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Israel kann ohne US-Zustimmung keinen Krieg gegen Iran beginnen
„Haltet mich zurück!“
Von Uri Avnery
Benjamin Netanyahu: Ahmadinejad - ein
neuer Hitler | NRhZ-Archiv
Es ist gefährlich, bei solch einer Sache zu prophezeien, besonders wenn wir uns mit Leuten befassen, die nicht klug sind und von denen nicht alle einen gesunden Menschenverstand haben. Doch bin ich bereit, meinen Standpunkt aufrecht zu erhalten: Es besteht keine Möglichkeit – egal was geschieht – dass die Regierung Israels ihre Luftwaffe ausschickt, um den Iran anzugreifen.
Ich werde nicht weiter auf militärische Einzelheiten eingehen wie: Ist unsere Luftwaffe tatsächlich fähig, solch eine Operation auszuführen? Sind die Umstände denen von vor 28 Jahren ähnlich, als der irakische Reaktor mit Erfolg zerstört wurde? Ist es für uns überhaupt möglich, auf diese Weise die iranischen nuklearen Bemühungen zu eliminieren, deren Einrichtungen über das ganze Land verteilt sind und tief unter der Erdoberfläche liegen?
Ich möchte mich auf einen anderen Fokus konzentrieren: Ist es politisch durchführbar? Was wären die Folgen?
Fast alles Kriegsmaterial kommt aus Amerika
Als Erstes eine Grundregel der israelischen Realität: Der Staat Israel kann keine groß angelegte Militäroperation ohne amerikanisches Einverständnis beginnen. Israel hängt von den USA in fast jeder Beziehung ab, aber in keiner Hinsicht ist es abhängiger als in der militärischen Beziehung. Die Luftwaffe, mit der diese Mission ausgeführt werden müsste, wurde uns von den USA geliefert. Ihre Wirksamkeit hängt von einer ständigen Nachlieferung amerikanischer Ersatzteile ab. Und bei dieser Entfernung würden zum Auftanken in den US gebaute Tankflugzeuge nötig sein. Dasselbe gilt auch für fast alles andere Kriegsmaterial unserer Armee wie auch für das Geld für dessen Beschaffung. Alles kommt aus Amerika.
1956 fing Israel ohne Zustimmung der Amerikaner einen Krieg an. Ben Gurion dachte, dass seine Absprache mit Großbritannien und Frankreich genügen würde. Er hatte sich schwer geirrt. Einhundert Stunden, nachdem er uns gesagt hatte, das dritte Königreich sei im Entstehen, verkündete er mit gebrochener Stimme, dass er alle Gebiete räumen werde, die gerade erobert worden waren. Präsident Dwight Eisenhower hatte zusammen mit seinem russischen Kollegen ein Ultimatum gestellt – und dies war das Ende des Abenteuers.
Der Sechstagekrieg war abgesichert
Seitdem hat Israel keinen einzigen Krieg begonnen, ohne sich eines Einverständnisses von Washington abzusichern. Am Vorabend des Sechstagekriegs wurde ein Sonderbotschafter in die USA gesandt, um sicher zu sein, dass es tatsächlich ein amerikanisches Einverständnis gebe. Als er mit einer positiven Antwort kam, wurde der Befehl zum Angriff gegeben.
Am Vorabend des 1. Libanonkrieges eilte der Verteidigungsminister Ariel Sharon nach Washington, um die Zustimmung zu bekommen. Er traf sich mit dem Außenminister Alexander Haig, der zustimmte – aber nur unter der Bedingung, dass es eine klare Provokation gebe. Ein paar Tage später erfolgte ein Attentatsversuch auf den israelischen Botschafter in London – und der Krieg fing an. Die Offensiven der israelischen Armee gegen die Hisbollah („Zweiter Libanonkrieg“) und die Hamas („Cast Lead“) waren möglich, weil sie ein Teil der amerikanischen Kampagne gegen den „radikalen Islam“ waren.
Angriff auf den Iran - eine Katastrophe für die USA
Angeblich träfe dies auch bei einem Angriff auf den Iran zu. Aber das stimmt nicht, weil ein israelischer Angriff auf den Iran eine militärische, politische und wirtschaftliche Katastrophe für die USA bedeuten würde. Da auch den Iranern klar ist, dass Israel nicht ohne amerikanische Zustimmung angreifen könnte, reagieren sie entsprechend.
Wie ich hier schon früher geschrieben habe, genügt ein flüchtiger Blick auf die Karte, um deutlich zu machen, wie die unmittelbare Reaktion aussehen würde. Die Meerenge von Hormuz am Anfang des Persischen (Arabischen) Golfes, durch die ein großer Teil des Erdöls der Welt fließt, würde sofort geschlossen werden. Die Folgen würden die internationale Wirtschaft treffen – von den USA und Europa bis China und Japan. Der Preis würde grenzenlos steigen. Die Länder, die gerade begonnen haben, sich von der Weltwirtschaftskrise zu erholen, würden in die Tiefen des Elends und der Arbeitslosigkeit, in Aufstände und Konkurs versinken.
No! Nein ! Lo! La! Njet!
Die Meerenge könnte nur durch eine große Militäroperation auf dem Boden geöffnet werden. Die USA hat dafür einfach keine Truppen übrig - selbst wenn die amerikanische Öffentlichkeit für einen Krieg bereit wäre, einen viel schwierigeren als jenen im Irak und Afghanistan. Es ist sogar zweifelhaft, ob die US Israel helfen könnte, sich selbst gegen die unvermeidlichen Gegenschläge von iranischen Raketen zu verteidigen.
Der israelische Angriff auf ein zentrales islamisches Land würde die ganze islamische Welt vereinen, einschließlich der ganzen arabischen Welt. Die US, haben sich in den letzten paar Jahren sehr darum bemüht, eine Koalition „moderater“ arabischer Staaten (d.h. Diktaturen, deren Herrscher von den US gehalten werden) gegen die „radikalen“ Staaten zu bilden. Dieses Paket würde sich sofort auflösen. Kein arabischer Führer wäre in der Lage, unbeteiligt daneben zu stehen, während die Massen seines Volkes sich bei tumultartigen Demonstrationen auf den Plätzen versammeln würden.
All dies ist jeder vernünftigen Person klar und erst recht dem amerikanischen Militär und den zivilen Führern. Außenminister, Generäle und Admirale sind nach Israel gesandt worden, um dies unseren Führern in einer Sprache klar zu machen, die sogar Kindergartenkinder verstehen können: No! Nein ! Lo! La! Njet!
Welche Sanktionen?
Wenn es so ist, warum wird die Option einer Militäroperation nicht vom Tisch genommen? Weil die US und Israel dies wollen, dass sie dort liegen bleibt. Die USA posieren gerne so, als könnten sie den wilden israelischen Rottweiler kaum an seiner Leine zurückhalten. Dies übt Druck auf die Mächte aus, damit sie sich mit Sanktionen gegen den Iran einverstanden erklären. Wenn man nicht damit einverstanden ist, könnte der wild gewordene Hund aufspringen und außer Kontrolle geraten. Denkt an die Konsequenzen!
Was für Sanktionen? Seit geraumer Zeit hat dieses schreckliche Wort – „Sanktionen“ – jeden auf der internationalen Bühne verfolgt. Sie sollten innerhalb der „nächsten Wochen“ auferlegt werden. Aber wenn man fragt, was es damit auf sich hat, wird einem klar, dass es da eine Menge Rauch und nur ein sehr kleines Feuer gibt. Einige Kommandeure der Revolutionären Garden mögen verletzt werden, etwas marginaler Schaden mag bei der iranischen Wirtschaft entstehen. Die „lähmenden Sanktionen“ sind verschwunden, weil weder Russland noch China damit einverstanden waren, und beide machen sehr gute Geschäfte mit dem Iran.
Es gibt also wenige Chancen, dass diese Sanktionen die Herstellung der Bombe stoppen oder verlangsamen würden. Vom Standpunkt der Ayatollahs ist diese Leistung das Wichtigste für die nationale Verteidigung – nur ein Land mit nuklearen Waffen ist immun gegenüber einem amerikanischen Angriff. Bei den wiederholten Drohungen amerikanischer Sprecher, ihr Regime zu stürzen, kann keine iranische Regierung anders handeln. Umso mehr, seit die Amerikaner und die Briten im letzten Jahrhundert wiederholt genau dies taten. Entsprechend allen Berichten haben selbst die extremsten iranischen Opponenten Mahmoud Ahmadinejads die Anschaffung der Bombe unterstützt und würden sich hinter ihn stellen, wenn der Iran angegriffen würde.
In dieser Hinsicht hat die israelische Führung recht: Nichts würde Irans Bemühungen stoppen, eine Atombombe zu erwerben, außer der massiven der Militärmacht. Die „Sanktionen“ sind lächerlich/kindisch. Die amerikanische Regierung spricht über sie aber mit leuchtenden Ausdrücken, um die Tatsache zu vertuschen, dass sogar das mächtige Amerika nicht in der Lage ist, den Bau der iranischen Bombe zu verhindern.
Netanyahu & Co: Eine Sache auf Leben und Tod
Wenn Netanyahu & Co die Unfähigkeit der amerikanischen Führer kritisieren, gegen den Iran vorzugehen, antworten sie in derselben Weise: Auch ihr nehmt dies nicht ernst.
Und tatsächlich, wie ernst nehmen dies unsere Führer? Sie haben die israelische Öffentlichkeit davon überzeugt, dass dies eine Sache auf Leben und Tod sei: Der Iran wird von einem Wahnsinnigen geführt, einem neuen Hitler, einem kranken Antisemiten, einem obsessiven Holocaustleugner. Wenn er eine Atombombe in die Hände bekäme, würde er keinen Moment zögern, sie auf Tel Aviv oder Dimona zu werfen. Solange dieses Schwert über unsern Köpfen schwebt, gibt es keine Zeit für so triviale Dinge wie das palästinensische Problem und die Besatzung. Jeder, der bei einem Treffen unserer Führer die palästinensische Frage vorbringt, wird sofort unterbrochen: Vergesst den Unsinn, lasst uns über die iranische Bombe reden!!
Aber Obama und sein Volk drehen das Argument um: Wenn dies eine existentielle Gefahr ist, dann zieht, bitte, die Konsequenzen, sagen sie. Wenn dies die Existenz Israels gefährdet, opfert die Siedlungen der Westbank auf diesem Altar. Akzeptiert das Friedensangebot der Arabischen Liga, macht so schnell wie möglich Frieden mit den Palästinensern. Dies wird unsere Situation im Irak und in Afghanistan erleichtern und unsere Kräfte freisetzen. Dann hat auch der Iran für einen Krieg mit Israel keinen Vorwand mehr. Die Massen der arabischen Welt würden dies nicht unterstützen. Und die Schlussfolgerung: Wenn eine neue jüdische Siedlung in Ost-Jerusalem für euch wichtiger ist als die iranische Bombe, dann ist die Sache für Euch nicht so wichtig. Und das ist – mit aller Bescheidenheit – auch meine Meinung.
Unsere Beziehungen waren immer freundlich
Vorgestern rief mich eine Korrespondentin von Israels beliebtem Kanal 2 an und fragte mit empörter Stimme: Stimmt es, dass sie der iranischen Nachrichtenagentur ein Interview gaben?
„Das ist wahr“, sagte ich ihr. „Die Agentur mailte mir ein paar Fragen über die politische Situation, und ich antwortete.“ „Warum haben Sie das getan?“ fragte sie anklagend. „Warum nicht?“ erwiderte ich. Und dies war das Ende unseres Gespräches.
Und tatsächlich, warum nicht. Ahmadinejad ist zwar ein abstoßender Führer. Ich hoffe, dass die Iraner ihn loswerden und nehme an, dass dies früher oder später geschehen wird. Aber unsere Beziehungen mit dem Iran hängen nicht von einer einzigen Person ab, egal wer es ist. Unsere Beziehungen gehen in alte Zeiten zurück und waren immer freundlich – von den Zeiten des Cyrus bis in die Zeit von Khomeini, den wir mit Waffen versorgten, als er gegen die Iraker kämpfte.
In Israel wird der Iran heute als Karikatur dargestellt: ein primitives, verrücktes Land mit nichts in seinem Kopf als der Zerstörung des zionistischen Staates. Aber es genügt, ein paar gute Bücher über den Iran zu lesen. (Ich empfehle William Polks „Understanding Iran“), die beschreiben, dass dies eines der ältesten zivilisierten Länder der Welt ist, aus dem mehrere große Weltreiche entstanden sind und das Bemerkenswertes zur menschlichen Kultur beigetragen hat. Es hat eine alte und stolze Tradition. Einige Gelehrte glauben sogar, dass die jüdische Religion stark von den ethischen Lehren Zarathustras beeinflusst wurde.
Notwendig der Beginn eines Dialogs
Was auch immer Ahmadinejad an irrem Zeug von sich gibt, die wirklichen Herrscher des Landes, die Kleriker, führen eine vorsichtige und vernünftige Politik und haben nie ein anderes Land angegriffen. Sie haben viele wichtige Interessen, und Israel ist nicht unter ihnen. Die Idee, sie würden ihr eigenes ruhmreiches Land opfern, um Israel zu zerstören, ist grotesk.
Die simple Wahrheit ist, dass es keine Möglichkeit gibt, die Iraner daran zu hindern, eine Atombombe zu produzieren. Es wäre besser, ernsthaft über die Situation nachzudenken, die geschaffen wird: über ein Gleichgewicht des Terrors wie das zwischen Indien und Pakistan, über den Iran, der den Rang einer Regionalmacht gewinnt; über die Notwendigkeit, einen Dialog mit ihm zu beginnen.
Aber die wichtigste Schlussfolgerung wäre: Frieden mit dem palästinensischen Volk und der ganzen arabischen Welt zu machen, um den Teppich unter dem iranischen Vorwand wegzuziehen, die arabische Welt vor uns, vor Israel, schützen zu müssen. (PK)
Uri Avnery, geboren 1923 in Deutschland, ist israelischer Journalist, Schriftsteller und Friedensaktivist. Er war in drei Legislaturperioden für insgesamt zehn Jahre Parlamentsabgeordneter in der Knesset und Mitbegründer der israelischen Friedensinitiative Gush Shalom (Israelischer Friedensblock).
Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert
Online-Flyer Nr. 244 vom 07.04.2010
Israel kann ohne US-Zustimmung keinen Krieg gegen Iran beginnen
„Haltet mich zurück!“
Von Uri Avnery
Benjamin Netanyahu: Ahmadinejad - ein
neuer Hitler | NRhZ-Archiv
Ich werde nicht weiter auf militärische Einzelheiten eingehen wie: Ist unsere Luftwaffe tatsächlich fähig, solch eine Operation auszuführen? Sind die Umstände denen von vor 28 Jahren ähnlich, als der irakische Reaktor mit Erfolg zerstört wurde? Ist es für uns überhaupt möglich, auf diese Weise die iranischen nuklearen Bemühungen zu eliminieren, deren Einrichtungen über das ganze Land verteilt sind und tief unter der Erdoberfläche liegen?
Ich möchte mich auf einen anderen Fokus konzentrieren: Ist es politisch durchführbar? Was wären die Folgen?
Fast alles Kriegsmaterial kommt aus Amerika
Als Erstes eine Grundregel der israelischen Realität: Der Staat Israel kann keine groß angelegte Militäroperation ohne amerikanisches Einverständnis beginnen. Israel hängt von den USA in fast jeder Beziehung ab, aber in keiner Hinsicht ist es abhängiger als in der militärischen Beziehung. Die Luftwaffe, mit der diese Mission ausgeführt werden müsste, wurde uns von den USA geliefert. Ihre Wirksamkeit hängt von einer ständigen Nachlieferung amerikanischer Ersatzteile ab. Und bei dieser Entfernung würden zum Auftanken in den US gebaute Tankflugzeuge nötig sein. Dasselbe gilt auch für fast alles andere Kriegsmaterial unserer Armee wie auch für das Geld für dessen Beschaffung. Alles kommt aus Amerika.
1956 fing Israel ohne Zustimmung der Amerikaner einen Krieg an. Ben Gurion dachte, dass seine Absprache mit Großbritannien und Frankreich genügen würde. Er hatte sich schwer geirrt. Einhundert Stunden, nachdem er uns gesagt hatte, das dritte Königreich sei im Entstehen, verkündete er mit gebrochener Stimme, dass er alle Gebiete räumen werde, die gerade erobert worden waren. Präsident Dwight Eisenhower hatte zusammen mit seinem russischen Kollegen ein Ultimatum gestellt – und dies war das Ende des Abenteuers.
Der Sechstagekrieg war abgesichert
Seitdem hat Israel keinen einzigen Krieg begonnen, ohne sich eines Einverständnisses von Washington abzusichern. Am Vorabend des Sechstagekriegs wurde ein Sonderbotschafter in die USA gesandt, um sicher zu sein, dass es tatsächlich ein amerikanisches Einverständnis gebe. Als er mit einer positiven Antwort kam, wurde der Befehl zum Angriff gegeben.
Am Vorabend des 1. Libanonkrieges eilte der Verteidigungsminister Ariel Sharon nach Washington, um die Zustimmung zu bekommen. Er traf sich mit dem Außenminister Alexander Haig, der zustimmte – aber nur unter der Bedingung, dass es eine klare Provokation gebe. Ein paar Tage später erfolgte ein Attentatsversuch auf den israelischen Botschafter in London – und der Krieg fing an. Die Offensiven der israelischen Armee gegen die Hisbollah („Zweiter Libanonkrieg“) und die Hamas („Cast Lead“) waren möglich, weil sie ein Teil der amerikanischen Kampagne gegen den „radikalen Islam“ waren.
Angriff auf den Iran - eine Katastrophe für die USA
Angeblich träfe dies auch bei einem Angriff auf den Iran zu. Aber das stimmt nicht, weil ein israelischer Angriff auf den Iran eine militärische, politische und wirtschaftliche Katastrophe für die USA bedeuten würde. Da auch den Iranern klar ist, dass Israel nicht ohne amerikanische Zustimmung angreifen könnte, reagieren sie entsprechend.
Wie ich hier schon früher geschrieben habe, genügt ein flüchtiger Blick auf die Karte, um deutlich zu machen, wie die unmittelbare Reaktion aussehen würde. Die Meerenge von Hormuz am Anfang des Persischen (Arabischen) Golfes, durch die ein großer Teil des Erdöls der Welt fließt, würde sofort geschlossen werden. Die Folgen würden die internationale Wirtschaft treffen – von den USA und Europa bis China und Japan. Der Preis würde grenzenlos steigen. Die Länder, die gerade begonnen haben, sich von der Weltwirtschaftskrise zu erholen, würden in die Tiefen des Elends und der Arbeitslosigkeit, in Aufstände und Konkurs versinken.
No! Nein ! Lo! La! Njet!
Die Meerenge könnte nur durch eine große Militäroperation auf dem Boden geöffnet werden. Die USA hat dafür einfach keine Truppen übrig - selbst wenn die amerikanische Öffentlichkeit für einen Krieg bereit wäre, einen viel schwierigeren als jenen im Irak und Afghanistan. Es ist sogar zweifelhaft, ob die US Israel helfen könnte, sich selbst gegen die unvermeidlichen Gegenschläge von iranischen Raketen zu verteidigen.
Der israelische Angriff auf ein zentrales islamisches Land würde die ganze islamische Welt vereinen, einschließlich der ganzen arabischen Welt. Die US, haben sich in den letzten paar Jahren sehr darum bemüht, eine Koalition „moderater“ arabischer Staaten (d.h. Diktaturen, deren Herrscher von den US gehalten werden) gegen die „radikalen“ Staaten zu bilden. Dieses Paket würde sich sofort auflösen. Kein arabischer Führer wäre in der Lage, unbeteiligt daneben zu stehen, während die Massen seines Volkes sich bei tumultartigen Demonstrationen auf den Plätzen versammeln würden.
All dies ist jeder vernünftigen Person klar und erst recht dem amerikanischen Militär und den zivilen Führern. Außenminister, Generäle und Admirale sind nach Israel gesandt worden, um dies unseren Führern in einer Sprache klar zu machen, die sogar Kindergartenkinder verstehen können: No! Nein ! Lo! La! Njet!
Welche Sanktionen?
Wenn es so ist, warum wird die Option einer Militäroperation nicht vom Tisch genommen? Weil die US und Israel dies wollen, dass sie dort liegen bleibt. Die USA posieren gerne so, als könnten sie den wilden israelischen Rottweiler kaum an seiner Leine zurückhalten. Dies übt Druck auf die Mächte aus, damit sie sich mit Sanktionen gegen den Iran einverstanden erklären. Wenn man nicht damit einverstanden ist, könnte der wild gewordene Hund aufspringen und außer Kontrolle geraten. Denkt an die Konsequenzen!
Was für Sanktionen? Seit geraumer Zeit hat dieses schreckliche Wort – „Sanktionen“ – jeden auf der internationalen Bühne verfolgt. Sie sollten innerhalb der „nächsten Wochen“ auferlegt werden. Aber wenn man fragt, was es damit auf sich hat, wird einem klar, dass es da eine Menge Rauch und nur ein sehr kleines Feuer gibt. Einige Kommandeure der Revolutionären Garden mögen verletzt werden, etwas marginaler Schaden mag bei der iranischen Wirtschaft entstehen. Die „lähmenden Sanktionen“ sind verschwunden, weil weder Russland noch China damit einverstanden waren, und beide machen sehr gute Geschäfte mit dem Iran.
Es gibt also wenige Chancen, dass diese Sanktionen die Herstellung der Bombe stoppen oder verlangsamen würden. Vom Standpunkt der Ayatollahs ist diese Leistung das Wichtigste für die nationale Verteidigung – nur ein Land mit nuklearen Waffen ist immun gegenüber einem amerikanischen Angriff. Bei den wiederholten Drohungen amerikanischer Sprecher, ihr Regime zu stürzen, kann keine iranische Regierung anders handeln. Umso mehr, seit die Amerikaner und die Briten im letzten Jahrhundert wiederholt genau dies taten. Entsprechend allen Berichten haben selbst die extremsten iranischen Opponenten Mahmoud Ahmadinejads die Anschaffung der Bombe unterstützt und würden sich hinter ihn stellen, wenn der Iran angegriffen würde.
In dieser Hinsicht hat die israelische Führung recht: Nichts würde Irans Bemühungen stoppen, eine Atombombe zu erwerben, außer der massiven der Militärmacht. Die „Sanktionen“ sind lächerlich/kindisch. Die amerikanische Regierung spricht über sie aber mit leuchtenden Ausdrücken, um die Tatsache zu vertuschen, dass sogar das mächtige Amerika nicht in der Lage ist, den Bau der iranischen Bombe zu verhindern.
Netanyahu & Co: Eine Sache auf Leben und Tod
Wenn Netanyahu & Co die Unfähigkeit der amerikanischen Führer kritisieren, gegen den Iran vorzugehen, antworten sie in derselben Weise: Auch ihr nehmt dies nicht ernst.
Und tatsächlich, wie ernst nehmen dies unsere Führer? Sie haben die israelische Öffentlichkeit davon überzeugt, dass dies eine Sache auf Leben und Tod sei: Der Iran wird von einem Wahnsinnigen geführt, einem neuen Hitler, einem kranken Antisemiten, einem obsessiven Holocaustleugner. Wenn er eine Atombombe in die Hände bekäme, würde er keinen Moment zögern, sie auf Tel Aviv oder Dimona zu werfen. Solange dieses Schwert über unsern Köpfen schwebt, gibt es keine Zeit für so triviale Dinge wie das palästinensische Problem und die Besatzung. Jeder, der bei einem Treffen unserer Führer die palästinensische Frage vorbringt, wird sofort unterbrochen: Vergesst den Unsinn, lasst uns über die iranische Bombe reden!!
Aber Obama und sein Volk drehen das Argument um: Wenn dies eine existentielle Gefahr ist, dann zieht, bitte, die Konsequenzen, sagen sie. Wenn dies die Existenz Israels gefährdet, opfert die Siedlungen der Westbank auf diesem Altar. Akzeptiert das Friedensangebot der Arabischen Liga, macht so schnell wie möglich Frieden mit den Palästinensern. Dies wird unsere Situation im Irak und in Afghanistan erleichtern und unsere Kräfte freisetzen. Dann hat auch der Iran für einen Krieg mit Israel keinen Vorwand mehr. Die Massen der arabischen Welt würden dies nicht unterstützen. Und die Schlussfolgerung: Wenn eine neue jüdische Siedlung in Ost-Jerusalem für euch wichtiger ist als die iranische Bombe, dann ist die Sache für Euch nicht so wichtig. Und das ist – mit aller Bescheidenheit – auch meine Meinung.
Unsere Beziehungen waren immer freundlich
Vorgestern rief mich eine Korrespondentin von Israels beliebtem Kanal 2 an und fragte mit empörter Stimme: Stimmt es, dass sie der iranischen Nachrichtenagentur ein Interview gaben?
„Das ist wahr“, sagte ich ihr. „Die Agentur mailte mir ein paar Fragen über die politische Situation, und ich antwortete.“ „Warum haben Sie das getan?“ fragte sie anklagend. „Warum nicht?“ erwiderte ich. Und dies war das Ende unseres Gespräches.
Und tatsächlich, warum nicht. Ahmadinejad ist zwar ein abstoßender Führer. Ich hoffe, dass die Iraner ihn loswerden und nehme an, dass dies früher oder später geschehen wird. Aber unsere Beziehungen mit dem Iran hängen nicht von einer einzigen Person ab, egal wer es ist. Unsere Beziehungen gehen in alte Zeiten zurück und waren immer freundlich – von den Zeiten des Cyrus bis in die Zeit von Khomeini, den wir mit Waffen versorgten, als er gegen die Iraker kämpfte.
In Israel wird der Iran heute als Karikatur dargestellt: ein primitives, verrücktes Land mit nichts in seinem Kopf als der Zerstörung des zionistischen Staates. Aber es genügt, ein paar gute Bücher über den Iran zu lesen. (Ich empfehle William Polks „Understanding Iran“), die beschreiben, dass dies eines der ältesten zivilisierten Länder der Welt ist, aus dem mehrere große Weltreiche entstanden sind und das Bemerkenswertes zur menschlichen Kultur beigetragen hat. Es hat eine alte und stolze Tradition. Einige Gelehrte glauben sogar, dass die jüdische Religion stark von den ethischen Lehren Zarathustras beeinflusst wurde.
Notwendig der Beginn eines Dialogs
Was auch immer Ahmadinejad an irrem Zeug von sich gibt, die wirklichen Herrscher des Landes, die Kleriker, führen eine vorsichtige und vernünftige Politik und haben nie ein anderes Land angegriffen. Sie haben viele wichtige Interessen, und Israel ist nicht unter ihnen. Die Idee, sie würden ihr eigenes ruhmreiches Land opfern, um Israel zu zerstören, ist grotesk.
Die simple Wahrheit ist, dass es keine Möglichkeit gibt, die Iraner daran zu hindern, eine Atombombe zu produzieren. Es wäre besser, ernsthaft über die Situation nachzudenken, die geschaffen wird: über ein Gleichgewicht des Terrors wie das zwischen Indien und Pakistan, über den Iran, der den Rang einer Regionalmacht gewinnt; über die Notwendigkeit, einen Dialog mit ihm zu beginnen.
Aber die wichtigste Schlussfolgerung wäre: Frieden mit dem palästinensischen Volk und der ganzen arabischen Welt zu machen, um den Teppich unter dem iranischen Vorwand wegzuziehen, die arabische Welt vor uns, vor Israel, schützen zu müssen. (PK)
Uri Avnery, geboren 1923 in Deutschland, ist israelischer Journalist, Schriftsteller und Friedensaktivist. Er war in drei Legislaturperioden für insgesamt zehn Jahre Parlamentsabgeordneter in der Knesset und Mitbegründer der israelischen Friedensinitiative Gush Shalom (Israelischer Friedensblock).
Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert
Online-Flyer Nr. 244 vom 07.04.2010