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Gespräch mit Bahman Nirumand – Teil 2
„Iran im Umbruch“
Von Peter Kleinert
Endloses Exil, hoffnungslose Hoffnung
Ich bin nach einem fünfjährigen Aufenthalt im Iran (von 1959 bis1964; Nirumand dozierte u.a. an der Teheraner Universität Vergleichende Literaturwissenschaften, die Red.) gezwungenermaßen nach Deutschland zurück gekommen. Ich habe hier im Exil gelebt und habe gemeinsam mit Freunden gegen das Regime gekämpft. Ich hoffte auf Veränderung, und diese Hoffnung hat Jahre, Jahrzehnte, gedauert, unendlich war die Zeit.
Endlich, völlig unerwartet, begann in Teheran ein Aufstand, das war Anfang 1978, und diese Proteste weiteten sich aus, und 1979 war es dann soweit- endlich, die Revolution.
Kurze Hoffnung, langer Schrecken
Bahman Nirumand
Quelle: www.museum-neukoelln.de
Ich bin kurz vor dem Sturz des Shah in den Iran gefahren, weil ich es nicht mehr aushielt, ich wollte die letzten Wochen der Revolution miterleben, eine Revolution, für die ich viel, viel Engagement gebracht hatte, und an deren Gestaltung sozusagen auch wir als Opposition im Ausland beteiligt waren.
Meine Hoffnungen waren groß. Ich dachte, nach dem Sturz dieser Diktatur, werden wir endlich die Freiheit haben, endlich eine freie, demokratische Gesellschaft, endlich wird dieses Land sich entwickeln können, Iran ist ja ein reiches Land, also waren alle Voraussetzungen dafür gegeben. Aber leider ist alles anders verlaufen, als ich mir vorgestellt habe. Aber noch lange war das nicht klar, welche Macht im Iran tatsächlich sich durchsetzen würde. Ich habe zum Beispiel gleich, als ich da war, gemeinsam mit Freunden eine Organisation gegründet; wir haben uns auf Mossadegh berufen - und wenn man sich vorstellt, daß bei unserer Gründungsversammlung über eine Million Menschen erschienen sind, dann bedeutete dies, daß noch gar nichts im Iran entschieden war. Denn wir waren erklärtermaßen in Opposition gegen die Macht der Geistlichkeit, wir waren für die Trennung von Religion und Staat.
Dunkle Zeit des Krieges und des Terrors
Die Entscheidung kam mit dem achtjährigen Krieg zwischen Iran und Irak. Und das werden die Iraner vermutlich niemals den Amerikanern, auch nicht den Europäern, verzeihen: daß sie Saddam Hussein bis an die Zähne bewaffnet haben mit modernsten Waffen und ihn losgeschickt haben auf den Iran. Das führte zu dem achtjährigen Krieg, der über eine Million Opfer auf beiden Seiten brachte, und das war die Entscheidung. Khomeini hat diesen Krieg ein "Geschenk des Himmels" genannt. Denn nun konnte die ganze Opposition mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Verteidigung des Landes völlig liquidiert werden. Jede Kritik wurde als Kollaboration mit dem Feind geahndet, bestraft, hart bestraft, es wurden Zehntausende hingerichtet, während dieser Zeit. Und das war eine ganz furchtbare Zeit, aber genau diese Zeit brauchte diese radikale Geistlichkeit, um die ganze islamische Ideologie, diese Märtyrerideologie und alles, durchzusetzen. Wäre dieser Krieg nicht gekommen, wäre wahrscheinlich die iranische Geschichte anders verlaufen.
Ausblick: Perspektive Zivilgesellschaft
Wie auch immer - nachdem der Krieg zu Ende war und Khomeini wenige Monate danach starb, begann das Volk, sich darüber Gedanken zu machen: Was ist mit uns passiert, was ist geschehen, wir haben eine Revolution gemacht, ist das das, was wir haben wollten, haben wir dafür soviele Opfer gebracht und so weiter. Und diese Fragestellungen haben dazu geführt, daß allmählich die iranische Zivilgesellschaft sich entwickeln konnte.
Wir haben also zwei parallele Gesellschaften im Iran jetzt: Eine Gesellschaft, das sind die Radikalen, die Geistlichen, die das Land beherrschen durch Macht und Waffen, und die andere Gesellschaft, das ist die überwiegende Mehrheit, das ist die iranische Zivilgesellschaft. Und die entwickelt sich immer weiter. Z. B. auch hat man es bei den Präsidentschaftswahlen gesehen, daß plötzlich Themen diskutiert werden, Themen von den Kandidaten behandelt werden, über die man niemals vorher gesprochen hat. Gerade zum Beispiel über Gleichberechtigung der Frauen. Und daß zum Beispiel der Kandidat Moussawi mit seiner Frau Hand in Hand die Bühne betritt bei jeder Wahlveranstaltung und zuerst die Frau redet und dann Moussawi, das ist ein Novum, und das ist zurückzuführen auf jahrelangen Kampf, den zum Beispiel iranische Frauen für Gleichberechtigung führen.
Es gibt keine „geschlossene Gesellschaft“
Ich glaube, Iran ist allmählich reif für Demokratie, obwohl dieses Bild, das die Medien hier in Deutschland oder überhaupt im Westen vermitteln, das ist so eine geschlossene Gesellschaft, das ist so taliban-artig, Iran ist sehr aggressiv und so weiter, das ist das Land nicht. Diesen Mullahs ist, obwohl sie soviel Macht haben, obwohl sie die Waffen in der Hand haben, nicht gelungen, aus dem Iran einen Gottesstaat zu machen. Iran ist trotz dieses islamischen Regimes im Vergleich zu anderen islamisch-arabischen Ländern heute das demokratischste Land (dieser Region) - trotz Wahlfälschungen, trotz vorheriger Auswahl durch den Wächterrat und so weiter. Daß überhaupt so ein Wahlkampf geführt wird, wo man im Fernsehen die Gegner gegeneinander diskutieren läßt, und die sagen sich schon einiges auf den Kopf, daß man so hart sich gegenseitig kritisiert, daß zum Beispiel die Wahlprogramme voll davon sind, daß wir die Menschenrechte akzeptieren müssen, daß wir die Pressefreiheit akzeptieren müssen, daß wir die Meinungsfreiheit akzeptieren müssen, daß wir die Gleichberechtigung akzeptieren müssen, all das ist der iranischen Zivilgesellschaft zu verdanken. Und meine ganze Hoffnung richtet sich auf diese Zivilgesellschaft. Ich denke, diese Entwicklung ist viel besser, das sage ich jetzt nach soviel Erfahrungen, viel besser als eine Revolution, weil die Revolution ist eine ganz einmalige Zäsur, und meistens, auch in anderen Ländern, haben wir erlebt, daß nach der Revolution wieder eine Diktatur an die Macht kommt. Aber so, wie die Fundamente durch die Verbreitung einer Zivilgesellschaft gelegt werden, das ist richtig. Und ich hoffe, daß wir eines Tages einmal soweit sind, daß wir im Iran eine offene und demokratische Gesellschaft haben. (PK)
Online-Flyer Nr. 203 vom 24.06.2009
Gespräch mit Bahman Nirumand – Teil 2
„Iran im Umbruch“
Von Peter Kleinert
Endloses Exil, hoffnungslose Hoffnung
Ich bin nach einem fünfjährigen Aufenthalt im Iran (von 1959 bis1964; Nirumand dozierte u.a. an der Teheraner Universität Vergleichende Literaturwissenschaften, die Red.) gezwungenermaßen nach Deutschland zurück gekommen. Ich habe hier im Exil gelebt und habe gemeinsam mit Freunden gegen das Regime gekämpft. Ich hoffte auf Veränderung, und diese Hoffnung hat Jahre, Jahrzehnte, gedauert, unendlich war die Zeit.
Endlich, völlig unerwartet, begann in Teheran ein Aufstand, das war Anfang 1978, und diese Proteste weiteten sich aus, und 1979 war es dann soweit- endlich, die Revolution.
Kurze Hoffnung, langer Schrecken
Bahman Nirumand
Quelle: www.museum-neukoelln.de
Meine Hoffnungen waren groß. Ich dachte, nach dem Sturz dieser Diktatur, werden wir endlich die Freiheit haben, endlich eine freie, demokratische Gesellschaft, endlich wird dieses Land sich entwickeln können, Iran ist ja ein reiches Land, also waren alle Voraussetzungen dafür gegeben. Aber leider ist alles anders verlaufen, als ich mir vorgestellt habe. Aber noch lange war das nicht klar, welche Macht im Iran tatsächlich sich durchsetzen würde. Ich habe zum Beispiel gleich, als ich da war, gemeinsam mit Freunden eine Organisation gegründet; wir haben uns auf Mossadegh berufen - und wenn man sich vorstellt, daß bei unserer Gründungsversammlung über eine Million Menschen erschienen sind, dann bedeutete dies, daß noch gar nichts im Iran entschieden war. Denn wir waren erklärtermaßen in Opposition gegen die Macht der Geistlichkeit, wir waren für die Trennung von Religion und Staat.
Dunkle Zeit des Krieges und des Terrors
Die Entscheidung kam mit dem achtjährigen Krieg zwischen Iran und Irak. Und das werden die Iraner vermutlich niemals den Amerikanern, auch nicht den Europäern, verzeihen: daß sie Saddam Hussein bis an die Zähne bewaffnet haben mit modernsten Waffen und ihn losgeschickt haben auf den Iran. Das führte zu dem achtjährigen Krieg, der über eine Million Opfer auf beiden Seiten brachte, und das war die Entscheidung. Khomeini hat diesen Krieg ein "Geschenk des Himmels" genannt. Denn nun konnte die ganze Opposition mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Verteidigung des Landes völlig liquidiert werden. Jede Kritik wurde als Kollaboration mit dem Feind geahndet, bestraft, hart bestraft, es wurden Zehntausende hingerichtet, während dieser Zeit. Und das war eine ganz furchtbare Zeit, aber genau diese Zeit brauchte diese radikale Geistlichkeit, um die ganze islamische Ideologie, diese Märtyrerideologie und alles, durchzusetzen. Wäre dieser Krieg nicht gekommen, wäre wahrscheinlich die iranische Geschichte anders verlaufen.
Ausblick: Perspektive Zivilgesellschaft
Wie auch immer - nachdem der Krieg zu Ende war und Khomeini wenige Monate danach starb, begann das Volk, sich darüber Gedanken zu machen: Was ist mit uns passiert, was ist geschehen, wir haben eine Revolution gemacht, ist das das, was wir haben wollten, haben wir dafür soviele Opfer gebracht und so weiter. Und diese Fragestellungen haben dazu geführt, daß allmählich die iranische Zivilgesellschaft sich entwickeln konnte.
Wir haben also zwei parallele Gesellschaften im Iran jetzt: Eine Gesellschaft, das sind die Radikalen, die Geistlichen, die das Land beherrschen durch Macht und Waffen, und die andere Gesellschaft, das ist die überwiegende Mehrheit, das ist die iranische Zivilgesellschaft. Und die entwickelt sich immer weiter. Z. B. auch hat man es bei den Präsidentschaftswahlen gesehen, daß plötzlich Themen diskutiert werden, Themen von den Kandidaten behandelt werden, über die man niemals vorher gesprochen hat. Gerade zum Beispiel über Gleichberechtigung der Frauen. Und daß zum Beispiel der Kandidat Moussawi mit seiner Frau Hand in Hand die Bühne betritt bei jeder Wahlveranstaltung und zuerst die Frau redet und dann Moussawi, das ist ein Novum, und das ist zurückzuführen auf jahrelangen Kampf, den zum Beispiel iranische Frauen für Gleichberechtigung führen.
Es gibt keine „geschlossene Gesellschaft“
Ich glaube, Iran ist allmählich reif für Demokratie, obwohl dieses Bild, das die Medien hier in Deutschland oder überhaupt im Westen vermitteln, das ist so eine geschlossene Gesellschaft, das ist so taliban-artig, Iran ist sehr aggressiv und so weiter, das ist das Land nicht. Diesen Mullahs ist, obwohl sie soviel Macht haben, obwohl sie die Waffen in der Hand haben, nicht gelungen, aus dem Iran einen Gottesstaat zu machen. Iran ist trotz dieses islamischen Regimes im Vergleich zu anderen islamisch-arabischen Ländern heute das demokratischste Land (dieser Region) - trotz Wahlfälschungen, trotz vorheriger Auswahl durch den Wächterrat und so weiter. Daß überhaupt so ein Wahlkampf geführt wird, wo man im Fernsehen die Gegner gegeneinander diskutieren läßt, und die sagen sich schon einiges auf den Kopf, daß man so hart sich gegenseitig kritisiert, daß zum Beispiel die Wahlprogramme voll davon sind, daß wir die Menschenrechte akzeptieren müssen, daß wir die Pressefreiheit akzeptieren müssen, daß wir die Meinungsfreiheit akzeptieren müssen, daß wir die Gleichberechtigung akzeptieren müssen, all das ist der iranischen Zivilgesellschaft zu verdanken. Und meine ganze Hoffnung richtet sich auf diese Zivilgesellschaft. Ich denke, diese Entwicklung ist viel besser, das sage ich jetzt nach soviel Erfahrungen, viel besser als eine Revolution, weil die Revolution ist eine ganz einmalige Zäsur, und meistens, auch in anderen Ländern, haben wir erlebt, daß nach der Revolution wieder eine Diktatur an die Macht kommt. Aber so, wie die Fundamente durch die Verbreitung einer Zivilgesellschaft gelegt werden, das ist richtig. Und ich hoffe, daß wir eines Tages einmal soweit sind, daß wir im Iran eine offene und demokratische Gesellschaft haben. (PK)
Online-Flyer Nr. 203 vom 24.06.2009