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Inland
Interview über gefährliche Nuklearwaffen der Luftwaffe in Büchel (Südeifel)
Der „Taurus“ in der Eifel
Von Christian Heinrici
Saftige grüne Wiesen, sanfte Hügel, und wie anderswo stehen auch hier ein paar Pferde auf der grünen Weide: Eine ganze Region, tief im Westen Deutschlands, im Landkreis Cochem-Zell schlummert vor sich hin. Ab und zu startet ein Tiefflieger und stört die sommerliche Idylle – doch nur kurz, bevor man wieder in geistigen Tiefschlaf versinkt – ob nun aus Bequemlichkeit oder Bestechlichkeit, denn das Jagdbombergeschwader 33 auf dem Luftwaffen-Fliegerhorst bei Büchel sei „ein wichtiger Arbeitgeber“, wie es heißt.
Ehemaliger „Kommodore“ von Roeder mit MdB Peter Bleser
(CDU), MdL Heike Raab (SPD) beim fröhlichen Umtrunk 2006
(„Aschermittwochstreff“ 2006) Quelle: Luftwaffe/Bildstelle Jabo33
Die ganze Region ist eingeschläfert? Nicht ganz. Auf der Wiese des Bio-Obstbauern bei Alflen, in unmittelbarer Nähe des Bundeswehrstandorts, regt sich etwas: Protest! Für vier Wochen ist dort, nun zum zweiten Mal, ein „Gaaallisches Dorf“ entstanden. Das ist kein Tippfehler, denn „GAAA“ steht für „Gewaltfreie Aktion Atomwaffen abschaffen“. Marion Küpker und Carsten Orth von der GAAA haben neben anderen Friedensaktivisten das Camp organisatorisch und logistisch aufgebaut – aus triftigem Grund:
Sommerpostkarte vom Camp bei Büchel – nur Schafe bleiben draußen...
Was können Sie uns über den Fliegerhorst Büchel und die dort lagernden sogenannten letzten Atombomben in Deutschland berichten?
Carsten Orth: Strenggenommen handelt es sich um US-Atomwaffen, die auf dem Luftwaffenflugplatz in Büchel liegen und im Rahmen der nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO von deutschen Piloten mit deutschen Flugzeugen im Ernstfall abgeworfen werden sollen – was gegen sämtliches Recht verstößt, gegen das Völkerrecht, gegen das Grundgesetz und auch dem Atomwaffensperrvertrag...
Manche nennen die Atomwaffen in Büchel „veraltet“, sie können „nur“ von Tornado-Flugzeugen abgeworfen werden...
Abendstimmung im „Gaaallischen Dorf“: Orth
und Küpker | Foto: Sven Schumacher
Marion Küpker: Es geht einerseits um die B-61 Atomsprengköpfe, die noch aus dem Kalten Krieg vorhanden sind – sie haben mindestens die zehnfache Sprengkraft der Hiroshimabombe. „Veraltet“ wäre zu viel gesagt, denn sie werden natürlich regelmäßig gewartet und sind einsatzbereit. Aber die Frage ist, welchen Nutzen sie denn noch mit solch einer großen Sprengkraft in einem Krieg hätten. Die Tendenz geht ja vielmehr in Richtung sogenannter Mini-Nukes, die man auch leichter regional einsetzen kann, mit dem Ziel die globalen Auswirkungen zu minimieren: Man will ja nicht gleich die ganze Welt zerstören...
Auf der anderen Seite wissen wir, dass jetzt hier unter anderem auch „Taurus-Marschflugkörper“ stationiert sind.[1] Das ist eine sehr neue Produktion eines deutsch-schwedischen Konzerns.[2] Diese Marschflugkörper können von den hiesigen Tornados aus abgeschossen werden und dann sattelitengesteuert bis zu 500 Kilometern weiterfliegen – und dies möglichst unter feindlichem Radar hindurch. Dann können sie dort, wo sie einschlagen sollen, in einem „High-Pop-Up-Manöver“ hochfliegen, um dann tief in die Erde einzudringen.
Man will damit gegnerische Militäranlagen treffen, Bunker, die teilweise in der Erde liegen. Diese Marschflugkörper können vier Meter dicken Stahlbeton durchschlagen. (...) Ich gehe davon aus, dass die 600 „Taurus-Marschflugkörper“, die für Deutschland produziert wurden, jeweils eine Vierteltonne Uran enthalten.
Taurus-Marschflugkörper in Büchel: Strammstehen für ein Rindvieh
Quelle: Luftwaffe, Foto: Ingo Bicker
Wie kann man sich die Folgen für Menschen und Umwelt nach dem Einsatz solcher Waffen vorstellen?
Marion Küpker: In dem Moment, in dem diese Marschflugkörper irgendwo tief in der Erde explodieren, ist natürlich das dortige Personal betroffen – das verbrennt sofort. In der direkten Umgebung und unter der Erde, sind die Auswirkungen natürlich wahrscheinlich nicht so groß wie oberhalb, doch zusätzlich dadurch dass sämtliches (uranhaltiges) Material zu Nano-Partikeln verbrennt, sind sie natürlich auch über den Wind leicht transportierbar.
Man weiß von den Kriegen in Jugoslawien, in Afghanistan und im Irak, dass dort sehr viele Krebserkrankungen aufgetreten sind, die mit dem Einsatz uranhaltiger Waffen in Zusammenhang gebracht werden, sehr viele Fehlbildungen bei Neugeborenen durch genetische Veränderungen hervorgerufen durch radioaktive Partikel, die sich über die Nahrung und die Umwelt auf den Menschen auswirken...
Es gibt ganz klar das Ziel der Luftwaffe, gemeinsam mit den USA innerhalb der NATO den Einsatz der Taurus-Marschflugkörper möglich zu machen, und zwar mit Hilfe des US-„Raketenabwehrschilds“, das in Tschechien und Polen errichtet werden soll. Und dort, wo strategisch überlegt wird, wie ein nuklearer Erstschlag „führbar“ gemacht werden kann (nukleare Erstschlagsfähigkeit ist NATO-Doktrin), kann in dem Sinne auch die Bundeswehr mit herangezogen werden.
Carsten Orth: Die Taurus-Marschflugkörper sind auch ganz offiziell eine Angriffswaffe!
Somit würde das angebliche „Raketenabwehrschild“ eben nicht nur zur Verteidigung genutzt werden...
Marion Küpker: Die Überlegung, die dahintersteckt, ist, dass man beispielsweise Russland angreift, und wenn man dann von dort aus Raketen sozusagen „zurückschicken will“, in diesem Moment noch rechtzeitig die Logistik hat, von Tschechien, von Polen aber auch vom deutschen Boden aus Raketen abschießen zu können, die die gegnerischen entweder noch in ihren Silos oder eben in der Luft, aber auf „feindlichem“ Territorium abfangen können.[3]
Der russische Präsident Medwedew mit Interkontinentalrakete im Jahre 2008
Quelle: Presseamt des Russischen Präsidenten
In diesem Zusammenhang sind natürlich auch die Abrüstungsverhandlungen Obamas mit dem russischen Präsidenten Medwedew interessant: Nur eine sehr geringe Anzahl Atomsprengköpfe sollen reduziert werden, genau genommen weniger als die, die Bush Senior und Junior in ihren eigenen Amtsperioden abgerüstet haben. Für die USA ist es schon wichtig, dass Russland seine Atomwaffen noch weiter reduziert – nicht in Richtung Nulllösung, aber in dem Maße, dass das „Raketenabwehrschild“ eben alle noch anfangen kann...
Die Folgen eines Atomkriegs sollten eigentlich längst allen Menschen klar sein, und somit gibt es zweifellos überzeugende Gründe, am 9. August, dem Jahrestag des Abwurfs der Atombombe auf Nagasaki, am Fliegerhorst Büchel zu demonstrieren.
Weitere Informationen:
auf der Webseite der GAAA
www.atomwaffenfrei.de mit dem Aufruf zum Protest am 8. zu „Rock gegen Atomwaffen“ und am 9. August zu „Friedensmarkt“, „Wege des Friedens“ und zur Kundgebung nach Büchel zu kommen.
(CH)
Online-Flyer Nr. 208 vom 29.07.2009
Interview über gefährliche Nuklearwaffen der Luftwaffe in Büchel (Südeifel)
Der „Taurus“ in der Eifel
Von Christian Heinrici
Saftige grüne Wiesen, sanfte Hügel, und wie anderswo stehen auch hier ein paar Pferde auf der grünen Weide: Eine ganze Region, tief im Westen Deutschlands, im Landkreis Cochem-Zell schlummert vor sich hin. Ab und zu startet ein Tiefflieger und stört die sommerliche Idylle – doch nur kurz, bevor man wieder in geistigen Tiefschlaf versinkt – ob nun aus Bequemlichkeit oder Bestechlichkeit, denn das Jagdbombergeschwader 33 auf dem Luftwaffen-Fliegerhorst bei Büchel sei „ein wichtiger Arbeitgeber“, wie es heißt.
Ehemaliger „Kommodore“ von Roeder mit MdB Peter Bleser
(CDU), MdL Heike Raab (SPD) beim fröhlichen Umtrunk 2006
(„Aschermittwochstreff“ 2006) Quelle: Luftwaffe/Bildstelle Jabo33
Die ganze Region ist eingeschläfert? Nicht ganz. Auf der Wiese des Bio-Obstbauern bei Alflen, in unmittelbarer Nähe des Bundeswehrstandorts, regt sich etwas: Protest! Für vier Wochen ist dort, nun zum zweiten Mal, ein „Gaaallisches Dorf“ entstanden. Das ist kein Tippfehler, denn „GAAA“ steht für „Gewaltfreie Aktion Atomwaffen abschaffen“. Marion Küpker und Carsten Orth von der GAAA haben neben anderen Friedensaktivisten das Camp organisatorisch und logistisch aufgebaut – aus triftigem Grund:
Sommerpostkarte vom Camp bei Büchel – nur Schafe bleiben draußen...
Was können Sie uns über den Fliegerhorst Büchel und die dort lagernden sogenannten letzten Atombomben in Deutschland berichten?
Carsten Orth: Strenggenommen handelt es sich um US-Atomwaffen, die auf dem Luftwaffenflugplatz in Büchel liegen und im Rahmen der nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO von deutschen Piloten mit deutschen Flugzeugen im Ernstfall abgeworfen werden sollen – was gegen sämtliches Recht verstößt, gegen das Völkerrecht, gegen das Grundgesetz und auch dem Atomwaffensperrvertrag...
Manche nennen die Atomwaffen in Büchel „veraltet“, sie können „nur“ von Tornado-Flugzeugen abgeworfen werden...
Abendstimmung im „Gaaallischen Dorf“: Orth
und Küpker | Foto: Sven Schumacher
Auf der anderen Seite wissen wir, dass jetzt hier unter anderem auch „Taurus-Marschflugkörper“ stationiert sind.[1] Das ist eine sehr neue Produktion eines deutsch-schwedischen Konzerns.[2] Diese Marschflugkörper können von den hiesigen Tornados aus abgeschossen werden und dann sattelitengesteuert bis zu 500 Kilometern weiterfliegen – und dies möglichst unter feindlichem Radar hindurch. Dann können sie dort, wo sie einschlagen sollen, in einem „High-Pop-Up-Manöver“ hochfliegen, um dann tief in die Erde einzudringen.
Man will damit gegnerische Militäranlagen treffen, Bunker, die teilweise in der Erde liegen. Diese Marschflugkörper können vier Meter dicken Stahlbeton durchschlagen. (...) Ich gehe davon aus, dass die 600 „Taurus-Marschflugkörper“, die für Deutschland produziert wurden, jeweils eine Vierteltonne Uran enthalten.
Taurus-Marschflugkörper in Büchel: Strammstehen für ein Rindvieh
Quelle: Luftwaffe, Foto: Ingo Bicker
Wie kann man sich die Folgen für Menschen und Umwelt nach dem Einsatz solcher Waffen vorstellen?
Marion Küpker: In dem Moment, in dem diese Marschflugkörper irgendwo tief in der Erde explodieren, ist natürlich das dortige Personal betroffen – das verbrennt sofort. In der direkten Umgebung und unter der Erde, sind die Auswirkungen natürlich wahrscheinlich nicht so groß wie oberhalb, doch zusätzlich dadurch dass sämtliches (uranhaltiges) Material zu Nano-Partikeln verbrennt, sind sie natürlich auch über den Wind leicht transportierbar.
Man weiß von den Kriegen in Jugoslawien, in Afghanistan und im Irak, dass dort sehr viele Krebserkrankungen aufgetreten sind, die mit dem Einsatz uranhaltiger Waffen in Zusammenhang gebracht werden, sehr viele Fehlbildungen bei Neugeborenen durch genetische Veränderungen hervorgerufen durch radioaktive Partikel, die sich über die Nahrung und die Umwelt auf den Menschen auswirken...
Es gibt ganz klar das Ziel der Luftwaffe, gemeinsam mit den USA innerhalb der NATO den Einsatz der Taurus-Marschflugkörper möglich zu machen, und zwar mit Hilfe des US-„Raketenabwehrschilds“, das in Tschechien und Polen errichtet werden soll. Und dort, wo strategisch überlegt wird, wie ein nuklearer Erstschlag „führbar“ gemacht werden kann (nukleare Erstschlagsfähigkeit ist NATO-Doktrin), kann in dem Sinne auch die Bundeswehr mit herangezogen werden.
Carsten Orth: Die Taurus-Marschflugkörper sind auch ganz offiziell eine Angriffswaffe!
Somit würde das angebliche „Raketenabwehrschild“ eben nicht nur zur Verteidigung genutzt werden...
Marion Küpker: Die Überlegung, die dahintersteckt, ist, dass man beispielsweise Russland angreift, und wenn man dann von dort aus Raketen sozusagen „zurückschicken will“, in diesem Moment noch rechtzeitig die Logistik hat, von Tschechien, von Polen aber auch vom deutschen Boden aus Raketen abschießen zu können, die die gegnerischen entweder noch in ihren Silos oder eben in der Luft, aber auf „feindlichem“ Territorium abfangen können.[3]
Der russische Präsident Medwedew mit Interkontinentalrakete im Jahre 2008
Quelle: Presseamt des Russischen Präsidenten
In diesem Zusammenhang sind natürlich auch die Abrüstungsverhandlungen Obamas mit dem russischen Präsidenten Medwedew interessant: Nur eine sehr geringe Anzahl Atomsprengköpfe sollen reduziert werden, genau genommen weniger als die, die Bush Senior und Junior in ihren eigenen Amtsperioden abgerüstet haben. Für die USA ist es schon wichtig, dass Russland seine Atomwaffen noch weiter reduziert – nicht in Richtung Nulllösung, aber in dem Maße, dass das „Raketenabwehrschild“ eben alle noch anfangen kann...
Die Folgen eines Atomkriegs sollten eigentlich längst allen Menschen klar sein, und somit gibt es zweifellos überzeugende Gründe, am 9. August, dem Jahrestag des Abwurfs der Atombombe auf Nagasaki, am Fliegerhorst Büchel zu demonstrieren.
Weitere Informationen:
auf der Webseite der GAAA
www.atomwaffenfrei.de mit dem Aufruf zum Protest am 8. zu „Rock gegen Atomwaffen“ und am 9. August zu „Friedensmarkt“, „Wege des Friedens“ und zur Kundgebung nach Büchel zu kommen.
(CH)
Online-Flyer Nr. 208 vom 29.07.2009