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Inland
Berliner Kunsthaus Tacheles von Geldgier bedroht
In den Fängen der HSH Nordbank
Von Helmut Lorscheid
Der Autor im Gespräch mit den Künstlerinnen der SpreeBlitz-Girlz
Fotos: Stefan Jalowy
Das Tacheles ist nicht nur ein touristischer Magnet, sondern ein vor allem international begehrter Ausstellungs- und Arbeitsort. Doch nicht nur Maler und Performancekünstler lieben diesen Kunstort, er ist auch bei Theatern und Musikern begehrt. So gehört der „Goldene Saal“ des Tacheles zu den festen Spielorten des Deutschen Symphonie Orchester Berlin.(2) Das Tacheles beherbergt 31 Ateliers. Mehrere tausend Künstler aller Sparten aus dem In- und vor allem aus dem Ausland, haben in den vergangenen zwanzig Jahren im Tacheles gearbeitet und auf den rund eintausend Quadratmetern Galeriefläche ausgestellt. Der weltweite künstlerische Austausch ist eines der Markenzeichen des Tacheles e.V.
Der „Goldene Saal“
Vom Aus bedroht ist das Tacheles, weil die bekanntlich selbst ins Strudeln geratene HSH Nordbank, Hamburg, ein Zwangsversteigerungsverfahren der Immobilie betreibt und in diesem Zusammenhang die Zwangsräumung angekündigt hat. Die Verantwortung dafür sieht die Bank im Verhalten des Eigentümers: „Die Zwangsversteigerung für das gesamte Areal droht nun, da die Fundus-Gruppe 10 Jahre lang tatenlos geblieben ist.“ So die Pressesprecherin der HSH Nordbank, Gesine Dähn gegenüber der NRhZ. Die Fundus-Gruppe, das sind über dreißig Anlagefonds, rund 300 Firmen, beherrscht von der Familie des Dürener Kaufmanns Anno August Jagdfeld. (3)
Am 29.9.1998 wurde das Tacheles von der Oberfinanzdirektion Berlin, gemeinsam mit einigen angrenzenden Grundstücken für 23.849.310,00 DM an die Fundus-Baubetreuung GmbH & Co Projektentwicklungs KG verkauft Als Person trat dabei Anno August Jagdfeld auf, handelnd als Geschäftsführer der Johannishof Immobilien Verwaltungs GmbH, Vettweis-Düsternich.
Kleiner Exkurs – Wer ist Jagdfeld?
Anno August Jagdfeld, 57, Kaufmann in Düren. Dort befindet sich die Firmenzentrale seiner Fundus-Gruppe. Dazu gehören mehrere hundert Firmen. Über dreißig „Fundus-Fonds“ sammelten bei Anlegern das Geld für solch illustre Projekte wie das Hotel Adlon in Berlin und das Ostsee Hotel Heiligendamm, bekannt als Herberge des G 8-Gipfels. Dafür dass er das Hotel Heiligendamm nicht schließt, ließ sich Jagdfeld im vergangenen Jahr von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern 4 Mio. Euro borgen. Im Adlon betreibt Familie Jagdfeld auf einer Fläche von 7.000 qm Restaurants, Clubs und einen „Spa“-Bereich. Dass sie dafür auch für die kommenden zwei Jahre keine Miete zahlen müssen, beschloss auf Jagdfelds Antrag hin Mitte März eine außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Jagdfeld Hotel Adlon FUNDUS FONDS Nr. 31 KG. Jagdfeld selbst vertrat dabei rund 80 Prozent der meist schon älteren Anleger. (4)
Ein Verkauf der Hotelanteile ergibt für die Anleger derzeit keinen Sinn – sie haben nach Aussage Jagdfelds, derzeit lediglich einen Wert von „25 bis 30 Prozent“. Heiligendamm und Adlon sind zwei Beispiele der rund 30 Fundus-Fonds. Mitglieder des Tacheles-Vereins haben die Geld- und Wirtschaftspresse systematisch über mehrere Jahre hin auf Berichte über die Fundus-Gruppe ausgewertet und in einem „Schwarzbuch Fundus“ zusammengefasst.(5) Laut Berliner Zeitung lag die Kaufsumme für das Gebäude samt Freiflächen bei rund 80 Mio. D-Mark. (6)
Das Gebäude Tacheles, so heißt es im Kaufvertrag, wurde wegen der hohen Aufwendungen, die für den Erhalt des Baudenkmals notwendig waren, für 0,00 DM verkauft. Großes war geplant, die Fundus-Gruppe wollte angeblich weit über 400 Mio. DM investieren. Ab Frühjahr 2002 sollten um das Tacheles Wohnbauten, Wohn- und Gewerbehöfe mit Läden und Restaurants, sowie 35.000 Quadratmeter Büroflächen entstehen. Außerdem war ein Luxushotel mit ca. 230 Zimmern geplant. - Große Pläne, denen wenig an Realisierung folgte. Immerhin sollen von der Fundus-Gruppe im Tachelesgebäude selbst (7) rund zehn Millionen Euro investiert worden sein. Die riesige Brachfläche hinter dem Tachelesgebäude blieb bis heute unbebaut Die Banken sicherten sich so weit wie möglich ab. Die Grundstücke und somit auch das Tacheles, wurden laut Grundbuch mit 75.160.485,15 Euro zugunsten der Nord/LB Norddeutsche Landesbank Girozentrale Braunschweig belastet. Die Forderung trat die Landesbank später an die HSH Nordbank ab, deren Mehrheitseigner die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein sind. Ein weiterer Eintrag im Grundbuch gibt zu allerlei Spekulationen Anlass: Auf Blatt 447N wurde eine „Grundschuld ohne Brief zu dreißig Millionen Euro für die Bredero Deutschland GmbH, Düren“ eingetragen Das Spannende daran: Die in die Fänge der HSH Nordbank geratene Johannishof Projektentwicklung GmbH und Co KG und die Bredero Deutschland GmbH gehören beide zur Fundus-Gruppe, deren Inhaber Anno August Jagdfeld auch Geschäftsführer von Johannishof und Bredero ist.(8) Eine Tatsache, die den Geschäftsführer des Tacheles-Vereins, den Wiener Künstler Martin Reiter, schon im Januar 2009 zu einem Offenen Brief an die Staatsanwaltschaften in Berlin und Hamburg bewegte. Reiter schrieb: „Der Betrugsverdacht richtet sich gegen die HSH Nordbank und Anno August Jagdfeld. Herr Jagdfeld sitzt defacto als sein eigener Gläubiger im Gläubigerkonsortium, könnte somit über das Zwangsversteigerungsverfahren zum einen seine Ansprüche sichern und zum zweiten gleichzeitig seine Außenstände um Millionen reduzieren. Sollte er über „Strohleute oder –firmen“ das Areal oder Teile davon wieder erwerben, wäre der Straftatbestand des Betruges ein zweites Mal gegeben.“
Geschäftsführer des Tacheles-Vereins, Martin Reiter, im Interview
Doch die Staatsanwaltschaft Berlin sah keinen Grund für tiefer gehende Ermittlungen und stellte das Verfahren alsbald ein. Wörtlich heißt es in der Einstellungsverfügung: „Für einen Betrug liegen die erforderlichen Anhaltspunkte nicht vor.“ (Aktenzeichen 3 Wi Js 543/10)
Soweit die Sicht der Berliner Staatsanwaltschaft. Dabei ist es schon eigenartig, dass die HSH Nordbank(9) dem Tacheles-Verein noch am 18. November 2008 einen Vertrag zusagte, diese Zusage aber bereits Ende Dezember 2008 wieder zurückzog - mit der Begründung, das Gläubigerkonsortium könne sich nicht einigen. Wer sich da mit wem worüber nicht einigen konnte, blieb offen. Über derartige Interna bewahrt die Bank Stillschweigen. Jagdfeld sitzt jedenfalls über seine Gesellschaft Bredero Deutschland selbst im Gläubigerkonsortium.
Bank gegen Kultur
Die HSH-Nordbank beantragte (laut Grundbuch) schon am 13.12.2007 die Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung beim Amtsgericht Berlin-Mitte. Diesem Antrag wurde am 28.2.2008 auch stattgegeben. Seitdem mussten die Künstler theoretisch jederzeit mit ihrem Rausschmiss aus dem Tacheles rechnen. Und nun wird die Sache akut. Die Bank macht Druck. Zwar ist die HSH Nordbank, so ihre Sprecherin, Gesine Dähn, „nicht Eigentümerin des 25.300 qm umfassenden Gesamtareals, zwischen Oranienburger-, Friedrich- und Johannisstraße, sondern zusammen mit zwei anderen Instituten Mitglied eines Bankenkonsortiums, das wiederum Gläubiger (sogenannter Grundpfandrechtgläubiger) des Eigentümers (Fundus) ist. Das Tacheles-Grundstück umfasst dabei 1.250 qm des Gesamtareals.“ - Eine wichtige Feststellung der Bank. Denn von zentraler Bedeutung ist derzeit die Frage, ob das Tacheles-Grundstück, dessen Gebäude lediglich ein Zwanzigstel der ansonsten weitgehend unbebauten Fläche umfasst, nicht aus dem Gesamtgeschäft herausgelöst und als Kunsthaus unter der bisherigen Leitung weiterbetrieben werden kann.
Der Tacheles-Verein favorisierte eine Erbpacht-Lösung, bei der die Bank Besitzerin des Hauses bliebe, die Künstler wieder einen Mietvertrag bekämen und ihre Zukunft planen könnten. In Offenen Briefen an Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen, wies der Tacheles-Verein auf die kulturelle Bedeutung des internationalen Kunsthauses hin, in dem „in den zwanzig Jahren seines Bestehens über 10.000 Künstler tätig waren, das jährlich von 400.000 Menschen besucht wird und für dessen Erhalt sich über 70.000 Menschen aus mehr als 40 Ländern in Unterschriftslisten ausgesprochen haben.“ Für die Bank beständen auch Alternativen, schließlich handele es sich beim Tacheles-Grundstück nur um eines von insgesamt 16, dessen Fläche von ca. 1250 Quadratmeter nur einen Bruchteil der 24.000 qm Gesamtfläche betrage. Die Künstler fordern von den Regierungsschefs in Hamburg und Kiel, (10) auf die HSH-Nordbank einzuwirken, damit das Tacheles erhalten bleibt. Der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) sowie die Fachgruppe Bildende Kunst im Landesbezirk Berlin-Brandenburg von ver.di unterstützen den Tacheles-Verein in eigenen Briefen an die beiden Regierungschefs in Kiel und Hamburg.
Hamburger Grüne auf Abwegen
Unterstützung fanden die Künstler auch bei den Oppositionspartein in Kiel und Hamburg. In der Hamburger Bürgerschaft brachte der kulturpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, Norbert Hackbusch, einen Antrag ein, in dem der Hamburger Senat als Anteilseigner der HSH Nordbank aufgefordert wird, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, damit die HSH Nordbank das Tacheles Grundstück nicht zwangsversteigert, sondern in der Zwangsverwaltung belässt, die Räumung aussetzt so dass der Erhalt des Kunsthauses Tacheles langfristig gesichert wird. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion in Hamburg unterstützte den Antrag der Linken. Die mit der CDU in einer Koalition verbundene GAL erlag vor der Beratung des Antrags der Linken einer – möglicherweise bewusst gestreuten Fehlinformation, die nach Darstellung des GAL-Fraktions-Pressesprechers aus dem Hause des Hamburger Finanzsenats stammte. Dieser Falschinformation zufolge, könne die HSH-Nordbank die Zwangsversteigerung nicht verhindern, weil sie in dem betreffenden Bankenkonsortium lediglich über einen Minderheitsanteil verfüge. Tatsächlich verfügt die HSH jedoch über 50 Prozent in diesem Konsortium und agiert alleine, als dessen Konsortialführer. Außer der HSH gehören dem Konsortium noch die hessisch-thüringische Landesbank Helaba, Frankfurt/Main, sowie die Nord LB Hamburg mit jeweils (25 Prozent) an.
Die Fehlinformation diente offenbar manchem GAL-Politiker als Ausrede, um gemeinsam mit dem Koalitionspartner CDU gegen den Antrag der Linken zu stimmen. Im Nachhinein sah sich die GAL nicht mehr in der Lage zu klären, wer, wen, wann und warum falsch informiert hatte. In der Pressestelle des Hamburger Finanzsenators schloss man eine bewusste Falschinformation aus und sprach stattdessen von einem möglichen „Missverständnis bei der GAL, den Hamburger Grünen.“ Im Kieler Landtag bat der Vorsitzende der Grünen Landtagsfraktion im Landtag von Schleswig-Holstein, Dr. Robert Habeck, den dortigen Ministerpräsident Carstensen, schriftlich, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für das Tacheles einzutreten.
Unterstützung durch Berliner Politik
Im Berliner Abgeordnetenhaus findet das Tacheles inzwischen politisch breite Unterstützung bei der regierenden SPD und der Linken, ebenso bei den Grünen - und seit einigen Wochen auch im Berliner Senat, bei Berlins Regierendem Bürgermeister Wowereit und dessen Mann für die Kultur, Staatssekretär Andre Schmitz. Wowereit und Schmitz richteten ebenfalls Briefe an die Bürgermeisterkollegen in Hamburg und Kiel bzw. an die HSH Bank. Beide mit dem Ziel, das Tacheles unbedingt zu erhalten. Doch weder Ole von Beust in Hamburg, noch Peter Harry Carstenen in Kiel wollen offenbar Einfluss nehmen auf die Geschäfte der von beiden Ländern kontrollierten HSH-Nordbank. Die Bank selbst schiebt die Verantwortung auf die Fundus-Gruppe, die bei ihr mit -zig Millionen verschuldet sei. Wowereit reagierte sauer. In einer Sitzung des Kulturausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses stellte er klar: „Die Räumung des Tacheles muß verhindert werden“. Kultur-Staatssekretär Schmitz zeigte sich bei einem Besuch im Tacheles zuversichtlich. (11)
HSH-Nordbank droht mit Zwangsversteigerung
Er hoffe auf den klaren Menschenverstand der Hamburger – schließlich sei die Zweckbestimmung des Tacheles als Kulturort im Bebauungsplan festgeschrieben und das Gebäude stehe unter Denkmalschutz. Die Künstler aus dem Tacheles rauszuschmeißen, ergebe auch wirtschaftlich keinen Sinn. Denn Kunst fördere bekanntlich die Entwicklung eines Objekts. Außerdem gebe es ungeheuer schlechte Publicity für die Bank, wenn sie das Gebäude wirklich räumen ließe. Doch die HSH-Nordbank bleibt dabei - noch in diesem Jahr soll das Gebäude geräumt und danach verkauft werden. Es gebe einen Investor, der kaufen wolle - aber nur wenn es zuvor geräumt sei. Andernfalls drohen die Bänker mit einer Zwangsversteigerung.
Ein weiteres Argument von Bank-Sprecherin Gesine Dähn, man müsse das Tacheles im Gesamtpaket mit den übrigen Grundstücken verkaufen, weil „Neu-Investoren nur am Erwerb des gesamten Areals interessiert“ seien und „daher eine Herauslösung einzelner Grundstücke wie im Fall der von Tacheles genutzten Fläche bedauerlicherweise nicht möglich“ sei, steht im Widerspruch zu den beim Amtsgericht Berlin Mitte anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren. Denn während die Bank suggeriert, es handele sich um ein Verfahren, bestätigt der Gerichtssprecher gegenüber dem Autor, dass es sich „um 13 Verfahren handelt“ und das auch weiterhin so sei. Dies bedeutet, dass 13 Grundstücke zum Verkauf stehen und auch von 13 verschiedenen Interessenten ersteigert werden könnten.
Derzeit bereiten Künstler des Tacheles eine Petition an den Bundestag vor mit dem Ziel, das Kunsthaus zu erhalten und die HSH Nordbank an ihre Verantwortung zu erinnern. Die Petition kann nach Veröffentlichung von jedem online unterzeichnet werden. (12)
(PK)
Anmerkungen
Online-Flyer Nr. 244 vom 07.04.2010
Berliner Kunsthaus Tacheles von Geldgier bedroht
In den Fängen der HSH Nordbank
Von Helmut Lorscheid
Der Autor im Gespräch mit den Künstlerinnen der SpreeBlitz-Girlz
Fotos: Stefan Jalowy
Das Tacheles ist nicht nur ein touristischer Magnet, sondern ein vor allem international begehrter Ausstellungs- und Arbeitsort. Doch nicht nur Maler und Performancekünstler lieben diesen Kunstort, er ist auch bei Theatern und Musikern begehrt. So gehört der „Goldene Saal“ des Tacheles zu den festen Spielorten des Deutschen Symphonie Orchester Berlin.(2) Das Tacheles beherbergt 31 Ateliers. Mehrere tausend Künstler aller Sparten aus dem In- und vor allem aus dem Ausland, haben in den vergangenen zwanzig Jahren im Tacheles gearbeitet und auf den rund eintausend Quadratmetern Galeriefläche ausgestellt. Der weltweite künstlerische Austausch ist eines der Markenzeichen des Tacheles e.V.
Der „Goldene Saal“
Vom Aus bedroht ist das Tacheles, weil die bekanntlich selbst ins Strudeln geratene HSH Nordbank, Hamburg, ein Zwangsversteigerungsverfahren der Immobilie betreibt und in diesem Zusammenhang die Zwangsräumung angekündigt hat. Die Verantwortung dafür sieht die Bank im Verhalten des Eigentümers: „Die Zwangsversteigerung für das gesamte Areal droht nun, da die Fundus-Gruppe 10 Jahre lang tatenlos geblieben ist.“ So die Pressesprecherin der HSH Nordbank, Gesine Dähn gegenüber der NRhZ. Die Fundus-Gruppe, das sind über dreißig Anlagefonds, rund 300 Firmen, beherrscht von der Familie des Dürener Kaufmanns Anno August Jagdfeld. (3)
Am 29.9.1998 wurde das Tacheles von der Oberfinanzdirektion Berlin, gemeinsam mit einigen angrenzenden Grundstücken für 23.849.310,00 DM an die Fundus-Baubetreuung GmbH & Co Projektentwicklungs KG verkauft Als Person trat dabei Anno August Jagdfeld auf, handelnd als Geschäftsführer der Johannishof Immobilien Verwaltungs GmbH, Vettweis-Düsternich.
Kleiner Exkurs – Wer ist Jagdfeld?
Anno August Jagdfeld, 57, Kaufmann in Düren. Dort befindet sich die Firmenzentrale seiner Fundus-Gruppe. Dazu gehören mehrere hundert Firmen. Über dreißig „Fundus-Fonds“ sammelten bei Anlegern das Geld für solch illustre Projekte wie das Hotel Adlon in Berlin und das Ostsee Hotel Heiligendamm, bekannt als Herberge des G 8-Gipfels. Dafür dass er das Hotel Heiligendamm nicht schließt, ließ sich Jagdfeld im vergangenen Jahr von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern 4 Mio. Euro borgen. Im Adlon betreibt Familie Jagdfeld auf einer Fläche von 7.000 qm Restaurants, Clubs und einen „Spa“-Bereich. Dass sie dafür auch für die kommenden zwei Jahre keine Miete zahlen müssen, beschloss auf Jagdfelds Antrag hin Mitte März eine außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Jagdfeld Hotel Adlon FUNDUS FONDS Nr. 31 KG. Jagdfeld selbst vertrat dabei rund 80 Prozent der meist schon älteren Anleger. (4)
Ein Verkauf der Hotelanteile ergibt für die Anleger derzeit keinen Sinn – sie haben nach Aussage Jagdfelds, derzeit lediglich einen Wert von „25 bis 30 Prozent“. Heiligendamm und Adlon sind zwei Beispiele der rund 30 Fundus-Fonds. Mitglieder des Tacheles-Vereins haben die Geld- und Wirtschaftspresse systematisch über mehrere Jahre hin auf Berichte über die Fundus-Gruppe ausgewertet und in einem „Schwarzbuch Fundus“ zusammengefasst.(5) Laut Berliner Zeitung lag die Kaufsumme für das Gebäude samt Freiflächen bei rund 80 Mio. D-Mark. (6)
Das Gebäude Tacheles, so heißt es im Kaufvertrag, wurde wegen der hohen Aufwendungen, die für den Erhalt des Baudenkmals notwendig waren, für 0,00 DM verkauft. Großes war geplant, die Fundus-Gruppe wollte angeblich weit über 400 Mio. DM investieren. Ab Frühjahr 2002 sollten um das Tacheles Wohnbauten, Wohn- und Gewerbehöfe mit Läden und Restaurants, sowie 35.000 Quadratmeter Büroflächen entstehen. Außerdem war ein Luxushotel mit ca. 230 Zimmern geplant. - Große Pläne, denen wenig an Realisierung folgte. Immerhin sollen von der Fundus-Gruppe im Tachelesgebäude selbst (7) rund zehn Millionen Euro investiert worden sein. Die riesige Brachfläche hinter dem Tachelesgebäude blieb bis heute unbebaut Die Banken sicherten sich so weit wie möglich ab. Die Grundstücke und somit auch das Tacheles, wurden laut Grundbuch mit 75.160.485,15 Euro zugunsten der Nord/LB Norddeutsche Landesbank Girozentrale Braunschweig belastet. Die Forderung trat die Landesbank später an die HSH Nordbank ab, deren Mehrheitseigner die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein sind. Ein weiterer Eintrag im Grundbuch gibt zu allerlei Spekulationen Anlass: Auf Blatt 447N wurde eine „Grundschuld ohne Brief zu dreißig Millionen Euro für die Bredero Deutschland GmbH, Düren“ eingetragen Das Spannende daran: Die in die Fänge der HSH Nordbank geratene Johannishof Projektentwicklung GmbH und Co KG und die Bredero Deutschland GmbH gehören beide zur Fundus-Gruppe, deren Inhaber Anno August Jagdfeld auch Geschäftsführer von Johannishof und Bredero ist.(8) Eine Tatsache, die den Geschäftsführer des Tacheles-Vereins, den Wiener Künstler Martin Reiter, schon im Januar 2009 zu einem Offenen Brief an die Staatsanwaltschaften in Berlin und Hamburg bewegte. Reiter schrieb: „Der Betrugsverdacht richtet sich gegen die HSH Nordbank und Anno August Jagdfeld. Herr Jagdfeld sitzt defacto als sein eigener Gläubiger im Gläubigerkonsortium, könnte somit über das Zwangsversteigerungsverfahren zum einen seine Ansprüche sichern und zum zweiten gleichzeitig seine Außenstände um Millionen reduzieren. Sollte er über „Strohleute oder –firmen“ das Areal oder Teile davon wieder erwerben, wäre der Straftatbestand des Betruges ein zweites Mal gegeben.“
Geschäftsführer des Tacheles-Vereins, Martin Reiter, im Interview
Doch die Staatsanwaltschaft Berlin sah keinen Grund für tiefer gehende Ermittlungen und stellte das Verfahren alsbald ein. Wörtlich heißt es in der Einstellungsverfügung: „Für einen Betrug liegen die erforderlichen Anhaltspunkte nicht vor.“ (Aktenzeichen 3 Wi Js 543/10)
Soweit die Sicht der Berliner Staatsanwaltschaft. Dabei ist es schon eigenartig, dass die HSH Nordbank(9) dem Tacheles-Verein noch am 18. November 2008 einen Vertrag zusagte, diese Zusage aber bereits Ende Dezember 2008 wieder zurückzog - mit der Begründung, das Gläubigerkonsortium könne sich nicht einigen. Wer sich da mit wem worüber nicht einigen konnte, blieb offen. Über derartige Interna bewahrt die Bank Stillschweigen. Jagdfeld sitzt jedenfalls über seine Gesellschaft Bredero Deutschland selbst im Gläubigerkonsortium.
Bank gegen Kultur
Die HSH-Nordbank beantragte (laut Grundbuch) schon am 13.12.2007 die Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung beim Amtsgericht Berlin-Mitte. Diesem Antrag wurde am 28.2.2008 auch stattgegeben. Seitdem mussten die Künstler theoretisch jederzeit mit ihrem Rausschmiss aus dem Tacheles rechnen. Und nun wird die Sache akut. Die Bank macht Druck. Zwar ist die HSH Nordbank, so ihre Sprecherin, Gesine Dähn, „nicht Eigentümerin des 25.300 qm umfassenden Gesamtareals, zwischen Oranienburger-, Friedrich- und Johannisstraße, sondern zusammen mit zwei anderen Instituten Mitglied eines Bankenkonsortiums, das wiederum Gläubiger (sogenannter Grundpfandrechtgläubiger) des Eigentümers (Fundus) ist. Das Tacheles-Grundstück umfasst dabei 1.250 qm des Gesamtareals.“ - Eine wichtige Feststellung der Bank. Denn von zentraler Bedeutung ist derzeit die Frage, ob das Tacheles-Grundstück, dessen Gebäude lediglich ein Zwanzigstel der ansonsten weitgehend unbebauten Fläche umfasst, nicht aus dem Gesamtgeschäft herausgelöst und als Kunsthaus unter der bisherigen Leitung weiterbetrieben werden kann.
Der Tacheles-Verein favorisierte eine Erbpacht-Lösung, bei der die Bank Besitzerin des Hauses bliebe, die Künstler wieder einen Mietvertrag bekämen und ihre Zukunft planen könnten. In Offenen Briefen an Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen, wies der Tacheles-Verein auf die kulturelle Bedeutung des internationalen Kunsthauses hin, in dem „in den zwanzig Jahren seines Bestehens über 10.000 Künstler tätig waren, das jährlich von 400.000 Menschen besucht wird und für dessen Erhalt sich über 70.000 Menschen aus mehr als 40 Ländern in Unterschriftslisten ausgesprochen haben.“ Für die Bank beständen auch Alternativen, schließlich handele es sich beim Tacheles-Grundstück nur um eines von insgesamt 16, dessen Fläche von ca. 1250 Quadratmeter nur einen Bruchteil der 24.000 qm Gesamtfläche betrage. Die Künstler fordern von den Regierungsschefs in Hamburg und Kiel, (10) auf die HSH-Nordbank einzuwirken, damit das Tacheles erhalten bleibt. Der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) sowie die Fachgruppe Bildende Kunst im Landesbezirk Berlin-Brandenburg von ver.di unterstützen den Tacheles-Verein in eigenen Briefen an die beiden Regierungschefs in Kiel und Hamburg.
Hamburger Grüne auf Abwegen
Unterstützung fanden die Künstler auch bei den Oppositionspartein in Kiel und Hamburg. In der Hamburger Bürgerschaft brachte der kulturpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, Norbert Hackbusch, einen Antrag ein, in dem der Hamburger Senat als Anteilseigner der HSH Nordbank aufgefordert wird, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, damit die HSH Nordbank das Tacheles Grundstück nicht zwangsversteigert, sondern in der Zwangsverwaltung belässt, die Räumung aussetzt so dass der Erhalt des Kunsthauses Tacheles langfristig gesichert wird. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion in Hamburg unterstützte den Antrag der Linken. Die mit der CDU in einer Koalition verbundene GAL erlag vor der Beratung des Antrags der Linken einer – möglicherweise bewusst gestreuten Fehlinformation, die nach Darstellung des GAL-Fraktions-Pressesprechers aus dem Hause des Hamburger Finanzsenats stammte. Dieser Falschinformation zufolge, könne die HSH-Nordbank die Zwangsversteigerung nicht verhindern, weil sie in dem betreffenden Bankenkonsortium lediglich über einen Minderheitsanteil verfüge. Tatsächlich verfügt die HSH jedoch über 50 Prozent in diesem Konsortium und agiert alleine, als dessen Konsortialführer. Außer der HSH gehören dem Konsortium noch die hessisch-thüringische Landesbank Helaba, Frankfurt/Main, sowie die Nord LB Hamburg mit jeweils (25 Prozent) an.
Die Fehlinformation diente offenbar manchem GAL-Politiker als Ausrede, um gemeinsam mit dem Koalitionspartner CDU gegen den Antrag der Linken zu stimmen. Im Nachhinein sah sich die GAL nicht mehr in der Lage zu klären, wer, wen, wann und warum falsch informiert hatte. In der Pressestelle des Hamburger Finanzsenators schloss man eine bewusste Falschinformation aus und sprach stattdessen von einem möglichen „Missverständnis bei der GAL, den Hamburger Grünen.“ Im Kieler Landtag bat der Vorsitzende der Grünen Landtagsfraktion im Landtag von Schleswig-Holstein, Dr. Robert Habeck, den dortigen Ministerpräsident Carstensen, schriftlich, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für das Tacheles einzutreten.
Unterstützung durch Berliner Politik
Im Berliner Abgeordnetenhaus findet das Tacheles inzwischen politisch breite Unterstützung bei der regierenden SPD und der Linken, ebenso bei den Grünen - und seit einigen Wochen auch im Berliner Senat, bei Berlins Regierendem Bürgermeister Wowereit und dessen Mann für die Kultur, Staatssekretär Andre Schmitz. Wowereit und Schmitz richteten ebenfalls Briefe an die Bürgermeisterkollegen in Hamburg und Kiel bzw. an die HSH Bank. Beide mit dem Ziel, das Tacheles unbedingt zu erhalten. Doch weder Ole von Beust in Hamburg, noch Peter Harry Carstenen in Kiel wollen offenbar Einfluss nehmen auf die Geschäfte der von beiden Ländern kontrollierten HSH-Nordbank. Die Bank selbst schiebt die Verantwortung auf die Fundus-Gruppe, die bei ihr mit -zig Millionen verschuldet sei. Wowereit reagierte sauer. In einer Sitzung des Kulturausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses stellte er klar: „Die Räumung des Tacheles muß verhindert werden“. Kultur-Staatssekretär Schmitz zeigte sich bei einem Besuch im Tacheles zuversichtlich. (11)
HSH-Nordbank droht mit Zwangsversteigerung
Er hoffe auf den klaren Menschenverstand der Hamburger – schließlich sei die Zweckbestimmung des Tacheles als Kulturort im Bebauungsplan festgeschrieben und das Gebäude stehe unter Denkmalschutz. Die Künstler aus dem Tacheles rauszuschmeißen, ergebe auch wirtschaftlich keinen Sinn. Denn Kunst fördere bekanntlich die Entwicklung eines Objekts. Außerdem gebe es ungeheuer schlechte Publicity für die Bank, wenn sie das Gebäude wirklich räumen ließe. Doch die HSH-Nordbank bleibt dabei - noch in diesem Jahr soll das Gebäude geräumt und danach verkauft werden. Es gebe einen Investor, der kaufen wolle - aber nur wenn es zuvor geräumt sei. Andernfalls drohen die Bänker mit einer Zwangsversteigerung.
Ein weiteres Argument von Bank-Sprecherin Gesine Dähn, man müsse das Tacheles im Gesamtpaket mit den übrigen Grundstücken verkaufen, weil „Neu-Investoren nur am Erwerb des gesamten Areals interessiert“ seien und „daher eine Herauslösung einzelner Grundstücke wie im Fall der von Tacheles genutzten Fläche bedauerlicherweise nicht möglich“ sei, steht im Widerspruch zu den beim Amtsgericht Berlin Mitte anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren. Denn während die Bank suggeriert, es handele sich um ein Verfahren, bestätigt der Gerichtssprecher gegenüber dem Autor, dass es sich „um 13 Verfahren handelt“ und das auch weiterhin so sei. Dies bedeutet, dass 13 Grundstücke zum Verkauf stehen und auch von 13 verschiedenen Interessenten ersteigert werden könnten.
Derzeit bereiten Künstler des Tacheles eine Petition an den Bundestag vor mit dem Ziel, das Kunsthaus zu erhalten und die HSH Nordbank an ihre Verantwortung zu erinnern. Die Petition kann nach Veröffentlichung von jedem online unterzeichnet werden. (12)
(PK)
Anmerkungen
(1) http://super.tacheles.de/cms/
(2) http://www.dso-berlin.de/content/e43/e294/e15772/index_ger.html
(3) http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,305490,00.html
(4) http://www.nikos-weinwelten.de/home/beitrag/archive/2010/march/11/das_hotel_adlon_und_der_jagdfeld_krimi_um_fundus_in_berlin/index.htm
(5) http://www.fair-news.de/news/Schwarzbuch+Fundus/12548.html
(6) http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/0329/seite3/0003/index.html
(8) http://www.ftd.de/politik/deutschland/:kampf-um-kulturzentrum-die-hsh-und-die-hausbesetzer/50080454.html
(10) http://www.peter-harry.de/index.php/CDU_PHC/Seiten/Aktuelles2
(11) http://mt-online.de/magazin/journal/3425397_Das_Tacheles_gibt_nicht_auf.html
(12) siehe: https://epetitionen.bundestag.de/
Online-Flyer Nr. 244 vom 07.04.2010