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Inland
Berlin soll Web 2.0-Foren für "professionelle politische Kampagnen" nutzen
Cyber Mobilization
Von Hans Georg
Professionelle Kampagnen
Wie die Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ("Internationale Politik") in ihrer aktuellen Ausgabe schreibt, lassen sich Web 2.0-Foren wie Facebook, MySpace, YouTube oder Twitter für "professionelle politische Kampagnen" einsetzen. Insbesondere in den Ländern der sogenannten Dritten Welt entfalteten die neuartigen Kommunikationsmedien "eine beeindruckende Wirkung", heißt es. Als Beispiele werden via Facebook organisierte Protestaktionen gegen die Regierungen des Iran, Zimbabwes und Ägyptens angeführt, aber auch Mobilisierungen gegen die marxistische Guerillabewegung FARC in Kolumbien. Konkret genannt werden die iranische Präsidentschaftswahl 2009 und die Wahlen in Zimbabwe 2008.[1]
Werkzeug für Krisenregionen
Wie die "Internationale Politik" weiter ausführt, müsse man die genannten Internetplattformen als "Werkzeug" für "die ins Ausland gerichtete Public Diplomacy" nutzen. Insbesondere aus Menschen, die in den "Krisenregionen" der Welt lebten, könne man auf diese Weise "aktive Akteure" im Sinne der deutschen Außenpolitik machen. Die Bevölkerungen fremder Staaten ließen sich nicht nur als Aktivisten nutzen, sondern auch als Zuträger strategisch relevanter Informationen, heißt es: Das in den "Web 2.0-Communities" weltweit akkumulierte "kreative Potenzial" lasse sich nicht nur von transnational agierenden Unternehmen, sondern auch von der deutschen Politik gewinnbringend "abschöpfen".[2]
Böse Jungs
Während die Zeitschrift die neuartigen Kommunikationsmedien als "Instrumente" einer von Berlin erwünschten "Rebellion" gegen anti-westliche Regimes preist, warnt sie zugleich vor den Gefahren unerwünschter Massenmobilisierung via Internet ("Cyber Mobilization"). "Die 'bösen Jungs' wie Terroristen und Extremisten jeglicher Couleur gebrauchen doch dieselbe Technologie, vernetzen sich per Internet oder gründen Hassgruppen auf Facebook", erklärt eine Mitarbeiterin der "European Foundation for Democracy" (Bruxelles) im Interview: "Sie sind oft sogar noch geschickter im Umgang mit der Technik als die so genannten 'westlich orientierten Leute', die ihrem Unbehagen jetzt per Twitter oder Facebook Ausdruck geben". Ihrer Auffassung nach beinhaltet das Internet zwar die "Möglichkeit einer offenen Auseinandersetzung", stellt aber gleichzeitig ein "Instrument der Verführbarkeit" dar.[3]
Extremisten
Diese Argumentation wird von mehreren Autoren der "Internationalen Politik" aufgegriffen. Wie der US-amerikanische Politikwissenschaftler Jakub Grygiel ausführt, erlaube das "Phänomen" der "Cyber Mobilization" eine "schnelle Entstehung von Gruppen mit umfassender Reichweite", die das Potenzial besäßen, "großen Schaden anzurichten". "Der Staat mit seiner ausgeprägten logistischen Infrastruktur und Managementfähigkeit", schreibt Grygiel, werde "durch diese Netzwerkgruppen nicht nur bedroht", sondern sei "auch nicht in der Lage, sie zu kontrollieren". "Gruppierungen mit radikalen politischen Forderungen" könnten sich per "Cyber Mobilization" mit Organisationen und Menschen vernetzen, die ansonsten "ein Randphänomen ihrer jeweiligen Gesellschaft geblieben wären": "Technologie verleiht einer völlig disparaten Mischung von Gruppen und Personen Macht, die früher irrelevant waren. Im virtuellen Raum finden auch extremistische Minderheiten die Möglichkeit, ihren Interessen und politischen Passionen Ausdruck zu verleihen."[4]
Kontersubversion
Grygiel entwickelt deshalb Strategien, die die beschriebene Entwicklung kontern sollen. Seiner Auffassung nach lassen sich Kommunikationsmittel, die von anti-westlichen "Extremisten" wie etwa den Aufständischen im Irak genutzt werden, auch gegen diese selbst einsetzen: "Der lockere Zusammenschluss dieser Gruppen macht sie verwundbar für Subversion durch geschickte Propaganda oder Unterwanderung." Eine "Strategie der Kontersubversion" müsse auch beinhalten, staatliche "Verteidigungsmethoden" gemäß dem Vorbild der Insurgenten zu "dezentralisieren" - selbst auf die Gefahr hin, damit das staatliche "Gewaltmonopol zu unterminieren".[5]
Massenpropaganda
Zwei andere Autoren der "Internationalen Politik" erklären, der "virtuelle Raum" müsse in den Dienst der deutschen Kriegspolitik gestellt werden. Es sei an der Zeit, eine "professionell betriebene Web 2.0-Plattform" zu entwickeln, um dem außen- und militärpolitischen Establishment Berlins - der "seit langem beschworenen Strategic Community" - "eine zentrale Anlaufstelle zu bieten", erklären die PR-Berater Johannes Bohnen und Jan-Friedrich Kallmorgen in ihrem Beitrag für die aktuelle Ausgabe des Blattes. Zudem müsse man eine "professionelle Kommunikationskampagne" lancieren. Deren Ziel soll es sein, den Nutzern von Internetforen die angebliche Notwendigkeit der "Out-of-Area-Einsätze" der Bundeswehr zu vermitteln.[6] (PK)
[1], [2] Johannes Bohnen, Jan-Friedrich Kallmorgen: Wie Web 2.0. die Politik verändert. Internationale Politik, Juli/August 2009
[3] "Dissens mit dem Dogma". Internationale Politik, Juli/August 2009
[4], [5] Jakub Grygiel: Der Reiz der Staatenlosigkeit. Internationale Politik, Juli/August 2009
[6] Johannes Bohnen, Jan-Friedrich Kallmorgen: Wie Web 2.0. die Politik verändert. Internationale Politik, Juli/August 2009
Dieser Beitrag erschien zuerst bei www.german-foreign-policy.com/de
Online-Flyer Nr. 206 vom 15.07.2009
Berlin soll Web 2.0-Foren für "professionelle politische Kampagnen" nutzen
Cyber Mobilization
Von Hans Georg
Professionelle Kampagnen
Wie die Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ("Internationale Politik") in ihrer aktuellen Ausgabe schreibt, lassen sich Web 2.0-Foren wie Facebook, MySpace, YouTube oder Twitter für "professionelle politische Kampagnen" einsetzen. Insbesondere in den Ländern der sogenannten Dritten Welt entfalteten die neuartigen Kommunikationsmedien "eine beeindruckende Wirkung", heißt es. Als Beispiele werden via Facebook organisierte Protestaktionen gegen die Regierungen des Iran, Zimbabwes und Ägyptens angeführt, aber auch Mobilisierungen gegen die marxistische Guerillabewegung FARC in Kolumbien. Konkret genannt werden die iranische Präsidentschaftswahl 2009 und die Wahlen in Zimbabwe 2008.[1]
Werkzeug für Krisenregionen
Wie die "Internationale Politik" weiter ausführt, müsse man die genannten Internetplattformen als "Werkzeug" für "die ins Ausland gerichtete Public Diplomacy" nutzen. Insbesondere aus Menschen, die in den "Krisenregionen" der Welt lebten, könne man auf diese Weise "aktive Akteure" im Sinne der deutschen Außenpolitik machen. Die Bevölkerungen fremder Staaten ließen sich nicht nur als Aktivisten nutzen, sondern auch als Zuträger strategisch relevanter Informationen, heißt es: Das in den "Web 2.0-Communities" weltweit akkumulierte "kreative Potenzial" lasse sich nicht nur von transnational agierenden Unternehmen, sondern auch von der deutschen Politik gewinnbringend "abschöpfen".[2]
Böse Jungs
Während die Zeitschrift die neuartigen Kommunikationsmedien als "Instrumente" einer von Berlin erwünschten "Rebellion" gegen anti-westliche Regimes preist, warnt sie zugleich vor den Gefahren unerwünschter Massenmobilisierung via Internet ("Cyber Mobilization"). "Die 'bösen Jungs' wie Terroristen und Extremisten jeglicher Couleur gebrauchen doch dieselbe Technologie, vernetzen sich per Internet oder gründen Hassgruppen auf Facebook", erklärt eine Mitarbeiterin der "European Foundation for Democracy" (Bruxelles) im Interview: "Sie sind oft sogar noch geschickter im Umgang mit der Technik als die so genannten 'westlich orientierten Leute', die ihrem Unbehagen jetzt per Twitter oder Facebook Ausdruck geben". Ihrer Auffassung nach beinhaltet das Internet zwar die "Möglichkeit einer offenen Auseinandersetzung", stellt aber gleichzeitig ein "Instrument der Verführbarkeit" dar.[3]
Extremisten
Diese Argumentation wird von mehreren Autoren der "Internationalen Politik" aufgegriffen. Wie der US-amerikanische Politikwissenschaftler Jakub Grygiel ausführt, erlaube das "Phänomen" der "Cyber Mobilization" eine "schnelle Entstehung von Gruppen mit umfassender Reichweite", die das Potenzial besäßen, "großen Schaden anzurichten". "Der Staat mit seiner ausgeprägten logistischen Infrastruktur und Managementfähigkeit", schreibt Grygiel, werde "durch diese Netzwerkgruppen nicht nur bedroht", sondern sei "auch nicht in der Lage, sie zu kontrollieren". "Gruppierungen mit radikalen politischen Forderungen" könnten sich per "Cyber Mobilization" mit Organisationen und Menschen vernetzen, die ansonsten "ein Randphänomen ihrer jeweiligen Gesellschaft geblieben wären": "Technologie verleiht einer völlig disparaten Mischung von Gruppen und Personen Macht, die früher irrelevant waren. Im virtuellen Raum finden auch extremistische Minderheiten die Möglichkeit, ihren Interessen und politischen Passionen Ausdruck zu verleihen."[4]
Kontersubversion
Grygiel entwickelt deshalb Strategien, die die beschriebene Entwicklung kontern sollen. Seiner Auffassung nach lassen sich Kommunikationsmittel, die von anti-westlichen "Extremisten" wie etwa den Aufständischen im Irak genutzt werden, auch gegen diese selbst einsetzen: "Der lockere Zusammenschluss dieser Gruppen macht sie verwundbar für Subversion durch geschickte Propaganda oder Unterwanderung." Eine "Strategie der Kontersubversion" müsse auch beinhalten, staatliche "Verteidigungsmethoden" gemäß dem Vorbild der Insurgenten zu "dezentralisieren" - selbst auf die Gefahr hin, damit das staatliche "Gewaltmonopol zu unterminieren".[5]
Massenpropaganda
Zwei andere Autoren der "Internationalen Politik" erklären, der "virtuelle Raum" müsse in den Dienst der deutschen Kriegspolitik gestellt werden. Es sei an der Zeit, eine "professionell betriebene Web 2.0-Plattform" zu entwickeln, um dem außen- und militärpolitischen Establishment Berlins - der "seit langem beschworenen Strategic Community" - "eine zentrale Anlaufstelle zu bieten", erklären die PR-Berater Johannes Bohnen und Jan-Friedrich Kallmorgen in ihrem Beitrag für die aktuelle Ausgabe des Blattes. Zudem müsse man eine "professionelle Kommunikationskampagne" lancieren. Deren Ziel soll es sein, den Nutzern von Internetforen die angebliche Notwendigkeit der "Out-of-Area-Einsätze" der Bundeswehr zu vermitteln.[6] (PK)
[1], [2] Johannes Bohnen, Jan-Friedrich Kallmorgen: Wie Web 2.0. die Politik verändert. Internationale Politik, Juli/August 2009
[3] "Dissens mit dem Dogma". Internationale Politik, Juli/August 2009
[4], [5] Jakub Grygiel: Der Reiz der Staatenlosigkeit. Internationale Politik, Juli/August 2009
[6] Johannes Bohnen, Jan-Friedrich Kallmorgen: Wie Web 2.0. die Politik verändert. Internationale Politik, Juli/August 2009
Dieser Beitrag erschien zuerst bei www.german-foreign-policy.com/de
Online-Flyer Nr. 206 vom 15.07.2009