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Aktueller Online-Flyer vom 21. November 2024  

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Krieg und Frieden
Wir wollen Eure Kriege nicht! - Ostermarschrede in München und Nürnberg
Gerechtigkeit statt Geld für Krieg und Krise!
Von Dr. Sabine Schiffer

Im Ressort Lokales haben wir die Kölner Ostermarschrede von Klaus Schmidt (Jahrgang 1935), einem der Veteranen der Friedensbewegung wiedergegeben. Hier die Rede von Sabine Schiffer (Jahrgang 1966), Sprachwissenschaftlerin, Medienpädagogin und Gründerin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen. Vielleicht erhalten wir für die nächste NRhZ-Ausgabe auch noch eine Rede aus der dritten Generation. – Die Redaktion
In UNSEREM Namen wird Krieg geführt - aktiv in Afghanistan und beispielsweise beim Nadelöhr zum roten Meer zwischen Somalia und Jemen - passiv, indem von Stuttgart aus als logistisches Zentrum weitere Kriegseinsätze von USA und NATO koordiniert werden. Deutschland hat sich zur Kriegsdrehscheibe entwickelt. Gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung, aber auch ohne ihr vehementes Eintreten dagegen.
 
Darum wünsche ich mir mehr Unruhe, wie es die Künstlerinitiative “Unruhestiften“ fordert - wir brauchen weniger Ruhe und Hinnehmen, sondern aktives Auflehnen im Sinne von Bürgerrechten und Bürgerpflichten! Unsere demokratischen Mittel und Möglichkeiten sind hier noch lange nicht ausgeschöpft!
 
Wirtschaftsfragen dominieren die Weltkriegspolitik:
- geostrategische Interessen in Bezug auf Rohstoffquellen und Energietransportwege
- angeblich haben wir ein Recht darauf, „unsere Ressourcen zu sichern“
- der deutsche Waffenhandel floriert und sorgt für Wirtschaftswachstum.
Hier wird deutlich: Wirtschaftswachstum kann nicht wertfrei, um jeden Preis, erzeugt werden.
 
Wenn Wirtschaftswachstum ohne Ethik und nur um seiner selbst willen produziert wird,
- dann werden Israel und Saudi-Arabien weiterhin und gleichermaßen mit deutschen Massenvernichtungswaffen beliefert.
Wenn Wirtschaftswachstum ohne Verantwortung für die Natur und nur zum Erhalt eines schädlichen Wirtschaftssystems erzeugt werden muss,
- dann wird die ungerechte Weltwirtschaftsordnung weiterhin Massenarmut hervorbringen und die Folgen daraus mit Militär bekämpft werden,
- ob Flüchtlingsströme hungernder Menschen oder selbsterzeugte Piraten.
- Und dann kann die Vermischung von Militär- und Polizeiaufgaben weiter vorangetrieben werden, wie bei der sog. „Piratenbekämpfung“ vor Somalia und zur Kontrolle der eigenen Bevölkerung in Heiligendamm bereits eingeübt.
 
Darum müssen ethische und ökologische Maßstäbe Grundlage der Welternährungsfrage sein und Menschen- und Völkerrecht tatsächlich die Grundlage unseres politischen Handelns werden!
Die Erde bietet genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier!
Geben wir Geld lieber fürs Leben aus, als für Tod und Kriegswirtschaft!
Wie viel Entwicklungshilfe wäre möglich, wenn nicht täglich 1 Mrd. US-Dollar allein für den Afghanistan-Krieg ausgegeben würden!?!
Wie unnötig wären Entwicklungshilfe und Krieg, wenn Rohstoffe zum Nutzen aller Menschen normal bezahlt und sinnvoll genutzt würden?!
 
Kriegswirtschaft – Wirtschaftskrieg
 
Hingegen wird ein verlogener Wirtschaftskrieg auch gegen Deutschland geführt: Unsere Regierung befolgt Embargoforderungen etwa gegen Iran, während die US-amerikanische Wirtschaft ihren Absatz genau dorthin vervielfacht hat. Dies erinnert an die Angriffe auf deutsche Firmen im Vorfeld des Irakkrieges.
Auch diese Debatte erfordert mehr Ehrlichkeit. Und Gerechtigkeit auch für ressourcenstarke Länder, die oft zu den ärmsten und machtlosesten gehören, wenn sie nicht direkte Vasallen der Staaten sind, die mit ihrer Währung den Welthandel kontrollieren!
Und zu einer „Währung“ der pseudopolitischen Mitsprache scheint zunehmend militärische Stärke zu werden, wofür die 300.000 Bundeswehrsoldaten in internationalen Einsätzen seit 20 Jahren mahnend stehen.
Wie sparsam aber wäre der faire Handel im Gegensatz zur teuren Kriegswirtschaft mit eingebauter Kollabierautomatik?!
 
Um zu verschleiern, dass die Ursachen von Krieg und Terror in den Weltwirtschaftsstrukturen liegen, müssen Feindbilder her. Jedoch entlarvt sich der vermeintliche „Krieg gegen den Terror“ schnell, wenn man die stets wechselnden Kriegsgründe beobachtet.
In Afghanistan etwa sollten zuerst
- Osama bin Laden gefasst werden,
- dann der Drogenanbau bekämpft werden,
- schließlich Brunnenbohrungen bewacht werden,
- und nun muslimische Frauen „befreit“ und Mädchenschulen gebaut werden.
Was soll man glauben? Wie geht es den Menschen in Afghanistan wirklich? Sind von den USA gegründete Frauen-Selbsthilfeorganisationen glaubwürdige Informationsquellen für die Fortsetzung des Krieges?
 
Und was ist mit den Frauen in Brasilien? Rechtfertigen die vielen Frauenmorde die Kontrollversuche der US-Strategen von SOUTHCOM in Lateinamerika und darüber hinaus bis nach Haiti? Rücken aus „humanitären Gründen“ aktuell Menschenrechtsfragen zu Kuba ins Blickfeld? Wer sorgt dafür? Nur zufällig ein geostrategisch wichtiger Ort mit Blick auf ganz Südamerika? Schließlich hatten sich etliche südamerikanische Staaten erfolgreich gewehrt gegen die Folgen einer US-amerikanischen Wirtschaftskontrolle, wie Naomi Klein es ausführlich in ihrem Buch “Schockstrategie“ beschrieben hat.
Neben mehr Ehrlichkeit wäre also der Abzug von USA, EU & Co. in Afghanistan, Haiti und anderswo zu fordern!
„Raus aus Afghanistan!“ kann also nur unsere Minimalforderung sein - angesichts Tausender deutscher Soldaten in Einsätzen weltweit.
Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan wäre ein erstes wichtiges Signal für den Ausstieg aus der Weltkriegspolitik des 21. Jahrhunderts!
Auch mit Blick darauf, dass bisher noch alle Kriege zu uns zurückgekommen sind - die Unterdrückten werden sich wehren, wie Jean Ziegler indirekt warnt!
 
“Unsere“ Medien
 
Propaganda heißt heute PR oder (Reform-)Kommunikation
Für Propagandazwecke sind unsere Medien als Vehikel fest eingeplant - von Think Tanks, Regierungen und ihren lobbyistischen Schattenkabinetten. Gerade die Wirtschaftskrise und die der Medien kommt professionellen Einflüsterern und begriffsverwirrenden Spin-Doctoren in PR-Agenturen zu pass.
 
Mehr Bewusstsein für diese Instrumentalisierungen wäre überall wünschenswert - bei Medienmachern und uns Mediennutzern. Denn unsere Medien vermögen zu vergrößern und zu verkleinern. Sie vergrößern oder verkleinern Diktatoren, Gefahren, Lügen und Fakten und lenken unsere Aufmerksamkeit auf einige wenige und helfen dabei, die anderen - vielleicht viel relevanteren - auszublenden:
• Während von Abrüstung von Atomwaffen schwadroniert wird, sind neue in Arbeit - und nicht mehr nur die verniedlichend benannten Mininukes. Solange Abrüstungsversprechen nur zum eigenen Machterhalt gegeben werden, sind sie wertlos. Dabei ist atomare Abschreckung per se illegal, weil - wie Francis Boyle darlegt - die Androhung mit verbotenen Massenvernichtungswaffen bereits einen Rechtsbruch darstellt!
• Während undefinierte iranische Atompläne inkriminiert werden, werden Waffen mit abgereichertem Uran weiterhin eingesetzt und sowohl eigene Soldaten wie fremde Zivilisten und deren Lebensgrundlagen verseucht. Bereits 18 Regionen im Irak gelten als unbewohnbar - in Afghanistan nehmen Missbildungen zu - ein Verbrechen gegen die Menschheit!
 
“Unsere“ Medien sollen dabei helfen, von all diesen Zusammenhängen abzulenken und von vielen mehr:
• Während die Schließung Guantanamos geheißen wird, wird das Lager Baghram in Afghanistan weiter ausgebaut.
• Während der US-amerikanische 9/11 betont wird, wird der lateinamerikanische 9/11 in Chile 1973 mit einem Vielfachen mehr an Toden regelrecht versteckt.
• Während sog. „islamistischer Terror“ lupenartig vergrößert wird, wird die Mehrzahl der Terrorakte ausgeblendet – vom Staatsterror ganz zu schweigen.
• Und während Verteidigungsmythen durch selektive Terrorinszenierungen kultiviert werden, verlagern sich die geschürten Feindbilder so langsam auf die Minderheiten bei uns - heute Muslime, morgen vermutlich Asiaten. China als Konkurrent scheint schon als neuer Gegner auch am medialen Horizont auf.
Der Mehrzahl unserer Medienmacher (aber auch der Nutzer) fällt es zunehmend schwer, vorgegebene Sichtweisen zu hinterfragen:
• Während zum Beispiel Embargos diskutiert werden sollen, bleiben die Chancen von Sicherheitsgarantien etwa auch für den Iran unerwähnt. Solche Garantien würden aber radikale Kräfte schwächen und moderate stärken!
• Und während über eine Minderheit von Einwanderern mit Sprachproblemen breit diskutiert wird, werden die Flüchtlinge der Kriege vor den Toren Europas in Lagern kaserniert. Selten wird darüber berichtet und noch weniger darüber, dass die europäische Einwanderungsgesetzgebung ein umfassendes Asylrecht quasi abgeschafft hat und damit gegen das Völkerrecht verstößt, wie dies Liz Fekete in “A suitable enemy“ beschreibt. Auch die aktuellen Hungerstreiks in den verbliebenen Flüchtlingslagern in Bayern sind Ausdruck dieser menschenverachtenden Politik.
• Während also afghanische Kinder auf Inseln wie Lesbos in Lagern gehalten werden, ziehen wir angeblich um unserer Werte willen in den Krieg. Welche Werte? Wessen Werte? müssen wir uns dabei fragen!
 
Neusprech für den Krieg
 
Auch schönfärberische Sprachpflege kann uns nicht mehr täuschen: Ob „Stabilisierungseinsatz“ statt „Besatzung“, „Friedensmission“ statt Krieg oder „EU-Verteidigungsagentur“ statt „Kriegsministerium… - WIR brechen das Völkerrecht und schüren damit den Terror, den wir vorgeben zu bekämpfen. Als wäre der Terror gar als Propagandamittel mit all seinen möglichen Verlusten eingeplant.
 
Darum müssen wir dringend die tatsächliche Einhaltung von Menschen- und Völkerrecht fordern und dafür eintreten, damit nicht deren fortschreitende Entwertung durch ihre Instrumentalisierung weiter betrieben werden kann!
 
Die Ehrlichkeit beginnt bei unseren Kindern.
 
- Wer Militär in die Schulen schickt, um Kanonenfutter zu rekrutieren, sollte nicht von politischer oder gar ethischer Bildung faseln. Es gibt keinen „gerechten Krieg“! – auch nicht, wenn eine „EKD-Friedensdenkschrift“ dies nahe legen könnte.
- Wer Strategiespiele wie POL&IS oder Broschüren wie „Frieden und Sicherheit“ als Lehrmaterial für öffentliche Schulen erachtet (mehr dazu in dieser NRhZ-Ausgabe, die Red.), sollte dringend prüfen, wo derlei Propagandamaterial her kommt. Die Informationsstelle Militarisierung (IMI-online), die GEW und andere müssen dabei unterstützt werden, die Militär-Schulkooperationen in den einzelnen Bundesländern aufzudecken. Stichwort „Jugendoffiziere“.
- Auch die Ausweitung der Militärforschung an Hochschulen passt nicht zu den Schlüssen, die aus den zwei Weltkriegen gezogen wurden, wie die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten richtig feststellt. 1,1 Mrd. Euro wurden 2008 an 27 Hochschulen deutschlandweit für Militärforschung ausgegeben. Entspricht das unserem gesellschaftlichen Konsens? Oder soll dieser nachhaltig umerzogen werden? Eine Zivilklausel für Hochschulen ist möglich!
- Und wer das Verbringen der Freizeit unserer Jugendlichen mit Tötungstrainingssoftware an PC oder Play-Station verharmlost, übersieht die bildende Wirkung in dieser sensiblen Phase des Erwachsenwerdens.
Klar wird nicht jeder PC-Shooter zu einem Soldaten oder Amokläufer, aber die Akzeptanz von Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung - ja, oft als einziges - und die Abstumpfung gegenüber physischer wie psychischer Gewalt, verändert unsere Gesellschaft nachhaltig.
 
Darum fordern wir:
 
- Schluss mit der Werbung für Krieg und Tod!
- Rückkehr zu den Werten der Aufklärung, des echten Humanismus und des Völkerrechts!
- Wir fordern echten Schutz und eine realistische Zukunft für die nächste Generation, die einem enormen Sog in Richtung Gewaltverharmlosung ausgesetzt ist!
Dazu unterstützen wir die Medien und Aufrechten, die diese Machenschaften aufdecken und die Kriegslügen entlarven!
Dazu verbünden wir uns mit den Friedenskräften weltweit - und zwar den ehrlichen. Das sind nicht immer die, die das Wort „Frieden“ im Namen tragen, wie die sog. „Scholars for Peace in the Middle East“ oder die sog. “Bürgerbewegungen Pax Europa“, sondern Gruppen, die das Völkerrecht zur Grundlage ihrer Arbeit machen und nicht nur das humanitäre Völkerrecht. Und die Menschenrechte als allgemeingültig anerkennen und nicht nur selektiv zugunsten der vermeintlich „zivilisatorisch höher stehenden“.
Denn ohne Gleichwertigkeit und Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben. Deswegen brauchen wir auch keine „friedenssichernden Maßnahmen“, weil es den Frieden ja noch gar nicht gibt. Den wird es nur für alle oder für niemanden geben!
Und es gibt genügend Kräfte, die das erkannt haben und sich dafür einsetzen. Das sind unsere Partner - weltweit!
In diesem Sinne wünsche ich uns ein besinnliches Oster- und Pessahfest! (PK)


Online-Flyer Nr. 244  vom 07.04.2010



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