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Kampf gegen die Heuschrecke "Texas Pacific Group"
Briten und Deutsche gemeinsam
Von Hans-Dieter Hey

Wenn man mit dem Widerstand gegen die von Franz Müntefering ans Licht der Öffentlichkeit gezogenen "Heuschrecken" Erfolg haben will, ist solidarisches Handeln unter Beschäftigten erforderlich. In Zeiten des global wild gewordenen Marktradikalismus wird offensichtlich auch der Widerstand global. Dies zeigten britische und deutsche Beschäftigte am vorletzten Wochenende in London.

Düsseldorfer heute in London
Düsseldorfer heute in London
Bild: Hans-Dieter Hey



Dort trafen sich Streikende von Gate Gourmet vom Flughafen Düsseldorf mit denen vom Flughafen London-Heathrow. Seit Monaten haben wir in der NRhZ berichtet, was sie im Widerstand vereint: Mit einem Radikalismus der besonderen Art wollen die Manager von Gate Gourmet die Arbeits- und Lohnbedingungen der Beschäftigten im Konzern dramatisch verschlechtern. Und so ist auch die Stimmung. Freitag und Samstag machten die Streikenden ihrem Zorn lautstark Luft, zogen zuerst vor die Europa-Zentrale der Texas Pacific Group und am nächsten Tag durch London-Hounslow. Mit Rufen und Schildern wie "TPG - Gangster Capitalist" oder "TPG - Stoppt Sklaverei" machte sie deutlich, was sie von ihrem gemeinsamen Arbeitgeber halten.

Gate Gourmet ist der zweitgrößte Hersteller von Fluggastverpflegung und in 29 Ländern mit 26.000 Beschäftigten vertreten. Als profitables Unternehmen wurde es vom amerikanischen Finanzdienstleister Texas Pacific Group (TPG) für 403 Mio. US-Dollar gekauft. In Deutschland hat sich TPG auch schon zigtausende Mietwohnungen unter den Nagel gerissen, um die Bewohner raus zu sanieren, und profitable Firmen wie Grohe oder Telenovis zerschlagen und teilweise ins Ausland verlegt.

Internationale Solidarität
Internationale Solidarität
Bild: Hans-Dieter Hey



Die Leute der Texas Pacific Group machen ihr Geld damit, dass sie Firmen - in der Regel unter Aufnahme hoher Kredite - aufkaufen und wieder verkaufen. Die Beschäftigten müssen die zusätzlichen Kosten hereinwirtschaften oder sie werden durch Entlassungen eingespart. Auf diese Weise saniert, verkauft die TPG die Firmen danach mit Gewinn weiter.

Wie rabiat die TPG auf Gate Gourmet Druck ausübt, machten die Aussagen Betroffener aus London deutlich. Im August 2005 wurde ein Teil der Belegschaft im Londoner Flughafen Heathrow von der Geschäftsleitung kurzer Hand ohne Nahrung, Getränke oder Möglichkeit zum Toilettengang  für sieben Stunden in der Kantine eingesperrt. In der Zwischenzeit wurden Zeitarbeitnehmer eingestellt. Andere Beschäftigte wurden durch eine private Sicherheitsfirma gewaltsam vom Firmengelände gedrängt, wobei eine schwangere Frau zu Fall kam. Beschäftigten, die zum Schichtwechsel kamen, wurde die Kündigung per Megaphon ausgesprochen. Die meisten von ihnen haben nach dem Rauswurf alles verloren, einige von ihnen müssen inzwischen betteln, weil auch keine Arbeitslosenunterstützung mehr gezahlt wird.

Die Belegschaft ging schon damals davon aus, dass diese Provokation der Firmenleitung von Gate Gourmet von langer Hand durch die Texas Pacific Group vorbereitet war. Der Druck auf den Rest der Beschäftigten war enorm, um ihnen  schlechtere Arbeitsbedingungen abzupressen. So sollte der Lohn bei gleichzeitiger Arbeitsverdichtung um 25 Prozent gekürzt werden. Die Lohnfortzahlung bei Krankheit wurde von 18 Tagen auf einen Tag gesenkt - für Mitarbeiter, die mehr als fünf Jahre im Betrieb waren. Die meisten von diesen waren ohnehin ohne einen Cent Abfindung rausgeschmissen worden. Mitarbeiter unter fünf Jahren müssen ganz ohne Lohnfortzahlung auskommen. Andere setzte man mit monatlich verlängerbaren Arbeitsverträgen unter Druck, ebenfalls ohne Lohnfortzahlung und Rentenanspruch. Zusätzlich wurde von der Geschäftsleitung Druck durch Einstellung osteuropäischer Wanderarbeiter zu sklavenhalterischen Bedingungen ausgeübt.

Sprechchöre während der Demo
Sprechchöre während der Demo
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Bild: Hans-Dieter Hey



In dieser schwierigen Lage müssen die britischen Streikenden auch noch an zwei Fronten kämpfen, weil die Spitze der mächtigen Transportgewerkschaft TGWU die Veränderungen mitgetragen hatte. Und deshalb bekommen die Streikenden - im Gegensatz zu ihren deutschen KollegInnen - auch keine finanzielle Streikunterstützung.  Weil sie sich von der Gewerkschaft verraten fühlen, ist greifen sie auch Gewerkschaftsführer Tony Woodley an. "Sack Tony Woodly" - "Werft Tony Woodly raus" - hieß es deshalb auf der Demonstration. Ein Teil der Beschäftigten hat inzwischen die neuen Bedingungen akzeptiert. Andere kämpfen noch um ihre Arbeitsplätze. Das Londoner Ratsmitglied Colin Ellar am Samstag: "Dieser Kampf ist ein Kampf um gerechten Lohn und gerechte Arbeitsbedingungen. Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass Menschen nicht derart ungerecht behandelt werden".

Bei Gate Gourmet Düsseldorf spitzte sich die Lage zu, weil die Arbeits- und Lohnbedingungen nach dem Besuch der Unternehmensberatung McKinsey erheblich verschlechtert werden sollten. Es wurden Akkordbedingungen eingeführt, die ständig unbezahlte Überstunden zur Folge hatten, um die Akkordziele zu erreichen. Zugleich wurde eine Produktivitätssteigerung von acht bis zehn Prozent verlangt -  zusätzlich  zu den zuvor kaum aushaltbaren Bedingungen. Selbst der Gang zur Toilette musste angemeldet und herausgearbeitet werden. Sozialleistungen und Zuschläge wurden gekürzt, Mitarbeiter entlassen. Zusätzlich will TPG ihren "Go Forward Plan" mit Lohnkürzungen von 10 Prozent durchsetzen. Die Streikende Yusen Grusis aus Düsseldorf: "Die Firmenleitung von Gate Gourmet hat uns so stark unter Druck gesetzt, dass wir irgendwann genug davon hatten und uns entschlossen, dagegen zu kämpfen". Sie kämpfen seit Oktober 2005 und wollen auf keinen Fall aufgeben. Aber nicht nur die Beschäftigten haben die Nase von Gate Gourmet voll. Auch als Streikbrecher bezahlte Aushilfskräfte haben schnell begriffen, wie schlecht die Arbeitsbedingungen sind.

Die Beispiele zeigen, welche Folgen die Zerschlagung sozialer Sicherungssysteme, der Abbau des Kündigungsschutzes und der Abbau demokratischer Rechte hat, wie sie auch seit Jahren in Deutschland scheibchenweise durchgesetzt werden. Den Einstieg dazu haben bereits Franz Müntefering und die Politik von Rot-Grün mit Unterstützung von CDU und FDP durch das Finanzdienstleistungsgesetz geschaffen, das der Heuschreckenplage alle Tore öffnete. Die Düsseldorfer und Londoner GG-Streikenden wissen, dass sich dieser Raubtierkapitalismus wie in Großbritannien auch bald in Deutschland durchsetzen wird - wenn nicht genügend solidarischer Widerstand aufgebaut wird. Deshalb haben sie durch den Besuch ein gemeinsames Zeichen zu setzen versucht. Wie einig sie sich in dieser Hinsicht sind, zeigten sie während der Demo auch in ihren Sprechchören: "Gate Gourme - no, no", "Texas Pacific - no, no", "TPG no slavery".

Paddy O´Regan von der Gewerkschaftszeitung News Line formulierte das gegenüber der NRhZ so: "Die Teilnahme der Streikenden aus Deutschland war für uns eine enorme Unterstützung. Internationalität und internationales Handeln sind keine Phrase, sondern die Frage dieser Stunde. Die Bosse können überall in der Welt hingehen, die Menschen hinaus werfen und der Straße überlassen... Viele Beschäftigte sehen die beginnende Krise des Kapitalismus und wollen dagegen kämpfen". Deshalb können wir hier in Deutschland vom Mut der Briten und Franzosen lernen. Die Gate Gourmet-Beschäftigten in Düsseldorf geben dafür seit einem halben Jahr ein Beispiel.



Online-Flyer Nr. 38  vom 04.04.2006



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