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Inland
Wir zahlen nicht an Griechenland, sondern an die Großbanken
Karten auf den Tisch!
Von Hans Fricke
Online-Flyer Nr. 247 vom 02.05.2010
Wir zahlen nicht an Griechenland, sondern an die Großbanken
Karten auf den Tisch!
Von Hans Fricke
Schon am 2. Februar gab der "Chefvolkswirt" der Deutschen Bank, Thomas Mayer, dem Manager Magazin ein Interview, in dem er vorwegnahm, was die Abgeordneten im Bundestag nun angewiesen sind, umzusetzen. Zuerst versuchte die Bundeskanzlerin, sich vor der Wahl in NRW am 9. Mai wegzuducken und jeder verbindlichen Aussage auszuweichen. Nun soll das "Gesetz zum Erhalt der Stabilität der Währungsunion", welches für unser Land einen erheblichen finanziellen Aderlass vorsieht, noch vor der NRW-Wahl im Bundestag und Bundesrat durchgepeitscht werden, weil die Bundesregierung bezweifelt, ob sie nach der NRW-Wahl weiterhin über eine Mehrheit im Bundesrat verfügen wird.
Seit Monaten versuchte die Bundesregierung, die Vorgabe der Deutschen Bank nach Einrichtung eines "Europäischen Währungsfonds" (EWF) - diese Tarnung der Banken für die Übernahme ganzer Staaten - durchzusetzen, bisher jedoch ohne Erfolg. Noch gab es zu wenig Gefahren und Bedrohungen, mit denen man die Bürger ausreichend ängstigen konnte. Das hinderte allerdings Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) nicht daran, sich mit folgenden Worten zum Sprachrohr der alten Forderung der Deutschen Bank zu machen: "Eine solche Einrichtung muss zwingend auch über erforderliche Rettungshilfen für Notfälle verfügen. Denn das Hin und Her vom 'Non' zum 'Qui' sowie das wahlkampftaktisch motivierte Pokern der Bundesregierung macht unausweichliche Rettungslösungen nur teurer und äußerst riskant.(...) Manöver wie jene der Bundesregierung, die letztlich die Zukunft der Währungsunion bedrohen und europaweit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler belasten, müssen mit klugen Regeln und einer Weiterentwicklung der europäischen Institutionen künftig verhindert werden."
Noch am 29. April hatte Frank-Walter Steinmeier (SPD) vollmundig erklärt: "Es wird keine Zustimmung der SPD zu einem Gesetz geben, wenn private Banken nicht ebenfalls zur Hilfe herangezogen werden." Und Grünen-Fraktionschefin Renate Künast wollte die Vorstände aller Banken, die am griechischen Desaster verdient haben, "zum Rapport" im Kanzleramt antanzen sehen. Selbst der Haushaltsexperte der Union, Norbert Barthle, meinte: "Ohne Beteiligung der privaten Gläubiger sei eine Mehrheit in seiner Fraktion ungewiss, und der FDP-Mann Volker Wissing warnte davor, Spekulanten auch noch zu belohnen.
Wie schamlos Parlamentarier aller "etablierten" Parteien die Öffentlichkeit belügen, wurde deutlich, als es danach hieß, die Bundesregierung lehne ungeachtet entsprechender Forderungen aus allen Fraktionen eine Beteiligung von Banken an den Griechenland-Hilfen ab, und sowohl Steinmeier als auch Trittin mit ihren Hofparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen der CDU noch schnell rechtzeitig zu Hilfe kamen:
Angesichts des Ernstes der Lage solle ein Streit um das Verfahren vermieden werden. Die Regierung sei bei diesem wichtigen Thema zu spät gestartet und habe wertvolle Zeit verloren, sagte Steinmeier, während Trittin ankündigte: "Wir sind bereit, eine Entscheidung des Deutschen Bundestages bis zum 7. Mai zu ermöglichen und werden keine Einwände gegen ein verkürztes Verfahren erheben. (...) Weiteres Warten können wir uns nicht leisten." Mit ihrer Zustimmung zur Sondersitzung des Bundestages am 3.Mai und zum irregulären verkürzten Gesetzgebungsverfahren gaben sie den Weg frei zum Durchpeitschen des neuen Aderlasses in Form der Wiederholung des Staatsstreiches vom 17. Oktober 2008 noch vor den Landtagswahlen in NRW.
Erinnern wir uns gerade heute an die damals ebenfalls im Blitztempo beschlossene Errichtung der Ermächtigungsbehörde SoFFin (Sonderfond Finanzmarktstabilisierung), der die Kontrolle über 480 Milliarden Euro übertragen wurde. Entworfen wurde das "Finanzmarktstabilisierungsgesetz" durch genau die Banker, die seine Nutznießer sind. Geplant und durchgepeitscht wurde es innerhalb eines einzigen Monats in Geheimtreffen mit der CDU/CSU-SPD-Regierung im Herbst 2008, unmittelbar nach dem 700 Milliarden Dollar-Bankentribut ("Bail Out") der Bush-Regierung. Der Bundestag gab damals durch eigenen Beschluss jede Kontrolle über diese unfassbare Summe Steuergelder ab. Denn dieses "Finanzmarktstabilisierungsgesetz" konnte nur deshalb in einem irregulären Gesetzgebungsverfahren durch Bundestag und Bundesrat getrieben werden, weil die Parteien diesen Staatsstreich (andere nennen es Hochverrat) durch eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages erst möglich gemacht hatten.
Wesentlicher Bestandteil der systematischen Desinformation unserer Bevölkerung über die Griechenlandkrise ist das bewusste Verschweigen wichtiger Ursachen des Dilemmas. Christiane Reymann und Wolfgang Gehrke erklärten dazu in Wolfgangs Blog: "Griechenlands Notlage sei verursacht durch Schlendrian, hellenistische Lebenslust, mediterrane Dekadenz, Faulheit (...) soll uns weisgemacht werden. Alles Unsinn. Griechenland wurde traditionell ausgeplündert, noch verschärft im neoliberalen Kapitalismus. Zudem musste Griechenland einen hohen Preis dafür zahlen, dass es im vergangenen Jahrhundert Bollwerk des Westens gegen den Osten war, nicht zuletzt in der blutigen Militär- und Folterdiktatur, 1967 mit Hilfe der NATO an die Macht geputscht, um eine mögliche Machtübernahme von Linkskräften einschließlich Kommunisten im Keim zu ersticken. Bis 1974 haben die Obristen das Volk nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch geknechtet. In kaum einem Land der Europäischen Union ist die Klassenspaltung so tief wie in Griechenland. Eine Handvoll Familien, Reeder und Finanzkapitalisten besitzen fast 90 Prozent des Reichtums und zahlt kaum Steuern. Mit dem Rest, der übrig bleibt, ist kein Staat zu machen. Und das Fünftel der Bevölkerung, das unterhalb der Armutsgrenze lebt, ist sicher nicht in diese beklagenswerte Lage gekommen, weil es 'getrickst, getäuscht und geprasst' hat."
Griechenlands Staatsschulden belaufen sich derzeit auf 112,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das nur 244 Milliarden Euro beträgt. Mit 88 Prozent seines BIP ist der griechische Staat bei ausländischen Banken verschuldet. Seine Gläubiger sind - in dieser Reihenfolge - Schweizer Banken, französische und deutsche; allein bei der Deutschen Bank steht der griechische Staat mit 47 Milliarden Euro in der Kreide.
Griechenland braucht dringend Geld, um seine Schulden zu refinanzieren. Kredite kosten Athen derzeit aber weit über sechs Prozent Zinsen plus 3,75 Prozent "Risikozuschlag", macht mindestens zehn Prozent, während der Leitzins der Europäischen Zentralbank bei ein (!) Prozent liegt. Deshalb fordert DIE LINKE, dass die Europäische Zentralbank und einzelne europäische Staaten als Soforthilfe griechische Staatsanleihen kaufen, um dem Land im Würgegriff der Banken eine Atempause zu verschaffen.
Bis Ende 2012 braucht Griechenland Kredite von mindestens 120 Milliarden Euro. "Geld gibt es prinzipiell aus zwei Richtungen", erinnert Jürgen Elsässer. "Entweder von uns Steuerzahlern, das ist das Hilfspaket von Europäischer Union/Internationaler Währungsfonds, das Mutti Angie abgenickt hat. Oder, indem die Banken großteils auf ihre Forderungen gegenüber Griechenland verzichten - im Fachausdruck 'Umschuldung' genannt. Sensationeller Weise forderte die FAZ auf Seite 1 am Montag genau das. Dies beweist, wie tief die Widersprüche in der politischen Klasse geworden sind."
Vor diesem Hintergrund und angesichts der von der Deutschen Bank trotz Krise erzielten Traumgewinne mutet es erbärmlich an, wenn verlautet, die deutschen Banken seien offenbar bereit, sich freiwillig mit ein bis zwei Milliarden Euro am Hilfspaket für Griechenland zu beteiligen. Von dem genannten griechischen Finanzbedarf müssten wir Deutschen mindestens 25 Milliarden Euro bezahlen - nicht an Griechenland, an die Banken! Es gibt bereits sarkastische Empfehlungen, das Geld des deutschen Steuerzahlers der Einfachheit halber direkt an die Bankenund ihre darbenden Aktionäre zu zahlen. Dass im Entwurf des "Gesetzes zum Erhalt der Stabilität der Währungsunion" die Belastungen für Deutschland in den Jahren 2011 und 2012 nicht erwähnt werden, sondern lediglich die Zurverfügungstellung von Krediten im ersten Jahr von bis zu 8,4 Milliarden beschlossen werden soll, hängt offenbar damit zusammen, dass die Bundesregierung vor der NRW-Wahl nicht mit hohen Summen hantieren will, deren Größenordnungen noch unklar sind. Nach einer SPIEGEL-Information rechnet der Internationale Währungsfond damit, dass die Sanierung Griechenlands bis zu zehn Jahre dauern wird.
Erinnern wir uns: Es ist noch keine zehn Jahre her, da war Argentinien in einer ähnlichen Situation wie Griechenland heute. Das Land verfehlte die mit dem IWF vereinbarten Ziele und wurde trotz mehrerer geschnürter Hilfspakete, die alle an harte Auflagen geknüpft waren, am Ende doch zahlungsunfähig. Der Vertrauensverlust der Bevölkerung führte zu einem Ansturm auf die Banken. Im Dezember 2001 kam es zu schweren Unruhen. Aus der Finanzkrise wurde eine Regierungskrise. Innerhalb von zwei Wochen hatte das Land fünf verschiedene Präsidenten. Tausende Menschen gingen auf die Straßen, Supermärkte und Geschäfte wurden geplündert. Insgesamt starben bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen 28 Menschen. Die Regierung rief schließlich den Notstand aus. Argentinien, das inzwischen Schulden von rund 100 Milliarden Dollar angehäuft hatte, erklärte offiziell den Staatsbankrott. Auch die griechische Bevölkerung wird sich gegen eine verordnete weitere Verelendung wehren. Die bisher bekannt gewordenen Grundrisse der "Liste der Grausamkeiten" hatten bereits am 1. Mai Demonstrationen in Athen, Thessaloniki und anderen Städten zur Folge, bei denen es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Griechenland hat starke Gewerkschaften, gegen die auch eine sozialdemokratische Regierung auf Dauer nicht handeln kann. Innere Unruhen und eine Destabilisierung des griechischen Staates sind deshalb nicht auszuschließen.
Es wäre falsch, die Griechenland-Krise nur dem Casino-Finanzkapitalismus anzulasten. Auch die transatlantische Rivalität dürfte dabei eine Rolle spielen. Wir erleben eine Krise des kapitalistischen Systems, die durch die undurchdachte Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung noch verschlimmert wird. Man kann für einen Wirtschaftsraum nicht nur eine einheitliche Währung einführen, ansonsten aber die Fiskal-, Steuer- und vor allem die Lohnpolitik in alle Richtungen laufen lassen. Das konnte nicht funktionieren.
Otto Meyer sagt dazu in "Ossietzky", Heft 9-2010, unter der Überschrift "Griechenland-Krise als Lehrstück": "Am Desaster Griechenland kann man studieren, wohin es führt, wenn Produktivitätsgewinne nicht zur Sicherstellung der Lohneinkommen aller am Arbeitsergebnis Beteiligten und zur Verbesserung der Lebensverhältnisse insgesamt verwendet, sondern einseitig von den Unternehmern verbucht werden, die sie vorwiegend dazu nutzen, zusätzliche Konkurrenzvorteile zu erringen. Solange sich neue Marktanteile, sei es in Europa oder global, erobern lassen, können zumindest Arbeitsplätze im eigenen Land sämtlich oder größtenteils erhalten werden - das war die Prämie, mit der Gewerkschaften und Sozialdemokraten sich in Strategien des Standortwettbewerbs einbinden ließen und sogar Reallohnsenkungen zustimmten. Dass sich dadurch im Nachbarland oder weltweit die Einkommens- und Lebensverhältnisse weiter verschlechtern müssen, wird ausgeblendet oder billigend in Kauf genommen (...) Den Aufkauf relevanter Wirtschaftsteile im Ausland durch deutsches Kapital haben also letztlich die braven deutschen Arbeiter mit ihrer jahrelangen Lohnzurückhaltung bezahlt. Doch wenn dem in die Pleite konkurrierten Griechenland erlaubt würde, seinen Schuldverpflichtungen nicht mehr in Gänze nachzukommen, könnte es auch für die deutschen Kapitalbesitzer und -verleiher eng werden. Am Ende hätte es sich nicht gelohnt, auf Globalisierung und Exportoffensive zu setzen. Die vorläufig in andere Länder ausgelagerte große Kapitalkrise könnte zurückschlagen. Es ist keinesfalls sicher, ob Bundesklanzlerin Merkels Neujahrswunsch von 2009, 'wir Deutschen' wollen 'stärker aus der weltweiten Finanzkrise herausgehen, als wir hineingekommen sind', in Erfüllung geht."
Der als Kritiker der europäischen Integrationspolitik und des Lissabon-Vertrages bekannte tschechische Präsident Vaclav Klaus erklärte, es fehle der Währungsunion an den notwendigen ökonomischen und politischen Voraussetzungen und deshalb halte er die europäische Wahrungsunion für gescheitert. Der Euro habe seine Versprechen nicht gehalten, sagte Klaus in einem Gespräch mit der FAZ am 27.April 2010. "Bezüglich des Wirtschaftswachstums und der ökonomischen Stabilität ist die Euro-Zone schon seit langem gescheitert." Angesichts der hohen politischen Investitionen in die Währungsunion würden die europäischen Politiker das formale Scheitern der Währungsunion aber nicht zulassen. Die Kosten dafür würden allerdings "sehr hoch sein". Klaus bezweifelt auch, dass der Internationale Währungsfonds zur Lösung der Krise herangezogen werden darf. Seiner Bestimmung gemäß dürfe er nur bei Zahlungsbilanzdefiziten und unerwarteten Kursschwankungen intervenieren. Die wirkliche Ursache der Griechenland-Krise sieht Klaus nicht in der Wirtschaftspolitik Athens. Es ist "der Euro, der die Tragödie bewirkt". Ohne ihn könnte Griechenland die Krise mit einer Abwertung seiner Währung um etwa 40 Prozent bewältigen. Das sei aber nicht mehr möglich. "Dann gibt es nur noch eine Lösung, nämlich den Transfer von Steuergeldern aus anderen Ländern der Währungsunion." Dagegen aber "muss es Widerstand geben". "Warum sollten die deutschen Steuerzahler Griechenland subventionieren?", fragt Klaus, womit er sich in voller Übereinstimmung mit der Auffassung einer übergroßen Mehrheit der Bundesbürger befindet. Klaus äußerte auch seine Befürchtung, dass die griechische Krise von Brüssel dazu missbraucht werde, seine supranationale Kontrolle über die Euro-Länder zu festigen. Reale Befürchtungen, die durch die europapolitische Grundsatzrede des deutschen Außenministers Guido Westerwelle am 27. April erhärtet werden. Westerwelle hatte sich gegen "Denkverbote" darüber ausgesprochen, ob eine Regierung ihren Etat künftig nicht "zuerst der Eurogruppe" vorzulegen habe "und erst dann dem nationalen Parlament". Auch der am 1. Mai von Angela Merkel geforderte zeitweise Entzug des Stimmrechts für Staaten, die gegen die Defizitgrenze der EU verstoßen, zielt in diese Richtung.
"Mit dem Euro steht allerdings ein Instrument zur Debatte", meinte german-foreign-policy.com am 29. April, "das eine wichtige Bedeutung für die deutschen Weltmachtpläne besitzt: Die europäische Währung ist als Konkurrentin zum US-Dollar konzipiert und soll Deutschland und der EU helfen, mit den Vereinigten Staaten zu rivalisieren. Zusätzlich gilt der Euro in Berlin als Mittel, um eine innere Einheit Europas zu befördern, die für eine schlagkräftige europäische Weltmachtpolitik nützlich ist. Wie der deutsche Außenminister in besagter europapolitischer Grundsatzrede bestätigte, will Berlin diese 'innere Einheit' außerdem durch eine gemeinsame Militärpolitik erreichen. 'In Zukunft werden wir vor Herausforderungen stehen, von denen wir heute noch gar nichts ahnen’, orakelte Westerwelle unbestimmt und forderte: 'Auch darauf müssen wir uns vorbereiten.’ Das 'langfristige Ziel der Bundesregierung' sei dabei ' der Aufbau einer europäischen Armee', die 'Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik' könne 'ein Motor für das weitere Zusammenwachsen Europas werden'. Nach ähnlichem Muster ist das Deutsche Reich 1871 im Krieg gegen Frankreich entstanden; entsprechend hoch war die Bedeutung, die das Militär im Reich besaß."
Während über Rettungsmaßnahmen für Griechenland noch beraten wird, schießen sich die Märkte bereits auf die Hinrichtung weiterer Geiseln ein: Portugal, Spanien und Italien. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die nächsten großen Wellen bereits im Anrollen sind. Daran ändert Angela Merkels Zweckoptimismus, Portugal, Spanien und Irland würden deutlich besser dastehen als Griechenland ebenso wenig wie ihr untauglicher Beruhigungsversuch, für die deutschen Steuerzahler würden keine unmittelbaren Risiken entstehen. Eine Kettenreaktion droht - kollabiert Griechenland, wären auch andere EU-Staaten von einem Staatsbankrott bedroht. Diese sehen sich einerseits Angriffen von Spekulanten ausgesetzt und andererseits wirken die natürlichen Marktkräfte. Es stellt sich die Frage, wie lange das fragile Finanzsystem dies noch aushält. Professor Sinn meinte zu Recht: "Dass die Spanier und die Italiener jetzt darauf drängen, dass wir ohne Bedingungen schnell zahlen, ist verständlich, denn Griechenland ist der Präzedenzfall, der dann auch für sie relevant wäre."
Die Rosskur, die Griechenland von EU und IWF zur Genesung seiner Wirtschaft verschrieben wird, gleicht der, die bereits vor zwei Jahren Lettland aufgezwungen wurde. Folgen: Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts um fast ein Viertel, Arbeitslosigkeit auf über 25 Prozent gestiegen, geschlossene Schulen und Krankenhäuser, radikal gekürzte Renten, Löhne, Gehälter und Kindergeld. Und dennoch ist das Budgetdefizit hoch geblieben und keine Besserung in Sicht. Diese beschämende Massenverelendung ist nun offenbar auch Griechenland zugedacht. Mit den auf diesem Wege "eingesparten" Mitteln sollen den internationalen Banken, darunter Heuschrecke Ackermanns Deutscher Bank, die Schulden zurückgezahlt werden, die die griechische Bourgeoisie "im Namen des Volkes" gemacht hatte. Dabei geht es auch um die Bezahlung jener Aufträge, die die konservativen Vorgänger der jetzigen griechischen Regierung für den Ankauf deutscher Schützenpanzer bei Krauss Maffei in Kassel sowie für U-Boote an die HDW-Werft in Kiel erteilt hatten. Die jetzt regierenden Sozialdemokraten versuchen, einen Stopp auszuhandeln - bisher vergeblich.
Rainer Rupp erklärt dazu in junge Welt vom 30.April 2010: "Die Regierung Merkel engagiert sich nun plötzlich für die Rettung Griechenlands und des Euros. Finanzminister Schäuble drängt scheinbar zur Eile, weil sonst angeblich erneut ein Finanzdesaster wie nach der Pleite der US-Investmentbank Lehmann Brothers droht. Doch es sind nicht die griechischen Malocher und ihre Familien, denen mit den Milliarden deutscher Steuerzahler geholfen werden soll. Nein, das Herz der Kanzlerin schlägt für die wahren Opfer der Griechenland-Krise - unsere Großbanken und ihre Aktionäre." Die gleichen Banken, die mit hunderten Milliarden Euro Steuergeldern vor ihrer verdienten Pleite gerettet wurden und die nun gemeinsam mit US-amerikanischen Großbanken auf die Zahlungsunfähigkeit der Länder spekulieren, die bereits auf der schiefen Ebene in Richtung Griechenland unterwegs sind und dadurch die Zinsen für neue Staatsanleihen in ruinöse Höhen treiben. Weitere Länder werden Griechenland folgen, solange bis auch das ohnehin hoch verschuldete Deutschland finanziell ausgeblutet und handlungsunfähig sein wird, sich den Banken und ihren ausführenden Brüssler Räten bedingungslos unterwirft. Selbst in tonangebenden Kreisen der deutschen Wirtschaft heißt es mittlerweile, man habe von Anfang an gewusst, dass die Währungsunion wegen der Disparitäten in der Euro-Zone "ein Wagnis" sei. Ein Scheitern des Euro sei nicht länger auszuschließen.
Für die deutschen Stammtische ist es aber ungeachtet dieser Zusammenhänge dank der bürgerlichen Journaille dennoch klar: Schuld an der Krise sind die faulen Griechen. "Wir Fleißigen zahlen nicht für eure Faulheit, euer Wohlleben, für euren Schlendrian!" Das sind die Parolen, die Westerwelle und seine Partei auch gegen Hartz IV-Opfer hierzulande gebrauchen. Gegen diese ekelhafte Hetze, dieses organisierte Kesseltreiben tut Solidarität mit den griechischen Opfern neoliberaler Politik Not. Aufgabe von "BILD" und anderen Gazetten ist es, zu verhindern, dass die Lohnabhängigen in unserem Land, die nach dem Willen der Bundesregierung die Zeche für die Bankster und Spekulanten zahlen sollen, Gemeinsamkeiten mit ihren griechischen Kollegen entdecken und nach den Worten von Reiner Rupp "womöglich tatsächlich feststellen, dass wir alle Griechen sind".
Während der tschechische Präsident einer direkten Antwort der FAZ, ob er den Euro abschaffen würde, aus dem Wege ging, indem er sagte, Tschechien sei ja kein Mitglied der Euro-Zone, meint die Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) : Raus aus dem Euro, raus aus Maastricht und dem Lissabon-Vertrag. Niemand braucht diktatorische Eurokraten. Eine konstruktive Zusammenarbeit souveräner Nationen kann viel besser als eine supranationale Bürokratie funktionieren. Eine Auffassung, der sich aufgrund drohender Staatsbankrotte von EU-Ländern zunehmender Unsicherheiten des Euro, einer unerträglichen Brüsseler Bürokratie auf nahezu allen Gebieten des Lebens und der Abwälzung der Folgen der Krise auf die Lohnabhängigen bei gleichzeitiger Belohnung ihrer Verursacher offensichtlich immer mehr Bundesbürger anschließen. (PK)
Hans Fricke ist Autor des zur diesjährigen Leipziger Buchmesse im GNN-Verlag Schkeuditz erschienenen Buches "Eine feine Gesellschaft" - Jubiläumsjahre und ihre Tücken, 250 Seiten, Preis 15.00 Euro, ISBN 978-3-89819-341-2
Online-Flyer Nr. 247 vom 02.05.2010