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Lokales
Mit Protesten, ohne Kriegsminister:
Meisner Militärgottesdienst wird 20
Von Hans-Detlev v. Kirchbach und Jochen Lubig
Haßprediger darf, Todesprediger will er nicht sein
Auch diesmal wieder schritt der Bräutigam der Kölner Kathedrale (1) inmitten des üblichen klerikal-militärischen Hofstaates gravitätisch fürbaß, die pfeifenden und skandierenden Gegner des rechten Militärglaubens mit Verachtung strafend. Doch soll er einen Augenblick, Blickzeugen zufolge, betroffen geschaut haben - angesichts eines Großtransparents, das ein Totengestell zeigte. Nein, Prediger des Todes will er gerade nicht sein, sondern des rechten christlichen Lebens, das durch wehrhafte Gottesstreiter vor dem Bösen geschützt wird.
Christliches Militär-und militaristisches Weihefestspiel
Das zwanzigjährige Jubiläum seines priesterlichen Höchstamtes ließ er sich solch verletzenden Unverstandes zum Trotze nicht vergällen. Beim Militärgottesdienst hat er bislang nur ein einziges Mal (2006) wegen Krankheit gefehlt; ein untergeordneter Weihbischof musste damals seine Predigt ablesen (2). Und das versammelte Publikum des Sakraltheaters war dieses eine Mal enttäuscht über das Fehlen des Superstars der Disziplin Schlammschlacht mit geistlichem Worte. Dieses wichtigste christliche Militärfestspiel dieser unserer religiös neutralen und aufs verfassungsmäßige Friedensgebot verpflichteten Republik ist eben ohne Meisner doch nur eine Pflichtübung psychologischer Kriegsführung, ein dröges staatskirchliches Zeremonial moralischer Aufrüstung.
Farbidentität | Foto: Jochen Lubig – Arbeiterfotografie
Feldpredigten für „Bewaffnete Wallfahrten“
Der Soldatengottesdienst - das ist Meisner, hier findet der Gotteskrieger seine eigentliche Bestimmung - soweit das eben noch möglich ist. Denn der Kreuzzügler hat infolge der Ungnade der späten Geburt das von ihm gern in leuchtendsten Farben ausgemalte christliche Mittelalter leider verpasst. Wenn auch nur auf der dummen säkularen Zeitschiene, seine transzendente Denkschiene führt zielgerade zurück in die Zeit von Ketzerverhören, Inquisition und bewaffneten Wallfahrten - und von dort ins Jenseits. Bewaffnete Wallfahrten (3) mit beachtlichem Jenseitsfaktor sind es denn auch im Grunde, die er seit Mitte der 1990er Jahre absegnen darf und deren Mitreisende er mit geistlichem Honigseim stärkt. Seit der einst bundeswehr-legitimierende Vorwand einer angeblichen reinen Verteidigungsarmee offiziell fallengelassen wurde - die alte Hitlergeneralität, die Gründungsgeneration der BRD-Armee, hatte diese widernatürliche Beschränkung nie wirklich akzeptiert - zieht der christliche deutsche Wehrmann wieder rund um den Erdball in den Krieg. Offiziell - Vorwände braucht’s ja immer noch, denn historische Übergangsphasen brauchen Zeit - überwiegend für "Friedenssicherung" oder gar für „Menschenrechte“.
Soldatengottesdienst: Segnung für... | Foto: H.-D. Hey - gesichter zei(ch/g)en
Sechs Minister und ein Kardinal
Soweit jedenfalls in der jeweiligen Einsatzregion geostrategische Interessen des freien Westens und / oder Rohstoffressourcen präventiv zu verteidigen sind, kommt die moralisch-humanitäre Energie unserer Friedensallianz NATO und unserer christlichen Streitkräfte erst so richtig in Fahrt. Wie etwa am Hindukusch, wo derzeit unsere Freiheit verteidigt wird, was allerdings ausnahmsweise kein abstruses Meisner-Zitat ist, sondern ein geflügeltes Wort des ehemaligen SPD-"Verteidigungs"-Minister Struck. Den hat Meisner als Kardinal schon längst überlebt; insgesamt sechs Bundeswehr-Minister hat der Kölner Erzpriester schon „verbraucht“. Das liegt daran, dass erstens die katholische Kirche, Meisners einzigem irdischen Vorgesetzten, Papst Ratzinger zufolge, nun einmal "keine demokratische, sondern eine hierarchische Organisation" ist.
Die einfachen Mitglieder des Weltanschauungsverein katholische Kirche haben also nicht die Bohne mitzubestimmen, wer ihnen als Ortsgruppenleiter vor die Nase gesetzt wird - und wie lange. Deswegen regieren derzeit nur Elisabeth II. von Großbritannien (seit 1952) und König Juan Carlos von Spanien (seit 1975) länger, als Meisner sein klerikales Königreich. Dagegen kommt selbst der Militärminister der BRD auf vergleichsweise demokratische Weise an sein Amt. Und fliegt vor allem gelegentlich recht schnell aus diesem „Schleudersitz“, wie Ende letzten Jahres der allchristlichste Franz-Josef Jung. Der geschworene Meisner-Fan wurde mithin das letzte Kollateralopfer des "Verteidigungsschlages" bei Kundus am 4. September 2009.
Im wolkigen Segen verschwinden die Opfer
Wie Jung, so hat fast jeder der bisher geflogenen Bundeswehr-Minister auch an Meisners "Soldatengottesdienst" teilgenommen. Abergläubische Naturen - die allemal zunächst im Glauben erzogen worden sind - könnten da einen Zusammenhang vermuten. Wir lassen das dahingestellt, wollen wir doch keinen Fluch herauf beschwören. Jedenfalls erwähnen wir hier einstweilen ohne Hintersinn, daß der auch nicht mehr ganz so "neue" Kriegsminister Freiherr von und zu Guttenberg erwartungswidrig nicht beim geistlichen Kampfappell im Dom erschien.
Deutschland's Frieden stiftende Mittel? | Foto: Karin Richert
Sicher aber dürfte er Meisners diesjährige Predigt gefällig zur Kenntnis genommen haben. Und es könnte dem allerdings bereits leicht angekratzten PR-Star des chicen Militarismus schon gefallen, wie der Militär-Prediger der Nation den gegenwärtig qualen- und opferreichsten Einsatzort unserer gottgefälligen Kampftruppen am Hindukusch überhaupt nicht und die über 150 Opfer des Terroreinsatzes bei Kundus erst recht nicht erwähnt, gleichwohl aber den ganzen Kriegsexzess abgesegnet hat. Was schon daraus resultiert, dass er, das Sprachrohr des göttlichen Wortes, in einer eskalierten Kriegssituation das Töten, nicht verurteilt und die Getöteten nicht betrauert, sondern verschweigt. Mehr noch aber daraus, daß er statt dessen wie in jeder Soldatenpredigt Kriterien entwickelt, also Anlässe, Vorwände, zurechtmodelliert, um mit Maschinenknarren, Panzern, Bombenfliegern, auf Menschen loszugehen. Das gibt dem Krieg, dem gegenwärtigen und jedem folgenden, den Nimbus höherer Moral, den die Initiatoren und Interessenten von Krieg gern als Schutzpanier vor sich her tragen.
Schöpfung bewahren – durch Öko-Krieg
Natürlich: Die Anwendung von Gewalt soll nur das aller äußerste Mittel sein, wenn alles andere versagt habe, mahnt der Feldprediger. Denn wo die Gewalt aufbreche, habe der Mensch schon verloren. Doch braucht niemand zu fürchten, dass Meisner urplötzlich zum Pazifisten konvertiert ist. Diese Phraseologie setzt dem Krieg, jedenfalls dem "unsrigen", rein gar nichts entgegen, sondern ebnet ihm vielmehr den Weg. Selbst noch der Katholik Hitler beteuerte inständig, Gewalt nur als äußerstes Mittel anzuwenden, wenn und da alles andere versagt habe, so beim Überfall auf Polen. So läßt sich noch die brutalste Aggression mit heuchlerischer Attitüde zu Notwehr, ja zu moralisch wertvoller Nothilfe, umdeuten.
Besonders gerührt und sofort ökologisch bekehrt werden unsere Kriegsherren natürlich sein, da ihr Leitpriester in seiner Soldaten-Predigt herzlich darum bittet, „auch im Kriege“ ein bisschen auf die „Umwelt“ zu achten. Wird unser Kardinal jetzt auch noch grün? Will er, und mit ihm sein Gott („deus vult“, wie die Kreuzfahrer riefen), den ökologischen Krieg? Recyclebare Granaten und Bomben, die zu 99 Prozent umweltverträglich sind? Im Deuteronomium, dem 3. Buch Mose - in dem übrigens u.a. die Tötung von Homosexuellen gefordert wird - sei die Vorschrift enthalten, bei Belagerung einer Stadt „den Baumbestand zu schonen“. Von Schonung der Bevölkerung ist freilich nicht die Rede. Auch hier wird bestenfalls mit Stilblüten der Krieg schön geschwätzt.
Freilich ist uns entgangen, dass sich der Prediger des naturbelassenen Krieges beispielsweise gegen die Verseuchung weiter Landstriche im Jugoslawien-und Irakkrieg durch Uranmunition gewendet hätte, die unsere NATO-und Bundeswehrkräfte bei ihren „bewaffneten Wallfahrten“ angerichtet haben.
Gegen-Predigten von Karlheinz Deschner und Otto Köhler
Die Absegnung der kriegsführenden Truppen fanden die GegendemonstrantInnen gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Kriegseskalation in Afghanistan und namentlich des deutschen Kriegsverbrechens bei Kundus besonders unerträglich. Sie erhielten dabei auch prominente Unterstützung. Solidaritätsgrüße übermittelten Karlheinz Deschner, der gerade den 10. Band seiner "Kriminalgeschichte des Christentums" beendet, und der Publizist und Historiker Otto Köhler, der am 10. Januar seinen 75. Geburtstag gefeiert hat. Der Vortrag des Tucholsky-Preisträgers im DGB-Haus im September 2009 anlässlich des Anti-Kriegstages ist hier in der NRhZ dokumentiert worden (Nr. 216 vom 23.09.2009: „Wie der Krieg in die Köpfe kommt“).
Von Karlheinz Deschner erklang ein Ausschnitt aus einer Lesung mit Aphorismen zu Militär und Krieg - fast maßgeschneidert für Meisners Predigten - beispielsweise dieser hier: „Krieg ist die Mystik des Mordes.“ (mp3, 0:45)
Meisners „Mystik“ wurde über die Beschallungsanlage schließlich eine direkte Antwort entgegengesetzt, die Otto Köhler in seinem Vortrag beim DGB dem Kardinal und seiner Kriegstheologie erteilt hatte. Scharf hatte er sich gegen den „Missbrauch des heiligen Martin“ durch Meisner gewandt, der den „sanften Pazifisten“ zu einem bärbeißigen Kreuzessoldaten umfälschen wolle, und den Kardinal schließlich ernsthaft verwarnt: „Entweihen Sie nie wieder den Dom mit Ihren Soldatengottesdiensten!“ (mp3, 5:50)
Sein Wort in „Gottes Ohr“ - doch wird man sich, so ist zu fürchten, auch im Jahre 2011 wieder vor dem Hohen Dom zu Köln treffen - drinnen die Beweihräucherung des Kriegshandwerks, der Frieden bleibt draußen. (HDH)
Hören Sie dazu auch in einem Beitrag des Autonomen Knastprojekts die Stimmen besorgter Kriegsgegner am 21.01. vor dem Dom in dieser Ausgabe der NRhZ.
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1) "Der Kölner Dom ist meine Braut", so bekannte Meisner 1990 seine spezielle Neigung, die man in Anlehnung an Pädophilie Petrophilie - Liebe zu steinernen Objekten - nennen könnte
2) s. NRhZ Nr. Nr. 29 vom 31.01.2006: „Magische Sätze, mystische Tiefe“
3) "Die bewaffneten Wallfahrten gen Jerusalem" ist der Titel der klassischen, kritischen Geschichte der Kreuzzüge von Hans Wollschläger, 1970 zuerst bei Diogenes erschienen, 2003 bei Wallstein bearbeitet und mit einem Nachwort des Autors neu herausgekommen.
Auflage von 2006 erhältlich:
Hans Wollschläger
„Die bewaffneten Wallfahrten gen Jerusalem“,
Wallstein (Göttingen),
ISBN ISBN-10: 3-89244-659-8;
gebunden, 299 S., 24,80 €.
Online-Flyer Nr. 234 vom 23.01.2010
Mit Protesten, ohne Kriegsminister:
Meisner Militärgottesdienst wird 20
Von Hans-Detlev v. Kirchbach und Jochen Lubig
Haßprediger darf, Todesprediger will er nicht sein
Auch diesmal wieder schritt der Bräutigam der Kölner Kathedrale (1) inmitten des üblichen klerikal-militärischen Hofstaates gravitätisch fürbaß, die pfeifenden und skandierenden Gegner des rechten Militärglaubens mit Verachtung strafend. Doch soll er einen Augenblick, Blickzeugen zufolge, betroffen geschaut haben - angesichts eines Großtransparents, das ein Totengestell zeigte. Nein, Prediger des Todes will er gerade nicht sein, sondern des rechten christlichen Lebens, das durch wehrhafte Gottesstreiter vor dem Bösen geschützt wird.
Christliches Militär-und militaristisches Weihefestspiel
Das zwanzigjährige Jubiläum seines priesterlichen Höchstamtes ließ er sich solch verletzenden Unverstandes zum Trotze nicht vergällen. Beim Militärgottesdienst hat er bislang nur ein einziges Mal (2006) wegen Krankheit gefehlt; ein untergeordneter Weihbischof musste damals seine Predigt ablesen (2). Und das versammelte Publikum des Sakraltheaters war dieses eine Mal enttäuscht über das Fehlen des Superstars der Disziplin Schlammschlacht mit geistlichem Worte. Dieses wichtigste christliche Militärfestspiel dieser unserer religiös neutralen und aufs verfassungsmäßige Friedensgebot verpflichteten Republik ist eben ohne Meisner doch nur eine Pflichtübung psychologischer Kriegsführung, ein dröges staatskirchliches Zeremonial moralischer Aufrüstung.
Farbidentität | Foto: Jochen Lubig – Arbeiterfotografie
Feldpredigten für „Bewaffnete Wallfahrten“
Der Soldatengottesdienst - das ist Meisner, hier findet der Gotteskrieger seine eigentliche Bestimmung - soweit das eben noch möglich ist. Denn der Kreuzzügler hat infolge der Ungnade der späten Geburt das von ihm gern in leuchtendsten Farben ausgemalte christliche Mittelalter leider verpasst. Wenn auch nur auf der dummen säkularen Zeitschiene, seine transzendente Denkschiene führt zielgerade zurück in die Zeit von Ketzerverhören, Inquisition und bewaffneten Wallfahrten - und von dort ins Jenseits. Bewaffnete Wallfahrten (3) mit beachtlichem Jenseitsfaktor sind es denn auch im Grunde, die er seit Mitte der 1990er Jahre absegnen darf und deren Mitreisende er mit geistlichem Honigseim stärkt. Seit der einst bundeswehr-legitimierende Vorwand einer angeblichen reinen Verteidigungsarmee offiziell fallengelassen wurde - die alte Hitlergeneralität, die Gründungsgeneration der BRD-Armee, hatte diese widernatürliche Beschränkung nie wirklich akzeptiert - zieht der christliche deutsche Wehrmann wieder rund um den Erdball in den Krieg. Offiziell - Vorwände braucht’s ja immer noch, denn historische Übergangsphasen brauchen Zeit - überwiegend für "Friedenssicherung" oder gar für „Menschenrechte“.
Soldatengottesdienst: Segnung für... | Foto: H.-D. Hey - gesichter zei(ch/g)en
Sechs Minister und ein Kardinal
Soweit jedenfalls in der jeweiligen Einsatzregion geostrategische Interessen des freien Westens und / oder Rohstoffressourcen präventiv zu verteidigen sind, kommt die moralisch-humanitäre Energie unserer Friedensallianz NATO und unserer christlichen Streitkräfte erst so richtig in Fahrt. Wie etwa am Hindukusch, wo derzeit unsere Freiheit verteidigt wird, was allerdings ausnahmsweise kein abstruses Meisner-Zitat ist, sondern ein geflügeltes Wort des ehemaligen SPD-"Verteidigungs"-Minister Struck. Den hat Meisner als Kardinal schon längst überlebt; insgesamt sechs Bundeswehr-Minister hat der Kölner Erzpriester schon „verbraucht“. Das liegt daran, dass erstens die katholische Kirche, Meisners einzigem irdischen Vorgesetzten, Papst Ratzinger zufolge, nun einmal "keine demokratische, sondern eine hierarchische Organisation" ist.
Die einfachen Mitglieder des Weltanschauungsverein katholische Kirche haben also nicht die Bohne mitzubestimmen, wer ihnen als Ortsgruppenleiter vor die Nase gesetzt wird - und wie lange. Deswegen regieren derzeit nur Elisabeth II. von Großbritannien (seit 1952) und König Juan Carlos von Spanien (seit 1975) länger, als Meisner sein klerikales Königreich. Dagegen kommt selbst der Militärminister der BRD auf vergleichsweise demokratische Weise an sein Amt. Und fliegt vor allem gelegentlich recht schnell aus diesem „Schleudersitz“, wie Ende letzten Jahres der allchristlichste Franz-Josef Jung. Der geschworene Meisner-Fan wurde mithin das letzte Kollateralopfer des "Verteidigungsschlages" bei Kundus am 4. September 2009.
Im wolkigen Segen verschwinden die Opfer
Wie Jung, so hat fast jeder der bisher geflogenen Bundeswehr-Minister auch an Meisners "Soldatengottesdienst" teilgenommen. Abergläubische Naturen - die allemal zunächst im Glauben erzogen worden sind - könnten da einen Zusammenhang vermuten. Wir lassen das dahingestellt, wollen wir doch keinen Fluch herauf beschwören. Jedenfalls erwähnen wir hier einstweilen ohne Hintersinn, daß der auch nicht mehr ganz so "neue" Kriegsminister Freiherr von und zu Guttenberg erwartungswidrig nicht beim geistlichen Kampfappell im Dom erschien.
Deutschland's Frieden stiftende Mittel? | Foto: Karin Richert
Sicher aber dürfte er Meisners diesjährige Predigt gefällig zur Kenntnis genommen haben. Und es könnte dem allerdings bereits leicht angekratzten PR-Star des chicen Militarismus schon gefallen, wie der Militär-Prediger der Nation den gegenwärtig qualen- und opferreichsten Einsatzort unserer gottgefälligen Kampftruppen am Hindukusch überhaupt nicht und die über 150 Opfer des Terroreinsatzes bei Kundus erst recht nicht erwähnt, gleichwohl aber den ganzen Kriegsexzess abgesegnet hat. Was schon daraus resultiert, dass er, das Sprachrohr des göttlichen Wortes, in einer eskalierten Kriegssituation das Töten, nicht verurteilt und die Getöteten nicht betrauert, sondern verschweigt. Mehr noch aber daraus, daß er statt dessen wie in jeder Soldatenpredigt Kriterien entwickelt, also Anlässe, Vorwände, zurechtmodelliert, um mit Maschinenknarren, Panzern, Bombenfliegern, auf Menschen loszugehen. Das gibt dem Krieg, dem gegenwärtigen und jedem folgenden, den Nimbus höherer Moral, den die Initiatoren und Interessenten von Krieg gern als Schutzpanier vor sich her tragen.
Schöpfung bewahren – durch Öko-Krieg
Natürlich: Die Anwendung von Gewalt soll nur das aller äußerste Mittel sein, wenn alles andere versagt habe, mahnt der Feldprediger. Denn wo die Gewalt aufbreche, habe der Mensch schon verloren. Doch braucht niemand zu fürchten, dass Meisner urplötzlich zum Pazifisten konvertiert ist. Diese Phraseologie setzt dem Krieg, jedenfalls dem "unsrigen", rein gar nichts entgegen, sondern ebnet ihm vielmehr den Weg. Selbst noch der Katholik Hitler beteuerte inständig, Gewalt nur als äußerstes Mittel anzuwenden, wenn und da alles andere versagt habe, so beim Überfall auf Polen. So läßt sich noch die brutalste Aggression mit heuchlerischer Attitüde zu Notwehr, ja zu moralisch wertvoller Nothilfe, umdeuten.
Besonders gerührt und sofort ökologisch bekehrt werden unsere Kriegsherren natürlich sein, da ihr Leitpriester in seiner Soldaten-Predigt herzlich darum bittet, „auch im Kriege“ ein bisschen auf die „Umwelt“ zu achten. Wird unser Kardinal jetzt auch noch grün? Will er, und mit ihm sein Gott („deus vult“, wie die Kreuzfahrer riefen), den ökologischen Krieg? Recyclebare Granaten und Bomben, die zu 99 Prozent umweltverträglich sind? Im Deuteronomium, dem 3. Buch Mose - in dem übrigens u.a. die Tötung von Homosexuellen gefordert wird - sei die Vorschrift enthalten, bei Belagerung einer Stadt „den Baumbestand zu schonen“. Von Schonung der Bevölkerung ist freilich nicht die Rede. Auch hier wird bestenfalls mit Stilblüten der Krieg schön geschwätzt.
Freilich ist uns entgangen, dass sich der Prediger des naturbelassenen Krieges beispielsweise gegen die Verseuchung weiter Landstriche im Jugoslawien-und Irakkrieg durch Uranmunition gewendet hätte, die unsere NATO-und Bundeswehrkräfte bei ihren „bewaffneten Wallfahrten“ angerichtet haben.
Gegen-Predigten von Karlheinz Deschner und Otto Köhler
Die Absegnung der kriegsführenden Truppen fanden die GegendemonstrantInnen gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Kriegseskalation in Afghanistan und namentlich des deutschen Kriegsverbrechens bei Kundus besonders unerträglich. Sie erhielten dabei auch prominente Unterstützung. Solidaritätsgrüße übermittelten Karlheinz Deschner, der gerade den 10. Band seiner "Kriminalgeschichte des Christentums" beendet, und der Publizist und Historiker Otto Köhler, der am 10. Januar seinen 75. Geburtstag gefeiert hat. Der Vortrag des Tucholsky-Preisträgers im DGB-Haus im September 2009 anlässlich des Anti-Kriegstages ist hier in der NRhZ dokumentiert worden (Nr. 216 vom 23.09.2009: „Wie der Krieg in die Köpfe kommt“).
Von Karlheinz Deschner erklang ein Ausschnitt aus einer Lesung mit Aphorismen zu Militär und Krieg - fast maßgeschneidert für Meisners Predigten - beispielsweise dieser hier: „Krieg ist die Mystik des Mordes.“ (mp3, 0:45)
Meisners „Mystik“ wurde über die Beschallungsanlage schließlich eine direkte Antwort entgegengesetzt, die Otto Köhler in seinem Vortrag beim DGB dem Kardinal und seiner Kriegstheologie erteilt hatte. Scharf hatte er sich gegen den „Missbrauch des heiligen Martin“ durch Meisner gewandt, der den „sanften Pazifisten“ zu einem bärbeißigen Kreuzessoldaten umfälschen wolle, und den Kardinal schließlich ernsthaft verwarnt: „Entweihen Sie nie wieder den Dom mit Ihren Soldatengottesdiensten!“ (mp3, 5:50)
Sein Wort in „Gottes Ohr“ - doch wird man sich, so ist zu fürchten, auch im Jahre 2011 wieder vor dem Hohen Dom zu Köln treffen - drinnen die Beweihräucherung des Kriegshandwerks, der Frieden bleibt draußen. (HDH)
Hören Sie dazu auch in einem Beitrag des Autonomen Knastprojekts die Stimmen besorgter Kriegsgegner am 21.01. vor dem Dom in dieser Ausgabe der NRhZ.
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1) "Der Kölner Dom ist meine Braut", so bekannte Meisner 1990 seine spezielle Neigung, die man in Anlehnung an Pädophilie Petrophilie - Liebe zu steinernen Objekten - nennen könnte
2) s. NRhZ Nr. Nr. 29 vom 31.01.2006: „Magische Sätze, mystische Tiefe“
3) "Die bewaffneten Wallfahrten gen Jerusalem" ist der Titel der klassischen, kritischen Geschichte der Kreuzzüge von Hans Wollschläger, 1970 zuerst bei Diogenes erschienen, 2003 bei Wallstein bearbeitet und mit einem Nachwort des Autors neu herausgekommen.
Auflage von 2006 erhältlich:
Hans Wollschläger
„Die bewaffneten Wallfahrten gen Jerusalem“,
Wallstein (Göttingen),
ISBN ISBN-10: 3-89244-659-8;
gebunden, 299 S., 24,80 €.
Online-Flyer Nr. 234 vom 23.01.2010