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Aktueller Online-Flyer vom 26. Dezember 2024  

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Aktuelles
Wählermanipulation ist das Wesensmerkmal unserer Formal-Demokratie
Laubenpiepers Wahl-Montag
Von Volker Bräutigam

Welch deutscher Kater-Montag, dieser 28. September 2009! Ein solches Wahlergebnis war bis gestern Abend nicht zu ahnen. Denn gestern wurden erneut Vorhersagen getwittert (gezwitschert), allerdings ganz anderslautende. Massenhaft. Immerhin mit einem in seinem Realismus nicht zu übertreffenden Kommentar: „Selbst wenn es echte Exit Polls hier bei Twitter gäbe, würde man sie in der Masse der Fakes (Fälschungen) nicht erkennen.“

16.25 Uhr:
Twitter (Beispiel) (Quelle: N.N., angeblich Exit-Poll-Qualität):
 CDU/CSU35.3%. SPD 27.2%. FDP 13.8%. Grüne 11.5%. LINKE 10.3%.
18.00 Uhr:
ARD (Quelle: Infratest dimap):
CDU/CSU 33,5%. SPD 22,5%. FDP 15,0%. Grüne 10,5%. LINKE 12,5%.
ZDF (Quelle: GfK Forschungsgruppe Wahlen):
CDU/CSU 33,5%. SPD 23,5%. FDP 14,5%. Grüne 10,0 %. LINKE 13,0%.

Twitter hatte also am 27. September nicht die Spur von Früh-Information aus Exit Polls.

Trotzdem wette ich meine Rosenkohlernte 2009, dass unsere neuen Berliner Reichstags-Herrschaften auf die Twitter-Schimäre verweisend versuchen werden, das Internet unter Staatsaufsicht zu stellen. Und meine Kirschernte 2010 setze ich darauf: Unsere Berufspolitiker werden das Demoskopieren – präziser: die verführerische, demokratiefeindliche Polit-Kaffeesatzleserei – gewiss nicht verbieten. Wählermanipulation ist das Wesensmerkmal unserer Formal-Demokratie. Lug und Trug sind die wichtigsten Waffen im Arsenal unserer neuzeitlichen Raubritter, unserer Geld- und Macht-Elite.

Kater-Montag. Und ich frage Sie: War gestern Demokratie oder nur Sonntag? Das Votum ändert am Heute doch nichts! Merkel bleibt Kanzlerin, Afghanistan Bombenziel, das Sozialsystem ein Trümmerfeld, das Bildungswesen ein Krüppel und die sozialen Gegensätze eine Ungeheuerlichkeit. Beweist diese Wahl etwa, dass unser Gemeinwesen getrost noch weiter deformiert werden darf?

Sparen Sie sich die Antwort. Vier Jahre lang wird Sie nun eh keiner mehr fragen.

Unsere aberwitzigen Wahlergebnisse sind das Produkt von Meinungsmache und eben nicht Ausdruck von Volkes Meinung. Das irre FDP-Ergebnis beweist es.

Wer Medien besitzt, legt deren politische Linie fest: Die Manager der kommerziellen Unternehmen bzw. Sender ziehen den Strich, auf dem die Redakteure laufen dürfen. Bei den öffentlich-rechtlichen Medien ziehen ihn Parteipolitiker von Union und SPD. Solche Medien können gar nicht Volkes Willen widerspiegeln. Ihre Konzern- und Parteivorstände befehlen die Richtung, in die das Volk fügsam denkt. Drum verblödet die Republik zum Deppen-Dorf, in dem man zur Wahl schreitet, weil das ein gesellschaftliches „Event“ ist – und längst nicht mehr, weil ein rationaler, intelligenter Akt gefordert ist.

nicht Twitter gehört verboten. Sondern die Medien-Oligarchie gehört zerschlagen. Deren Meinungsherrschaft gehört gebrochen. Das wäre der Ansatz zu demokratischen Verhältnissen.

Wünsche frohes Wählen gehabt zu haben!

Sie wissen selbst, was Sache ist? Ja freilich. Drum darf ich mich empfehlen. Hab gerade eine Fuhre frischen Mist bekommen. Der Schiet soll für den Politkompost der kommenden vier Jahre reichen. Es gibt also viel mit Dreck zu arbeiten. (PK)

 

Online-Flyer Nr. 217  vom 29.09.2009



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