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Aktueller Online-Flyer vom 26. Dezember 2024  

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Inland
Bebel goes Pop doch nur ein Flop?
Statt „Internationale“ Schubidu
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

„They called him Siggi Pop?". Das hätte ein toller Discohit werden können, damals in den achtziger Jahren. Doch mit dem Nickname „Siggi Pop“ bespöttelte nur die SPD, eine derzeit ganz tief in den Polit-Charts abgerutschte Langeweiler-Combo, ihren „Pop-Beauftragten“ Siegmar Gabriel. Wahrlich eine Gestalt, die mehr noch als zu den Achtzigern zu unserem
Millenium der Nichtigkeiten passt. 

Kurzzeitig durfte er als Ministerpräsident von Niedersachsen amtieren, als Nachfolger des Hartz-und Kriegskanzlers Gerhard Schröder. Doch selbst die betulichen Heidebewohner fanden den hippen Gabriel nicht so prickelnd wie er sich selbst und wählten den künstlich Hochgehievten ganz einfach ab. Da machte es - pop! - und der rising star der Sozialdemokratie sank hernieder wie ein entlüfteter Luftballon. In den Niederungen eines „Popbeauftragten“ der SPD schien er seinen last exit gefunden zu haben. „Pop" - das passte schon lautmalerisch zur ideenentleerten Substanzlosigkeit des quicken Auf- und Absteigers. Aber auch zu derjenigen einer poplitischen Partei, die einst mit „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“, ja, mit der „Internationalen“, die Massen in Bewegung gebracht hatte, nun aber mit kläglichem Mainstram-Schubiduhu a la „Deutschland kann es besser“ bei jedem mittelmäßigen Bundestags-Casting durchfällt.


Das Alte geht...
Foto: H.-D. Hey, gesichter zei(ch/g)en

Siegmar, der politische Wetterballon


Was Siggi Pop Bahnbrechendes für die Popkultur der Sozialdemokratie  oder für die Sozialisierung der Popkultur geleistet hat, wird ein ewiges Geheimnis der Popgeschichte  bleiben. Gegen den wahren Poptitan, Dieter Bohlen, hatte Siggi aber auch einfach keine Chance. Den kennt jeder, Siggi Pop bis auf ein paar Parteifeinde und Kabarettisten eigentlich niemand. Doch hatte er, der anschmiegsame Surfer auf den Auf- und Abdrifts der politischen Meteorologie – wir wollen den Ausdruck „Windbeutel" vermeiden – mal wieder Glück. Die Hochwetterlage der Großen Koalition trug ihn, seinem gleichfalls abgewählten NRW-Kollegen Peer Steinbrück ähnlich, in ein gehaltstechnisch komfortables  Bundesministerium. „Umwelt“, das passte irgendwie zum Wetterwendischen, konnte er doch hier mit unverbindlichen Wortblasen ein bisschen lauen Wortwind gegen atomaren Fallout veranstalten. Die Atomlobby, sanft gebettet auf jahrzehntelangen Restlaufzeiten und von
der liebreichen Kanzlerin in fürsorglichen Windschutz genommen, konnte über Erzengel Gabriels windiges Getöse und Getön nur müde lächeln - sein Gefuchtel mit dem atomkritischen Flammenschwert  war halt nicht mehr als ein laues virtuelles Pop von Siggi Pop.

Wenn das Onkel Herbert noch erlebt hätte?

Dann – wie vom Autor schon beizeiten vorhergesagt – sank, nein, stürzte die
großkoalitionäre SPD-Montgolfiere am 27. September fast auf ihre künftige, natürliche Flughöhe zurück, nahe an die vom Windmacher Möllemann einst eigentlich für die FDP projektierten 18 Prozent. Nun fliegt auch Siggi aus seinem schönen Ministerbüro – aber, und das muss man an diesem Pop-Star schon bewundern: Er stürzt nicht einfach ab, sondern trudelt auf einer 

...ohne dass das Neue kommt?
Quelle: Deutscher Bundestag
neuen Glücksdrift gleich wieder nach oben. Nun – und wer, wie der Autor, einst achtzehn Jahre Mitglied dieser Partei war, als immerhin noch Herbert Wehner grantig, aber gerecht, gegen Spaßgesellschaft und Laubader anraunzte, kann es kaum glauben: Nun wird also Siggi Pop Vorsitzender der Partei, die einst einen August Bebel an ihre Spitze stellte. Der freilich war nicht von opportunen Winden hochgetragen worden, sondern aus den sozialen Kämpfen der sozialistischen Arbeiterbewegung hervorgegangen. Von Bebel zu Gabriel, Steinmeier, Nahles und Co. - deutlicher ließe sich der moribunde Abstieg einer Traditionspartei nicht personalisieren, die längst nur noch ihren eigenen Mythos feiert.

„Dance to the Left – Dance to the Right”
 
Eine „Linkswende" der SPD, die von manchen Kommentatoren schon prognostiziert wird – mit warnendem Unterton auftragsgemäß zumeist – wird sich mit dem neu entdeckten Linkswender Gabriel, wenn überhaupt, wohl nur als schillerndes Bubblegum erweisen. Doch hören wir schon die mitfühlende Mahnung: Let's give him a chance. Nun gut. Wir werden ja sehen, ob „Dance to the Left“ wirklich auf der Tagesordnung von Gabriels Boy-und Girlie-Group, nennen wir sie „The SPD Discotek People“, steht. Dann aber würde spätestens der Spaß aufhören. Etwa beim Abschied von Schröders „Agenda" einschließlich des Sozial- und Grundrechte-Dumpings von Hartz IV. Die rechten Genossen vom Seeheimer Kreis zum Beispiel dürften Siggi, Wowi & Friends da wohl eher den Marsch blasen. Ganz ähnlich wie beim Thema „Friedensmissionen", wie das PR-Neusprech schiere Kriegführung wie in Afghanistan etikettiert. Und die hat schließlich die SPD in Parlament und Kabinett, mit Steinmeier und unter Merkel und Jung mitgetragen, einschließlich des Bundesministers Sigmar Gabriel. Dabei sehr wohl an sozialdemokratische Tradition anknüpfend, allerdings an deren schlechtesten Teil: die Kriegskredite. (HDH)

Online-Flyer Nr. 218  vom 07.10.2009



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