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Inland
Drei Bundeswehrsoldaten starben und acht wurden z. T. schwer verletzt.
Statt eines Nachrufs
Von Christoph R. Hörstel
„Letztes Geleit für die gefallenen Kameraden“
Quelle: www.bundeswehr.de/Uwe Schwitt
Nun ist ja unsere deutsche Afghanistan-Berichterstattung zumeist einen nassen Furz wert, auch ist die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr selbst nicht über alle Zweifel erhaben. Deshalb gilt das Folgende in aller Vorsicht und unter der Voraussetzung: Tatsächlich wurde eine Patrouille, die Bestandteil einer größeren militärischen Operation war, beim Sprengfallen-Räumen von 200 Taliban angegriffen – ausgerechnet im Distrikt Chahar Darrah, Provinz Kundus, ausgerechnet dort, wo Oberst Klein vor rund einem halben Jahr fast 140 Zivilisten töten ließ.
Die Vorgeschichte
Der Mann (Klein – nomen est omen) wurde für sein freiwilliges Erscheinen vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages von unseren kläglichen Medienmächten stark gelobt, obwohl er einfach genau wusste, dass er für seinen Massenmord an Zivilisten auch noch einen nachträglichen Freifahrtschein in unserem hierin bejammernswerten Rechtssystem zu erwarten hat. Was erwarten wir denn? Dass die Paschtunen von Kundus sagen: ‚Schwamm drüber, das haben die Deutschen bestimmt nicht böse gemeint’?
Und was ist seitdem passiert? Wurde etwa schnell und unbürokratisch massiv entschädigt? NEIN, das BMVg führt ekelerregende bürokratische Scharmützel gegen den Opferanwalt! – wahrscheinlich mit Hilfe unserer Geheimdienste und anderer Tricks.
In Deutschland leben 100.000 Afghanen mit engen Beziehungen in die Heimat. Wie dumm muss man sein, um anzunehmen, dass Chahar Darrah und der Rest nicht erfährt, wie man hier mit dem Anwalt umgeht – und insgesamt über die Angelegenheit redet und sie behandelt?
Wie teuer sind denn jetzt diese Verluste in Chahar Darrah? Heilungskosten, Hubschrauber-Transporte, politisches Affentheater? Wäre es nicht sogar wesentlich billiger, rein finanziell (wir reden ja schon lange nicht mehr über Ethik, verstanden, jawoll) wir hätten einfach bedauert, beraten (v. a. mit betroffenen Afghanen!), bezahlt, betreut – und aus dem Fall ein humanitär-entwicklungspolitisches Leuchtturm-Projekt gemacht?
Wieso kam es überhaupt zu der jahrelangen Eskalation in Chahar Darrah? Kann es sein, dass wir Deutsche für hunderte von Millionen Euro jedes Jahr unser Verantwortungsgebiet im Nordwesten insgesamt gegen uns aufbringen – und die Nato für hunderte von Milliarden ganz Afghanistan?
Militärisches
In ein extrem gefährliches Gebiet schickt man nicht eine Patrouille, wenn man seine Soldaten nicht dringend loswerden will, sondern einzelne Spezialisten und Späher. Alles andere benötigt eine große militärische Operation. Eine solche Operation muss militärisch fachgerecht vorbereitet werden – es ist zu bezweifeln, dass dies geschah: 200 angreifende Taliban lassen sich nicht verstecken, es sei denn, Aufklärungsmittel und BND hätten rundum versagt.
Wo würden Sie denn eine militärische Sprengfalle oder Minen anbringen? Doch wahrscheinlich dort, wo man das Entschärfungsteam gut unter Feuer nehmen kann, nicht wahr? Bestimmen jetzt also die Taliban, wo wir kämpfen und krepieren? Wenn wir bei einem solchen Ausflug nach Chahar Darrah Soldaten verlieren – so ist nun mal Krieg, das lässt sich nicht vermeiden, dann sollten die zumindest nicht dort sterben, wo man vor allem dank schlechter Vorbereitung stirbt: beim Bomben-Entschärfen.
Zu Weihnachten hat die Nato noch 25 Millionen Dollar Schutzgeld an die Taliban in Südafghanistan gezahlt, damit die Feiertage nicht gestört werden. (Unnötige Warnung an die Medien: Bitte nicht berichten und schon gar nicht recherchieren!). Wieso schicken wir Deutschen zu Ostern eine Patrouille in ein Himmelfahrtskommando?
Die von Guttenberg verkündete neue militärische Vorgehensweise in Afg. ist falsch, weil sie militärisch nichts einbringt aber viel gefährdet, die (zu geringe) Erhöhung der Aufbauhilfe konterkariert, damit schon gar nicht genügend vernetzt und verzahnt (BMZ-Niebel) ist, nicht leistbare militärische Ziele angeht, ungeeignete militärische Mittel dafür einsetzt – und so garantiert alles schlimmer macht.
Die von Guttenberg verkündete neue militärische Vorgehensweise in Afg. ist dumm, weil sie die Lehren der Vergangenheit nicht beherzigt, in Teilen der neuen Strategie der neuen Nato-Führung widerspricht (Wünsche der Bevölkerung besser adressieren, Menschen gewinnen statt zwingen), Hektik verbreitet wo Ruhe benötigt wird – und eher einigen kurzsichtigen und kurzfristigen politischen Ambitionen des forschen Jung-Ministers zu dienen scheint als der Sache.
Eigentlich zuallererst: Das Militär wird meistens gerufen, wenn die Politik versagt hat. Das gilt besonders für Afghanistan, wo die Menschen extrem leidensfähig, gastfreundlich, kooperativ und geduldig sind – und wir trotzdem in fünfundzwanzig Jahren fast alles ruiniert haben, was kaputtzukriegen war.
Politisches Fazit
Müssen wir mitten in so einer völlig verfahrenen Situation einen Yuppie zum Verteidigungsminister machen, der schon als Wirtschaftsminister durch ungeeignete Vorschläge und schwaches Krisenmanagement aufgefallen ist? Haben wir auf diesem Schleudersitz jetzt ein „ewiges“ Sicherheitsrisiko (Jung, lt. Süddeutsche Zeitung) gegen ein katastrophales eingetauscht?
Wen hat dieser Personal-Missgriff als Erstes gefeuert? Neben einem fähigeren der Staatsekretäre (Wichert) den relativ verdienten General Schneiderhan, der durch jahrelanges „Mit-Bremsen“ der amerikanischen Eskalationsstrategie zumindest in NW-Afghanistan erfolgreich Einhalt geboten hat! (Nachweise zu dieser zynischen US-Strategie siehe „Sprengsatz Afghanistan“, SS. 62-92. Jeder Abgeordnete, alle wichtigeren Medien, über 100, haben das Buch in ihren Schränken – Giftschränken?)
Und musste unbedingt ein Musterknabe aus dem transatlantischen Netzwerk BMVg werden, wo doch jedem Anfänger klar ist, dass wir uns angesichts der gewaltigen und fundamentalen amerikanischen Fehlleistungen der letzten 10 Jahre auf nahezu allen Gebieten etwas mehr um eigenständige Substanz bemühen müssen, wenn wir nicht als „mitgehangen“ politischen Suizid begehen wollen?
Dürfen wir jetzt bitte schnell einen erfahrenen, sechzigjährigen Charakterkopf und „Aufräumer“ als BMVg bekommen, bevor noch viel mehr Soldaten Schaden erleiden? Von Afghanen reden wir ja nicht, verstanden, jawoll.
Und bitte nicht missverstehen: „Aufräumen“ heißt: Entweder ganz schnell die Prioritäten von militärisch auf zivil drehen – oder Sofortabzug. Und wo das wegen korrupter Politik nicht geht: wenigstens nichts schlimmer machen als unbedingt notwendig und Verluste vermeiden.
In Trauer und mit besten Wünschen und Grüßen,
Christoph R. Hörstel
Überschriften, Zwischenüberschriften und Bilder wurden von der Redaktion eingesetzt. (PK)
Online-Flyer Nr. 244 vom 07.04.2010
Drei Bundeswehrsoldaten starben und acht wurden z. T. schwer verletzt.
Statt eines Nachrufs
Von Christoph R. Hörstel
„Letztes Geleit für die gefallenen Kameraden“
Quelle: www.bundeswehr.de/Uwe Schwitt
Nun ist ja unsere deutsche Afghanistan-Berichterstattung zumeist einen nassen Furz wert, auch ist die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr selbst nicht über alle Zweifel erhaben. Deshalb gilt das Folgende in aller Vorsicht und unter der Voraussetzung: Tatsächlich wurde eine Patrouille, die Bestandteil einer größeren militärischen Operation war, beim Sprengfallen-Räumen von 200 Taliban angegriffen – ausgerechnet im Distrikt Chahar Darrah, Provinz Kundus, ausgerechnet dort, wo Oberst Klein vor rund einem halben Jahr fast 140 Zivilisten töten ließ.
Die Vorgeschichte
Der Mann (Klein – nomen est omen) wurde für sein freiwilliges Erscheinen vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages von unseren kläglichen Medienmächten stark gelobt, obwohl er einfach genau wusste, dass er für seinen Massenmord an Zivilisten auch noch einen nachträglichen Freifahrtschein in unserem hierin bejammernswerten Rechtssystem zu erwarten hat. Was erwarten wir denn? Dass die Paschtunen von Kundus sagen: ‚Schwamm drüber, das haben die Deutschen bestimmt nicht böse gemeint’?
Und was ist seitdem passiert? Wurde etwa schnell und unbürokratisch massiv entschädigt? NEIN, das BMVg führt ekelerregende bürokratische Scharmützel gegen den Opferanwalt! – wahrscheinlich mit Hilfe unserer Geheimdienste und anderer Tricks.
In Deutschland leben 100.000 Afghanen mit engen Beziehungen in die Heimat. Wie dumm muss man sein, um anzunehmen, dass Chahar Darrah und der Rest nicht erfährt, wie man hier mit dem Anwalt umgeht – und insgesamt über die Angelegenheit redet und sie behandelt?
Wie teuer sind denn jetzt diese Verluste in Chahar Darrah? Heilungskosten, Hubschrauber-Transporte, politisches Affentheater? Wäre es nicht sogar wesentlich billiger, rein finanziell (wir reden ja schon lange nicht mehr über Ethik, verstanden, jawoll) wir hätten einfach bedauert, beraten (v. a. mit betroffenen Afghanen!), bezahlt, betreut – und aus dem Fall ein humanitär-entwicklungspolitisches Leuchtturm-Projekt gemacht?
Wieso kam es überhaupt zu der jahrelangen Eskalation in Chahar Darrah? Kann es sein, dass wir Deutsche für hunderte von Millionen Euro jedes Jahr unser Verantwortungsgebiet im Nordwesten insgesamt gegen uns aufbringen – und die Nato für hunderte von Milliarden ganz Afghanistan?
Militärisches
In ein extrem gefährliches Gebiet schickt man nicht eine Patrouille, wenn man seine Soldaten nicht dringend loswerden will, sondern einzelne Spezialisten und Späher. Alles andere benötigt eine große militärische Operation. Eine solche Operation muss militärisch fachgerecht vorbereitet werden – es ist zu bezweifeln, dass dies geschah: 200 angreifende Taliban lassen sich nicht verstecken, es sei denn, Aufklärungsmittel und BND hätten rundum versagt.
Wo würden Sie denn eine militärische Sprengfalle oder Minen anbringen? Doch wahrscheinlich dort, wo man das Entschärfungsteam gut unter Feuer nehmen kann, nicht wahr? Bestimmen jetzt also die Taliban, wo wir kämpfen und krepieren? Wenn wir bei einem solchen Ausflug nach Chahar Darrah Soldaten verlieren – so ist nun mal Krieg, das lässt sich nicht vermeiden, dann sollten die zumindest nicht dort sterben, wo man vor allem dank schlechter Vorbereitung stirbt: beim Bomben-Entschärfen.
Zu Weihnachten hat die Nato noch 25 Millionen Dollar Schutzgeld an die Taliban in Südafghanistan gezahlt, damit die Feiertage nicht gestört werden. (Unnötige Warnung an die Medien: Bitte nicht berichten und schon gar nicht recherchieren!). Wieso schicken wir Deutschen zu Ostern eine Patrouille in ein Himmelfahrtskommando?
Die von Guttenberg verkündete neue militärische Vorgehensweise in Afg. ist falsch, weil sie militärisch nichts einbringt aber viel gefährdet, die (zu geringe) Erhöhung der Aufbauhilfe konterkariert, damit schon gar nicht genügend vernetzt und verzahnt (BMZ-Niebel) ist, nicht leistbare militärische Ziele angeht, ungeeignete militärische Mittel dafür einsetzt – und so garantiert alles schlimmer macht.
Die von Guttenberg verkündete neue militärische Vorgehensweise in Afg. ist dumm, weil sie die Lehren der Vergangenheit nicht beherzigt, in Teilen der neuen Strategie der neuen Nato-Führung widerspricht (Wünsche der Bevölkerung besser adressieren, Menschen gewinnen statt zwingen), Hektik verbreitet wo Ruhe benötigt wird – und eher einigen kurzsichtigen und kurzfristigen politischen Ambitionen des forschen Jung-Ministers zu dienen scheint als der Sache.
Eigentlich zuallererst: Das Militär wird meistens gerufen, wenn die Politik versagt hat. Das gilt besonders für Afghanistan, wo die Menschen extrem leidensfähig, gastfreundlich, kooperativ und geduldig sind – und wir trotzdem in fünfundzwanzig Jahren fast alles ruiniert haben, was kaputtzukriegen war.
Politisches Fazit
Müssen wir mitten in so einer völlig verfahrenen Situation einen Yuppie zum Verteidigungsminister machen, der schon als Wirtschaftsminister durch ungeeignete Vorschläge und schwaches Krisenmanagement aufgefallen ist? Haben wir auf diesem Schleudersitz jetzt ein „ewiges“ Sicherheitsrisiko (Jung, lt. Süddeutsche Zeitung) gegen ein katastrophales eingetauscht?
Wen hat dieser Personal-Missgriff als Erstes gefeuert? Neben einem fähigeren der Staatsekretäre (Wichert) den relativ verdienten General Schneiderhan, der durch jahrelanges „Mit-Bremsen“ der amerikanischen Eskalationsstrategie zumindest in NW-Afghanistan erfolgreich Einhalt geboten hat! (Nachweise zu dieser zynischen US-Strategie siehe „Sprengsatz Afghanistan“, SS. 62-92. Jeder Abgeordnete, alle wichtigeren Medien, über 100, haben das Buch in ihren Schränken – Giftschränken?)
Und musste unbedingt ein Musterknabe aus dem transatlantischen Netzwerk BMVg werden, wo doch jedem Anfänger klar ist, dass wir uns angesichts der gewaltigen und fundamentalen amerikanischen Fehlleistungen der letzten 10 Jahre auf nahezu allen Gebieten etwas mehr um eigenständige Substanz bemühen müssen, wenn wir nicht als „mitgehangen“ politischen Suizid begehen wollen?
Dürfen wir jetzt bitte schnell einen erfahrenen, sechzigjährigen Charakterkopf und „Aufräumer“ als BMVg bekommen, bevor noch viel mehr Soldaten Schaden erleiden? Von Afghanen reden wir ja nicht, verstanden, jawoll.
Und bitte nicht missverstehen: „Aufräumen“ heißt: Entweder ganz schnell die Prioritäten von militärisch auf zivil drehen – oder Sofortabzug. Und wo das wegen korrupter Politik nicht geht: wenigstens nichts schlimmer machen als unbedingt notwendig und Verluste vermeiden.
In Trauer und mit besten Wünschen und Grüßen,
Christoph R. Hörstel
Überschriften, Zwischenüberschriften und Bilder wurden von der Redaktion eingesetzt. (PK)
Online-Flyer Nr. 244 vom 07.04.2010