60 Jahre DGB in Köln – statt fröhlicher Rückschau:
Gegenmacht gefragt
Von Hans-Dieter Hey
Die paar Demonstrationen der letzten Jahre haben kaum Wirkung in die politischen Verhältnisse entfaltet. Über Trillerpfeifen mit ein paar Warnungen ist man nicht hinausgekommen, massive Drohungen und Taten sind unterblieben. Dies wirkte nahezu wie eine gesellschaftliche Schlaftablette. Politisch ist daher so gut wie alles durchgegangen, was für Gewerkschaften schädlich war. Und je heftiger eine Krise daherkommt, umso geringer wird die Chance für Gewerkschaften, Einfluss zu nehmen. An diesem Tag des DGB in Köln, seinem 60. Geburtstag, wäre es vielleicht hilfreich gewesen, außer fröhlicher Rückschau auch etwas kritisch zurück zu blicken.
v.l.n.r.: DGB-Chef Andreas Kossiski, NRW-DGB-Chef Guntram Schneider, OB Jürgen Rothers, Wolfgang Uellenberg-Van-Dawen, Conny Gilges, Alt-OB Norbert Burger
Es steht zu fürchten, dass DGB und Gewerkschaften den neuen Machtverhältnissen im Lande wieder so wenig entgegen zu setzen haben, wie damals zu Zeiten der sogenannten „Wiedervereinigung“ vor 20 Jahren. „Das zweifelhafte Verdienst des DGB bestand darin, dass er einen Beitrag zur Stabilisierung des kapitalistischen Systems geleistet hat“, meinte 1994 der Sozialist Willi Scherer, der am 2. November diesen Jahres verstorben ist. Wegfall der „realsozialistischen Konkurrenz“ und Globalisierung haben sichere Arbeitsplätze erodiert und die Anzahl der Tarifverträge reduziert. Im Jahre 2008 gab es bundesweit fast ein Viertel weniger Branchentarifverträge als noch Mitte der 1990er Jahre.
Und die nächste Runde, die DGB und Gewerkschaften an den Kragen geht, ist mit der Bundestagswahl der schwarz-gelben Regierung bereits eingeleitet. Nachdem Angela Merkel kürzlich DGB und Gewerkschaften für unverzichtbar erklärt hatte, wird sich an ihrer Position wohl kaum ändern, dass sie und ihre gelben Partner von der FDP nach den Landtagswahlen in NRW einen marktradikalen Kurs weiterfahren werden. Die Folgen: Lohndrückerei und Sozialabbau wie gehabt. Offenbar stellt man sich im DGB auf diese Situation ein und will sich arrangieren. Doch „dahinter steht die Illiusion, als könne ein wesentlicher Bestandteil des alten westdeutschen Kapitalismus mit Erfolg erneuert werden“, meinte kürzlich Georg Fülberth in Der Feitag. Der Kölner Kardinal Meisner meinte einst, dass es sich für ihn lohne, weiterzumachen, auch wenn es nur noch drei Kirchenmitglieder gäbe. Das kann keine wirkliche Perspektive für Gewerkschaften sein.
Erst mal weiter, wie bisher
Erstmal wird alles wohl irgendwie so weiter gehen. Beispielhaft für die Situation ist die aktuelle Kölner Geschichte, die Frank Werneke, Betriebsratsvorsitzender von Bauer-Druck Köln auf der Jubiläumsveranstaltung des DGB hatte. Der Kölner Bauer-Druck als Teil der Bauer-Media-Group steht im nächsten Jahr vor dem Aus. Der Global-Player mit 48 Zeitschriften in Deutschland kann in diesem Jahr einen Umsatz von 2,06 Milliarden Euro erwarten. Der Verleger Heinz Bauer gehört Veröffentlichungen zu Folge mit einem Vermögen von 2,55 Milliarden Euro zu den reichsten Deutschen, wozu die Beschäftigten kräftig beigetragen haben. Werneke: „Und das dies so ist, haben die Beschäftigten zu 80 Prozent organisiert. Wir liefern erstklassige Arbeit, jeden Tag, rund um die Uhr. Bauer-Druck Köln und die 19 Drucker, die die Magdeburger Volksstimme produzieren, sind die einzigen im Bauer-Konzern, die noch Tariflohn beziehen.“ Dafür bekommen in Köln vermutlich 380 Beschäftigte zum Jahresende einen Tritt, von denen die wenigsten Gewerkschaftsmitglieder bleiben dürften.
Ähnliche Entwicklungen kann man für die Stadt Köln ausmachen. Kölns neuer OB Jürgen Roters schwor Gewerkschaften und DGB schon mal auf „notwendige Umstrukturierungsprozesse“ in der Stadt ein, die „mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit den Personalvertretungen und dem DGB gemeinsam gemacht werden müssen“. Dass ihm die Sicherstellung eines einigermaßen ausgeglichenen Haushalts bei 220 Millionen Euro Miese Sorgen machen dürfte, ist kein Geheimnis. Er will aber „bei aller Sparnotwendigkeit sicher stellen, dass wichtige Strukturen im Sozialbereich, aber auch im kulturellen Bereich und Bildungsbereich nicht zerschlagen werden.“ Man ahnt also, wo es hingehen kann.
Bei so bestimmten Machtverhältnissen wird deutlich, dass sich Gewerkschaften und DGB nicht in die verschiedenen parteipolitische und ökonomischen Ränkespiele zerren lassen dürfen. Der letzte Kölner DGB-Chef, Wolfang Uellenberg-Van Dawen wusste das zu schätzen. Er kam nach Köln, als Schwarz-Gelb regierte, die SPD im Spendenskandal verschwand und die Grünen als heimliche Unterstützer wegen der Wohnungen abgesackt waren. „Deshalb konnten wir gar nicht anders, als die Gewerkschaften inhaltlich sehr eigenständig nach vorne zu bringen.“ Es wäre allerdings gut, wenn diese Eigenständigkeit künftig in mehr politische Kampfbereitschaft mündet, die an die Wurzeln der Probleme geht.
Gewerkschaftsjugend deutlich aufmüpfiger
Die Jüngeren im DGB scheinen deutlich aufmüpfiger. Die DGB-Frauenbeauftragte Liv Dizinger wünscht sich daher außer einem weiblicheren DGB „mehr Kampfbereitschaft in den Gewerkschaften, vor allem wegen der schwarz-gelben Regierung. Dort ist der DGB als Dachverband besonders gefordert.“ DGB-Jugendsekretär Stefan Otten ist aktuell im Bildungsstreik unterwegs und hat mitbekommen, wie das Kölner Uni-Gelände trotz der friedlichen Demonstration von der Polizei geräumt wurde. Für ihn bedeutet Gewerkschaftsjugend „nicht nur Jugendarbeit in den Betrieben, sondern auch im studentischen Bereich. Auch dort ist es wichtig, als Gewerkschafter Gewicht zu zeigen und anwesend zu sein.“ Für die zukünftige Arbeit wünscht sich Otten die „Gründung einer Gewerkschaftsschule, um Jugendliche bei der politischen Willensbildung zu unterstützen“.
v.l.n.r.: Sunia Sayin, Stefan Otten, Liv Dizinger
Das scheint notwendig. Wie politisch unscharf Gewerkschaften und DGB inzwischen in der öffentlichen Wahrnehmung erscheinen, wird vielleicht daran deutlich, dass bei der letzten Bundestagswahl 9,2 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder die FDP gewählt hatten. Da scheint etwas in
Wunsch und fromme Rede dürften angesichts der Lage allerdings nicht ausreichen, um Gewerkschaften zukunftsfest zu machen. Mitbestimmung und Partizipation drücken aus, dass man als gesellschaftlicher Ordnungsfaktor am Althergebrachten, den „Gesetzen des Marktes“ und damit den Gründen für viele Probleme in der Gesellschaft festhalten will. Doch die Gewerkschaften müssen sich auf große neue ökonomische, soziale und politische Herausforderungen einstellen – wieder mit entsprechenden Folgen für sie. Guntram Schneider warnt vor der Zeit nach dem Landtagswahlkampf vom 9. Mai 2010: „Manche Beobachter sagen, da kommt Schwieriges auf die Gewerkschaften zu.“ Daher sollten DGB und Einzelgewerkschaften doch lieber nicht so weitermachen, wie bisher. Denn an der Basis rumort es schon länger. Und diese Basis hat in einigen gewerkschaftlichen Satzungen die Möglichkeit des politischen Streikrechts bis zum Generalstreik hineinschreiben lassen, was nicht recht zum wirtschaftsfreundlichen Kurs des DGB passt. Doch er sollte schnell zur eigenen Zukunftssicherung lernen, was nicht nur Gegenöffentlichkeit, sondern auch Gegenmacht bedeuten. (HDH)
_________________________________________________________
Zum Thema Zukunft der Gewerkschaften beachten Sie auch bitte unseren Artikel "Wie sieht die Wirtschaft in zehn Jahren aus?" von Stefan Biskamp.
_________________________________________________________
Bitte auf
Bildchen
klicken!
Als Vertreter der Unterschicht will der Kabarettist Robert Gries einmal im Monat reiche Leute ärgern: „Ich bin für die Revolte“.
Am Ende präsentieren Bernd Keul, Adrian Ils, Verena Guido und Martin Kübert ihre eigenwillige Interpretation von „Wacht auf, Verdammte dieser Erde!“.
Online-Flyer Nr. 225 vom 25.11.2009