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Lokales
Bürgerversammlung im Gürzenich: Keiner für Kölner Archiveinsturz verantwortlich?
Oder alle verantwortungslos?
Von Werner Rügemer
OB Roters blieb unsichtbar
Aufgrund des großen öffentlichen Drucks wegen der Berichte über geklaute Eisenbügel, zu wenig verbauten Beton und gefälschte Bauprotokolle hatten KVB, Baufirmen und Stadtverwaltung kurzfristig eine Bürgerversammlung in Kölns guter Stube, dem Festsaal des Gürzenich, angesetzt. Aber schon das Arrangement machte deutlich, dass heruntergespielt, desorientiert und Verantwortung verleugnet werden sollte: Die Versammlung richtete sich nicht an alle Kölner, sondern lediglich an die „Anlieger der Nord-Süd Stadtbahn“. Nicht der Archiveinsturz, sondern die Gefahren bei der möglichen Flutung der U-Bahnbaustellen wegen des kommenden Rheinhochwassers sollten im Mittelpunkt stehen. Nicht die Chefs von KVB, Bilfinger Berger und Stadtverwaltung standen Rede und Antwort, sondern lediglich leitende Techniker. Ratspolitiker und die Mitglieder des KVB-Aufsichtsrats waren nicht da; OB Roters sollte im Laufe der Veranstaltung dazukommen, blieb jedoch unsichtbar.
Gefälschte Protokolle aber korrekte Bauweise
„Ich möchte mich offiziell entschuldigen“, begann Dr. Jochen Keysberg als Vertreter der ARGE (Arbeitsgemeinschaft) der drei Baufirmen Bilfinger Berger, Wayss & Freytag und Züblin. Sie sind an der Baustelle Waidmarkt („Los Süd“) tätig, wo das Archiv einstürzte. Doch der etwas mühsam Schuldbewußtsein simulierende Manager von Bilfinger Berger entschuldigte sich keineswegs für Fehler der Baufirmen. Er entschuldigte sich bei den Bürgern für die „Verunsicherung und die Ängste, die wir bei Ihnen ausgelöst haben“. Wobei er dann erklärte, dass die Bürger eigentlich selbst schuld sind für ihre Verunsicherung und ihre Ängste, da sie zu wenig von Technik verstehen. Keysberg merkte zwar pflichtgemäß an, dass das Fälschen von Bauprotokollen „völlig inakzeptabel und kriminell“ sei, dass aber mangelhafte Protokolle nicht bedeuten, dass auch die Bauwerke, also die stützenden Schlitzwände, insbesondere die fragliche Lamelle 11 vor dem Archiv, mangelhaft sind. Gefälschte Protokolle und fehlende Eisenbewehrung, aber korrekte Bauwerke, so seine „beruhigende“ Darstellung. Der redegewandte und verständnistriefende Manager konnte freilich nicht angeben, warum die Protokolle überhaupt gefälscht wurden und wer das getan hat.
Ursache für Archiveinsturz unbekannt
Walter Reinarz, im KVB-Vorstand zuständig für Technik, entschuldigte sich ebenfalls „für Ängste und Verunsicherung bei Ihnen“, er wolle aber „Licht in die Verunsicherung“ bringen. Um diesen etwas kuriosen Effekt zu erreichen, präsentierte er wortreich per power point auf der Großleinwand eine Fülle von technischen Details und Fotos über den gegenwärtigen Bauzustand der U-Bahn; er entfaltete eine Chronologie dessen, was die KVB im Laufe des letzten Jahres sofort nach dem Einsturz mit Staatsanwalt und Gutachtern getan haben, um alles aufzuklären. Auch er betonte, die Ursache für den Archiveinsturz kenne man noch nicht, aber die „Standsicherheit“ aller Baustellen sei gewährleistet. Die Flutung bei Rheinhochwasser sei vielleicht nötig, aber ungefährlich.
Die Bürger hielten sich nicht an die thematische Vorgabe und stellten Fragen nach den Ursachen des Unglücks und nach dem Versagen der Bauaufsicht. Kurzzeitig kam eine andere Stimmung in den unruhigen und von Zwischenrufen belebten Saal, als ein Bürger dazu aufforderte, aufzustehen und eine Schweigeminute für die Opfer einzulegen. Publikum und Podium folgten dem – wohl der einzig gute Moment der Versammlung.
Lediglich „ein formaler Fehler“
Besonders drastisch fiel die Abwesenheit jeglichen Schuldbewußtseins bei dem Diplom-Ingenieur Stefan Roth von Bilfinger Berger aus: Der Geschäftsführer der ARGE „Los Süd“ antwortete ungerührt auf die Frage, warum seine Firmen die 19 zusätzlichen Brunnen eingebaut und die mehrfache Menge Grundwasser ohne Genehmigung abgepumpt haben: Dass man dies nicht angemeldet habe, sei lediglich „ein formaler Fehler“, der Brunnenbau selbst sei „technisch in Ordnung“ gewesen.
Bauaufsicht hat irgendwie nicht funktioniert
Die Fragen von Bürgern, die sich teilweise in vielen Details sehr gut auskannten, warum den zahlreichen Warnhinweisen vor dem Einsturz nicht gefolgt wurde und wo die Bauaufsicht war, antwortete scheinbar verständnisvoll Stadtdirektor Guido Kahlen. Er gab zu, dass die Bauaufsicht irgendwie nicht funktioniert habe, dass die KVB die Bauaufsicht besser nicht selbst hätten übernehmen dürfen, dass nach dem Einsturz die Landesregierung die Bauaufsicht auf das Regierungspräsidium Düsseldorf übertragen habe und dass es überhaupt eine bundesweite neue Verordnung geben müsse. Aber auch er betonte, dass die Einsturzursache noch nicht klar sei. Dafür sei in Abstimmung mit Staatsanwaltschaft und dem Gutachter Professor Kempfert ein Besichtigungsbauwerk nötig. Das sei kompliziert und teuer, es werde bis Sommer 2010 gebaut, sodaß die Unglücksstelle unter der Erde direkt begutachtet werden könne. Alle Beteiligten müssten Geduld haben, die Wiederherstellung des „Vertrauens“ könne nur in kleinen Schritten erfolgen.
Die wichtige Frage eines Ingenieurs aus dem Publikum blieb unbeantwortet: Er fragte, warum nicht die ursprünglich vorgesehene Bauweise befolgt worden sei, wonach neben den Schlitzwänden auch die Sohle des Schachts so abgedichtet werden sollte, dass überhaupt kein Grundwasser eindringen kann und das jahrelange Abpumpen unnötig wird. Dann wäre die Gefahr des Ausspülens und Ausschwemmens des Untergrunds vermieden worden. Das sei eigentlich die für eine solche Bodenbeschaffenheit und für eine dicht besiedelte Wohngegend die verantwortliche Lösung. Warum wurde die andere, wohl billigere Lösung gewählt? Keine Antwort.
Einige Bürger zeigten sich über die mögliche Flutung der Baustellen besorgt. Sie wird vorbereitet für den Fall, daß der Rhein wegen des Frühjahrshochwassers so viel Grundwasser hereindrückt, dass die Baustellenwände dem eventuell nicht standhalten können. Zum Ausgleich würde das sowieso ständig einströmende Grundwasser dann nicht mehr abgepumpt, sondern man ließe die Baustellen voll laufen. „Wenn geflutet wird, bleibe ich nicht in meiner Wohnung“, rief eine Anwohnerin. Eigentlich liegt hier wohl kein Problem. Auch bei Flutung bleibt der Wasserspiegel in den Baustellen weit unter der Oberkante der Wand, niemand wird evakuiert. Ob die anwohnenden Bürger nach ihren bisherigen Erfahrungen sich durch solche durchaus zutreffenden Informationen beruhigen lassen, ist allerdings unsicher.
Wer zahlen muß, bleibt offen
Die Fragen nach den Folgekosten des Unglücks wurden nur bruchstückhaft beantwortet. Reinarz und Kahlen gingen davon aus, dass der vermutliche Milliardenbetrag nicht bei KVB und Stadt Köln hängen bleibe. Wer da zahlen müsse, ließen sie offen.
Nach den Erzählungen der elf korrekt gekleideten Herren auf dem Podium hatte niemand von ihnen und auch sonst niemand einen Fehler gemacht. Warum das Archiv eingestürzt war, blieb ein Geheimnis. Die bisher angeblich immer noch vollständig unbekannte Ursache liegt angeblich irgendwo 30 oder 40 Meter tief unter der Erdoberfläche verborgen. Verantwortung? Niemand und nirgends. Ein wahres Bild der gegenwärtigen Verhältnisse.
Nachtrag der Teilnehmerin Hanne Schweitzer:
Die Herren, die zur Bürgerversamlung in den Kölner Gürzenich abgeordnet worden waren,hatten offensichtlich Angs. Mindestens 20 uniformierte VertreterInnen eines Wachdienstes hatte man deshalb auffällig unauffällig an strategisch wichtigen Stellen des Gürzenich positioniert - sitzend oder stehend, meist zu dritt. Dazu kamen Sicherheitsleute der KVB, rund 20. Keine Baskenmützen schief auf dem Kopf wie die Aufpasser der Sicherheitsfirma Adler, stattdessen mit Käppis.
Wasser in Plastikflaschen wurde an die Besucher umsonst ausgegeben. Doch das Wasser durfte nur im Foyer getrunken werden. Plastikflaschen im Saal waren verboten. Die einzigen, die im Saal Wasser trinken durften und auch ständig Nachschub bekamen, waren die Herren auf dem Podium. Geleitet wurde die Versammlung von der einzigen Frau auf dem Podium. Sie hatte alle elf Männer ebenso im Griff wie die Versammlungsleitung. Zwischenrufe „Zu-rück-tre-ten“ ignorierte sie souverän, bevor sie ganz von selbst verstummten.
Die Äußerungen und das Gebahren der delegierten Herrschaften machte den Eindruck, als hätten sie sich zuvor auf eine gemeinsame Strategie geeinigt: "Wattig". Niemanden diffamieren, keine Häme. Keiner geht um halb zehn nach Haus`, sondern alle bleiben, bis die letzte Frage gestellt und beantwortet ist. Ganz wichtig: So oft wie möglich entweder für irgendetwas entschuldigen oder vollstes Verständnis zusichern. Gebetsmühlenartig wiederholen, dass alles sicher ist. Des weiteren: Auf alles, was aus dem Publikum kommt, irgendwie eingehen, bloß nichts abblocken.
Und so versprach der Kölner Stadtdirektor Guido Kahlen einem leibhaftigen U-Bahn-Anwohner, dass er demnächst bei ihm schlafen wird. Der Mann, ein älterer Herr, hatte sich in der Versammlung beklagt, er könne nicht mehr schlafen in seiner Wohnung, nur vier Meter vom tiefen Loch der U-Bahn-Baustelle entfernt. Seine Frau sei auch schon ganz nervös. Er habe Angst. Mit erhobenem Zeigefinger, wie immer wenn er redet, versicherte ihm der Stadtdirektor, er brauche keine Angst zu haben. Alles sei sicher. So sicher, dass er, der Stadtdirektor Guido Kahlen eine Nacht bei ihm schlafen werde.
Sagen Sie selber: Kann es einen größeren Beweis für die Sicherheit der Kölner U-Bahn-Baustellen geben?
Übrigens demonstrierten zwei der Herren auf dem Podium die Sicherheit des Gürzenichsaals. Gegen Ende der Veranstaltung hielten sie auf der Bühne ein kleines Nickerchen. Da war es fast schon halb zwölf. (PK)
Online-Flyer Nr. 238 vom 25.02.2010
Bürgerversammlung im Gürzenich: Keiner für Kölner Archiveinsturz verantwortlich?
Oder alle verantwortungslos?
Von Werner Rügemer
OB Roters blieb unsichtbar
Aufgrund des großen öffentlichen Drucks wegen der Berichte über geklaute Eisenbügel, zu wenig verbauten Beton und gefälschte Bauprotokolle hatten KVB, Baufirmen und Stadtverwaltung kurzfristig eine Bürgerversammlung in Kölns guter Stube, dem Festsaal des Gürzenich, angesetzt. Aber schon das Arrangement machte deutlich, dass heruntergespielt, desorientiert und Verantwortung verleugnet werden sollte: Die Versammlung richtete sich nicht an alle Kölner, sondern lediglich an die „Anlieger der Nord-Süd Stadtbahn“. Nicht der Archiveinsturz, sondern die Gefahren bei der möglichen Flutung der U-Bahnbaustellen wegen des kommenden Rheinhochwassers sollten im Mittelpunkt stehen. Nicht die Chefs von KVB, Bilfinger Berger und Stadtverwaltung standen Rede und Antwort, sondern lediglich leitende Techniker. Ratspolitiker und die Mitglieder des KVB-Aufsichtsrats waren nicht da; OB Roters sollte im Laufe der Veranstaltung dazukommen, blieb jedoch unsichtbar.
Gefälschte Protokolle aber korrekte Bauweise
„Ich möchte mich offiziell entschuldigen“, begann Dr. Jochen Keysberg als Vertreter der ARGE (Arbeitsgemeinschaft) der drei Baufirmen Bilfinger Berger, Wayss & Freytag und Züblin. Sie sind an der Baustelle Waidmarkt („Los Süd“) tätig, wo das Archiv einstürzte. Doch der etwas mühsam Schuldbewußtsein simulierende Manager von Bilfinger Berger entschuldigte sich keineswegs für Fehler der Baufirmen. Er entschuldigte sich bei den Bürgern für die „Verunsicherung und die Ängste, die wir bei Ihnen ausgelöst haben“. Wobei er dann erklärte, dass die Bürger eigentlich selbst schuld sind für ihre Verunsicherung und ihre Ängste, da sie zu wenig von Technik verstehen. Keysberg merkte zwar pflichtgemäß an, dass das Fälschen von Bauprotokollen „völlig inakzeptabel und kriminell“ sei, dass aber mangelhafte Protokolle nicht bedeuten, dass auch die Bauwerke, also die stützenden Schlitzwände, insbesondere die fragliche Lamelle 11 vor dem Archiv, mangelhaft sind. Gefälschte Protokolle und fehlende Eisenbewehrung, aber korrekte Bauwerke, so seine „beruhigende“ Darstellung. Der redegewandte und verständnistriefende Manager konnte freilich nicht angeben, warum die Protokolle überhaupt gefälscht wurden und wer das getan hat.
Ursache für Archiveinsturz unbekannt
Walter Reinarz, im KVB-Vorstand zuständig für Technik, entschuldigte sich ebenfalls „für Ängste und Verunsicherung bei Ihnen“, er wolle aber „Licht in die Verunsicherung“ bringen. Um diesen etwas kuriosen Effekt zu erreichen, präsentierte er wortreich per power point auf der Großleinwand eine Fülle von technischen Details und Fotos über den gegenwärtigen Bauzustand der U-Bahn; er entfaltete eine Chronologie dessen, was die KVB im Laufe des letzten Jahres sofort nach dem Einsturz mit Staatsanwalt und Gutachtern getan haben, um alles aufzuklären. Auch er betonte, die Ursache für den Archiveinsturz kenne man noch nicht, aber die „Standsicherheit“ aller Baustellen sei gewährleistet. Die Flutung bei Rheinhochwasser sei vielleicht nötig, aber ungefährlich.
Die Bürger hielten sich nicht an die thematische Vorgabe und stellten Fragen nach den Ursachen des Unglücks und nach dem Versagen der Bauaufsicht. Kurzzeitig kam eine andere Stimmung in den unruhigen und von Zwischenrufen belebten Saal, als ein Bürger dazu aufforderte, aufzustehen und eine Schweigeminute für die Opfer einzulegen. Publikum und Podium folgten dem – wohl der einzig gute Moment der Versammlung.
Lediglich „ein formaler Fehler“
Besonders drastisch fiel die Abwesenheit jeglichen Schuldbewußtseins bei dem Diplom-Ingenieur Stefan Roth von Bilfinger Berger aus: Der Geschäftsführer der ARGE „Los Süd“ antwortete ungerührt auf die Frage, warum seine Firmen die 19 zusätzlichen Brunnen eingebaut und die mehrfache Menge Grundwasser ohne Genehmigung abgepumpt haben: Dass man dies nicht angemeldet habe, sei lediglich „ein formaler Fehler“, der Brunnenbau selbst sei „technisch in Ordnung“ gewesen.
Bauaufsicht hat irgendwie nicht funktioniert
Die Fragen von Bürgern, die sich teilweise in vielen Details sehr gut auskannten, warum den zahlreichen Warnhinweisen vor dem Einsturz nicht gefolgt wurde und wo die Bauaufsicht war, antwortete scheinbar verständnisvoll Stadtdirektor Guido Kahlen. Er gab zu, dass die Bauaufsicht irgendwie nicht funktioniert habe, dass die KVB die Bauaufsicht besser nicht selbst hätten übernehmen dürfen, dass nach dem Einsturz die Landesregierung die Bauaufsicht auf das Regierungspräsidium Düsseldorf übertragen habe und dass es überhaupt eine bundesweite neue Verordnung geben müsse. Aber auch er betonte, dass die Einsturzursache noch nicht klar sei. Dafür sei in Abstimmung mit Staatsanwaltschaft und dem Gutachter Professor Kempfert ein Besichtigungsbauwerk nötig. Das sei kompliziert und teuer, es werde bis Sommer 2010 gebaut, sodaß die Unglücksstelle unter der Erde direkt begutachtet werden könne. Alle Beteiligten müssten Geduld haben, die Wiederherstellung des „Vertrauens“ könne nur in kleinen Schritten erfolgen.
Die wichtige Frage eines Ingenieurs aus dem Publikum blieb unbeantwortet: Er fragte, warum nicht die ursprünglich vorgesehene Bauweise befolgt worden sei, wonach neben den Schlitzwänden auch die Sohle des Schachts so abgedichtet werden sollte, dass überhaupt kein Grundwasser eindringen kann und das jahrelange Abpumpen unnötig wird. Dann wäre die Gefahr des Ausspülens und Ausschwemmens des Untergrunds vermieden worden. Das sei eigentlich die für eine solche Bodenbeschaffenheit und für eine dicht besiedelte Wohngegend die verantwortliche Lösung. Warum wurde die andere, wohl billigere Lösung gewählt? Keine Antwort.
Einige Bürger zeigten sich über die mögliche Flutung der Baustellen besorgt. Sie wird vorbereitet für den Fall, daß der Rhein wegen des Frühjahrshochwassers so viel Grundwasser hereindrückt, dass die Baustellenwände dem eventuell nicht standhalten können. Zum Ausgleich würde das sowieso ständig einströmende Grundwasser dann nicht mehr abgepumpt, sondern man ließe die Baustellen voll laufen. „Wenn geflutet wird, bleibe ich nicht in meiner Wohnung“, rief eine Anwohnerin. Eigentlich liegt hier wohl kein Problem. Auch bei Flutung bleibt der Wasserspiegel in den Baustellen weit unter der Oberkante der Wand, niemand wird evakuiert. Ob die anwohnenden Bürger nach ihren bisherigen Erfahrungen sich durch solche durchaus zutreffenden Informationen beruhigen lassen, ist allerdings unsicher.
Wer zahlen muß, bleibt offen
Die Fragen nach den Folgekosten des Unglücks wurden nur bruchstückhaft beantwortet. Reinarz und Kahlen gingen davon aus, dass der vermutliche Milliardenbetrag nicht bei KVB und Stadt Köln hängen bleibe. Wer da zahlen müsse, ließen sie offen.
Nach den Erzählungen der elf korrekt gekleideten Herren auf dem Podium hatte niemand von ihnen und auch sonst niemand einen Fehler gemacht. Warum das Archiv eingestürzt war, blieb ein Geheimnis. Die bisher angeblich immer noch vollständig unbekannte Ursache liegt angeblich irgendwo 30 oder 40 Meter tief unter der Erdoberfläche verborgen. Verantwortung? Niemand und nirgends. Ein wahres Bild der gegenwärtigen Verhältnisse.
Nachtrag der Teilnehmerin Hanne Schweitzer:
Die Herren, die zur Bürgerversamlung in den Kölner Gürzenich abgeordnet worden waren,hatten offensichtlich Angs. Mindestens 20 uniformierte VertreterInnen eines Wachdienstes hatte man deshalb auffällig unauffällig an strategisch wichtigen Stellen des Gürzenich positioniert - sitzend oder stehend, meist zu dritt. Dazu kamen Sicherheitsleute der KVB, rund 20. Keine Baskenmützen schief auf dem Kopf wie die Aufpasser der Sicherheitsfirma Adler, stattdessen mit Käppis.
Wasser in Plastikflaschen wurde an die Besucher umsonst ausgegeben. Doch das Wasser durfte nur im Foyer getrunken werden. Plastikflaschen im Saal waren verboten. Die einzigen, die im Saal Wasser trinken durften und auch ständig Nachschub bekamen, waren die Herren auf dem Podium. Geleitet wurde die Versammlung von der einzigen Frau auf dem Podium. Sie hatte alle elf Männer ebenso im Griff wie die Versammlungsleitung. Zwischenrufe „Zu-rück-tre-ten“ ignorierte sie souverän, bevor sie ganz von selbst verstummten.
Die Äußerungen und das Gebahren der delegierten Herrschaften machte den Eindruck, als hätten sie sich zuvor auf eine gemeinsame Strategie geeinigt: "Wattig". Niemanden diffamieren, keine Häme. Keiner geht um halb zehn nach Haus`, sondern alle bleiben, bis die letzte Frage gestellt und beantwortet ist. Ganz wichtig: So oft wie möglich entweder für irgendetwas entschuldigen oder vollstes Verständnis zusichern. Gebetsmühlenartig wiederholen, dass alles sicher ist. Des weiteren: Auf alles, was aus dem Publikum kommt, irgendwie eingehen, bloß nichts abblocken.
Und so versprach der Kölner Stadtdirektor Guido Kahlen einem leibhaftigen U-Bahn-Anwohner, dass er demnächst bei ihm schlafen wird. Der Mann, ein älterer Herr, hatte sich in der Versammlung beklagt, er könne nicht mehr schlafen in seiner Wohnung, nur vier Meter vom tiefen Loch der U-Bahn-Baustelle entfernt. Seine Frau sei auch schon ganz nervös. Er habe Angst. Mit erhobenem Zeigefinger, wie immer wenn er redet, versicherte ihm der Stadtdirektor, er brauche keine Angst zu haben. Alles sei sicher. So sicher, dass er, der Stadtdirektor Guido Kahlen eine Nacht bei ihm schlafen werde.
Sagen Sie selber: Kann es einen größeren Beweis für die Sicherheit der Kölner U-Bahn-Baustellen geben?
Übrigens demonstrierten zwei der Herren auf dem Podium die Sicherheit des Gürzenichsaals. Gegen Ende der Veranstaltung hielten sie auf der Bühne ein kleines Nickerchen. Da war es fast schon halb zwölf. (PK)
Online-Flyer Nr. 238 vom 25.02.2010