit hinaus. (PK)
Am Donnerstag, 11. Juni, erreicht die Buskampagne Tübingen und Ulm, Freitag, 12. Juni, Augsburg. Weitere Infos: http://www.buskampagne.de und unter www.atheistbus.org.uk, weil die Buskampagne in England entstanden ist.
Größeren Gefallen dürfte neben dem Domkapitel des Herrn Meisner namentlich das angeschlossene Kölner Ordnungsamt an der gleichgesinnten Seite www.monarchieliga.de finden, hier insbesondere an der Proklamation „Wir fordern den christlichen Staat!“ einschließlich der Abschaffung jeglicher nichtchristlicher “Freiheiten“, die ohnehin „Illusionen“ seien. Siehe www.monarchieliga.de/text/moeller-martin/reli-freiheit.htm.
Online-Flyer Nr. 201 vom 10.06.2009
IBKA-Gottesleugner tourten mit Buskampagne durch’s hillije Kölle!
Fast verboten
Von Hans-Detlev von Kirchbach
Der Atheistenbus auf dem Weg durch Deutschland
Quelle: www.buskampagne.de
„No, I don't know that atheists should be considered as citizens, nor should they be considered as patriots. this is one nation under God.” - So sprach einstmals George Bush sr. als Präsident der USA den atheistisch gesonnenen Einwohnern seines und “God’s own Countrie’s“ schlichtweg die Bürgerrechte ab. Ginge es nach einigen speziell kölschen Brüdern im Geiste des George Bush sr., so würden Ungläubigen auch in der Domstadt nicht nur das kölsche “Bürgerrecht“, sondern überhaupt die Grundrechte der sogar für Köln geltenden Verfassung mal eben abgesprochen.
Kilps fundamentalistische Parallelgesellschaft
Denn, so grummelte das Ordnungsamt im Vorfeld der Buskampagne gegenüber den Veranstaltern ganz offen, eigentlich wolle man so etwas in Köln nicht haben. Allein schon die These, daß der erwähnte "Gott" - mit erkenntnistheoretisch höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit - nicht existiere, könne insbesondere in unserer katholischen Stadt eine "Beleidigung" darstellen. Ein Argument, das freilich für totalitäre Wahn- und Herrschaftssysteme aller Art kennzeichnend ist: Kritik, ja überhaupt schon die Erkennbarkeit einer anderen Meinung als der vorgeschriebenen, ist verbots- und verfolgungswürdige "Beleidigung". Was Ralph Giordano auf einer "kritischen Islamkonferenz“ im Jahre 2008 recht pauschal "dem Islam“ vorwarf, erwies sich mithin, ansatzweise wenigstens, als Realität, nach der man nicht in angeblichen "Parallelgesellschaften“ suchen muß, sondern die man direkt im Paralleluniversum des Kölner Ordnungsamtes wiederfindet. Kriminalisierung religionskritischer Meinungen ist also nicht nur in historischen Dokumenten über die Heilige Inquisition nachzulesen, sondern gehört zum mentalen Standard im Ordnungsamte der Stadt Köln anno 2009.
Kölsches Krähwinkel: Grundrechte nur gnadenweise
Daß diese Behörde im Demokratieverständnis eher vordemokratischer Epochen verharrt, kennzeichnet deren "Organisationsprofil“, neudeutsch: Corporate Identity, unter der Amtsleitung des Herrn Kilp allerdings ohnehin notorisch. Davon können etwa Walter Herrmann oder der "Q-Hof“ so manches Lied singen. Leider war das Kölner Ordnungsamt gehindert, dem von ihm vermuteten Gottesgesetz wunschgemäß genüge zu tun und den beelzebübischen Atheistenbus aus den heiligen Kölner Mauern zu verbannen. Leider nämlich gibt es da noch so etwas wie ein Grundgesetz, ärgerlicherweise, das jedenfalls vorerst noch Restbestände sogenannter "Grundrechte" enthält. Unter anderem garantiert es Grundrechte, die beispielsweise Papst Gregor XVI. im Jahre 1832 als „Wahnsinn“ geißelte und Pius IX. - der das Dogma von der "päpstlichen Unfehlbarkeit" erfand - 1864 als „Verwirrung und Ordnungslosigkeit“ verfluchte - wie zum Beispiel Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit. Letztere, um das gleich insbesondere dem Ordnungsamte der Stadt Köln zur Kenntnis zu geben, bedeutet übrigens nicht nur die Freiheit zur Religion, sondern auch das Recht auf Freiheit von Religion, was unerhörterweise auch das Recht einschließt, eine religionslose, ja religionskritische Haltung sogar öffentlich zu bekunden.
Nun zweifelt der Autor als notorischer Optimist nicht, daß namentlich christ-"demokratische“ Gottesbeauftragte wie etwa unser Innenminister Schäuble schon kräftig daran arbeiten, derart ordnungswidrigen und noch dazu gotteslästerlichen Grundrechts-Relikten, soweit sie die Äußerung unerwünschter Meinungen ermöglichen, über kurz oder lang den Garaus zu bereiten. Wenn auch keineswegs nur im Namen des von den Gottlosen öffentlich geleugneten HErrn, sondern mindestens ebenso im Interesse des Großkapitals, der Bankwirtschaft und des Militärisch-Industriellen Komplexes.
Dem Ordnungsamt ein Ärgernis, dem HErrn ein Mißgefallen
Noch aber wird es bis zur Wiederherstellung einer grundrechtsbereinigten obrigkeits- und gottgefälligeren Ordnung ein Weilchen brauchen. Und so bleibt vorerst notfalls nichts anderes übrig, als die öffentliche Äußerung nicht genehmer Meinungen widerwillig verkniffen gerade mal so eben zu dulden. So mußte denn sogar das gottergebene Kölner Ordnungsamt sowohl einen Informationsstand des IBKA zwischen Saturn und Kölner Filmhaus als auch die Entweihung des Kölner Straßenpflasters durch den Atheistenbus nicht nur hinnehmen, sondern in Vollzug profaner weltlicher Gesetze sogar genehmigen. Was für eine Selbstverleugnung, was für ein Tort. Ein schwarzer Tag fürs schwarze Köln, und so ließ denn auch der HErr als Ausdruck seines Mißgefallens die Tagestemperaturen ins Eisloch fallen und sintflutartige Regengüsse auf die Domstadt herniederprasseln, die er doch ansonsten mit einer Sonderausgabe des Zentralgestirns verwöhnt. Zum berühmten Sünnsche von Kölle. "Höherenorts" sind anscheinend die erwähnten weltlichen Banalitäten wie insbesondere das Grundrecht auf Bekundung von Unglauben, eben auch noch nicht durchgedrungen.
Der Atheistenbus - Beweis der Atheistenthese
Gleichwohl zerbrach die "Allmacht Gottes" an profaner Meinungsfreiheit, die eine säkulare Verfassung leichtsinnigerweise dem beschränkten Menschenverstande eingeräumt hat. Allein dieser Umstand könnte rein erkenntnistheoretisch als Beleg für die umständlich formulierte Grundthsese der atheistischen PR-Tour herhalten. Wo die Allmacht Gottes, ja sogar des Kölner Ordnungsamtes, an Grenzen stößt, kann von einer "göttlichen Allmacht" keine Rede mehr sein, die doch aber für die Instanz "Gott" schlechthin konstitutiv ist. Keine Allmacht, kein Gott. Damit, daß ihr Bus durch Köln tuckern konnte, lieferten die wackeren Atheisten mindestens ein starkes Indiz für die Richtigkeit ihrer Behauptung, die das religionseifrige Ordnungsamt gern als Formalbeleidigung verboten hätte. Noch freilich sind wir nicht mehr und nicht wieder ganz so weit, daß etwa ein Herr Kilp alleinverbindlich bestimmen könnte, was in dieser Stadt öffentlich gesagt werden darf. Was darauf hinausliefe, daß Amtsstubenzensoren von beschränktester Krähwinkel-Mentalität beispielsweise einem Bertrand Russell oder einem Albert Einstein den öffentlichen Auftritt untersagen könnten, die sich zur "Gottesfrage" in identischem Sinne geäußert haben wie die inkriminierte Parole der "Buskampagne".
Mehr als die üblichen Verdächtigen
Es wäre mal spannend zu sehen, wie sich das Kilp-Offizium anstellen würde, wenn etwa der derzeit bekannteste Religions- und Christentumskritiker aus der naturwissenschaftlichen Szene, der - freilich als angeblicher „Sozialdarwinist“ umstrittene - britische Evolutionsbiologe Sir Richard Dawkins, hier in Köln nicht in der Universität, sondern beispielsweise auf dem Domvorplatz eine atheistische Rede halten wollte. Das könnte spaßig werden.
Darf noch auf dem Kölner Rathaus stehen
– Atheist Karl Marx | NRhZ-Archiv
Notwendige Notwehr gegen Religionsmissionierung
Am Wochenende allerdings musste die Stadt Köln einstweilen noch die feindliche Invasion der Gottesleugner ertragen. Den Bus hat sich die Stadt Köln allerdings selbst eingebrockt, wie alle anderen Kommunen, durch die das Atheistengefährt tourt. Die mittlerweile internationale Kampagne entstand zunächst in Großbritannien, weil öffentliche Verkehrsbetriebe dort zwar die übliche christliche Banden-Werbung, aber keine atheistischen Slogans anbringen wollten. Also charterte man eben einen eigenen Bus. In Deutschland sieht es genau so trübe aus, was die diesbezügliche Meinungsfreiheit im „öffentlichen (Verkehrs-)Raum“ angeht. Auch hier verweigern alle angefragten öffentlichen Verkehrsunternehmen die Anbringung “religionskritischer Werbung“.
Von Herrn Kilps Ordnungsamt erlaubt
Foto: H.D.v. Kirchbach
Die christliche Werbung sei „positiv“, die Atheistenparole hingegen „richtet sich gegen andere“, so etwa die Originalbegründung des KVB-Pressesprechers Berger gegenüber dem Magazin StadtRevue. Als ob sich nicht jegliche Werbung, ja schon jede Hypothese, implizit “gegen andere“ richten würde. Dafür aber darf ich mir in der U-Bahn-Haltestelle Poststraße gleich achtmal den optisch aufdringlichen Vorhalt gefallen lassen: „Wer Jesus hat, hat das Leben.“ Im Umkehrschluß: Wer nicht, hat den Tod? Und das soll sich nicht „gegen andere richten“?
“Campus Crusade“ gegen “Atheistenbus“
Samstagvormittag also: Abfahrt zur aufklärerischen Rundfahrt durchs hillige Kölle. Vor dem Freidenkerzentrum am Bayenthalgürtel, dem konspirativen Treffpunkt der motorisierten Gottlosen-PR, parkte zeitweise allerdings auch ein eilends organisierter christlicher “Gegenbus“ mit der Aufschrift „Und wenn es ihn doch gibt…“ einer Religions-Rettungsinitiative, die sich auf der Website “Gott kennen.de“ präsentiert. Anscheinend hängt diese mit der kapital- und werbeintensiven US-Missionierungsorganisation “Campus Crusade“ zusammen, die ihre Glaubensindoktrination seit 1951 ansonsten auf Universitäten konzentriert. Man sei den Atheisten sogar dankbar, dass sie „Jesus wieder zum Thema“ gemacht hätten, erklärte dem NRhZ-Reporter ein freundlicher junger Mann aus dem Kreis der christlichen Bus-Initiative. Schließlich ist Werbung immer gut für das Produkt, das man vermarkten will, und ein Scharmützel von Slogan und Gegenslogan kann für beide Seiten PR-Nutzen bringen. In Köln unterließen es die Gegen-Aufklärer freilich, sich an die Fuß- bzw. Reifenspuren der Atheisten zu heften. Die konnten denn ohne christliche “Verfolger“ und doch noch mit ordnungsamtlicher Genehmigung ihren Doppeldeckerbus mit der weithin lesbaren Aufschrift „potentiell religionsbeleidigenden“ Charakters durch die Domstadt karren, trotz des strömenden Regens bestaunt, wo immer das “Transparent auf Rädern“ an Ampeln, in der Nähe von KVB-Haltestellen oder vor Stätten mit lokaler religionspolitischer Bedeutung zum Stehen kam.
Rügemers aufklärerische Stadtführung: Heilige Orte des "Klüngels“
Als Krönung dieses öffentlichen Ärgernisses führte ausgerechnet das lebende Ärgernis Kölner Geld- und Glaubenswächter, der Publizist und Korruptionsexperte Dr. Werner Rügemer, den Atheistenbus auf einer speziellen Route an Orten vorbei, an denen sich speziell kölsche Symbiosen religiöser, politischer und wirtschaftlicher Macht – die populär unter dem Begriff “Klüngel“ firmieren – eingeschrieben haben.
Auch das wollte das Kilp-Amt im Vorfeld übrigens eigentlich verhindern, mit dem interessanten Argument, dass eine solche Stadtführung des Kölner Karls-Preis-Trägers des Jahres 2008 (http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=12601) eine “Konkurrenz“ zu offiziellen und kommerziellen Stadtführungen darstellen könne. Als ob städtisch bestallte Köln-Expeditionen je am 1933 erbauten evangelischen Gemeindehaus von Köln-Marienburg (Mehlemer Straße) vorbeiführen würden, an dem sich neben der Skulptur eines heldischen Luther auch noch der sichtbare Umriß eines nach 1945 aus der Gemeindemauer “abgekratzten“ SA-Heroen befindet.
Nazi-Held in der Mehlemer Straße –
kein Problem für das Ordnungsamt
Foto: Arbeiterfotografie.com
Entweihung sakraler Kölntümer durch Realgeschichte
Natürlich konnte es Rügemer auch nicht unterlassen, über die demokratisch prekäre Einflußnahme religiös-ökonomischer, konfessionsübergreifender, aber elite-einigender Strippenzieher-Zirkel - denen jeder angehören muß, der in dieser Stadt “was werden“ will - wie beispielsweise den Dombauverein zu referieren. Oder über die unrühmliche Geschichte der nach dem Kirchenlehrer Albertus Magnus benannten Kölner Universität, in der jahrhundertelang vor allem fundamentalistische Theologie gelehrt wurde, an der sogar der berüchtigte Hexenhammer entstand und die von den napoleonischen Besatzungstruppen als "Hort des Dunkelmännertums" verdientermaßen geschlossen wurde. Bis der Katholik Adenauer 120 Jahre später dafür sorgte, daß die Kölner Universität mit stark konservativem Profil wiedererstand. Und so weiter, und so fort.
So etwas ist in ordnungsamtsgefälligen Stadtführungen natürlich nicht zu hören, ganz zu schweigen von der Information, daß Kölns heiligster Schatz, der Schrein mit den angeblichen Gebeinen der sogenannten Heiligen Drei Könige, eine delikate Mischung aus Reliquienschwindel und glattem Raub darstellt, wurde er doch glattweg aus Mailand gestohlen. Derlei Aufklärung stört natürlich die Kölner Ordnung, und deswegen, nicht etwa wegen der behaupteten „Konkurrenz“, wollte man diese Art Aufklärungstour wohl auch verhindern. Freilich, aus den oben genannten Gründen, für dieses Mal erfolglos.
Konfessionsloses Drittel sichtbar machen
Eine "Missionierung" wollen die Atheisten - denen manche einen ähnlichen Glaubenseifer unterstellen wie den Religionsvertretern - mit ihrer Kampagne nicht veranstalten, beteuert jedenfalls Pressesprecher Möller, ein 28jähriger Mathematiklehrer aus Berlin. Vielmehr solle darauf aufmerksam gemacht werden, daß etwa ein Drittel der deutschen Wohnbevölkerung keiner Religionsgemeinschaft mehr angehöre. Es solle nicht weiter hingenommen werden, daß dieses konfessionslose Drittel, etwa nach dem Muster des einleitenden Bush-Zitates, permanent ignoriert, an den Rand gedrängt und wie selbstverständlich von Kirchen, Medien und Politik „moralisch denunziert" werde. Die Konfessionslosen, so wünschen die Organisatoren wie der IBKA, der Deutsche Freidenkerverband und die Giordano-Bruno-Stiftung, sollten ihr Vorhandensein sichtbar machen, statt sich in eine randständige Rechtfertigungsposition drängen zu lassen. So soll die Buskampagne auch ein Zeichen dafür setzen, in Zukunft beispielsweise nur mittelalterlichen Relikten wie dem sogenannten kirchlichen Arbeitsrecht oder auch dem manchenorts auf Kinder ausgeübten Glaubens- und Gebetszwang selbst außerhalb des Religionsunterrichts offensiv entgegenzutreten. Differenzen deuten sich freilich in der Szene über weitergehende Konsequenzen an: Soll man, wie es klassische Forderung der Freidenkerbewegung war, das real existierende staatskirchliche Privilegiensystem mit Kirchensteuer und Religionsunterricht an Staatsschulen grundsätzlich abschaffen oder will man lediglich eine Art Gleichberechtigung innerhalb dieses Systems für die eigenen Organisationsklientels? Doch diese Grundsatzfrage führt über die momentane Einigkeit der Konfessionslosen-Verbände angesichts der Buskampagne weit hinaus. (PK)
Am Donnerstag, 11. Juni, erreicht die Buskampagne Tübingen und Ulm, Freitag, 12. Juni, Augsburg. Weitere Infos: http://www.buskampagne.de und unter www.atheistbus.org.uk, weil die Buskampagne in England entstanden ist.
Größeren Gefallen dürfte neben dem Domkapitel des Herrn Meisner namentlich das angeschlossene Kölner Ordnungsamt an der gleichgesinnten Seite www.monarchieliga.de finden, hier insbesondere an der Proklamation „Wir fordern den christlichen Staat!“ einschließlich der Abschaffung jeglicher nichtchristlicher “Freiheiten“, die ohnehin „Illusionen“ seien. Siehe www.monarchieliga.de/text/moeller-martin/reli-freiheit.htm.
Online-Flyer Nr. 201 vom 10.06.2009