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Kultur und Wissen
Vorabdruck aus „Benedikt XVI.: Ein Papst und seine Tradition“ – Teil 1
Joseph Ratzinger auf dem Weg zur Macht
Von Gerhard Feldbauer
In Bonn kommt er ins Zentrum der Macht und in den Dunstkreis der Remilitarisierung, des Aufbaus der Bundeswehr durch frühere Generäle Hitlers, der Aufnahme in die NATO und aller mit der Eingliederung der Bundesrepublik in den unter Führung der USA verfolgten Kurs der Blockkonfrontation verbundenen Begleiterscheinungen, die im Verbot der KPD 1956 gipfeln. Der katholische Klerus der Bundesrepublik steht in Treue fest zu dieser Politik. Einer seiner eifrigsten Vertreter ist der Erzbischof von Köln, Joseph Frings. (...) In zahlreichen Eingaben macht Frings, sich zum mächtigen Fürsprecher verurteilter Kriegsverbrecher. (...) Der Erzbischof scheut auch keine Mühe, sich für die Freilassung des SS-Obersturmbannführers Kurt Hans einzusetzen, der für das Erschießungskommando mitverantwortlich war, das im September 1941 in Babi Yar bei Kiew innerhalb von drei Tagen über dreiunddreißigtausend Juden ermordete. Frings setzt auch seine Unterschrift unter ein Gnadengesuch für die Freilassung des in Italien zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilten SS-Obersturmbannführers Herbert Kappler, der im März 1944 in den Fosse Ardeatine (Tuffsteinhöhlen) bei Rom das Massaker an 335 Geiseln kommandierte und mehrere von ihnen persönlich durch Genickschuss ermordete. (...) Ratzinger erklimmt eine wichtige Sprosse auf der Stufenleiter der Hierarchie, als er Berater von Frings, wird. (...)
Nazi-Fürsprecher und Kölner Kardinal
- Josef Frings
Quelle: www.erzbistum-koeln.de
Einen tiefen Einschnitt bildet die auch vor den Toren der theologischen Fakultäten - Ratzinger lehrt zu dieser Zeit (1966-1969) in Tübingen - nicht Halt machende Rebellion der 68er Jahre, die er »marxistische Revolution« nennt. (...) In Ratzingers Entsetzen war eingebunden, dass Professoren wie sein Kollege Küng, mit den Studenten diskutierten, der renommierte Ernst Bloch auf großen Zuspruch stieß, die gefährliche Synthese von Christentum und Marxismus Anklang fand, in Frankreich Arbeiterpriester ihre Pfarrhäuser verließen und zu den Arbeitern gingen, die mehrheitlich unter dem Einfluss der Kommunistischen Partei standen. (...) »Die Bewegung der 1968er Jahre hat ihn traumatisiert«, schreibt der systemkritische katholische Theologieprofessor Hermann Häring. Dem Manko abzuhelfen, dass es eines »Bollwerks gegen die marxistische Versuchung« ermangelte, um Zucht und Ordnung herzustellen, wird sein weiteres Handeln entscheidend prägen. Verbarg sich vor seiner Regensburger Zeit sein Agieren im rechten Spektrum noch unter dem Mantel der Reformbestrebungen von Johannes XXIII. so positioniert er sich nun zunehmend offener am rechten gesellschaftlichen Rand. (...)
Enge Beziehungen unterhält Benedikt XVI. zum ebenfalls rechtsaußen angesiedelten »Forum deutscher Katholiken«, das sich, verhalten ausgedrückt, als eine Alternative zu den immerhin ökumenisch interessierten Deutschen Katholikentagen versteht. Es organisiert seit 2001 Jahrestreffen, auf denen sich als Teilnehmer Ratzinger im Geist verbundene »Brüder« treffen, darunter des Opus Dei, der Legionäre Christi, der Gemeinschaft der Seligpreisungen und des deutschen Hochadels. Für Ratzinger ist das Forum eine »missionarische Zelle« in der Kirche. (...) In Österreich erfreuten sich rechte und auch regelrecht rechtsextreme Kreise der Aufmerksamkeit Ratzingers. Er genierte sich nicht, im Grazer Aula-Verlag zu publizieren, der auch dem Holocaustleugner Walter Lüft zur Verfügung stand. (...)
Mit der Ernennung zum Erzbischof von München (1977) hatte Joseph Ratzinger die erste der letzten beiden Stufen auf der Leiter erklommen, die auf den Heiligen Stuhl führen kann. (...) Dieses hohe Amt hatte der von Ratzinger hochverehrte Kardinal Faulhaber inne. (...) Paul VI. habe damit nach unglaublich kurzer Zeit deutlich gezeigt, »wie sehr er den absolut romtreuen Startheologen schätzte«, so Christian Feldmann (einer seiner Biographen). Dieser aber war, was im Vatikan gut bekannt war, spätestens seit seiner Regensburger Zeit führender Vertreter eines klerikalen wie weltlichen Rechtsradikalismus, den faschistenfreundliche Kardinäle wie Frings, Faulhaber und Bischof Graber gefördert hatten. Ratzinger konnte sich mit der Bischofsweihe in seinem politischen Glaubenscredo vollauf bestätigt fühlen. (...)
Nach seinem Treueid, den er gemäß Konkordat auf die bayerische Verfassung ablegte, demonstrierte der neuernannte Erzbischof in seiner Antrittsrede, wes Geistes Kind er ist. Im Beisein von Ministerpräsident Alfons Goppel und Kultusminister Hans Maier führte er aus: »Wir Bayern dürfen mit dankbarem Stolz sagen, dass sich bei uns nach den Erschütterungen der Ära Montgelas und unzerstört durch das tragische Zwischenspiel des sogenannten Dritten Reiches eine christliche Liberalität eingespielt hat, in welcher der Staat sich stets sein eigenes Gewicht und den ihm gebührenden Rang zu wahren wusste, ohne dass die Kirche darob aufhörte, die Seelen zu prägen und im Bunde mit dem Staat jene heitere Daseinsfreude zu wecken, die sich in Bayerns Kultur so unverwechselbar ausdrückt.« (...)
Maximilian Graf von Montgelas (1759-1838) verwirklichte in Bayern, das im Juli 1806 dem unter der Oberhoheit Napoleon I. gebildeten Rheinbund beitrat, unter dem Einfluss von Aufklärung und Französischer Revolution eine Reihe bürgerlich-demokratischer Maßnahmen. Sie schränkten die Herrschaft der Feudalreaktion ein und verschafften dem Bürgertum einen gewissen Spielraum. (...) Diese Errungenschaften fielen im Ergebnis des Sieges der Heiligen Allianz der reaktionären Politik des bayerischen Kronprinzen und späteren König Ludwig I. von Bayern zum Opfer. (...) Diesen Sieg der Konterrevolution in Bayern feierte Ratzinger also »mit dankbarem Stolz« als erreichte »christliche Liberalität«. Und wenn er hinzufügte, dass diese »unzerstört« durch das »tragische Zwischenspiel« des »sogenannten Dritten Reich« erhalten blieb, so bagatellisiert er die Verbrechen des Naziregimes ebenso, wie dies die katholische Kirche auf der Grundlage ihres Paktes mit Hitler, dem Reichskonkordat vom Juli 1933, getan hatte. Das Ganze hat Ratzinger wohlüberlegt in einen Zusammenhang gebracht. Der Feind ist der bürgerliche Reformer Montgelas, der Klöster enteignete und die Privilegien des Adels und der mit ihm verbündeten Kirche beseitigte. Das Naziregime hat die Interessen der Kurie und ihre Pfründe respektiert und nicht angetastet, es gab keine Feindschaft. (...) So steht Joseph Ratzinger denn am Beginn seiner Münchener Bischofskarriere auch ganz in der Tradition seines verehrten Vorbildes Faulhaber. (...)
Collage: Norbert Arbeiter
Mit seinem Aufstieg zum Kardinal, der im Juni 1977, nur vier Wochen nach seiner Bischofsweihe, stattfindet, ist Ratzinger nun im Kreis der Mächtigen der Kurie, die jeweils einen neuen Papst wählen, angelangt. (...) Im Oktober 1978 gehört er zum Kardinalskollegium, das nach dem Tod von Paul I. Karol Wojtyla zum Papst wählt. Am 25. November 1981 ernennt dieser ihn zum Präfekten der Glaubenskongregation, gleichzeitig zum Präsidenten der Päpstlichen Bibelkommission und der Internationalen Theologenkommission.
Dr. Gerhard Feldbauer (geb.1933) habilitierte sich in italienischer Geschichte, ist freiberuflicher Publizist, war langjähriger Pressekorrespondent in Vietnam und Italien. Zahlreiche Bücher, zuletzt bei Papyrossa „Geschichte Italiens - Vom Risorgimento bis heute“. Siehe auch das Interview mit dem Autor in unserer Ausgabe vom 21. Januar 2010.
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14716
Zu diesem Text finden Sie aus der Fernsehserie „Mit Gott und den Faschisten" von Karlheinz Deschner, Deutschlands bedeutendstem Kirchenkritiker, einen Ausschnitt aus Teil VIII "Hitlers Lobsinger“ (PK)
Gerhard Feldbauer „Der Heilige Vater - Benedikt XVI.: Ein Papst und seine Tradition“
209 Seiten, EUR 14,90 [D]
PapyRossa Verlag, Köln 2010
ISBN 978-3-89438-415-9
Online-Flyer Nr. 236 vom 10.02.2010
Vorabdruck aus „Benedikt XVI.: Ein Papst und seine Tradition“ – Teil 1
Joseph Ratzinger auf dem Weg zur Macht
Von Gerhard Feldbauer
In Bonn kommt er ins Zentrum der Macht und in den Dunstkreis der Remilitarisierung, des Aufbaus der Bundeswehr durch frühere Generäle Hitlers, der Aufnahme in die NATO und aller mit der Eingliederung der Bundesrepublik in den unter Führung der USA verfolgten Kurs der Blockkonfrontation verbundenen Begleiterscheinungen, die im Verbot der KPD 1956 gipfeln. Der katholische Klerus der Bundesrepublik steht in Treue fest zu dieser Politik. Einer seiner eifrigsten Vertreter ist der Erzbischof von Köln, Joseph Frings. (...) In zahlreichen Eingaben macht Frings, sich zum mächtigen Fürsprecher verurteilter Kriegsverbrecher. (...) Der Erzbischof scheut auch keine Mühe, sich für die Freilassung des SS-Obersturmbannführers Kurt Hans einzusetzen, der für das Erschießungskommando mitverantwortlich war, das im September 1941 in Babi Yar bei Kiew innerhalb von drei Tagen über dreiunddreißigtausend Juden ermordete. Frings setzt auch seine Unterschrift unter ein Gnadengesuch für die Freilassung des in Italien zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilten SS-Obersturmbannführers Herbert Kappler, der im März 1944 in den Fosse Ardeatine (Tuffsteinhöhlen) bei Rom das Massaker an 335 Geiseln kommandierte und mehrere von ihnen persönlich durch Genickschuss ermordete. (...) Ratzinger erklimmt eine wichtige Sprosse auf der Stufenleiter der Hierarchie, als er Berater von Frings, wird. (...)
Nazi-Fürsprecher und Kölner Kardinal
- Josef Frings
Quelle: www.erzbistum-koeln.de
Enge Beziehungen unterhält Benedikt XVI. zum ebenfalls rechtsaußen angesiedelten »Forum deutscher Katholiken«, das sich, verhalten ausgedrückt, als eine Alternative zu den immerhin ökumenisch interessierten Deutschen Katholikentagen versteht. Es organisiert seit 2001 Jahrestreffen, auf denen sich als Teilnehmer Ratzinger im Geist verbundene »Brüder« treffen, darunter des Opus Dei, der Legionäre Christi, der Gemeinschaft der Seligpreisungen und des deutschen Hochadels. Für Ratzinger ist das Forum eine »missionarische Zelle« in der Kirche. (...) In Österreich erfreuten sich rechte und auch regelrecht rechtsextreme Kreise der Aufmerksamkeit Ratzingers. Er genierte sich nicht, im Grazer Aula-Verlag zu publizieren, der auch dem Holocaustleugner Walter Lüft zur Verfügung stand. (...)
Mit der Ernennung zum Erzbischof von München (1977) hatte Joseph Ratzinger die erste der letzten beiden Stufen auf der Leiter erklommen, die auf den Heiligen Stuhl führen kann. (...) Dieses hohe Amt hatte der von Ratzinger hochverehrte Kardinal Faulhaber inne. (...) Paul VI. habe damit nach unglaublich kurzer Zeit deutlich gezeigt, »wie sehr er den absolut romtreuen Startheologen schätzte«, so Christian Feldmann (einer seiner Biographen). Dieser aber war, was im Vatikan gut bekannt war, spätestens seit seiner Regensburger Zeit führender Vertreter eines klerikalen wie weltlichen Rechtsradikalismus, den faschistenfreundliche Kardinäle wie Frings, Faulhaber und Bischof Graber gefördert hatten. Ratzinger konnte sich mit der Bischofsweihe in seinem politischen Glaubenscredo vollauf bestätigt fühlen. (...)
Nach seinem Treueid, den er gemäß Konkordat auf die bayerische Verfassung ablegte, demonstrierte der neuernannte Erzbischof in seiner Antrittsrede, wes Geistes Kind er ist. Im Beisein von Ministerpräsident Alfons Goppel und Kultusminister Hans Maier führte er aus: »Wir Bayern dürfen mit dankbarem Stolz sagen, dass sich bei uns nach den Erschütterungen der Ära Montgelas und unzerstört durch das tragische Zwischenspiel des sogenannten Dritten Reiches eine christliche Liberalität eingespielt hat, in welcher der Staat sich stets sein eigenes Gewicht und den ihm gebührenden Rang zu wahren wusste, ohne dass die Kirche darob aufhörte, die Seelen zu prägen und im Bunde mit dem Staat jene heitere Daseinsfreude zu wecken, die sich in Bayerns Kultur so unverwechselbar ausdrückt.« (...)
Maximilian Graf von Montgelas (1759-1838) verwirklichte in Bayern, das im Juli 1806 dem unter der Oberhoheit Napoleon I. gebildeten Rheinbund beitrat, unter dem Einfluss von Aufklärung und Französischer Revolution eine Reihe bürgerlich-demokratischer Maßnahmen. Sie schränkten die Herrschaft der Feudalreaktion ein und verschafften dem Bürgertum einen gewissen Spielraum. (...) Diese Errungenschaften fielen im Ergebnis des Sieges der Heiligen Allianz der reaktionären Politik des bayerischen Kronprinzen und späteren König Ludwig I. von Bayern zum Opfer. (...) Diesen Sieg der Konterrevolution in Bayern feierte Ratzinger also »mit dankbarem Stolz« als erreichte »christliche Liberalität«. Und wenn er hinzufügte, dass diese »unzerstört« durch das »tragische Zwischenspiel« des »sogenannten Dritten Reich« erhalten blieb, so bagatellisiert er die Verbrechen des Naziregimes ebenso, wie dies die katholische Kirche auf der Grundlage ihres Paktes mit Hitler, dem Reichskonkordat vom Juli 1933, getan hatte. Das Ganze hat Ratzinger wohlüberlegt in einen Zusammenhang gebracht. Der Feind ist der bürgerliche Reformer Montgelas, der Klöster enteignete und die Privilegien des Adels und der mit ihm verbündeten Kirche beseitigte. Das Naziregime hat die Interessen der Kurie und ihre Pfründe respektiert und nicht angetastet, es gab keine Feindschaft. (...) So steht Joseph Ratzinger denn am Beginn seiner Münchener Bischofskarriere auch ganz in der Tradition seines verehrten Vorbildes Faulhaber. (...)
Collage: Norbert Arbeiter
Dr. Gerhard Feldbauer (geb.1933) habilitierte sich in italienischer Geschichte, ist freiberuflicher Publizist, war langjähriger Pressekorrespondent in Vietnam und Italien. Zahlreiche Bücher, zuletzt bei Papyrossa „Geschichte Italiens - Vom Risorgimento bis heute“. Siehe auch das Interview mit dem Autor in unserer Ausgabe vom 21. Januar 2010.
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14716
Zu diesem Text finden Sie aus der Fernsehserie „Mit Gott und den Faschisten" von Karlheinz Deschner, Deutschlands bedeutendstem Kirchenkritiker, einen Ausschnitt aus Teil VIII "Hitlers Lobsinger“ (PK)
Gerhard Feldbauer „Der Heilige Vater - Benedikt XVI.: Ein Papst und seine Tradition“
209 Seiten, EUR 14,90 [D]
PapyRossa Verlag, Köln 2010
ISBN 978-3-89438-415-9
Online-Flyer Nr. 236 vom 10.02.2010