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Sport
“Renaissance des Hooliganismus” begeistert die Medien
Hysterie macht Auflage
Von Hermann Kuttenkeuler
Quelle: www.weirdthings.org.uk
Zwar liegt für die vergangene Spielzeit noch kein Jahresbericht Fußball der ZIS vor, aber zumindest das Innenministerium Baden-Württemberg gab vor kurzem einen Rückgang fußballbezogener Delikte in der laufenden Saison bekannt, was wohl ein objektives Kriterium dafür darstellen dürfte, dass es ganz so schlimm dann doch nicht sein kann. Hinzu kommt, dass die Zuschauerzahlen weiter steigen. Ganz subjektiv scheinen sich also nicht allzu viele Menschen aus Angst um Leib und Leben von einem Stadionbesuch abhalten zu lassen. Woher rührt also die aktuelle Flut an Horrormeldungen über den Volkssport Nummer eins?
Es gibt Gewalt beim Fußball. Das soll gar nicht bestritten oder verharmlost werden. Aber wann war es anders? In den 50er Jahren vielleicht, das mag sein. Damals war man wahrscheinlich so mit Wirtschaftswundern beschäftigt, dass keiner mehr am Wochenende die Fäuste hochbekommen hat. Aber bereits in der darauf folgenden Dekade gab es Fan-Ausschreitungen, lange bevor hierzulande irgendjemand mit dem Begriff Hooligan umzugehen gewusst hätte. Und von den 70ern bis Mitte der 90er Jahre sah sich der Sport mit einem Problem konfrontiert, das alles, was heute im Rahmen von Fußballspielen passiert, in den Schatten stellt. Vielleicht mag es im Vorfeld der zum Sommermärchen hochgejazzten WM im eigenen Land etwas ruhiger geworden sein, aber das war eine von allen Seiten beflügelte Ausnahmesituation und nicht der Alltag. Kurz vor Weihnachten sind die Kinder auch immer ganz artig, ob der Vorfreude auf das große Ereignis. Aber bereits zu Silvester machen sie dann manchmal wieder Unsinn, da der Umgang mit Feuerwerkskörpern Kinder manchmal ein wenig von der Vernunft abdriften lässt. Aber dazu kommen wir später. Auffällig ist jedenfalls, dass nüchtern betrachtet die Fußballgewalt in jüngerer Zeit eher ab- als zuzunehmen scheint.
Das Tischtuch zwischen Fans und Polizei bekommt Risse
Die Angst vor der Gewalt aber nicht, ganz im Gegenteil. Nicht nur die Zeitungen mit den bunten Bildern, sondern beinahe die gesamte Presselandschaft wird nämlich nicht müde, dem Leser beinahe täglich die unüberschaubaren Gefahren, welche durch die Randerscheinungen des Sports für die innere Sicherheit und unsere hart erarbeitete Demokratie drohen, zum Frühstück zu servieren. Der unbewanderte Leser schluckt diese Informationen dann brav zusammen mit Kaffee und Mehrkornbrötchen, sind die schockierenden Berichte doch häufig mit aufschlussreichen Zitaten von Koryphäen auf diesem Gebiet angereichert. Gerne wird hierzu, wenn gerade kein anerkannter Fan-Forscher zur Hand ist, ein Polizeigewerkschafter befragt, welcher dann bereitwillig über kriegsähnliche Zustände auf den Straßen berichtet und darüber, dass seine Beamten wie Opferlämmer dem Pöbel zum Fraß vorgeworfen werden. Übertreibungen dieser Art gehören natürlich zu seinem Job, wobei sogar eingeräumt werden muss, dass seit einiger Zeit tatsächlich die Polizei immer öfter als Ziel von Aggressionen am Rande von Fußballspielen herhalten muss. Wobei die Beamten selbst nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung sind, denn auch dem gemäßigten Auswärtsreisenden in Sachen Fußball wird nicht verborgen geblieben sein, dass das Tischtuch zwischen Fans und Polizei regelmäßig von beiden Seiten neue Risse bekommt. Wenn Anhänger von Repression und Willkür sprechen, wird dies - auch dank der einseitigen medialen Berichterstattung - häufig als Schutzbehauptung abgetan oder bestenfalls belächelt. Wer sich aber einer entsprechenden Situationen einmal ausgesetzt sieht, wird schnell feststellen, dass eine gewisse Vorverurteilung seitens der Exekutive nicht von der Hand zu weisen ist. Daraus resultiert schnell ein prophylaktisch hartes Vorgehen, welches auf der Gegenseite ganz sicher nicht zu besserem Benehmen anregt. Von dieser Seite ist tatsächlich eine Zunahme der Gewalt erkennbar. Nie zuvor wurde so unbedacht von Pfefferspray Gebrauch gemacht und wurden derart leichfertig Stadionverbote mit der groben Kelle verteilt. Im Nachhinein können solche Maßnahmen dann als Gefahrenabwehr verkauft werden. Niemandem werden beim Kauf eines Sportwagens in weiser Voraussicht fünf Punkte in Flensburg gutgeschrieben, obwohl doch bereits der Kauf an sich auf eine etwas zügigere Fahrweise hindeuten könnte, aber ein Fußballfan auf Auswärtsfahrt wird häufig durch seine bloße Anwesenheit als Chaot abgestempelt, der nur angereist ist, um Raketensprühtöpfe abzubrennen oder anderweitig für Randale zu sorgen. Verhält er sich dann so, wie von ihm erwartet wird, ist das Geschrei nach härterem Vorgehen wieder groß. Verhält er sich anders, wird das als Erfolg der energisch durchgreifenden Polizei verbucht. Rechtmachen kann er es jedenfalls keinem.
Skifahrer nicht gleich Fußballfans
Wo wir gerade das Thema angeschnitten haben, seit längerem schon ist in Presse, Funk und Fernsehen in Verbindung mit Pyrotechnik beim Fußball schnell die Rede von Randale oder Krawall. Gibt man diese Begriffe bei Wikipedia ein, wird man zu Vandalismus beziehungsweise Aufruhr weitergeleitet. Die Wortwahl scheint hier also etwas überzogen, zumal die Herren Sportkommentatoren noch vor wenigen Jahren beim Anblick hell erleuchteter Stadionränge gerne von südländischer Atmosphäre schwärmten. Natürlich ist Feuerwerk außerhalb der Jahresendzeit genehmigungspflichtig und selbstverständlich ist es nicht schön, dass vor kurzem im Gästeblock in Bochum beim Spiel gegen Nürnberg der Einsatz von Pyrotechnik zwei Schwerverletzte hervorbrachte. Aber stellen wir diesen Schwerverletzten unter den hunderttausenden Fans, die jeden Spieltag eines der vielen Fußballstadien besuchen, in denen trotz Verbot hin und wieder gezündelt wird, die Anzahl an Versehrten gegenüber, die ein einziger Tag Wintersport während der Saison hervorbringt, dann liegt der Schluss nahe, dass ein gemeiner Skifahrer mehr Potential zum randalierenden Chaoten mitbringt, als ein Fußballfan.
Eine mediale Hetze gegen Wintersportler würde aber vermutlich nicht die Auflage steigern. Obwohl die Maßnahmen im Kampf gegen Skifahrer der Kategorie C einiges an Unterhaltungswert versprächen. Bei den ersten Schneefällen könnten aktenkundigen Pistenrowdies Ausreise- und weiträumige Skigebietverbote erteilt werden, neben der Pflicht, sich dreimal täglich auf einer Polizeistation zu melden, um so heimliches Skilaufen zu unterbinden. Wer sich auf dem Weg zum Skilift ungeschickt anstellt und in eine Ausweiskontrolle gerät, landet schneller in der Datei ’Gewalttäter Ski’, als er sich versehen kann, und schon flattert einem ein dreijähriges Pistenverbot ins Haus.
Immer neue Sanktionen
In Verbindung mit Wintersport klingt das alles ziemlich albern, für Fußballfans sieht so nicht selten die Realität aus. Wobei natürlich nicht alle Stadionverbote als ungerechtfertigt dargestellt werden sollen, aber was im Augenblick an immer neuen Sanktionen seitens der Verantwortlichen aus dem Ärmel geschüttelt wird, um einem Problem entgegenzuwirken, welchem zwar durch die Medien immer mehr Aufmerksamkeit zuteil wird, welches objektiv gesehen aber nicht an Bedrohlichkeit zunimmt, macht doch ein wenig Sorgen, welche Sau wohl als nächstes durchs Dorf getrieben wird, falls die Pressewelt einmal den Spaß an Kriegsszenarien am Rand von Fußballspielen verloren hat und auf den nächsten Zug aufspringt. Bis es soweit ist, könnte man doch vielleicht die Sau etwas weniger jagen, dafür die Kirche ein bisschen mehr im Dorf lassen, denn solange auf künstlich erzeugte Hysterie mit überzogenem Aktionismus reagiert wird, kann es eigentlich nicht friedlicher werden. Sollte aber irgendein Innenministerium erneut einen Rückgang der fußballbezogenen Delikte vermelden, wird das bestimmt am harten Durchgreifen der Polizeibeamten liegen. Deren Vergehen tauchen in der Statistik ja nicht auf. (PK)
Online-Flyer Nr. 243 vom 31.03.2010
“Renaissance des Hooliganismus” begeistert die Medien
Hysterie macht Auflage
Von Hermann Kuttenkeuler
Quelle: www.weirdthings.org.uk
Zwar liegt für die vergangene Spielzeit noch kein Jahresbericht Fußball der ZIS vor, aber zumindest das Innenministerium Baden-Württemberg gab vor kurzem einen Rückgang fußballbezogener Delikte in der laufenden Saison bekannt, was wohl ein objektives Kriterium dafür darstellen dürfte, dass es ganz so schlimm dann doch nicht sein kann. Hinzu kommt, dass die Zuschauerzahlen weiter steigen. Ganz subjektiv scheinen sich also nicht allzu viele Menschen aus Angst um Leib und Leben von einem Stadionbesuch abhalten zu lassen. Woher rührt also die aktuelle Flut an Horrormeldungen über den Volkssport Nummer eins?
Es gibt Gewalt beim Fußball. Das soll gar nicht bestritten oder verharmlost werden. Aber wann war es anders? In den 50er Jahren vielleicht, das mag sein. Damals war man wahrscheinlich so mit Wirtschaftswundern beschäftigt, dass keiner mehr am Wochenende die Fäuste hochbekommen hat. Aber bereits in der darauf folgenden Dekade gab es Fan-Ausschreitungen, lange bevor hierzulande irgendjemand mit dem Begriff Hooligan umzugehen gewusst hätte. Und von den 70ern bis Mitte der 90er Jahre sah sich der Sport mit einem Problem konfrontiert, das alles, was heute im Rahmen von Fußballspielen passiert, in den Schatten stellt. Vielleicht mag es im Vorfeld der zum Sommermärchen hochgejazzten WM im eigenen Land etwas ruhiger geworden sein, aber das war eine von allen Seiten beflügelte Ausnahmesituation und nicht der Alltag. Kurz vor Weihnachten sind die Kinder auch immer ganz artig, ob der Vorfreude auf das große Ereignis. Aber bereits zu Silvester machen sie dann manchmal wieder Unsinn, da der Umgang mit Feuerwerkskörpern Kinder manchmal ein wenig von der Vernunft abdriften lässt. Aber dazu kommen wir später. Auffällig ist jedenfalls, dass nüchtern betrachtet die Fußballgewalt in jüngerer Zeit eher ab- als zuzunehmen scheint.
Das Tischtuch zwischen Fans und Polizei bekommt Risse
Die Angst vor der Gewalt aber nicht, ganz im Gegenteil. Nicht nur die Zeitungen mit den bunten Bildern, sondern beinahe die gesamte Presselandschaft wird nämlich nicht müde, dem Leser beinahe täglich die unüberschaubaren Gefahren, welche durch die Randerscheinungen des Sports für die innere Sicherheit und unsere hart erarbeitete Demokratie drohen, zum Frühstück zu servieren. Der unbewanderte Leser schluckt diese Informationen dann brav zusammen mit Kaffee und Mehrkornbrötchen, sind die schockierenden Berichte doch häufig mit aufschlussreichen Zitaten von Koryphäen auf diesem Gebiet angereichert. Gerne wird hierzu, wenn gerade kein anerkannter Fan-Forscher zur Hand ist, ein Polizeigewerkschafter befragt, welcher dann bereitwillig über kriegsähnliche Zustände auf den Straßen berichtet und darüber, dass seine Beamten wie Opferlämmer dem Pöbel zum Fraß vorgeworfen werden. Übertreibungen dieser Art gehören natürlich zu seinem Job, wobei sogar eingeräumt werden muss, dass seit einiger Zeit tatsächlich die Polizei immer öfter als Ziel von Aggressionen am Rande von Fußballspielen herhalten muss. Wobei die Beamten selbst nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung sind, denn auch dem gemäßigten Auswärtsreisenden in Sachen Fußball wird nicht verborgen geblieben sein, dass das Tischtuch zwischen Fans und Polizei regelmäßig von beiden Seiten neue Risse bekommt. Wenn Anhänger von Repression und Willkür sprechen, wird dies - auch dank der einseitigen medialen Berichterstattung - häufig als Schutzbehauptung abgetan oder bestenfalls belächelt. Wer sich aber einer entsprechenden Situationen einmal ausgesetzt sieht, wird schnell feststellen, dass eine gewisse Vorverurteilung seitens der Exekutive nicht von der Hand zu weisen ist. Daraus resultiert schnell ein prophylaktisch hartes Vorgehen, welches auf der Gegenseite ganz sicher nicht zu besserem Benehmen anregt. Von dieser Seite ist tatsächlich eine Zunahme der Gewalt erkennbar. Nie zuvor wurde so unbedacht von Pfefferspray Gebrauch gemacht und wurden derart leichfertig Stadionverbote mit der groben Kelle verteilt. Im Nachhinein können solche Maßnahmen dann als Gefahrenabwehr verkauft werden. Niemandem werden beim Kauf eines Sportwagens in weiser Voraussicht fünf Punkte in Flensburg gutgeschrieben, obwohl doch bereits der Kauf an sich auf eine etwas zügigere Fahrweise hindeuten könnte, aber ein Fußballfan auf Auswärtsfahrt wird häufig durch seine bloße Anwesenheit als Chaot abgestempelt, der nur angereist ist, um Raketensprühtöpfe abzubrennen oder anderweitig für Randale zu sorgen. Verhält er sich dann so, wie von ihm erwartet wird, ist das Geschrei nach härterem Vorgehen wieder groß. Verhält er sich anders, wird das als Erfolg der energisch durchgreifenden Polizei verbucht. Rechtmachen kann er es jedenfalls keinem.
Skifahrer nicht gleich Fußballfans
Wo wir gerade das Thema angeschnitten haben, seit längerem schon ist in Presse, Funk und Fernsehen in Verbindung mit Pyrotechnik beim Fußball schnell die Rede von Randale oder Krawall. Gibt man diese Begriffe bei Wikipedia ein, wird man zu Vandalismus beziehungsweise Aufruhr weitergeleitet. Die Wortwahl scheint hier also etwas überzogen, zumal die Herren Sportkommentatoren noch vor wenigen Jahren beim Anblick hell erleuchteter Stadionränge gerne von südländischer Atmosphäre schwärmten. Natürlich ist Feuerwerk außerhalb der Jahresendzeit genehmigungspflichtig und selbstverständlich ist es nicht schön, dass vor kurzem im Gästeblock in Bochum beim Spiel gegen Nürnberg der Einsatz von Pyrotechnik zwei Schwerverletzte hervorbrachte. Aber stellen wir diesen Schwerverletzten unter den hunderttausenden Fans, die jeden Spieltag eines der vielen Fußballstadien besuchen, in denen trotz Verbot hin und wieder gezündelt wird, die Anzahl an Versehrten gegenüber, die ein einziger Tag Wintersport während der Saison hervorbringt, dann liegt der Schluss nahe, dass ein gemeiner Skifahrer mehr Potential zum randalierenden Chaoten mitbringt, als ein Fußballfan.
Eine mediale Hetze gegen Wintersportler würde aber vermutlich nicht die Auflage steigern. Obwohl die Maßnahmen im Kampf gegen Skifahrer der Kategorie C einiges an Unterhaltungswert versprächen. Bei den ersten Schneefällen könnten aktenkundigen Pistenrowdies Ausreise- und weiträumige Skigebietverbote erteilt werden, neben der Pflicht, sich dreimal täglich auf einer Polizeistation zu melden, um so heimliches Skilaufen zu unterbinden. Wer sich auf dem Weg zum Skilift ungeschickt anstellt und in eine Ausweiskontrolle gerät, landet schneller in der Datei ’Gewalttäter Ski’, als er sich versehen kann, und schon flattert einem ein dreijähriges Pistenverbot ins Haus.
Immer neue Sanktionen
In Verbindung mit Wintersport klingt das alles ziemlich albern, für Fußballfans sieht so nicht selten die Realität aus. Wobei natürlich nicht alle Stadionverbote als ungerechtfertigt dargestellt werden sollen, aber was im Augenblick an immer neuen Sanktionen seitens der Verantwortlichen aus dem Ärmel geschüttelt wird, um einem Problem entgegenzuwirken, welchem zwar durch die Medien immer mehr Aufmerksamkeit zuteil wird, welches objektiv gesehen aber nicht an Bedrohlichkeit zunimmt, macht doch ein wenig Sorgen, welche Sau wohl als nächstes durchs Dorf getrieben wird, falls die Pressewelt einmal den Spaß an Kriegsszenarien am Rand von Fußballspielen verloren hat und auf den nächsten Zug aufspringt. Bis es soweit ist, könnte man doch vielleicht die Sau etwas weniger jagen, dafür die Kirche ein bisschen mehr im Dorf lassen, denn solange auf künstlich erzeugte Hysterie mit überzogenem Aktionismus reagiert wird, kann es eigentlich nicht friedlicher werden. Sollte aber irgendein Innenministerium erneut einen Rückgang der fußballbezogenen Delikte vermelden, wird das bestimmt am harten Durchgreifen der Polizeibeamten liegen. Deren Vergehen tauchen in der Statistik ja nicht auf. (PK)
Online-Flyer Nr. 243 vom 31.03.2010