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Lokales
Rheinschiene: Interview mit „Gegenstrom“ über den Transport von Uranhexafluorid
„Ein hübsches Horrorszenario“
Von Christian Heinrici
Berichten Sie uns doch bitte ein wenig über die Hintergründe! Was ist da in der Nacht vom 27. zum 28. April unter anderem durch Köln transportiert worden?
Ruth: Uranhexafluorid, das ist ein „Vorstoff“ für atomare Brennstäbe. Die Erzeugung von Brennstäben geschieht ja in Frankreich und Deutschland, das heißt die verschiedenen Fabriken sind in Frankreich und im Norden von NRW angesiedelt. Die Transportschritte finden getrennt statt, was bedeutet, dass das ganze Zeug ein paar Mal quer durch Europa gekarrt wird. [1]
Irgendwo am Zug kann man sogar Warnschilder entdecken...
Foto: Gegenstrom
Wo denn genau im Norden von NRW sind die Fabriken angesiedelt, und was wird da gemacht?
Ruth: Die beiden Fabriken befinden sich in Lingen und in Gronau, und aus der Urananreicherungsanlage in Gronau kam auch der Transport. Dort stehen unter anderem riesige Zentrifugen – so ähnliche, wie sie gerade im Iran heftigst kritisiert werden – denn auch in Gronau kann man mit leichten Modifikationen unheimlich gut Atombomben herstellen, was die Öffentlichkeitsarbeiter der Atomlobby immer wieder gerne vergessen machen wollen.
Wem gehört denn die Anlage in Gronau, wer ist daran beteiligt?
Ruth: Die Anlage gehört sehr vielen verschiedenen EignerInnen – unter anderem gehört dazu die British Nuclear Fuels [2]... Es sind verschiedene niederländische und deutsche Energieunternehmen daran beteiligt, unter anderem EON Kernkraft und RWE Power. Urananreicherungsanlagen gibt es nur sehr selten, und es ist eine sehr gute „Gelddruckmaschine“; man kann unheimlich viel Geld mit diesen Prozessen machen. Die Anlage in Gronau ist die einzige ihrer Art... Urananreicherungsanlagen im zivilen Bereich gibt es einfach nicht oft.
Wie wird denn das Uranhexafluorid normalerweise – so auch am 27.-28. April durch Köln – transportiert?
Sichtlich verärgert: Georg Blumen-
röhr | Foto: Christian Heinrici
Georg: Es ist aus Gronau in Köln-Mülheim angekommen, dann fuhr der Zug weiter nach Kalk, dann, wo ich wohne, zum Güterbahnhof Gremberg. Im Falle, dass solch ein Transport „verunfallt“, kann aus dem Uranhexafluorid leicht Flusssäure entstehen – ein Mörderzeug... Das ist unglaublich! Diese Flusssäure würde dazu führen, dass jeder im Umkreis von etwa 30 oder 31 Kilometern starke Verletzungen, wenn nicht sogar den Tod erleiden würden. Man könnte durch diese Transporte Köln auslöschen!
Das ist ein absolutes Unding: Wir haben einen offenen Brief, der diese Problematik beleuchtet, an den Oberbürgermeister Schramma geschrieben und warten verzweifelt auf Antwort. Aber er hat es noch nicht einmal für nötig befunden, uns eine Eingangsbestätigung des Briefes zu schicken.
Wie entsteht Flusssäure genau?
Ruth: Flusssäure entsteht, wenn Uranhexafluorid mit Feuchtigkeit in Verbindung kommt. Uranhexafluorid wird gerne verwendet, weil es, ohne in den flüssigen Aggregatzustand zu gehen, vom festen in den gasförmigen übergeht – und das bei sehr niedrigen Temperaturen, also unter 100 Grad Celsius. Wenn bei einem Unfall Uranhexafluorid austräte, könnte bei „Umgebungsfeuchtigkeit“ oder im schlimmsten Fall bei Regen Flusssäure entstehen. In diesem Fall wäre nicht die Radioaktivität das Problem, sondern das stark Ätzende. Flusssäure führt zu Verätzungen der Lunge und Auflösung von Organen. Das kann man sich dann als „hübsches Horrorfilmszenario“ ausmalen.
Die Transporte führen vom Norden NRWs durch Nordrhein-Westfalen als eines der bevölkerungsdichtesten Bundesländer, außerdem durch den gesamten Ruhrpott, Düsseldorf, Köln, Bonn – in Rheinland-Pfalz ist es dann ja wieder ein bisschen dünner besiedelt – und dann weiter nach Frankreich. Und diese Transporte sind nicht „panzermäßig“ gesichert, sondern es sind Waggons, die in normalen Regelgüterzügen mitfahren...
Urantransport hält an Personenbahnhof – besondere Sicherung hauptsächlich gegen unliebsame Blicke | Foto: Gegenstrom
... was wird da noch befördert?
... Das kann von „Kinder-Qutietsche-Entchen“ bis zu Panzern, Waffen, Kerosin und Diesel gehen. Die Rheinschiene ist eine der am häufigsten genutzten Schienen zum Transport von Kraftstoffen...
Wenn es zu einem Unfall und einer Explosion käme, wäre es durchaus möglich, dass dort etwas austritt...?
Ruth: Diese Transporte fahren in Gegenden los, wo es überhaupt gar keine Oberleitung gibt. Das heißt, sie werden in sehr vielen Fällen von Diesel-Loks gezogen. Aber mit diesen hat man natürlich sehr viel Diesel und sehr viel Elektronik und somit etwas, das zu einem ordentlich Brand alle Voraussetzungen bietet.
Es hieß ja immer, dass „Rot-Grün“ für den Beginn des Ausstiegs aus der Atomwirtschaft gesorgt habe... Vielleicht könnten Sie noch auch noch einmal ein paar Hintergründe der politischen Diskussion und mögliche Alternativen aufzeigen?
Ruth: Der „Atomkonsens“ wurde von weiten Teilen der Anti-Atombewegung nicht wirklich als Konsens gesehen – denn das hieße, dass sich alle auf etwas einigen... Er wird im Allgemeinen nur „Atom-Verstromungsvertrag“ genannt, da die rot-grüne Regierung den Konzernen garantiert hatte, dass sie eine bestimmte Menge Atomstrom produzieren dürfen. Es gibt nichts rechtlich Bindendes für die Konzerne. Und besonders nach der Sicherheitshysterie in Folge des „11. Septembers“ wären beispielsweise Obrigheim und andere sehr alte Reaktoren wahrscheinlich abgeschaltet worden – weil die noch nicht einmal einen kleinen Hubschrauber ausgehalten hätten, der draufgedeppert wäre... Beim AKW Mülheim-Kärlich, das weltweit das erste war, das abgeschaltet wurde – wegen Bürgerbegehrens – wurde die Restlaufzeit einfach mit eingerechnet.
Obrigheim abgeschaltet – Sakralbau des 20. Jarhunderts | Foto: Felix Koenig
Mit solchen Aktionen, wie mit dem offenen Brief, glauben wir nicht, dass wir die Situation ändern werden... sondern wir wollen einfach darauf aufmerksam machen, dass dort etwas passiert. Wir hoffen auch, dass sich mehr Leute – eben auch niedrigschwellig – daran beteiligen. Wir wollen nicht, dass die Leute damit anfangen müssen, sich an die Schienen zu ketten. Eine der einfachsten Dinge, um wirklich etwas gegen Atomkraft zu unternehmen, ist den Stromvertrag zu wechseln – wobei wir dazu raten, genau zu gucken, ob die Betriebe wirklich keine Atomkraft verwenden.
Georg: Diese Behauptungen der Atomlobby, die von der Industrie bezahlt sind und die jetzt immer wieder kolportiert werden – zuletzt war es, glaube ich, der Herr Seehofer, der sich nicht lächerlich genug machen konnte... Es ist einfach so, dass es eine fette Lüge ist, man könne nicht aus der Atomenergie aussteigen, ohne dass die Lichter ausgehen. Selbst unser Umweltminister – das ist in einschlägigen Publikationen nachzulesen – sagt, dass man direkt aus der Atomenergie aussteigen kann, und es wird keine einzige Lampe dabei ausgehen.
Vielen Dank für dieses Interview!
Weitere Informationen auf
der Webseite der Kölner Gegenstrom gegen Atomanlagen
Online-Flyer Nr. 201 vom 10.06.2009
Rheinschiene: Interview mit „Gegenstrom“ über den Transport von Uranhexafluorid
„Ein hübsches Horrorszenario“
Von Christian Heinrici
Berichten Sie uns doch bitte ein wenig über die Hintergründe! Was ist da in der Nacht vom 27. zum 28. April unter anderem durch Köln transportiert worden?
Ruth: Uranhexafluorid, das ist ein „Vorstoff“ für atomare Brennstäbe. Die Erzeugung von Brennstäben geschieht ja in Frankreich und Deutschland, das heißt die verschiedenen Fabriken sind in Frankreich und im Norden von NRW angesiedelt. Die Transportschritte finden getrennt statt, was bedeutet, dass das ganze Zeug ein paar Mal quer durch Europa gekarrt wird. [1]
Irgendwo am Zug kann man sogar Warnschilder entdecken...
Foto: Gegenstrom
Wo denn genau im Norden von NRW sind die Fabriken angesiedelt, und was wird da gemacht?
Ruth: Die beiden Fabriken befinden sich in Lingen und in Gronau, und aus der Urananreicherungsanlage in Gronau kam auch der Transport. Dort stehen unter anderem riesige Zentrifugen – so ähnliche, wie sie gerade im Iran heftigst kritisiert werden – denn auch in Gronau kann man mit leichten Modifikationen unheimlich gut Atombomben herstellen, was die Öffentlichkeitsarbeiter der Atomlobby immer wieder gerne vergessen machen wollen.
Wem gehört denn die Anlage in Gronau, wer ist daran beteiligt?
Ruth: Die Anlage gehört sehr vielen verschiedenen EignerInnen – unter anderem gehört dazu die British Nuclear Fuels [2]... Es sind verschiedene niederländische und deutsche Energieunternehmen daran beteiligt, unter anderem EON Kernkraft und RWE Power. Urananreicherungsanlagen gibt es nur sehr selten, und es ist eine sehr gute „Gelddruckmaschine“; man kann unheimlich viel Geld mit diesen Prozessen machen. Die Anlage in Gronau ist die einzige ihrer Art... Urananreicherungsanlagen im zivilen Bereich gibt es einfach nicht oft.
Wie wird denn das Uranhexafluorid normalerweise – so auch am 27.-28. April durch Köln – transportiert?
Sichtlich verärgert: Georg Blumen-
röhr | Foto: Christian Heinrici
Das ist ein absolutes Unding: Wir haben einen offenen Brief, der diese Problematik beleuchtet, an den Oberbürgermeister Schramma geschrieben und warten verzweifelt auf Antwort. Aber er hat es noch nicht einmal für nötig befunden, uns eine Eingangsbestätigung des Briefes zu schicken.
Wie entsteht Flusssäure genau?
Ruth: Flusssäure entsteht, wenn Uranhexafluorid mit Feuchtigkeit in Verbindung kommt. Uranhexafluorid wird gerne verwendet, weil es, ohne in den flüssigen Aggregatzustand zu gehen, vom festen in den gasförmigen übergeht – und das bei sehr niedrigen Temperaturen, also unter 100 Grad Celsius. Wenn bei einem Unfall Uranhexafluorid austräte, könnte bei „Umgebungsfeuchtigkeit“ oder im schlimmsten Fall bei Regen Flusssäure entstehen. In diesem Fall wäre nicht die Radioaktivität das Problem, sondern das stark Ätzende. Flusssäure führt zu Verätzungen der Lunge und Auflösung von Organen. Das kann man sich dann als „hübsches Horrorfilmszenario“ ausmalen.
Die Transporte führen vom Norden NRWs durch Nordrhein-Westfalen als eines der bevölkerungsdichtesten Bundesländer, außerdem durch den gesamten Ruhrpott, Düsseldorf, Köln, Bonn – in Rheinland-Pfalz ist es dann ja wieder ein bisschen dünner besiedelt – und dann weiter nach Frankreich. Und diese Transporte sind nicht „panzermäßig“ gesichert, sondern es sind Waggons, die in normalen Regelgüterzügen mitfahren...
Urantransport hält an Personenbahnhof – besondere Sicherung hauptsächlich gegen unliebsame Blicke | Foto: Gegenstrom
... was wird da noch befördert?
... Das kann von „Kinder-Qutietsche-Entchen“ bis zu Panzern, Waffen, Kerosin und Diesel gehen. Die Rheinschiene ist eine der am häufigsten genutzten Schienen zum Transport von Kraftstoffen...
Wenn es zu einem Unfall und einer Explosion käme, wäre es durchaus möglich, dass dort etwas austritt...?
Ruth: Diese Transporte fahren in Gegenden los, wo es überhaupt gar keine Oberleitung gibt. Das heißt, sie werden in sehr vielen Fällen von Diesel-Loks gezogen. Aber mit diesen hat man natürlich sehr viel Diesel und sehr viel Elektronik und somit etwas, das zu einem ordentlich Brand alle Voraussetzungen bietet.
Es hieß ja immer, dass „Rot-Grün“ für den Beginn des Ausstiegs aus der Atomwirtschaft gesorgt habe... Vielleicht könnten Sie noch auch noch einmal ein paar Hintergründe der politischen Diskussion und mögliche Alternativen aufzeigen?
Ruth: Der „Atomkonsens“ wurde von weiten Teilen der Anti-Atombewegung nicht wirklich als Konsens gesehen – denn das hieße, dass sich alle auf etwas einigen... Er wird im Allgemeinen nur „Atom-Verstromungsvertrag“ genannt, da die rot-grüne Regierung den Konzernen garantiert hatte, dass sie eine bestimmte Menge Atomstrom produzieren dürfen. Es gibt nichts rechtlich Bindendes für die Konzerne. Und besonders nach der Sicherheitshysterie in Folge des „11. Septembers“ wären beispielsweise Obrigheim und andere sehr alte Reaktoren wahrscheinlich abgeschaltet worden – weil die noch nicht einmal einen kleinen Hubschrauber ausgehalten hätten, der draufgedeppert wäre... Beim AKW Mülheim-Kärlich, das weltweit das erste war, das abgeschaltet wurde – wegen Bürgerbegehrens – wurde die Restlaufzeit einfach mit eingerechnet.
Obrigheim abgeschaltet – Sakralbau des 20. Jarhunderts | Foto: Felix Koenig
Mit solchen Aktionen, wie mit dem offenen Brief, glauben wir nicht, dass wir die Situation ändern werden... sondern wir wollen einfach darauf aufmerksam machen, dass dort etwas passiert. Wir hoffen auch, dass sich mehr Leute – eben auch niedrigschwellig – daran beteiligen. Wir wollen nicht, dass die Leute damit anfangen müssen, sich an die Schienen zu ketten. Eine der einfachsten Dinge, um wirklich etwas gegen Atomkraft zu unternehmen, ist den Stromvertrag zu wechseln – wobei wir dazu raten, genau zu gucken, ob die Betriebe wirklich keine Atomkraft verwenden.
Georg: Diese Behauptungen der Atomlobby, die von der Industrie bezahlt sind und die jetzt immer wieder kolportiert werden – zuletzt war es, glaube ich, der Herr Seehofer, der sich nicht lächerlich genug machen konnte... Es ist einfach so, dass es eine fette Lüge ist, man könne nicht aus der Atomenergie aussteigen, ohne dass die Lichter ausgehen. Selbst unser Umweltminister – das ist in einschlägigen Publikationen nachzulesen – sagt, dass man direkt aus der Atomenergie aussteigen kann, und es wird keine einzige Lampe dabei ausgehen.
Vielen Dank für dieses Interview!
Weitere Informationen auf
der Webseite der Kölner Gegenstrom gegen Atomanlagen
Online-Flyer Nr. 201 vom 10.06.2009