Bezirksregierung Münster folgt BUND-Ultimatum für Datteln
Baustopp für E.On Kohlekraftwerk
Von Peter Kleinert
Kritik an Landesregierung
Die Unweltorganisation hatte unmittelbar nach der Veröffentlichung der schriftlichen Urteilsbegründung des Oberverwaltungsgerichts Münster zum geplanten E.On-Kraftwerk in Datteln die Bezirksregierung Münster und die E.On-Kraftwerke GmbH selbst aufgefordert, bis 14.00 Uhr die Bauarbeiten einzustellen. Das Ultimatum bezog sich auf eine vom BUND am Montag beim Oberverwaltungsgericht Münster eingereichte Klageerweiterung. Dieser kam unmittelbar eine aufschiebende Wirkung im Hinblick auf den Weiterbau der oben erwähnten wichtigen Kraftwerkskomponenten zu. Würde der Aufforderung nicht nachgekommen, wollte der BUND noch heute den Baustopp gerichtlich erzwingen. Darüber hinaus kritisierte der BUND massiv die Landesregierung. Umweltminister Uhlenberg und Energieministerin Thoben würden den Kraftwerks-Schwarzbau trotz des eindeutigen Urteils noch immer verteidigen.
E.On-Kraftwerk-Baustelle Datteln
Quelle: http://www.eon-kraftwerke.com/
"Kraftwerks-Schwarzbau"
Paul Kröfges, BUND-Landesvorsitzender: „Das OVG-Urteil lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Es attestiert dem Kraftwerks-Schwarzbau massive Verstöße gegen bindende Vorgaben der Landesplanung, des Naturschutzrechts, der Eindämmung des Flächenverbrauchs und Vorgaben zum Schutz der Bevölkerung. Es räumt auch mit dem von der Landesregierung gebetsmühlenhaft wiederholten Märchen auf, das Kraftwerk leiste einen Beitrag zum Klimaschutz. Das Gegenteil ist der Fall: Die Realisierung des Kraftwerks wäre unweigerlich mit einem enormen Mehrausstoß des Klimakillers Kohlendioxid verbunden. Zudem attestieren die Richter dem Kraftwerk, gegen die im Landesentwicklungsprogramm festgelegte Bevorzugung einheimischer und regenerativer Energieträger zu verstoßen. Die Landesregierung muss jetzt für diesen Kraftwerks-Schwarzbau die politische Verantwortung zu übernehmen.“
2007 erste Klage
Der BUND hatte schon seit 2005 in zahlreichen Einwendungen detailliert auf die massiven Rechtsverstöße des Vorhabens hingewiesen. Bereits im Februar 2007 hatte der Umweltverband Klage gegen die Kraftwerksgenehmigung eingereicht. Nach der Aufhebung des Bebauungsplans reichte der BUND am 7. September einen Baustopp-Antrag in Bezug auf den immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid und die 1. Teilgenehmigung ein. Dieser wurde in dieser Woche auf die 3. bis 5. Teilgenehmigung ausgedehnt. Aus der Aufhebung des Bebauungsplans ergibt sich als unmittelbare Konsequenz die Rechtswidrigkeit aller immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen.
Hoffnung auch für Köln und Krefeld
Rechtsanwalt Dirk Teßmer: „Das Oberverwaltungsgericht hat sein Urteil mit der ausführlichen Begründung in jede Richtung abgesichert. Die festgestellten Planungsmängel sind so gravierend und tiefgreifend, dass eine spätere Heilung praktisch ausgeschlossen ist.“ Das OVG habe in seiner Urteilsbegründung unzweideutig festgestellt, dass der vorgesehene Standort für ein Steinkohlekraftwerk nicht in Frage kommt. Als einziger Ausweg bleibe deshalb der von E.On bereits 2007 zugesicherte Rückbau.
Nach Auffassung nordrheinwestfälischer Umweltschützer bestehen nach der aktuellen Entscheidung des OVG Münster zum Kohlekraftwerk in Datteln nun auch berechtigte Hoffnungen für das von BAYER geplante Kraftwerk in Krefeld und das von der Rheinenergie AG geplante Kraftwerk in Köln-Niehl (s. http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=11917 und http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=10129)
BUND-Forderung an NRW-Umweltminister
Inzwischen hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) aufgefordert, unverzüglich die Konsequenzen aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW zu dem in Bau befindlichen Kohlekraftwerk des Energieriesen E.ON in Datteln zu ziehen. Spätestens seit der Veröffentlichung der Urteilsgründe zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans der Stadt Datteln für das größte Monoblock-Kohlekraftwerk Europas am Mittwoch (16.09.2009) sei an einen Weiterbau nicht mehr zu denken. Die Richter hatten den Bebauungsplan aus nicht weniger als neun schwerwiegenden Gründen für rechtswidrig erklärt.
„Jeder einzelne, der vom Gericht gerügten Punkte, hätte ausgereicht, den Bebauungsplan für unwirksam zu erklären. Eine derartige Anhäufung von gravierenden Fehlern in einem Milliardenprojekt ist einzigartig. Planungsrechtlich ist das Urteil für die Stadt Datteln und E.ON absolut vernichtend“, sagte der Vertreter der Privatkläger, Rechtsanwalt Philipp Heinz jetzt vor Journalisten in Düsseldorf.
Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH), die die Klagen gegen das Kohlekraftwerk vor allem wegen der Klimaschädlichkeit des Vorhabens unterstützt, fordert die sofortige Einstellung aller Bauarbeiten am Standort Datteln. „Mit dem Urteil des OVG ist eine der entscheidenden Genehmigungsvoraussetzungen für das Kohlekraftwerk entfallen. Die Arbeiten an dem Schwarzbau müssen sofort gestoppt werden“, verlangt DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake.
Rechtsanwalt Heinz erklärt: „Da die Genehmigungsbehörde für diese neuen Teilgenehmigungen bislang keinen Sofortvollzug angeordnet hat, dürfen die darin aufgeführten Arbeiten so lange nicht fortgeführt werden, wie es nicht gelungen ist, deren Rechtswidrigkeit zu beheben. Dass dies jemals geschehen kann, halten wir für nahezu ausgeschlossen.“
Baake fordert Umweltminister Uhlenberg auf, öffentlich zu erklären, „dass die ihm unterstellte Genehmigungsbehörde für die 3., 4. und 5. Teilgenehmigung keinen Sofortvollzug verhängen wird. An einer ´sofortigen Vollziehung´ offenkundig rechtswidriger Genehmigungen kann es kein öffentliches Interesse geben.“ Aus denselben Gründen müsse die Genehmigungsbehörde nach Überzeugung der DUH auch unverzüglich den Sofortvollzug für den immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid vom 31. Januar bzw. 13. März 2007 aufheben. Mit dem Vorbescheid hatte die Behörde abschließend über den Standort entschieden und ein so genanntes „vorläufig positives Gesamturteil“ über die Zulässigkeit des Kohlekraftwerks abgegeben. Dabei war die Behörde insbesondere von der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Kohlemeilers ausgegangen, die mit dem Urteil des OVG Münster nun jedoch entfallen ist. „Der Vorbescheid ist Grundlage aller nachfolgenden Teilgenehmigungen. Wir verlangen, dass er aufgehoben wird. Mindestens ist der Sofortvollzug des Vorbescheids unverzüglich für null und nichtig zu erklären“, so Baake.
Zur Errichtung des umstrittenen Großkraftwerks hatte die Stadt Datteln einen Bebauungsplan aufgestellt. Unmittelbar nach seiner Bekanntmachung erteilte die Bezirksregierung Münster als zuständige Genehmigungsbehörde Anfang 2007 den erwähnten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid und in der Folge insgesamt fünf Teilgenehmigungen. Für den Vorbescheid und einen Teil der Teilgenehmigungen wurde die so genannte „sofortige Vollziehung“ angeordnet. (Ein Überblick über das Genehmigungsverfahren mit rechtlichen Erläuterungen steht als Download unter www.duh.de bereit).
Wegweisend ist das Urteil des OVG Münster nach Überzeugung der DUH auch, weil es das Kraftwerksprojekt ausdrücklich auch unter Hinweis auf die im Landesentwicklungsplan NRW (LEP) niedergelegten Ziele zum Einsatz „einheimischer und regenerativer Energieträger“ und die dort ebenfalls angestrebte „Reduktion von Treibhausgasen“ zurückweist. Weil jedoch E.ON die Annahme, über das am Standort Datteln derzeit betriebene Kohlekraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 300 Megawatt hinaus werde es mit der Inbetriebnahme des neuen Kraftwerks mit einer Leistung von ca. 1055 Megawatt zu weiteren Kraftwerksabschaltungen kommen, zu einem “Missverständnis“ erklärt habe, sei „nicht ansatzweise sichergestellt, dass das Kraftwerk … insgesamt zu einer Reduzierung (von Treibhausgasen, DUH) beiträgt.“ Diese Begründung werde auf andere Kohlekraftwerks-Projekte in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus „erheblich ausstrahlen“, sagt Baake voraus.
Die Deutsche Umwelthilfe vertrete seit langem die Position, dass der Bau neuer Kohlekraftwerke und die Klimaschutzziele in einem unauflösbaren Widerspruch zueinander stehen. „Wer in Deutschland heute noch Kohlekraftwerke baut, stellt die Gesellschaft in wenigen Jahren vor die Alternative, die international verabredeten Klimaziele aufzugeben oder investiertes Kapital zu vernichten“, so Baake. Die größten Industrienationen (G 8) hätten gerade erst anlässlich ihres Gipfeltreffens im italienischen l`Aquila verabredet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80% zu reduzieren. Baake weist darauf hin, dass noch kein Stromversorger habe erklären können, wie Ziele dieser Größenordnung allein mit Wirkungsgradverbesserungen neuer Kohlekraftwerke gegenüber alten erreicht werden könnten. (PK)
Online-Flyer Nr. 215 vom 16.09.2009